Solidarität bei Lockerungen für Geimpfte und Genesene

Außerdem haben sie nochmal bekräftigt, dass Wasser nass und der Himmel blau ist. Ferner fordert niemand aus den relevanten Berufsverbänden, dass Erstklässler in leitenden Positionen auf Baustellen arbeiten sollen.
Willst du @Markus-1978 oder der Bundesärztekammer eine Forderung nach „schnellen Massenimpfungen“ ohne Zulassung, Empfehlung und Freiwilligkeit unterstellen oder was soll diese haarspalterische Diskussionsführung?

Sehr seltsame Lesart. Gesichert heißt vielleicht einfach, dass es dann sicher ist? Sonst eine Welle auftreten könnte, die Schulschließungen nötig macht, bei denen das Recht auf Bildung erfahrungsgemäß leider nicht gesichert ist? Oder glaubst du allen Ernstes es wird Präsenzunterricht nur für (nicht zugelassen, nicht empfohlen, zwangs-)geimpfte Kinder geben?

Du hast formal mit allem irgendwo recht, was du so schreibst, aber auf so strohmännischem Niveau bringt das doch trotzdem die Diskussion nicht weiter.

Mir fehlt in der Diskussion etwas die genauere Betrachtung von Schutz vor Ansteckung, vor allem im Zusammenhang mit dem aktuellen Inzidenzwert.

Ich gehe die Grundrechtsargumentation voll mit. Allerdings habe ich beim hören immer das Gefühl, dass ihr sowohl bei Tests als auch bei Impfungen von einer de facto hundertprozentigen Sicherheit ausgeht. Dem ist aber nicht so, weder bei Tests noch bei der Impfung. Und dies muss man dann in die Abwägung einbeziehen.

Jetzt kann man natürlich auch nicht bei dem kleinsten Restrisiko alle Maßnahmen ewig fortführen. Mir fehlt hier aber komplett die Abschätzung, ob auch bei zB 5% Restrisiko einer ansteckenden Infektion bei den aktuell hohen Inzidenzen, die Maßnahmen für alle anderen signifikant länger gelten müssen.

Denn dann sprechen wir doch wieder von Solidarität und einer direkten Abwägung.

Nun sind genauere Daten bisher sowohl für ein konkretes Restrisiko der Ansteckung noch nicht da, als auch der daraus resultierende Effekt aufs Gesamtgeschehen sicherlich nicht ganz einfach zu modellieren. Aber eine grobe Abschätzung sollte für eine Inzidenzgrenze (abhängig von Restrisiko und Impfquote) sollte ja machbar sein. Darunter gelten die Maßnahmen (die dann ja eh schon weniger sind) nur für nicht Immune (abgesehen von Masken, u.ä.), darüber gelten sie für alle.

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Ich finde manchmal ist es wichtig sich Dinge ganz lebensnah und weit weg vom Gesetzestext vorzustellen:

A, B und C wohnen zusammen. A und B sind geimpft. Was machen die drei?

  1. A und B gehen ins Cafe, C guckt Netflix.
  2. Alle gehen zusammen in den Park.

Ich tendiere zu 2. warum: Solidarität. Es ist nicht nett jemanden solche Verbote so unter die Nase zu reiben.

Was fühlt sich ungerechter an?

  1. Die Party fällt aus. Alle gucken Disney+.
  2. C darf nicht hin, A und B haben einen steilen Abend.

Klar 2. „Aber freu dich doch für die Anderen“ ist kein guter Trost.

Die Pandemiebekämpfung funktioniert weil „alle“ das Gefühl haben, dass man das gemeinsam und solidarisch durchzieht. Wenn dieses Gefühl gestört ist nimmt auch die Einhaltung der Regeln dramatisch ab. Die Kontrollierbarkeit auch. Das Resultat liegt dann zum Leid aller auf Intensiv. Wir sind nicht darauf angewiesen, dass Jurastudenten mit moralischem Reflextionsvermögen die Regeln mittragen, sondern dass es alle tun. Dass schließt renitente Rentner und Party-Teenager mit ein. Deswegen halte ich es für notwendig bei Lockerungen für Minderheiten sehr behutsam vorzugehen. Die Hoffnung für Gastro und Kultur ist nach Beispiel 1 übrigens auch eher begrenzt.

