Das ist überspitzt, aber ich würde gerne erläutern, wie ich dazu komme, wobei das eigentlich gar nicht kompliziert zu erläutern ist: Wir haben viel zu viele, viel zu große Themen vor der Brust. Wir müssten unglaublich viele Dinge ändern, um die alle gleichzeitig zu schaffen, deshalb stellt sich die Frage, ob wir priorisieren sollten und Themen tatsächlich erstmal ganz hinten anstellen.
Die Beschäftigung mit dem Interview von Frau Major hat mich da nochmal sehr nachdenklich gemacht.
Nehmen wir mal an, es bestünde Einigkeit, dass Europa sich militärisch neu aufstellen muss. Dass wir Rüstungsindustrie aufbauen müssen und aufrüsten müssen. Das geht doch nie und nimmer gleichzeitig mit einer grünen Transformation unserer Wirtschaft.
Es geht auch nicht, solange sich Europa nicht darauf verständigt und bis Europa wieder an einem Strang zieht, ist es auch ein weiter Weg.
Ist das die Zeit um für ein humane Flüchtlingspolitik und Klimaschutz zu streiten?
Plump gesprochen: Wenn der Russe hier anklopft und wir ihm nichts entgegen zu setzen haben, kriegen wir weder das eine noch das andere. Wenn Europa zerfällt, weil Nationalismus um sich greift, kriegen wir auch nichts davon.
Ich finde diese Position eigentlich selbst scheiße. Das ist ja genau das, warum ich den Begriff „Realpolitik“ eigentlich verachte. Weil man die Politik nur noch am Möglichen ausrichtet und nicht mehr am Notwendigen.
Andererseits muss das alles ja jemand machen. Wenn wir schauen, was wichtig ist, was dringend ist und was wichtig und dringend ist, müssten wir dann nicht umpriorisieren? Also erst die gesellschaftlichen Grundlagen und schaffen?
Dann stell ich mal die Gegenfrage: Sollten wir im angesicht dessen, wie lächerlich klein alle andere Themen im Vergleich zum Klimawandel sind, die Militarisierung und das Verfallen in unsere Instinkte aus dem 19. Jahrhundert verschieben, bis wir endlich mal richtige Antworten auf den Klimawandel gegeben haben?
Wir müssen gar nichts machen, denn die Bevölkerung wählt von sich aus Politiker, die den Klimaschutz priorisieren oder eben nicht. Entweder kann sich das gesellschaftliche Engagement gegen die Verschmutzerlobby durchsetzen oder eben nicht. Aber es gibt hier im Grunde keine bewusste Entscheidung für „uns“ zu treffen. Ich meine man sieht doch gerade, dass alle kritisieren, dass der Klimaschutz im Bundestagswahlkampf nicht vorkommt, trotzdem reden wir nur über Migration und zwar ohne, dass „wir“ das so priorisiert hätten. Da kann man jetzt ganz grundsätzlich über eine Änderung des Systems reden, aber derzeit habe ich nicht das Gefühl, dass „wir“ den Klimaschutz priorisieren.
In den USA haben sie jemanden gewählt, der den letzten Tropfen Öl anbohren will, die wertebasierte Weltordnung aus dem Fenster wirft und zur reinen Machtstaatlichkeit zurückwill. Und warum? The price of eggs!
Ich glaube es ist mittlerweile einfach eine Fehlwahrnehmung, dass wir als Bürger der Politik einfach vorgeben, was die zu priorisieren haben - da sind einfach zu viele andere Akteure die darauf einwirken und deshalb die Wähler sind mittlerweile nur eine Gruppe die auf Prozesse in der Politik einwirken. Eine Repriorisierung bekommen wir allein gar nicht hin, deshalb stellt sich mir gar nicht die Frage ob wir das sollten.
Und wenn ich in die Sonntagsfrage schaue, werden ohnehin mehr als 50% der deutschen Parteien wählen, die den Klimaschutz nicht priorisieren. Also die Mehrzahl der wählenden priorisiert doch auch jetzt schon andere Sachen.
