Soldaten ohne deutschen Pass - Vorschlag mit welcher Absicht?

Ich werfe hier mal eine aufkommende Diskussion in den Raum, ob man auch Menschen in die Bundeswehr aufnehmen sollte, die keinen deutschen Pass haben, weil mich das heute beim Lesen dieses Artikels sehr erschreckt hat:

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/union-und-fdp-offen-fuer-soldaten-ohne-deutschen-pass-a-23eec4af-7742-4b71-a286-986c40e1f6cc

Dabei erschrecke ich mich nicht, weil ich Sorge hätte, dass Migranten weniger gut und gewissenhaft für uns kämpfen würden. Darum geht es in diesem Thread nicht. Es geht um den Zynismus, der sich in so einer Überlegung zeigt.

Mich erschreckt dieser Vorstoß aus einem anderen Grund: Soldaten müssen für Deutschland kämpfen und im schlimmsten Fall sterben. Sie können schwer verwundet werden. Angesichts des russischen Angriffskriegs und vieler anderen Konflikte ist das keine theoretische Möglichkeit (mehr), sondern ganz real.
Was bedeutet es also, wenn Frau Strack-Zimmermann sagt: „Dazu gehört auch die Überlegung, dass Soldaten und Soldatinnen ohne deutschen Pass diesen durch den erfolgreichen Dienst in der Bundeswehr schneller bekommen können“ (Spiegelzitat). Für mich hört es sich so an, als ziehe man in Erwägung, (unliebsame?) Migranten für uns sterben zu lassen (Mir fällt dabei das Wort „verheizen“ ein). Und wenn ein nicht-deutscher Einwohner dann seinen Dienst leistet, soll er den deutschen Pass schneller bekommen. Das ist zynisch. Und der Weg zum „Einbürgerung nur noch gegen Wehrdienst“ ist nicht mehr weit.
Entschuldigung für diese drastische Einordnung, aber man muss den Vorschlag zu Ende denken. Oder irre ich mich?

Soldaten und Soldatinnen stehen im Staatsdienst (legen sogar einen Eid auf die Bundesrepublik Deutschland ab) und deshalb stellt sich die Frage, warum sie dann den deutschen Pass nicht bereits haben.

Viele Migranten haben auch eine Fluchtgeschichte und sind durch Kriege und Verfolgung traumatisiert. Weder für sie selbst noch für die Bundeswehr wäre es eine gute Option, sie als Soldaten kämpfen zu lassen.

Man könnte jetzt einwenden, dass die Überlegung aus Personalnot und der Notwendigkeit, „kriegstüchtig“ zu werden entsteht, aber das entschuldigt diese wirklich absurde und verabscheuungswürdige Logik nicht, denn ich gehe davon aus, dass auch Politiker:innen weiterdenken können.

Oder sickert langsam aber sicher die notwendige Erkenntnis durch, dass wir ein enormes Demografieproblem haben?

Aber dann wäre die Konsequenz: Schneller einbürgern.
Erst Wehrdienst, dann Einbürgerung ist die falsche Reihenfolge.
Warum sollte jemand, dem wir bisher die staatsbürgerliche Zugehörigkeit verweigert haben, bereit sein, für uns zu sterben (es sei denn, wir setzen ihn unter Druck, indem wir es zur Bedingung machen)?

Frankreich hat bereits eine Fremdenlegion mit langer Tradition. Das ist nicht absurd.

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Mmm, guter Gedanke, hat sich die bewährt?
Aber das ist ja etwas grundlegend anderes, als Frau Strack-Zimmermann vorschlägt.

Du insinuiert - warum auch immer - irgendeine Art von Zwang, diese Menschen für Deutschland kämpfen zu lassen. Das wäre in der Tat sicherlich nicht zielführend und innerhalb des geltenden Rechtsrahmens auch nicht möglich.
Traumatisierte Migranten sind sicherlich auch nicht die Zielgruppe, die man hier im Sinn hat. Solche mit militärischer Vorerfahrung und der Bereitschaft für die Verteidigung ihres erwählten Heimatlandes allerdings schon.
Natürlich kann auch eine schnellere Einbürgerung ein Anreiz sein, denn die Bereitschaft zur Verteidigung Deutschlands auf dem Boden unseres Grundgesetzes käme bei mir auf jeden Fall in die engere Auswahl für eine „besondere Integrationsleistung“.

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Auch die USA machen es schon länger, hier ein Bericht des DLF. Ich verstehe Deine Bedenken sehr gut, es erinnert mich ein bisschen an Barry McGuire „you’re old enough to kill, but not for voting“ (aus dem Song Eve of Destruction).
Man kann es aber auch als eine Wahrnehmung des Soldatseins als normaler Job verstehen. Dafür braucht man auch keinen deutschen Pass.