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Sie haben offenbar ein Haus, sie und ihre Partnerin haben immer noch Jobs. Sorry, der blanke Überlebenskampf sieht für mich anders aus (und dafür müsste ich noch nicht einmal über den deutschen Tellerrand hinaus schauen).
Und ein Hilferuf wonach? Der staatliche bezahlten Nanny?

Ich behaupte nun wahrlich nicht, dass die corona Maßnahmen nicht auch große Belastungen gerade für Familien mit Kindern gebracht haben. Aber das sollte man schon im verhältnis zu anderen sehen, die es auch hart und härter getroffen hat.

Dann verstehe ich aber nicht, warum man sich ein Szenario vorstellt, dass reichlich unrealistisch ist. Es gibt ja keinerlei Bestrebungen, Cafés nur für Geimpfte zu öffnen. Es gibt lediglich eine Regelung, die Geimpfte bei solchen Öffnungen mit Getesteten gleichstellt. Heißt: nach einem negativen Schnelltest sitzt C mit im Café wenn er/sie will.

Diese Annahme, bisher seien alle „gemeinsam“ und „solidarisch“ durch die Krise gegangen, habe ich hier schon mal kommentiert: Impfung von jungen Menschen über Kontakte - #34 von kaigallup

„Nur mit einer rechtzeitigen Impfung gesichert“ heißt für mich: ohne Impfung nicht gesichert, also fraglich, also abhängig von der Impfung. Und da hier pauschal vom „Recht auf Bildung“ und nicht von Schließungen einzeler Schulen bei lokalen Ausbrüchen oder von der Impfung von Kindern mit besonderen Risiken die Rede ist, gehe ich davon aus, dass damit eine Impfung aller schulpflichtigen Kinder impliziert ist. Das Wort „rechtzeitig“ betont dabei die Geschwindigkeit, während zur Notwendigkeit einer gründlichen Prüfung nichts gesagt wird. Genau diese Punkte kritsieren ja auch die zitierten Stellungnahmen der Verbände. Ich wüsste dann schon gern etwas genauer, was genau an dieser Lesart so „seltsam“ sein soll.

Noch etwas zur Meta-Ebene: Die akribischen Nachweise habe ich nachgereicht, da mir unterstellt wurde, die Unwahrheit zu sagen. Ich will weder anderen Users hier noch der BÄK irgendetwas unterstellen, sondern ich beobachte einen Diskurs, der auf eine - wie es der DGPI-Präsident formuliert - „Impflicht für Kinder durch die Hintertür“ hinausläuft und habe ausführlich argumentiert, warum ich das für fatal hielte. Ich halte nun mal nichts davon, dass sich Menschen impfen lassen, nur weil sie sich dazu gedrängt fühlen und nicht weil sie davon überzeugt sind. Und noch weniger halte ich davon, dass sie ihre Kinder impfen lassen, weil sie sich dazu gedrängt fühlen. Diese Diskussion steht natürlich im engen Zusammenhang mit der aus meiner Sicht teilweise nicht auf wissenschaftlicher Grundlage geführten Diskussion über Schulöffnungen - auch hierzu habe ich ausführliche Argumente vorgelegt.
Nun steht es jedem und jeder frei, meine These für interessant zu halten, meine Argumente zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen oder mein Geschreibsel für irrelevant zu halten und zu ignorieren. Aber mir vorzuwerfen, ich würde keine sinnvollen Diskussionbeiträge leisten und dann selber mit substanzlosen Vorwürfen wie „strohmännisches Niveau“ oder „seltsame Lesarten“ zu handtieren, ist zumindest widersprüchlich.
[…]

Es führt vom Thema des eigentlichen Fadens weg und vielleicht verstehe ich dich ja auch falsch.

Das interpretierst du so, dass ungeimpfte Kinder ihr Recht auf Bildung verlieren und gleichzeitig gefordert wird Kinder zur Not mit ungeprüften, nicht zugelassenen und nicht empfohlenen Stoffen zwangszuimpfen (worst case sozusagen). Das wäre in meinen Augen nicht nur ein Strohmann sondern eine Verschwörungserzählung.

E wurde angemerkt, dass die Verbände nicht gegen die Kinderimpfungen sind (was auch in meinen Augen die realistische Lesart deines ersten Kommentars zu dem Thema war) und dann kommt von dir deine eigene, genauere Definition von deiner Formulierung „schnelle Massenimpfung“ und das Kinderärzte sagen, dass der Impfstoff zugelassen, empfohlen und freiwillig sein muss.