Ich stelle fest, dass ich nicht ausreichend klar war.
Dass wir heute keine Priorisierung in Gesellschaft und Politik auf den richtigen Themen haben ist richtig. Dass wir uns global mit Klimaschutz statt mit Krieg beschäftigen sollten ist natürlich richtig.
Ich bezog mich aber eigentlich eher auf diejenigen, die das überhaupt begriffen haben.
Wenn ich es nur auf Deutschland beziehe, sehe ich einfach eine gesellschaftliche Stimmung, die es nicht erlaubt, die wichtigen Themen anzugehen. Ich bezweifle, dass es hilft, den Leuten immer wieder zu sagen, wie wichtig Klimaschutz ist oder dass es sich rechnet. Es hilft auch nicht zusagen, dass Migration wichtig und notwendig ist.
Deshalb stellt sich mir die Frage, ob der Fokus derjenigen, die das begriffen haben, sich nicht auf eine Gesellschaft richten sollte, die wieder zur Ruhe kommt und auch mal darüber nachdenken kann.
Wie schaffen wir es, die Mehrheitsverhältnisse zu drehen? Und wenn es dabei hilfreich sein könnte, über ein paar Themen eben nicht mehr zu reden, sollten wir das dann vielleicht riskieren?
Das Problem ist leider, dass auch wenn 95% der Staaten eine vernünftige Einstellung zu kriegerischen Auseinandersetzungen hätten, uns die verbleibenden 5% sehr effektiv zum Handeln zwingen können. Hinzu kommt die sehr gefährliche Tendenz, dass auch Nicht-Großmächte ihre Existenz zunehmend versuchen, durch atomare Bewaffnung abzusichern.
Vor diesem Hintergrund halte ich persönlich die Herausforderungen durch die globale Sicherheitslage im Vergleich zum Klimawandel nicht für lächerlich klein. Genau wie beim Klimawandel steht im Extremfall die Existenz unserer Zivilisation auf dem Spiel.
Beide Herausforderungen dulden keinen Aufschub bzw. ein verspätetes Handeln würde mindestens die Folgekosten erheblich in die Höhe treiben. Vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland (ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Ausgangsfrage auf unsere nationale Politik beschränkt war) durchaus die Mittel hätten, diese Krisen gleichzeitig zu bewältigen, wäre die optimale politische Reaktion in der Theorie klar.
In der Praxis scheitert das natürlich an den entsprechenden Mehrheiten für die notwendige Umverteilung dieser Mittel. Weder gibt es die (noch) für eine Reform der Schuldenbremse, noch für eine stärkere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften.
Jetzt kann man natürlich daraus schlussfolgern, dass eine realpolitisch sinnvolle Maßnahme daher die Konzentration auf eine Krise oder das nur halbherzige Angehen mehrerer Krisen wäre. Ich bin da aber eher bei dem, was auch häufig in der Lage anklingt. Die aktuellen Mehrheiten sind nicht in Stein gemeißelt. Sowohl die stärkere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften als auch die Reform der Schuldenbremse als Finanzierungsquelle von wichtigen Investitionen wären Maßnahmen, von denen der allergrößte Teil der Gesellschaft profitieren würde. Gut umgesetzt wären sie auch effizient und fair. Und gut erklärt wären sie durchaus auch mehrheitsfähig.
Entweder man geht ein Problem an oder man findet tausend Gründe, warum es gerade jetzt nicht geht.
Die Entscheidung ist sehr individuell. Aber zu glauben, ein Problem ist weg, weil man es sich wegdenkt oder ein Problem würde leichter, weil man sich nur noch ein bisschen besser seelisch darauf vorbereitet, wird vermutlich nicht funktionieren.
Mit jedem Jahr in dem der Klimawandel nicht angegangen wird, wird der Aufwand exponentiell steigen. Die Lust sich das wirklich anzutun wird damit exponentiell sinken.
