Dein Bezug zur Präambel des Grundgesetzes ist ein sehr formalistisches Argument. Und bloß weil dort was von der „Verantwortung vor Gott“ steht, würdest du ja auch nicht behaupten, dass das irgendeine Rolle spielte oder spielen sollte. Aber wenn man schon auf diesen Abschnitt verweist, dann sollte man auch präzise sein. Dort steht: „hat […] gegeben […] haben […] vollendet“, es handelt sich somit um eine reine Beschreibung in der Vergangenheitsform. Lediglich der letzte Satz steht im Präsens, beansprucht also auch für die Gegenwart Gültigkeit. Eine solche Beschreibung des Status quo ist jedoch erst mal kein „Auftrag“.
Nun zu deinen inhaltlichen Argumenten („zwei konkrete Gründe gegen eine Trennung“), auch da will ich mal Advocatus Diaboli spielen:
Aus Sicht der alten Bundesrepublik würde sich das Nazi- und Putinist:innen-Problem deutlich verringern und somit die Gefahren für die Demokratie. Auch dann, wenn das ehemalige Beitrittsgebiet keine „harte Grenze“ hätte. Du schreibst ja selbst von „Migrationsbewegungen“. Solche wären wohl wahrscheinlich, nämlich dahingehend, dass es Rechtsextreme und andere Autoritarist:innen noch vermehrt ins dann benachbarte Ausland der ehemals neuen Bundesländer zöge. Diese Auswanderung würde also die Problembelastung in den alten Bundesländern noch verringern.
Umgekehrt würde es eine Gegenbewegung vom Osten in den Westen geben. Vorwiegend junge und intelligente Menschen würden somit in der alten Bundesrepublik, die ja als Rechtsnachfolgerin weiterhin in der EU wäre, wohingegen es in den ehemals neuen Ländern zum „Dexit“ käme, sobald die rechtsextreme AfD an der Macht wäre, eine neue Heimat finden. Das verringerte den Fachkräftemangel im Westen und käme auch den Sozialsystemen zugute. Die neuen Länder sind ja jetzt schon überalterter als die alten. Kostenseitig ergäbe sich also ein massives Plus für den Westen in gleich doppelter Hinsicht. Die Rating-Agenturen würden die neue alte Bundesrepublik nicht herabstufen, sondern tendenziell eher aufwerten, zumal auch die Nettotransfers von inzwischen mehreren Billionen Euro entfielen. Ein jahrzehntelanger Entflechtungsprozess wäre also gar nicht nötig.
Teuer würde es lediglich für den nicht-westdeutschen Staat.
Und selbst die von @tacuissem angesprochene Klimaproblematik, die aus einer Trennung auf ostdeutscher Seite resultierte, ließe sich durch internationalen Druck wahrscheinlich einigermaßen glimpflich lösen. Stichwort: Klimazölle.
Was Umfragen und Wahlergebnisse angeht, bin ich weniger optimistisch als du. Ungarn sei hier als Beispiel genannt. Die von dir angeführte Situation in den USA war und ist ja eine unter unterschiedlichen Aspekten andere als in Deutschland. Das fängt beim Parteien- und Wahlsystem an und hört beim Medien- und Wirtschaftssystem noch lange nicht auf. Auch dort gab es z. B. schon mal die Überlegung eines „Bluexit“. Um aber nicht ins Klein-Klein zu gehen, sei hier an dieser Stelle nur erwähnt, dass im US-Zwei-Parteiensystem im Prinzip diejenige Partei mit ihren Kandidat:innen die Nase vorn hat, die in Swing States die eigene Klientel besser mobilisiert. Es gibt zudem aber auf der Electoral Map v. a. eindeutige Red und Blue States. Und da tut sich auch seit Jahrzehnten fast nichts, es sei denn, die Demografie ändert sich substanziell. Davon ist hierzulande nicht auszugehen, schon gar nicht in den neuen Bundesländern. Wenn man also aus den USA Schlüsse ziehen kann, ist es insb. der, dass auch langfristig keine größeren Veränderungen der Einstellungen und Wahlpräferenzen zu erwarten sind. Das wäre dann wiederum eher ein Argument für eine Trennung von Ost- und Westdeutschland in den Grenzen von 1989.