Könnte es daran liegen, dass diese Jobs einfach zu schlecht bezahlt werden?
Was heißt „zu schlecht“?
Aus dem Blickwinkel von Arbeitnehmer gibt es andere Jobs, die besser bezahlt werden => Ja
Aus dem Blickwinkel von Unternehmern (v.a. in sog. Käufermärkten) können diese bei höheren Löhnen ihre Waren und Dienstleistungen nur zu erhöhten Preisen anbieten … und finden für diese Preise keine Nachfrager (oder werden von Mitbewerbern, die nicht rechnen können oder von (illegalen) Billiglöhner unterboten) => Nein.
Gut, und was heisst das jetzt? Wir nennen es „Fachkräftemangel“, aber es ist in Wahrheit etwas anderes. Und um den zu beheben wollen die Arbeitgeber also günstigeres Personal aus dem Ausland hinzu holen.
Ich zitiere mal kurz:
Ich habe so das Gefühl dass ich gar nicht so weit weg von der Realität bin.
Nochmal: Ich habe in erster Linie konkrete Aussagen von Dir kommentiert und in zweiter Linie die gegenwärtige Diskussion über den Vorschlag, das Rentenalter anzuheben.
Wenn eine pauschale Erhöhung des Rentenalters vorgeschlagen wird, wie in der gegenwärtigen Diskussion, finde ich es schon etwas seltsam, dass der Hinweis auf soziale Härten, die dieser Vorschlag vergrößern würde, als „Totschlagargument“ abgetan wird. Es ist m. E. ja gerade kennzeichnend für Rentendebatten in Deutschland, dass sie ziemlich blind sind für Bezieher:innen kleinerer Einkommen.
Und wie gesagt, wer jetzt was „produktiv“ findet, dürfte sich je nach Perspektive und Betroffenheit stark voneinander unterscheiden.
Ich tue es ja nicht ab, sondern sage, dass man reale Härten auch adressieren muss.
Es ist aber ein Totschlagargument, da durch das Beispiel des Dachdeckers (o.ä.) und meist ohne jede Quantifizierung, welcher Anteil der Bevölkerung überhaupt betroffen ist, jede weitere Diskussion über das Eintrittsalter - ob pauschal oder differenziert - abgewürgt wird.
… das ist wieder so eine Aussage, die völlig praxisfern ist. FACHarbeiter aus dem Ausland holen? Vielleicht um sie dann hier zu qualifizieren? Niemand macht das. Die Arbeitsimmigration aus dem Ausland ist weit überwiegend unqualifiziert und arbeitet als Hilfarbeiter.
Ok, nehmen wir mal an es ist so, wie gedenken wir denn den Facharbeitermangel zu lösen?
Naja, Hochqualifizierte (insbesondere Informatiker) kann man schon aus dem Ausland holen. Aber nicht billig.
Auch bei Pflegenden durfte ich solche Versuche beobachten. Es ist aber nicht einfach, sie hier zu halten, obwohl sie hier im Zweifel sogar mehr verdienen als im Heimatland.
Das wird am Ende darauf hinauslaufen, dass das Angebot solcher Stellen attraktiver werden muss, v.a. in Bezug auf die Personalkosten. Und das wird nur funktionieren in Branchen, in welche derzeit „Überrenditen“ erzieht werden, d.h. die Unternehmer die gestiegenen Personalkosten mit Gewinnverzicht abpuffern können. Wo das geht, passiert das auch.
In Margen-armen Branchen wird das nur gehen, in dem aus dem dort herrschen Käufermarkt die Anbieter gestärkt werden. Entweder durch Regulierung unfairer Geschäftspraktiken. Oder durch Förderung einer Konsolidierung (in hoch-fragmentierten Märkten), sofern dieser Prozess nicht ohnehin läuft.
In regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen muss der Staat schlicht höhere Löhne und Gehälter durchsetzen.
Uns allen muss aber klar sein: Unserer Lebenshaltungskosten werden steigen. Ein Männerhaarschnitt ist zu fairen Löhnen nicht für 10 EUR zu haben.
Auch ich kenne Versuche, gut qualifizierte Pflegefachkräfte z.B. aus Sri Lanka nach Deutschland zu vermitteln, über eine Agentur oder einbZeitarbeitsunternehmen. Das Angebot wäre da: Die verdienen hier ja Tarif und damit viel mehr als zuhause. Die Nachfrage wäre da! Die Krankenhäuser zahlen in ihrer Verzweiflung auch die damit verbundenen Zusatzkosten (absurd: hätten sie mal früher die Löhne angehoben …). Aber der Transfer mit Deutschkursen, Arbeitserlaubnissen etc ist zu komplex, alles, was ich gesehen habe, ist letztlich im Sande verlaufen
Ganz einfach: Deutschland attraktiver machen. Wir müssen erstmal die gut qualifizierten Menschen in Deutschland behalten. Meiner Meinung nach, wandern die gut qualifizierten Menschen gerade wegen der deutschen Steuer-, Renten und Sozialpolitik aus. Wir haben in Deutschland die höchste Abgabenlast von allen Industrieländern. Da bietet es sich doch an 10-20 Jahre im Ausland zu Arbeiten und „richtig“ Geld zu verdienen und zur Seite legen, um dann zurück zu kommen. Dann besteht nicht das Risiko von Altersarmut.