Es gibt ja die alte Regel für die Periodisierung von Aufgaben entlang der beiden Achsen „Wichtigkeit“ und „Dringlichkeit“.
Ich sehe die beiden Themen Klimawandel und Geopolitik (Militär, Ukraine) im Quadrant „wichtig und dringend“. Alles andere könnte man meiner Sicht herunter priorisieren, egal wie wünschenswert das alles ist.
Die aktuelle Priorisierung der Politik sieht aber anders aus. Im „wichtig und dringend“ Quadrant wird primär Migration einsortiert. Ich halte das für falsch, selbst wenn man der Argumentation der Protagonisten folgt.
Wieso ist das so? Hier meine Thesen dazu:
Interessierte ausländische Kräfte wie Putin oder auch die neue amerikanische Administration (siehe Rede von Vance) haben ein Interesse daran, dass wir uns nicht um Geopolitik und Klima kümmern, sondern uns vom Thema Migration ablenken lassen.
Interessierte inländische Kräfte wie die AFD haben ein Interesse daran, dieses Thema zu bespielen, weil sie hier „Issue Ownership“ haben und ganz allgemeine eine illiberale Agenda durchdrücken können. Dabei werden sie von ersten unterstützt, weil dies zusätzlich zu unserer Handlungsunfähigkeit beiträgt.
Für die etablierten Parteien werden ein Stück weit von den erst genannten Kräften getrieben, nehmen das Thema aber auch gerne auf, weil es im Vergleich zu den beiden eigentlich dringenden und wichtigen Themen „billig“ ist und sie davon befreit zugeben zu müssen, dass die Schuldenbremse ein Fehler war und uns Handlungsoptionen nimmt.
Irgendjemand aus der Politik muss mal Klartext reden: Wenn wir nicht aufwachen und geopolitisch handlungsfähig werden, springen Russland und USA mit uns nach Belieben um. Mit den Konsequenzen müssen wir dann leben. Im Bestenfalls sind das enorme Flüchtlingsströme aus Osteuropa. Im schlimmsten Fall ein großer Krieg, in den wir dann unweigerlich hereingezogen werden oder zu einem Klientelstaat von Russland werden.
Der Umbau zu einer klimaneutralen Gesellschaft würde ich hier framen als Teil der Strategie der geopolitischen Unabhängigkeit. So sind wir weder auf russischen noch auf amerikanisches Öl oder Gas angewiesen. Der Umbau kann zu einer Verschiebung der Wirtschaftsleistung Richtung Binnenkonjunktur (Bauwirtschaft, Energiewirtschaft) führen, wodurch wir unabhängiger vom Export werden.
Ich verstehe deinen Vorschlag und woher dieser kommt, aber er basiert auf einigen Annahmen, die aus meiner Sicht zu erstmal zeigen wären.
Wie kommst du zu dieser These?
Was würde es bedeuten, dass Europa an einem Strang zieht, und warum ist das aktuell nicht der Fall?
Die Europäische Union hat starke gemeinsame Entscheidungen wie das Emissionshandelsystem und das Verbot der Neuzulassung von Motoren, welche keine erneuerbaren Energien bzw. Rohstoffe verwenden können, und Stand heute stehen diese Entscheidungen.
Warum ist das mit Klimaschutz nicht vereinbar? „Der Russe“ bezieht seine Macht sehr stark aus dem Verkauf von fossilen Brennstoffen. Die Transformation hin zu erneuerbaren Energien ist eine der besten Methoden, „dem Russen“ seine wirtschaftliche Grundlage für Angriffskriege zu entziehen.