Diese zitierten Tweets und Aussagen (das sind die akribischen Nachweise, oder?) sind überwiegend platteste Allgemeinplätze und würden den selben Strohmann bedienen wenn sie der Meinung sind damit gegen die experimentelle Zwangsimpfung oder den Verlust des Rechts auf Bildung zu argumentieren. Folglich hast du damit zwar nicht die Unwahrheit gesagt, aber das ist doch die Definition eines Strohmanns, oder nicht?

Vielleicht bin ich zu unkreativ um da eine solche Forderung rauszulesen, ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das von irgendeiner ernstzunehmenden Instanz so gemeint ist.

Aha, soso, das sieht aber ganz anders aus. Das wird gerade ein wahres Wettrenden um Öffnungen:

  1. Die Corona-Regeln in Baden-Württemberg sollen vor dem Wochenende offenbar gelockert werden. So könnten Besuche in Biergärten, Hotels oder Zoos möglich werden n

  2. Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz hat einen dreistufigen Öffnungsplan beschlossen. Von morgen an kann der Einzelhandel in Kommunen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 generell wieder unter Auflagen öffnen, wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer ankündigte. Dies betreffe derzeit 16 Kommunen. Auch Hotels und Ferienwohnungen sollen in Kombination mit Testauflagen wieder öffnen dürfen. Ab dem 21. Mai sind dann auch Kulturveranstaltungen wieder möglich. Ab dem 2. Juni soll dann etwa auch die Innengastronomie in Kommunen mit einer Inzidenz unter 50 aufmachen können. Die Außengastronomie ist in dem Bundesland bereits erlaubt.

  3. In Berlin sollen Cafés und Restaurants zu Pfingsten die Außenbereiche wieder öffnen dürfen. Voraussetzung ist, dass die Sieben-Tage-Inzidenz dann stabil unter 100 liegt. Darauf hat sich der Senat bei seiner Sitzung verständigt, wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller mitteilte. Gäste müssen einen negativen Corona-Test vorweisen. Ihnen gleichgestellt sind Menschen mit vollständigem Impfschutz und Genesene. Müller wies darauf hin, dass die Öffnungsschritte zu Pfingsten mit Brandenburg abgestimmt werden sollen.

Geht so weiter.Quelle ist das Live-Blog von tagesschau.de vom 11.05.2021

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In Bayern werden laut heutigem SZ Lokalteil Kinder bis 6 Jahre bei den ab 21.5. möglichen Hotelöffnungen (inklusive Innenraumbewirtung von Hotelgästen) Zweifachgeimpften und Genesenen gleichgestellt. Für Kinder gilt also keine Testpflicht.

Ja, und weil die Immunitätsdaten nicht vorlagen und weil man mitten in der Pandemie andere Prioritäten hat als vor dem absehbaren Ende.

Ganz so einfach ist es nicht. Du vergisst das PIMS. In der heutigen Folge des NDR Podcasts zitiert Drosten neue Zahlen. Wir sprechen von einer schweren Erkrankung mit Hospitalisierung und einer Häufigkeit von 1,6 pro 1000 COVID-Infektionen (inklusive asymptomatische).
Wenn die Maßnahmen in den Schulen beendet würden (und irgendwann wollen wir sie ja beenden), würde es im Herbst zu einer deutlichen Zunahme von Infektionen unter Schüler:innen und vielen solchen Fällen kommen- wenn wir die Kinder nicht impfen. Damit ist die Argumentation m.E. klar.

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Ganz kurz: es ist einfach ein Unterschied, ob ich generell dafür bin, dass - bei entsprechender medizinischer Indikation - auch Kinder geimpft werden können - was ich auch sinnvoll finde, oder ob ich unabhängig von medizinischen Indikationen und einem konkreten Nutzen für die Betroffenen pauschal Impfungen ganzer Altersgruppen zur Bedingung für das Recht auf Bildung mache. Letzteres hat die BÄK meiner Ansicht nach getan. Dass irgendjemand keine Zulassung oder Empfehlung will, habe ich nie unterstellt, aber dass die BÄK ihre Forderung erhebt, bevor die Voraussetzungen für eine Zulassung erteilt sind, stößt ja nicht nur mir auf.
Das mit dem Strohmann verstehe ich leider immer noch nicht. Die zitierten Tweets beinhalten auch einige allgemeine Aussagen. Aber daneben enthalten sie eben auch konkrete Aussagen zur Stellungnahme der BÄK und sie gehen genau auf den von mir hier oben noch mal beschriebenen Unterschied ein.