Es ist praktisch unmöglich große Mengen an qualifizierten Mitarbeitern nach Deutschland zu locken. Warum sollten Menschen hier hin kommen, in vielen anderen Ländern verdient man deutlich mehr.
Und jetzt läuft es in Deutschland genau in die andere Richtung. Wir verlieren die gut qualifizierten Arbeiter und es kommen schlechter qualifizierte.
Auswanderer: Die Besten verlassen Deutschland | heise online
Das Problem mancher Tätigkeiten ist, dass sie nicht gut skalieren bzw. sich (bisher) schlecht automatisieren lassen und wenig Potenzial für Produktivitätssteigerung bieten (v.a. Dienstleistungen). Wenn diese Menschen - wie alle anderen auch - mehr verdienen wollen, schlägt das schnell auf den Preis bzw. die gesamtgesellschaftlichen Ausgaben durch.
Was dann passiert, ist von vielen Faktoren abhängig. Zwei Beispiele:
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In der Pflege sind die Gewerkschaften offenbar schwach und die Kostenträger haben einen hohen Anreiz, die Kosten zu drücken. Die resultierenden Gehälter sind sicherlich nicht das einzige Problem, aber machen den Beruf unattraktiv, so dass jede Lösung voraussetzt, dass wir als Gesellschaft bereit sind, mehr Geld auszugeben und die Politik und Tarifpartner die richtigen Rahmenbedingung schaffen (z.B. verpflichtende Stellenschlüssel, allgemeinverbindliche Tariflöhne etc.).
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Im Verwaltungsbereich versucht man durch Digitalisierung und Automatisierung bis hin zu KI die Produktivität auf vorher nicht mögliche Levels zu heben. Ich denke, das wird den Bedarf an Sachbearbeitern bald extrem reduzieren. Die Stellen, die übrigbleiben, werden andere Profile haben und wahrscheinlich höher qualifiziert und bezahlt sein. Das verändert den Fachkräftebedarf qualitativ und quantitativ.
Das ist natürlich nicht auch nicht falsch. Herr Fuest bringt es in diesem Artikel (s.u.)gut auf den Punkt: Es gibt keinen Mangel, nur Knappheit. Und wer Personal braucht, soll halt mehr bezahlen. Wenn er das nicht kann, kann er halt kein Geschäft machen. Von daher geht es natürlich immer um die eigenen Gewinninteressen (oder auch die eigene Existenz), wenn man sich über die (verschärfte) Knappheit beschwert.
Im Hinblick auf die Beschäftigungschancen Älterer (das war ja die Ausgangsfrage) heißt diese Knappheit aber erstmal nichts Schlechtes…
Nur geschieht dies eben zu selten und nur in bestimmten Bereichen. Man schaue sich nur generell die Jobs in den Dienstleistungsgewerben an (Kranken- und Altenpflege etc).
Und in der IT Branche hat man eben auch lange nicht die Gehälter erhöht sondern auf „Green Card“ Immigranten aus Indien oder dem ehemaligen Ostblock gesetzt. Rächst sich eben, denn viele dder guten ITler haben sich im Ausland umgesehen und etwas besseres gefunden.
Auch hätte man stärker in die eigene Ausbildung bzw Weiterbildung investieren können. Anscheinend ist auch das zu wenig passiert.
Liebe Diskutanten,
ich finde die Diskussion um den sogenannten Fachkräftemangel etwas irritierend. Daher ein zwei Anmerkungen.
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Fachkräftemangel im engeren Sinne gibt es nicht. Was es gibt sind Fachkräfteknappheiten bzw. um das BA-Sprech zu benutzen Fachkräfteengpässe. Unternehmen, die Schwierigkeiten haben Personal zu finden müssen sich halt mehr anstrengen und mehr zahlen bzw. die Arbeitsbedingungen verbessern. Das wollen und können einige nicht, aber das ist dann immer noch kein Mangel. Mir ist ein Porsche zu teuer, deswegen habe ich aber noch keinen Porschemangel.
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Aus der Tatsache das vielleicht einige oder viele Unternehmen nicht in der Lage oder nicht Willens sind („Margen-arm“) höher Löhne zu zahlen folgt noch lange keine Notwendigkeit staatlicher Intervention. Der Arbeitsmarkt ist für Unternehmen letztlich auch nur ein Beschaffungsmarkt wie viele andere und auf diesen müssen die Unternehmen ja auch mit Knappheiten und schwankenden Preisen klarkommen.
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Klar, wir nicht jedes Unternehmen mit steigenden Personalkosten überleben können. Aber das ist ja gerade die Idee marktwirtschaftlicher Steuerung. Die Koordination der wirtschaftlichen Aktivität über Preise soll sicherstellen, dass die Ressourcen (hier (qualifizierte) Arbeitskraft) dort eingesetzt wird, wo sie am meisten Wortschöpfung generiert (eigentlich am meisten Nutze stiftet).