Dazu kommen noch weitere Annahmen, die du so nicht explizit genannt hast, die aber stimmen müssten, damit man Klimaschutz „verschieben“ könnte:
Die Kosten von CO2-Emissionen bleiben gleich bzw. wachsen zumindest gleich stark an. Das stimmt nicht: Die Langfrist-Kosten einer emittierten Tonne CO2 steigt exponentiell: Jede ausgestoßene Tonne ist teurer (bezogen auf wirtschaftliche und humanitäre Kosten) als die davor, und das nicht nur linear, sondern exponentiell. Das heißt, die Folgen der Klimakrise werden nicht langsam immer schlimmer wie ein Kochtopf auf dem Herd, bis es uns dann irgendwann doch zu heiß wird, sondern die Folgen wechseln irgendwann schlagartig von „managebar“ zu „nicht managebar“.
Klimaschutzmaßnahmen lassen sich kurzfristig umsetzen. Das stimmt zumindest für zwei der größten Treiber der CO2-Emissionen nicht: Verkehr und Gebäude. Autos, Schiffe, Flugzeuge und Heizungen haben eine Nutzzeit von mehreren Jahrzehnten. Diese Bereiche hin zu erneuerbaren Energien zu transformieren ist entsprechend eine Generationen-Angelegenheit und nichts, was man von jetzt auf eben umsetzen kann. Wenn das Ziel eine Klimaneutralität im Jahr 2045 ist muss heute mit der Umsetzung begonnen werden.
Irgendwann wird ein Punkt erreicht sein, an dem wir nicht genügend andere Probleme haben: Das kann ich natürlich nicht sicher sagen, da ich keine Glaskugel habe, und es wäre schön, wenn ich falsch läge, aber ich möchte nicht eine der wichtigsten Entscheidungen unserer Generation auf Sand aufbauen: Aktuell gehe ich davon aus, dass es für den Rest meines Lebens (ich bin Anfang/Mitte 30) immer große Probleme geben wird. Heute ist es eine kriegstreiberische Nation in Europa, eine extreme Ungleichverteilung von Wohlstand und der demografische Wandel, morgen mag es etwas anderes sein. Ich gehe davon aus, dass immer etwas neues kommen wird und wir niemals werden sagen können: „Jetzt geht es uns so gut, jetzt können wir mal mit dem Klimaschutz anfangen“.
Ich glaube, dass eine Kriegsgefahr deutlich weniger Einfluss auf die Umsetzung des Umbaus zur Klimaneutralität hat, als ein Handelskrieg mit China.
Solange wir weiter Batterien, Halbleiter, Solarzellen, Elektrogeräte (z.B. Wärmepumpen) zu den aktuellen oder sogar weiter fallenden Preisen aus Asien, und insbesondere China, bekommen, wird der Umbau weiterlaufen, schlicht weil es sich finanziell lohnt.
Dazu darf man auch nicht vergessen, dass in vielen Bereichen die investierten Gelder Privat sind, und solche Projekte wie z.B. der Netzausbau inzwischen geplant und an die Industrie vergeben sind. Somit ist der Umbau inzwischen selbst zu einem Wirtschaftsmotor geworden.
Hallo,
Die kurze Antwort auf die Frage lautet für mich „Nein!“
Zum einen halte ich es für Falsch notwendige Dinge gegeneinander auszuspielen. Klima gegen Rüstung oder Migration gegen Bürgergeld.
Wieso aber ausgerechnet das Klima nicht gegen Rüstung und Verteidigen ausstechen? Das ist für mich recht klar. Es bedingt sich!
Wenn wir alles in die Verteidigung stecken, wird sich das Klima verschlechtern und zu mehr Fluchtursachen und Konflikten führen. Dann müssen wir wieder mehr in die Verteidigung investieren und so weiter. Zudem ist Ökologie die Ökonomie der Zukunft. Wir machen uns als Wirtschaftsstandort immer kaputter wenn wir nicht mit der Zeit gehen. Wodurch sich der zuvor beschriebene Teufelskreis auch recht schnell nicht mehr finanzieren lässt.
Um dieses Dilemma zu lösen müssen wir die Schuldenbremse reformieren. Indem wir durch erneuerbare Energien den Strompreis stabilisieren (mit einer Reform der Netzentgelte klappt das auch auf regionaler Ebene relativ fair), stärken wir die Wirtschaft, und somit auch die Rüstungskonzerne und nehmen langfristig wieder mehr Geld ein, wodurch die „Schulden“ eine kluge Investition wären.