Wenn es nicht der Beruf des Soldaten wäre, sondern Arzt auf dem Lande oder irgendein anderer Beruf, wo wir grundsätzliche Probleme haben diesen ausreichend abgedeckt zu bekommen… hättest Du dann die gleichen Bedenken.

Sicherlich ist Soldat etwas anderes als Bäcker, Informatiker oder Erzieher. Aber in anderen Ländern ist er viel „normaler“ und in Teilen anerkannter als bei uns.

Das Thema kommt aber zu einem schlechten Zeitpunkt.

Ich bestehe gar nicht auf meiner Einschätzung.
Aber es klingt nach „Staatsbürgerschaft gegen Wehrdienst“. Und das finde ich bedenklich.
Ein normaler Job ist es eben nicht.

Auf jeden Fall. Die Staatsbürgerschaft sollte nicht daran hängen, ob man bereit ist, einen bestimmten Job anzunehmen oder nicht. Dafür gibt es die Blue-Card.

Was ich mich frage: greift für die dann die Genfer Konvention oder gelten die als Söldner?

Nach Völkerrecht als Teil der Bundeswehr würden Genfer Konventionen gelten. Als eigenständige Söldnerarmee nicht.

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Hier wäre erstmal die Frage „was ist ein normaler Job?“ und die kann man so klar nicht beantworten.

Geht es um die Gefahr, dann sind wohl einige Jobs gefährlicher als Berufssoldat, geht es um das Repräsentieren des Landes, dann müsste man es mit anderen Jobs die das tun vergleichen, also z.B. mit Beamten.

Gerade wenn wir dann auch nicht nur das Bild vom normalen Soldaten im Feld haben, sondern auch von Spezialisten für bestimmte Waffensysteme, für IT-Sicherheit etc., dann ist das Berufsbild ja nochmal differenzierter.

Ich kenne z.B. viele Amerikanische Soldaten (da wohnortnah stationiert und gemeinsamer Sport) und da würde einige gerne in Deutschland bleiben. Könnte mir durchaus vorstellen, dass ein Angebot bei der Bundeswehr da für den ein oder anderen auch interessant wäre.

Soweit ich weiß, ist „Staatsbürgerschaft gegen Wehrdienst“ ein geläufiges Konzept, zb in Israel oder Südkorea. Mir fehlt da ein wenig Augenmaß, da Kriegsdienst zur Erlangung der Staatsbürgerschaft ‚viel‘ erscheint, während ein Multiple-Choice-Test mit 37 Fragen billig wirkt

Für mich klingt es eher nach einem weiteren Versuch, um die Bundeswehr besonders attraktiv zu machen, da ihnen weniger Rekruten zugelaufen kommen. So, wie nach dem Vorstoß AKKs (der für sich genommen schon sehr problematisch war), Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten kostenlos Bahn fahren können, wenn sie ihre Uniform tragen.

Und statt „Mobilität gegen Wehrdienst“ heißt es nun eben

Beides scheint mir eine aktionistische Kurzschlussmaßnahme zu sein, um die Bundeswehr aus ihrer Patsche zu helfen. Ich würde aber auf jeden Fall zustimmen, dass weder der eine noch der andere Vorschlag wirklich an den Kern der Probleme herantritt und jeweils ein gewisses „Geschmäckle“ der blinden Bevorzugung der Soldatinnen und Soldaten hat.

Eine tiefere ideologische und zynische Basis würde ich also bei dem jetzigen Vorschlag nicht vermuten – nur ein verzweifelter Versuch, Personal heranzukommen.

Aber darum geht es bei dem Vorschlag ja gar nicht. Es geht meines Erachtens darum, dass Menschen, die für unser Land ihr Leben aufs Spiel setzen (und dazu gehört auch der Dienst in Friedenszeiten, da dieser Frieden schneller obsolet sein kann als man manchmal ahnt) eventuell schneller die Staatsangehörigkeit erhalten können als der Normalfall. Schließlich haben sie durch ihren Dienst gezeigt wie sehr sie sich mit dem Land identifizieren und bereit sind mit ihrem Leben für unsere Gesellschaft einzustehen.

Dieses Bild von Staatsbürgerschaft gegen Militärdienst hat lediglich @Margarete als Schreckensszenario aufgemalt. Einen Beleg dafür, dass dieses Szenario angestrebt wird gab es bisher nicht. Ein solches Bedenkenträgertum ist in Deutschland ja nicht unüblich, aber oft eher hinderlich.

Ich habe vor allen Menschen Respekt, die das Leben in unserem Land positiv bereichern. Aber Menschen, die ihr wichtigstes Gut, die Gesundheit und körperliche/psychische Unversehrtheit für uns riskieren sind sicher größere Leuchttürme als das Autos repariende oder Software schreibenden Individuum. Daher finde ich den Gedanken durchaus nicht schlecht.