Genau das! Es geht nicht um die aktuell 10% Geimpften, die jetzt kein Risiko mehr für die anderen sind. Es geht um die restlichen 90%, die jetzt miteinander solidarisch sein müssen und die Infektionszahlen senken müssen. Das wird aber seit einem halben Jahr abgelehnt oder bestenfalls halbherzig getan, was sehr viele Menschenleben gekostet hat und immer noch kostet.

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Auch als Nichtjurist erschließt sich für mich das Argument, dass man Geimpften und Genesenen nicht weiterhin die Grundrechte entziehen kann. Aber nur, wenn das Argument isoliert betrachtet.

Muss man nicht viel mehr die Gesamtsituation betrachten?! Meiner Meinung nach hat der Staat die Verpflichtung gegenüber den Nicht-Geimpften, schnellstmöglich ein Impfangebot zu machen und die Inzidenz zu reduzieren.
Allerdings sehe ich bei beiden Aspekten einen großen Verbesserungsbedarf.

Wie sieht es denn bei dem Impfangebot aus? Neben all den handwerklichen Fehlern bei der Impfstoffbeschaffung und dem organisatorischen Chaos gibt es einige Mängel in der aktuellen Priorisierung, die zu einer unsolidarischen und ungerechten Situation führen:

  • warum können junge Leute von Großeltern als Kontaktpersonen benannt werden, um in der Priorisierung nach vorne zu rutschen? Meist werden die Großeltern auch geimpft und die Familie habt damit doppelt „abgestaubt“.

  • wieso lässt die aktuelle Regelung es zu, dass Ü60 entscheiden können, welchen Impfstoff sie nehmen? Damit fehlt Biontech für jüngere Leute.

Aber auch bei der Reduzierung der Inzidenz gibt es große Lücken.

  • Bei der Einreise aus Hochrisiko-Gebieten gelten keine effektiven Quarantäne-Maßnahmen. Ich kenne selbst Fällen, in denen Menschen von völlig unnötigen Reisen aus Indien zurückkehren. Danach sitzen sie im ICE vom Flughafen nach Hause und gehen im Supermarkt einkaufen, weil - klar - niemand kontrolliert das.

  • Die Aufhebung der Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genese wird bestimmt auch nicht zur Senkung der Inzidenz beitragen. Wenn sich diese Personengruppen wieder unbeschränkt treffen können, werden sich mit Sicherheit auch „Trittbrettfahrer“ darunter mischen. Außerdem haben die Bilder von Personengruppen im Park auch Signalwirkung an Nicht-Geimpfte und steigern garantiert nicht die Disziplin bei der Einhaltung der Kontaktbeschränkungen.

Wie steht es in Anbetracht dieser Mängel um die Verantwortung des Staates gegenüber der Gesundheit der Nichtgeimpften?
Mir geht es an dieser Stelle nicht um Impfneid, sondern darum, dass die aktuelle rechtliche Situation so viele handwerkliche Mängel hat und vollkommen unausgewogen ist. Meiner Meinung nach muss also die Gesamtsituation berücksichtigt werden.
Das sage ich als jemand, der seit 1,5 Jahren durchgängig im Homeoffice ist und sich an alle Regeln hält. Gleichzeitig muss ich sehen, wie beispielsweise in Stuttgart das Alkoholverbot in der Öffentlichkeit nach Corona-Verordnung strenger kontrolliert wird als die Impfstoff-Vergabe und die Einreise aus Risikogebieten.

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Dann hast Du zu der Zeit in einer sehr anderen Welt gelebt als ich. Ich habe damals Politiker angeschrieben, dass sie endlich die Schulen dicht machen sollen und vor dem Lockdown die ganze Firma ins Home Office geschickt - und zwar nicht wegen älterer Mitbürger, sondern zum Schutz meines Sohnes, meiner Mitarbeiter und meiner selbst.