Bei der Analyse der Wahlprogramme zeigt sich eine klare Lücke: Während alle großen Parteien Klimaschutz als wichtig anerkennen, fehlt durchgängig eine sicherheitspolitische Einordnung. Klimaschutz wird vor allem als Umwelt- oder Wirtschaftsthema behandelt, aber kaum als strategische Frage europäischer Unabhängigkeit und Sicherheit.
Doch genau hier liegt das Problem: Wenn wir Klimapolitik nur an CO₂-Zielen ausrichten, hängt unser Erfolg davon ab, ob Länder wie China, die USA oder Russland mitziehen, was zunehmend unrealistisch ist.
Stattdessen muss Europa Klimaschutz als eigenständig erreichbares Ziel verstehen: Je weniger fossile Energie Europa importieren muss, desto weniger können autoritäre Staaten uns erpressen. Wer grüne Innovationen entwickelt, bestimmt die Standards, unabhängig von den USA oder China. Strategischer Ausbau erneuerbarer Energien und Wasserstoff senkt Risiken von Energiekrisen und wirtschaftlicher Destabilisierung.
Klimaschutz muss also nicht verschoben werden, sondern strategisch neu ausgerichtet werden. Die Politik muss erkennen, dass er nicht nur ein ökologisches Projekt ist, sondern ein entscheidender Faktor für Europas Souveränität und Stabilität und dass dieser Weg unabhängig von anderen globalen Akteuren erfolgreich beschritten werden kann und muss.
Die Frage die ich mir nach einigen Tage der Gedanken über das Theme stelle ist, was wir den überhaupt verschieben wollen?
Im Prinzip steht doch das komplette Grundgerüst der Klimagesetzgebung schon.
Auf EU Ebene der „Green Deal“ mit Inhalten wie dem Zertifikatehandel, dem Verbrenneraus, … .
National ist der Kohleausstieg beschlossen, Atomkraft ist abgeschaltet. Bliebe in dem Sektor eigentlich nur noch die Frage nach einer Erdgasstrategie und Wasserstoffumstellung. Daran hängt ja auch die Frage des Heizens. Unabhängigkeit ist hier für mich ein Sicherheitsgewinn, v.a. in einem dezentralen Stromnetz.
Erneuerbare werden aktuell mehr und mehr zum Selbstläufer, da kann sicherlich die Förderung Stück für Stück zurückgefahren werden, was ja auch teilweise schon gemacht wurde.
Die Autoindustrie hat mit Milliarden schon große Teile der Linien auf E Mobilität umgestellt.
Der Netzausbau ist fertig geplant und ist in der Umsetzung durch die (privaten) Netzbetreiber.
All das ist mMn nach auch der Punkt, warum in diesem Wahlkampf so wenig über Klimapolitik gestritten wurde: Weil die großen Entscheidungen und Gesetze im Prinzip alle schon getroffen wurden, und es jetzt eigentlich nur noch um die meist private und privatwirtschaftliche Umsetzung geht. Und wenn es Diskussionen gibt, sind es eigentlich nur noch Detailfragen.
die Ernährung umstellen auf mehr pflanzenbasierte Nahrung
uns um die Abhängten kümmern (z.B. Kinder- und Jugendhilfe ausbauen, siehe Artikel von Perspective Daily von heute)
die Infrastruktur ausbauen
die Wirtschaft stärken
die Rente sichern
das Gesundheitssystem sichern
…
Ich denke, das Entweder-Oder-Denken kommt auch daher, dass wir als Einzelne damit überfordert sind.
Aber wir sind nicht allein - wir sind eine ganze Gesellschaft!
Und als Gesellschaft können wir das schaffen!
Bzgl. der Lösungen: In den einzelnen Bereichen gibt es viele Analysen und Vorschläge auch aus der Wissenschaft, was man tun könnte.