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Als Berufsarmee konkurriert man ja quasi mit dem normalen Arbeitsmarkt.
Das Berufsrisiko kann als Soldat schon recht hoch sein. Also muss ich Interessenten etwas anbieten, was andere Arbeitgeber so nicht anbieten können.
Soweit so nachvollziehbar.

Fachkräftemangel trifft also auch die Bundeswehr.

Dieses also ein Konzept der Politik. Was wären Alternativen?

Verstärkte Automatisierung (Drohnen, Kampfroboter, KI -Einsatz)?

Schwierig…

  1. Ich stimme zu, dass es zynisch ist, elementare Dinge vom Leisten eines Wehrdienstes abhängig zu machen.

  2. Ich stimme nicht zu, dass dahinter die Absicht steht, „unliebsame Migranten zu verheizen“.

Ich kritisiere diesen Vorschlag daher aus einem anderen Grund: Es erinnert mich an die USA. Nach dem Motto: „Wenn du aus der falschen Familie kommst (=arme Familie) und studieren willst, geht zur Armee, mach zwei Touren im Ausland und die Armee finanziert dir das Studium“. Diese Praxis lehne ich einfach völlig ab.

Jemand bringt entweder das Zeug mit, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen - oder eben nicht. Wenn wir das Problem haben, dass wir wehrfähige Männer in der Bundeswehr wollen, dies aber an der Staatsbürgerschaft scheitert, muss der Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtert werden - aber dann für alle, nicht nur für diejenigen, die konservativ genug sind, in die Bundeswehr zu streben.

Andererseits ist es natürlich „normal“, dass zu den Voraussetzungen für die deutsche Staatsbürgerschaft gehört, sich selbst versorgen zu können (ob das gut ist kann man natürlich auch diskutieren). So gesehen kann eine Zusicherung, nach Erhalt der Staatsbürgerschaft von der Bundeswehr beschäftigt zu werden, natürlich das „Staatsangehörigkeitserwerbshindernis der Mittellosigkeit“ beseitigen. Aber Militärdienst sollte keine „Abkürzung“ zur Staatsbürgerschaft sein, das halte ich moralisch für zuhöchst problematisch.

Die Bundeswehr hatte immer dann viel Zulauf, wenn die Wirtschaft kränkelte. Da war dann die Bundeswehr eben ein praktischer Arbeitgeber, über den man selbst wenn man nur Zeitsoldat war, nahezu immer eine Anschlussverwendung bekommen hat. Solange aber Fachkräftemangel herrscht, wird es die Bundeswehr schwer haben. Da sind eben unzählige andere Berufe wesentlich angenehmer und beliebter bei denen man von Berufswegen nicht sein Leben riskieren muss.

Vielleicht sollte man zwischen dem Framing „Staatsbürgerschaft gg körperliche Unversehrtheit/Leben“ (zugespitzt) und der Frage Öffnung des Soldat_innenberufs für Ausländer_innen unterscheiden. Ersteres halte ich auch für sehr bedenklich, die Frage der Öffnung kann man dann unter verschiedenen Gesichtspunkten abwägen. Da bin ich persönlich unentschlossen.

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Weil mehrere Beiträge hier auf einen Mechanismus Staatsbürgerschaft gegen Militärdienst (aka Unversehrtheit) abzielen nochmal die Frage, woher habt ihr das? Es geht doch um eine Verkürzung der „Wartezeit“ im Gegenzug für besondere Dienste am Land (bspw. auch die Bereitschaft im Konfliktfall für den Staat den Kopf zu riskieren).

Schon länger gibt es solche Abkürzungen, bspw. durch besondere Integrationsleistungen (oder auf Geheiß des Bundespräsidenten, hatte ich zumindest mal gelesen und hoffe es stimmt noch). Mit der Bundeswehr kommt nun eine weitere Option ins Spiel und ich finde wir sollten gefährliche Dienste für die Polizei oder Feuerwehr ebenfalls mit aufnehmen.

Es stellt sich mir daher die Frage wo das Problem ist. Niemand ist gezwungen diesen Weg zu gehen. Im Zweifel muss man halt 1-2 Jahre länger dauern, so what?

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Ach, vielleicht sehe ich nur Gespenster.
Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es ok.
Ich hätte halt Sorge, dass der Weg von „du darfst“ zu „du musst“ sehr kurz sein könnte.
Mich erschrecken die aktuellen Debatten betr. Flüchtlinge wegen Unmenschlichkeit, Unsinnigkeit und Unwahrheiten oft sehr. Vielleicht befürchte ich in diesem Spezialfall ungerechtfertigt eine Negativspirale.

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Also ich bezweifle schonmal, dass die Flüchtlinge über die bei uns aktuell diskutiert wird die Hauptzielgruppe sind.