Ich bin gar kein Pazifist. Ich sehe nur seit Anbeginn keine militärische Lösung des Konflikts. D.h. nicht, dass man nicht unterstützen sollte. Aber es ist eben keine Lösung, und die fehlt mir auch gänzlich, auf allen Seiten.
Was mich aber auf die Palme bringt ist eben das Getöse von Politikern, die der Rüstungsindustrie wohlwollend zur Seite stehen (vorsichtig ausgedrückt), dass man „nur“ Waffengattung XYZ liefern soll, dann würde die Ukraine gewinnen. So geschehen bei den Kampfpanzern. Wenn Du das vergessen hast, geh auf Youtube und schau dir beliebige Talkschows mit Frau Strack-Zimmermann an.
Das ist wenig hilfreich, denn es gibt leider auch keine nicht-militärische Lösung. Es gibt keine Deeskalation. Niemand will Krieg, aber es ist nun einmal Russland, welches alleine entscheidet, ob es diesen Krieg fortführt oder nicht. Und wenn wir der Ukraine keine Waffen liefern, hat Russland keinen Grund, den Krieg nicht fortzuführen.
Was mich an der von dir vertretenen Position stört, ist das, was die Vertreter dieser Position nicht sagen. Nämlich was die Konsequenz ist, wenn man der Ukraine keine Waffen liefert. Diese „eine militärische Lösung ist nicht möglich, daher sollten wir keine Waffen liefern“ heißt nichts anderes wie „die Ukraine soll einfach bedingungslos Kapitulieren, vielleicht wird der darauf folgende Genozid ja nur ein kultureller…“. Auszusprechen traut sich das keiner von denen, die gegen Waffenlieferungen sind, aber das wäre ohne jeden Zweifel die Konsequenz.
Wie immer in der Politik muss die Politik ihre Entscheidungen der Bevölkerung gegenüber vertreten.
Desto mehr Widerstand gegen Waffenlieferungen es gibt, desto eher werden Politiker sinnlose Heilsversprechungen diesbezüglich machen. Das ist nicht toll, ist aber kein inhärentes Problem von Waffenlieferungen, sondern ein allgemeines Problem der politischen Kultur. So lange der Wähler nicht den schmerzhaft ehrlichen Politiker wählt, sondern denjenigen, der die besten Versprechungen macht und das beste Verkaufstalent hat, wird das auch so bleiben…
Und wenn wir schon persönlich werden: Das stört mich an Deiner Position. Die ist immer Schwarz-Weiss. Wer gegen Waffenlieferung ist dafür, dass Russland die Ukraine übernimmt. So kommen wir nicht weiter, bzw die Spirale geht weiter.
Ich halte das Vorgehen für falsch bzw ohne Ziel. Alle paar Monate die nächste noch größere Waffengattung zu fordern und dann zu liefern, die dann aber dem Ziel (welches auch immer das sein soll) nicht näher kommt.
Das Ziel ist es, dauerhaften russischen Landgewinn zu verhindern. Solange Russland nicht bereit ist sich freiwillig zurückzuziehen, kann das nur durch Zwang erreicht werden. Wirtschaftlicher und diplomatischer Zwang wird bereits ausgeübt, hat aber Grenzen da es hierzu keinen völligen Konsens in der internationalen Staatengemeinschaft gibt (insbesondere mit Blick auf China). Entsprechend bleibt nur noch militärischer Zwang.
Bevor man über Vorgehen spricht, was ist das komkrete Ziel des Westens? Das Russland nicht gewinnt? Bissl vage, was bedeutet das?
Das die Ukraine sich erfolgreich verteidigt? Was bedeutet das? Erhalt des Status Quo? Rückeroberung des Donbass? Auch der Krim?
Wenn Letzeres, warum stellt man der Ukraine dann nicht konsequent alles an Material zur Verfügung, das es dazu benötigt?
Aus Rücksicht auf Russland, damit der Konflikt nicht eskaliert? Halte ich für naiv.
Putin wird nicht „mal eben“ Atomwaffen einsetzen, wäre für ihn militärisch wie politisch das Ende. Zudem deutet er das dauernde Zögern des Westens eher als Schwäche denn als Umsicht.
Vielleicht sehe ich das zu radikal, aber wenn man bedroht wird, sollte die Verteidigung bzw Gegenangriffe im ersten Ansatz so durchschlagend sein, das der Gegner sofort die Motivation verliert. Wenn man als Westen dazu nicht bereit ist, sollte man das zumindest so klar äußern, auch der Ukraine gegenüber.
Sonst hätte man 2022 bei den 5000 Helmen bleiben sollen und der Ukraine viel Glück wünschen. Ich bin (als ehemaliger Soldat) kein Befürworter von Krieg, aber dieses Hinauszögern und Verlängern des Krieges mit Waffen-Häppchen kostet mehr Menschenleben und spielt eher Putin in die Karten. Das deutet eher auf ein Konjunkturprogramm für die Rüstungsindustrie hin.
Ich hätte das nie so ausgedrückt und bezweifle auch, dass irgendjemand das so gesagt hat.
„Um überhaupt gewinnen zu können, braucht die Ukraine moderne Kampfpanzer.“ Ist nicht gleichbedeutend mit „Wenn wir 70 Leopard2 schicken, dann hat die Ukraine mit Sicherheit in Kürze gewonnen!“
Bis auf den Kanzler ist wahrscheinlich auch kaum jemand zufrieden mit dem was wir in welchem Umfang zu welchem Zeitpunkt geliefert haben. Hat der inzwischen ausgesprochen, dass er will, dass Russland verliert?