Ministerien und Bundestag habe Berater, Ausschüssen, den wissenschaftlichen Dienst und anderes zur Verfügung
Bzgl. der Finanzen: Hier fände ich sinnvoll, dass die Einnahmen gesteigert (stärkere Besteuerung der Reichen) UND die Ausgaben reduziert werden (Subventionsabbau) und zwar ohne das immer ausgleichen zu wollen -
denn das zusätzliche Geld brauchen wir! Sollte wirklich etwas übrig sein, könnten wir ein paar Schulden zurückzahlen
Der Tag hat 24 Stunden. Daran werden Sie sobald nichts ändern. Das „Output“ einer arbeitenden Gesellschaft ist dadurch limitiert. Aktuell sinkt dieser Output und gleichzeitg verschiebt er sich hin zu Dienstleistungen die keinen wirtschaftlichen Mehrwert haben (Pflege und Verteidigung sind solche Beispiele).
Alles gleichzeitig geht daher nicht. Das scheint mir das große Missverständnis der heutigen „liberarlen Gesellschaft“. Der Staat ist kein Ladengeschäft, in dem man einfach alles kriegt, wenn das Kreditkartenlimit nur groß genug ist. Jede neue Pflegekraft ist ein Zugfahrer weniger; jeder Soldat ist ein Installateur weniger und jeweils umgekehrt. Dazu kommt, dass immer mehr Jobs allein für das Funktionieren des Systems notwendig sind (bspw. Marketing, Bürokraten und Juristen) oder in der Kommunikationsbranche anfallen. Hier wird in den wichtigen Bereichen nichts geschafft, sondern gesellschaftliche Selbstversorgung betrieben. Das ist nicht schlechtes und systemimmanent aber limtiert den „Output“. Bsp. EE-ANlagen: selbst wenn alle Verfahren super laufen, vom Projekt-Kickoff bis zur Genehigung: wenn kein Monteur da ist, wird kein Windrad gebaut.
Also summa sumarum: Nein: wir können nicht alles gleichzeitig. Und um Frust zu vermeiden, sollte das den Menschen auch so gesagt werden. Ein Ausbau der Verteidigungsfähigkeit wird Nachteile für andere Bereiche nachsichziehen und umgekehrt. Selbst bei perfekter Verteilung der Workforce werden die meisten wichtigen Bereiche nicht den Anforderungen der gesellschaftlichen Nachfrage standhalten. Das ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass die gesellschaftliche Nachfrage (nach Allem: Gesundheit, Mobilität etc.) der Workforce/Output krass enteilt ist.
Der wirtschaftliche Mehrwert spielt in der Output-Betrachtung meines Erachtens keine Rolle, da diese Größe nur etwas über die Verteilung des Outputs sagt.
Es geht ja auch nur um die Frage, ob die oben genannten Punkte gleichzeitig gehen. Die Frage ist welcher von den verbleibenden Arbeiten am verzichtbarsten sind und ob diese Einsparungen ausreichen.
Eine weitere Frage ist, wie die Transformation im Hinblick auf benötigte Qualifikationen am besten organisiert wird.
Auch wenn dieses Limit sicher existiert, ist das in den meisten Fällen ja nicht das, was uns aktuell daran hindert bestimmte Themen anzugehen.
In bestimmten Fällen ist es sicher so, dass uns einfach Fachpersonal bzw. Arbeitsstunden fehlen. Handwerker, Wärmepumpen-Installateure, Erzieher etc.
Der größte Bottleneck bleiben aber m.E. die Begrenzungen bei der öffentlichen Finanzierung. Und selbst die Personalprobleme könnten durch mehr finanzielle Mittel abgemildert werde. Nehmen wir z.B
höhere Gehälter für ErzieherInnen. Das könnte schon dazu führen, dass der Job attraktiver wird, auch in teureren Metropolen. Mehr ErzieherInnen würden wiederum zu effizienterer Umverteilung von Arbeit führen. Viele Menschen möchten mehr arbeiten, können das aber aufgrund fehlender/ schlechter Kinderbetreuung nicht. Auch die Investition in Infrastruktur hilft uns in Zukunft Aufgaben produktiver zu bearbeiten. Investition in Bildung selbstredend ebenfalls.