Ich denke das ist der Kern unserer Position in der Lage: Rechtlich darf man die „Gesamtsituation“ gar nicht zum Maßstab machen. Denn dass es ohne Ende staatliche Versäumnisse bei der Pandemie-Bekämpfung gab und gibt ist zwar kaum zu bestreiten, es rechtfertigt aber einfach keine Grundrechtseinschränkungen gegenüber Menschen, die jedenfalls höchstwahrscheinlich ungefährlich sind: Man kann eben nicht Opa Werner oder Oma Heidemarie dafür in Haftung nehmen, dass die MPK-Runde monatelang so lasche Maßnahmen beschlossen hat, dass wir leider immer noch keine Inzidenz unter 10 haben - wo sich die Frage nach Beschränkungen nicht mehr stellen würde. Ebensowenig sind die beiden dafür verantwortlich, dass die Gesundheitsämter in D personell so krass unterversorgt sind und informationstechnisch derart in der Steinzeit leben, dass sie eigentlich bei keiner Inzidenz ein sinnvolles Tracing auf die Reihe bekommen.

Ich glaube, die Menschen, die völlig zu Recht ihre schwere Belastung durch die Pandemie beklagen, sollten versuchen, diesen Frust nicht auf den Menschen abzuladen, die nichts dafür können und einfach nur das Glück haben, inzwischen immun zu sein. Jedenfalls bei den Geimpften sollte man außerdem sehen, dass sie mitunter viele Monate in Todesangst gelebt haben - eine Prio 1 oder 2 fiel ja nicht vom Himmel.

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Ja, da kann ich dir nicht widersprechen und ich gebe mir auch die größte Mühe, das Positive zu sehen. Allerdings scheint so langsam mein Verständnis aufgebraucht zu sein.

Es ist auch positiv zu bewerten, dass die Regierung die Grundrechtseingriffe so schnell revidiert hat, ohne dass ein „Hinweis“ vom Bundesverfassungsgericht erfolgen musste.

Dennoch passt es aber ins Bild, dass die Regierung sich mit Zugeständnissen leichter tut, als mit konsequentem und konsistentem Handeln. Die Einhaltung der Vorgaben des Grundgesetzes scheint das Einzige zu sein, zu was die Regierung (zumindest in den meisten Fällen) imstande ist.
Bei komplexeren Themen ohne die Leitplanken der Verfassung verfällt die Regierung in einen Standby-Modus. Leider auf Kosten der Generationengerechtigkeit.

Das ist mMn die falsche Diskussion. Es kann nicht darum gehen die individuellen Rechte des einzelnen Geimpften im Privaten einzuschränken oder nicht, es muss darum gehen das öffentliche Leben so schnell und so weit wie möglich herunterzufahren um die Infektionszahlen zu senken für die 90% Ungeimpften: im weitesten Rahmen des Machbaren Büros zu, Schulen zu, Einkaufsmeilen zu, Restaurants und Kneipen zu, ÖPNV zu.
Die Individualrechte der Geimpften sind davon nicht tangiert, sie können sich frei bewegen. Aber auf der „Angebotsseite“ muss und kann mMn die Pandemie am effektivsten bekämpft werden.

Das Wort „unrealistisch“ in meinem Post bezog sich auf imaginäre Öffnungen, die nur für Geimpfte gelten sollen. Ein solches Vorhaben kann ich bei keinem Deiner Beispiele erkennen - zwei der drei Beispiele erwähnen sogar explizit die Möglichkeit der Freitestung.

In der Tat, ganz so einfach ist es nicht. Ich weiß auch, dass es Ärzt:innen gibt, die der Meinung sind, allein schon wegen PIMS sei eine präventive Impfung von Kindern ratsam, aber da gibt es auch durchaus andere Einschätzungen. Einigkeit besteht derzeit wohl nur darüber, dass die Datenlage zu PIMS immer noch schlecht ist.
Das fängt schon bei der Häufigkeit an, daher hierzu ein paar Daten: Ende März wurde diese ja im Corona-Update auf 0,0002 bis 0,001 Prozent der Infizierten Kinder und Jugendlichen geschätzt. Die Studie, von der Drosten heute gesprochen hat, konnte ich noch nicht finden, aber die Quote lag mit 0,0014 Prozent ja nicht viel höher. Das PIMS-Survey der DGPI listet für den Zeitraum zwischen KW 23/2020 und KW 18/2021 insgesamt 305 Fälle von PIMS bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland auf. Umgerechnet auf die grob geschätzten (RKI-Daten nur in 5-Jahresschritten) 448.000 minderjährigen Infizierten in dem Zeitraum ergibt das eine Quote von 0,0007 Prozent, also noch etwas unter der Schätzung vom März. Hinzu kommt noch die Dunkelziffer nicht erkannter Infektionen, die in der Altersgruppe gut beim 4-6-fachen liegen könnte. Kurzum: es ist noch nicht mal annähernd klar, wie häufig PIMS überhaupt ist.
Angesichts dieser Situation finde ich es schon etwas merkwürdig, wenn Drosten im Podcast zwar eingangs die „unklare Datenlage“ zu PIMS kritisiert, dann aber anstatt nachdrücklich eine bessere Datenlage zur Bedingung für eine Entscheidung zu machen, mit dem „Gefühl“ von Eltern, vulgo mit der - nicht unbedingt immer wissenschaftlich begründeten - Sorge um eine mögliche Erkrankung ihrer Kinder argumentiert. Auch bei seiner Betonung, dass es sich um eine „schwere Krankheit“ handelt, hat Drosten wohl vergessen zu erwähnen, dass PIMS inzwischen gut und schnell behandelt werden kann und dass weniger als 7% der Betroffenen länger anhaltende Beschwerden haben.