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Das heißt im Fall von Arbeitskräfteknappheit, dass einige Betriebe versuchen mit höheren Löhnen (die stellvertretend für insgesamt besser Arbeitsbedingungen stehen) Arbeitskräfte abzuwerben. Die betroffenen Betriebe können nun gleichziehen. Einige Betriebe werden nicht in der Lage sein, diese Löhne zu zahlen, da bei ihnen die Arbeitskräfte nicht die entsprechend Wertschöpfung bringen (warum auch immer). Sie scheiden aus dem Markt aus und setzen weitere Arbeitskräfte frei, die gegebenenfalls die Fachkräfteknappheit dämpfen. Die Arbeitskräfte wandern von wenig wertschöpfenden zu stärker wertschöpfenden Betrieben (in der gleichen oder auch in anderen Branchen). Die Gesamtproduktivität steigt. Das ist ein wesentlicher Mechanismus, der zu dem hohen Wohlstands-Niveau in den marktwirtschaftlich organisierten Ökonomien geführt hat: Faktorreallokation auf wettbewerblichen Beschaffungsmärkten koordiniert durch den Preismechanismus.
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In der Tat gibt es in einigen Bereichen, gerade bei Dienstleistungen, kaum Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung, was impliziert, dass höher Personalkosten zu höheren Preisen führen. Hier gibt es im Kern zwei Varianten. Erstens den Bereich mit geringer Wertschöpfung. Hier führen höhere Kosten, wie von FRq angemerkt, auf Grund der niedrigen Margen zu höheren Preisen. Da die betreffenden Dienstleistungen auch bei den Verbrauchern nur wenig Wert schöpft, werden diese die höheren Preise nur begrenzt tragen. Die Nachfrage geht zurück. Betriebe werden schließen oder schrumpfen. Und das ist gut so. Bei der zweiten Variante gibt es schon eine hohe Wertschöpfung, entweder als hohe Marge bei den Betrieben, dann können und werden diese den höheren Lohn zahlen, oder bei den Konsumenten, die einen erheblichen Nutzen also Wert aus der Dienstleistung ziehen, aber aus welchen Gründen auch immer noch nicht die entsprechenden Preise zahlen müssen. In diesem Fall würden sie steigende Preise hinnehmen, weil ihre Konsumenten Rente zwar schrumpft aber positiv bleibt. Es würde sich nur die Verteilung der Wortschöpfung zu Gunsten der Arbeitskräfte verschieben.
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in diesem Umfeld würde es der Friseur eher schwer haben, da es ja auch Alternativen gibt, die den Friseurbesuch ersetzen oder zumindest reduzieren, wie z.B. Kurzhaarschneider, Schnitt durch den Lebenspart oder WG-Mitinsassen, die Streckung der Zeit zwischen zwei Friseurbesuchen von 6 auf 9 Wochen usw., und zumindest aus der persönlichen Beobachtung habe ich nicht den Verdacht, dass dort die Margen riesig wären. In der Pflege wäre ich da optimistischer, da die Dienstleistung an sich sehr wertschöpfend und wertgeschätzt ist. Da bleibt nur die Frage „Wer soll das bezahlen? […] Wer hat so viel Pinkepinke? Wer hat so viel Geld?“. Auf die gesellschaftliche bzw. polititsche Antwort bin ich gespannt.
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Darüber hinaus finde ich, dass es tatsächlich nicht von der Hand zu weisen ist, dass ein weiter Teil der Arbeitgeberorganisationen den Begriff „Fachkräftemangel“ für ihre Lobbyarbeit instrumentalisiert, um Zuwanderung zu erleichtern (was lohndämpfende Wirkungen hätte) und um Staatsknete für die Aus- und Weiterbildung abzugreifen. Deswegen muss man Ihnen ja nicht gleich auf den Leim gehen. Zudem schadet da der Hinweis nicht, dass wer bei hoher Arbeitslosigkeit Lohnzurückhaltung als Rezept empfiehlt, bei knappen Arbeitskräften dann auch steigende Löhne als logische Konsequenz akzeptieren müsste. Aber das bin ich voll bei Adam Smith der größte Feind des Marktes ist der Unternehmer. „People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the publick, or in some contrivance to raise prices“. Erst danach kommt der Staat.
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Apropos Staat, wie oben schon von anderen angemerkt, gibt es regulierte Bereiche in denen der oben skizzierte Reallokationsprozess auf Grund von Preisvorgaben nicht funktioniert. Hier kann es einen staatlich verursachten Fachkräftemangel geben. Hier wäre die Lösung, Aufhebung der Preisregulierung und, wenn es gesellschaftlich gewünscht ist, Ausstattung der Konsument mit (zweckgebundener) Kaufkraft.
Das ist jetzt doch leider deutlich länger geworden als ursprünglich gedacht. Entschuldigt bitte.