Und diese Kapazitäten werden nur dann aufgebaut, wenn ich als Unternehmer damit rechne, dass sich die Investition lohnt. Investitionen sind immer mit einem Risiko verbunden, es würde den Unternehmen aber helfen, das Risiko eingrenzen zu können, wenn seitens der Regierung klar kommuniziert wird, dass Regelungen z.B. zur CO2-Besteuerung auch Bestand haben. Aktuell ist es ja leider eher so, dass Regelungen sofort wieder in Frage gestellt werden, sobald sie mit einer konkreten Wirkung drohen. Wenn ich damit rechnen muss, dass die nächste Regierung z.B. ein Heizungsgesetz wieder einkassiert brauche ich nicht damit anfangen, Kapazitäten zur Umsetzung dieses Gesetzes aufzubauen.
Genau. Und da der Bedarf in allen Bereichen steigt, wird es „nicht gehen“. Wir werden weiterhin verteilen müssen und d. h., dass die Entwicklung in den zur Zeit politisch relevanten Themen langsam sein wird: der Betreuungsschlüssen in der Pflege/Ausbildung wird sich bspw. zuungusten von Patienten entwickeln; der jährliche Zuwachs von EE-kwH wird (wenn sich nicht technisch etwas tut) nur leicht steigen, die Infrastruktur wird weiterhin defizitär sein usw.
Wir müssen und darauf einstellen, dass Deutschland in den kommenden Jahren schlicht nicht mehr unbedingt die Lebensqualität bereitstellen werden kann, als dies in vergangenen Jahren der Fall war. Die Arbeitszeiten pro Kopf werden sinken und immer mehr geleistete Arbeitsstunden kein Mehrwehrt für die Gesellschaft haben.
Es gibt die Theorie der sog. Bullshit-Jobs. Jobs, die keinen gesellschaftlichen Mehrwert haben sondern insb. nur wegen des Wettbewerbs/Kapitalismus notwendig werden (Markeitng bspw.). Bullshit Jobs – Wikipedia. Deren Ausbreitung wirkt negativ auf die Bedürfnisbefriedigung.
Das ist, glaube ich, das große Missverständnis. Das wäre schön, weil wir dann nur sehr viel mehr Staatshaushalt bräuchten (besser durch Steuern als durch Schulden aber das is im Zweifel nicht so wichtig). Aber mir scheint, dass wir uns damit etwas vormachen. Oder kennst du einen Handwerker der aktuell nicht schon jede Woche 50 Stunden+ reißt? Ich würde dringend vor der Erwarung warnen, dass wir morgen den Finanzhaushalt um 200 Milliarden erhöhen und daraufhin das Tempo beim Infrastruktur- und EE-Ausbau merklich anzieht. Wahrscheinlich werden die Unternehmen einfach nur ihre Preise erhöhen, wenn Sie wissen, dass mehr Geld da ist.
Sie haben i. Ü. mit der Betreuung ganz recht. Mehr Erzieher_innen könnten dazu führen, dass insg. mehr gerarbeitet werden kann. Jede KiTa in jedem Ballungsraum hat offene Stellenausschreibungen. Ob sich da viel mehr bewerben würden, wenn die Löhne steigen - möglich aber fraglich. Da müsste schon ordentlich was passieren. Wieviel Arbeitspotential sie durch mehr Erzieher_innen schöpfen ist auch fraglich.
Dass es in Deutschland genug Workforce gibt um die Infrastrukturwiederherstellung, die EE-Transformation, den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit und die Verbesserung der Gesundheits-/Pflegesektors gleichzeitig zu bewerkstelligen halte ich für ein Märchen.