Hätte man F16 vor 18 Monaten zugesagt und geschickt, dann würde der eine oder andere Russische Bomber heute nacht kein Getreidesilo oder andere zivile Infrastruktur bombardieren. Wär der Krieg vorbei? Vielleicht nicht. Sicher ist, mit zögerlichen Lieferungen hat man ihn nicht beendet.
Man sollte die Eskalationspotentiale nicht auf einen Atomwaffeneinsatz begrenzen. Eine globale, konventionell heiße oder kalte, Eskalation wäre ähnlich verheerend (z.B. „der Westen“ gegen BRICS). (Siehe die Eskalation vom Serbienfeldzug 1914 hin zum ersten Weltkrieg.)
Was bedeutet das aber für den Ukraine Krieg? Weiter auf kleiner Flamme lange köcheln lassen?
Wenn Putin mal innenpolitisch wirklich unter Druck steht, ist ohnehin nichts ausgeschlossen. Befürchte ich.
Frau Strack-Zimmermann habe behauptet, nur mit der Lieferung von ein paar Kampfpanzern könne man dafür sorgen, dass die Ukraine den Krieg gewinne? Das habe ich auch nicht annähernd so im Gedächtnis (und bei anderen Experten ganz anders), und halte es für eine Behauptung, die mit einem konkreten Zitat belegt werden sollte (z. B. Link und Zeitangabe).
Mein Punkt ist, dass für diese Frage nicht (nur) die Reaktion Russlands relevant ist, sondern beispielsweise die Reaktion Chinas. Falls China sich dazu genötigt fühlt, sich offen auf die Seite Russlands zu stellen, Russland mit Waffen zu beliefern und die westlichen Sanktionen zu ignorieren, dann wird aus dem Abnutzungskrieg zwischen Russland und der Ukraine ein Stellvertreterkrieg zwischen China (oder der SCO?) und der NATO.
Was bedeutet das für den Ukraine Krieg? Ich weiß es nicht. Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich, dass das ukrainische Militär 2024 die dann noch stärker ausgebauten russischen Verteidigungslinien durchbrechen wird – egal welche weiteren Waffen ihr zur Verfügung gestellt werden. Dafür müsste die NATO außerdem Soldaten bereitstellen. Das passiert hoffentlich nicht, siehe oben. Es wird also eine nicht-militärische Lösung geben müssen (außer Russland gewinnt militärisch).
Ich teile diese Aussage in ihrer Allgemeinheit nicht. Es handelt sich hierbei um einen Ansatz, bei dem man mit dem Kopf durch die Wand will. Dies kann zwar versucht werden, aber es besteht die Möglichkeit, dass die Wand stärker ist.
Meiner Meinung nach ist ein asymmetrischer Ansatz besser. Ich hatte mich 2022 zum Beispiel stets dafür ausgesprochen, zu analysieren, welche globalen Druckpunkte Russland hat. Es gibt beispielsweise einige Regionen in der Welt, in denen Russland und der Westen seit Jahren im (kalten) Konflikt stehen und über Stellvertreter um Einfluss kämpfen, wie zum Beispiel in Mali oder Syrien.
Ich würde gerne wissen, ob überhaupt in Erwägung gezogen wurde, das Angebot zu machen, die Unterstützung einiger Gegner Russlands einzustellen, sofern Russland sich auf die Grenzen von Ende 2021 zurückzieht.
Dann hätte man Zeit gehabt, sich für die nächsten Konflikte zu rüsten, die NATO-Ostflanke zu verstärken und dann sukzessive wieder Druck auf Russland und seine Freunde aufzubauen.
Allerdings hat sich dieses Fenster geschlossen. Die Verluste auf russischer Seite waren zu groß und Russland hat gesehen, dass es auch dem Westen gut schaden kann, wirtschaftlich, aber auch politisch. So stehen heute viele Staaten, vor allem in Afrika, dem Westen noch kritischer gegenüber als zuvor, erklärte kürzlich ein Professor für Politikwissenschaften aus Johannisburg in den Tagesthemen (tagesthemen 22:30 Uhr | ARD Mediathek).
Ohne vorzeigbare Erfolge in der Ukraine oder einen überraschenden eigenen Zusammenbruch wird sich Russland nicht mehr auf Verhandlungen einlassen. Dafür ist die russische Position (meiner Laien-Einschätzung nach) aktuell nicht geschwächt genug.
Wieso kann es nur eine militärische Lösung geben, wenn Russland gewinnt? Wegen der völlig hypothetischen Möglichkeiten, dass China anfängt Waffen zu liefern?
Er kommt auch zu dem Schluss, daß die Ukraine durch die häppchenweisen Waffenlieferungen nie alles nötigen Kräfte für erfolgreiche Operationen zur Verfügung hat, daher nur langsam vorankommt und den Russen so immer Zeit gibt, sich zu organisieren und auf neue Bedrohungen einzustellen.
Der Punkt ist, dass die Ukraine wohl nicht militärisch gewinnen wird. Oberst Reisner hat das im aktuellen Streitkräfte-und-Strategien-Podcast so auf den Punkt gebracht: „Wir sind also Opfer unserer eigenen Propaganda. Ich sage das, jetzt einfach so wie es ist. Ich denke, es ist notwendig, hier objektiv und neutral die Dinge an den Tag zu legen.“
Ein erreichbar erscheinendes militärisches Ziel liegt hingegen darin, einen militärischen Sieg Russlands zu verhindern. Genau das ist anscheinend die Strategie der USA („boiling the frog“) und möglicherweise hatte auch Olaf Scholz von Anfang an diese Umstände im Blick.