Auch bei diesem Aspekt finde ich Drosten im heutigen Podcast widersprüchlich. Einerseits werden die Beispiel Israel, aber vor allem UK herangezogen, um zu sagen, dass die Impfung von 50-60% der Erwachsenen einen enormen Effekt auf das Infektionsgeschehen auch unter nicht geimpften Kindern und Jugendlichen hat. So habe es in UK bei einer ähnlich hohen Impfquote, wie wir sie hier im September haben werden, trotz offener Schulen keine steigende Inzidenzen bei Jüngeren gegeben - BTW anders als in der zweiten Welle und trotz Dominanz von B117. Das könnte man durchaus als Argument dafür lesen, dass massenhafte Impfungen von Kindern zur Wiederherstellung des Schulbetriebs eben nicht erforderlich sind. Aber gegen Ende spricht Drosten dann, wie er selber sagt, „aus dem Bauch heraus“ auf einmal doch von einem „sehr hohen“ Infektionsrisiko in Schulen. Auf die Widersprüche zwischen diesen beiden Einschätzungen geht er aber gar nicht ein.
Zudem „wundert“ Drosten sich über die Meinung „einiger Berufsvertreter“ (bei der Formulierung bin ich mir nicht mehr ganz sicher, aber gemeint sind ja ganz klar, die pädriatischen Fachverbände), aber es bleibt eben so ein Raunen, da er nicht konkretisiert, was ihn denn genau wundert, geschweige denn welche Einschätzungen von wem er warum falsch findet.

Hier noch ein aktueller Artikel mit einer Reihe von Einschätzungen von DGKJ-Prädisent Jörg Dötsch.

Letztlich kommt es eben sehr auf die Darstellung an: Die Aussage „Wenn wir die Schulen wieder ganz öffenen, ist die Chance, dass Dein Kind sich im Verlauf des Winters infiziert 50:50. Wenn das passiert, kriegt Dein Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1000 eine schwere Krankheit und muss ins Krankenhaus!“ hat natürlich eine andere Wirkung als die Aussage „Wenn es nach der Impfung eines Großteils der erwachsenen Bevölkerung überhaupt noch ein nenneswertes Infektionsgeschehen unter Kindern und Jugendlichen gibt, und Dein Kind sich dabei infizieren sollte, besteht eine Wahrscheinlichkeit von zwischen 1:1.000 und 1:10.000, dass Dein Kind Symptome bekommt, die in den allermeisten Fällen bei einem relativ kurzen Aufenthalt im Krankenhaus gut behandelt werden können.“

TL/DR: Meiner Meinung nach ist die Sache bei PIMS bei Weitem nicht so klar, wie Du sie darstellst. Es gibt keine klaren Daten, unterschiedliche Einschätzungen bzw. Framings.

Edit: Die Studie von der Drosten gestern sprach, untersucht Fälle zwischen Dezember 2019 und Mai 2020 - also mit völlig anderen Test- und Behandlungsmöglichkeiten (ergo: mehr symptomatische Fälle und schwerere Verläufe. Also erstens keine „neuen“ Daten und zweitens nicht wirklich vergleichbar.

Edit 2: es ist beim heutigen Stand der Forschung wohl noch nicht mal ausgeschlossen, dass auch eine Impfung PIMS auslösen kann.