Hi zusammen,
ergänzend zur exzellenten neuen Lage will ich hier kurz & bündig ein Modell aus der Moralpsychologie teilen. Es ist einfach zu verstehen, basiert auf empirischer Forschung und hilft ungemein, differenzierter über die eigenen Werte sowie die anderen Kulturen und Menschen zu sprechen.
Moralpsychologe Jonathan Haidt stellt seit Jahrzehnten Menschen weltweit Fragen wie:
Der Hund eines Mannes stirbt. Ist es in Ordnung, dass der Mann den Hund isst? Warum (nicht)?
Die Ergebnisse solcher und anderer Studien haben echt faszinierende Einsichten gebracht:
- Menschen haben einen bestimmten moralischen „Geschmack“. Dieser ist von Genetik, Kultur/Erziehung und persönlichen Erfahrungen geprägt.
- Das Gehirn trifft seine moralischen Entscheidungen emotional/intuitiv und sucht sich im Nachhinein eine rationale Begründung, mit dem es andere überzeugen kann (Fachbegriff dafür: moral reasoning). Das passiert meistens nicht bewusst.
- Moralische Geschmäcker können mit Aufwand teilweise verändert werden, ähnlich wie kulinarische Geschmäcker.
- Der moralische Geschmack setzt sich aus sechs Werten / „Geschmacksrichtungen“ zusammen, die man mehr oder minder wichtig findet, genau wie manche Leute auf bitter stehen und andere nicht. Gruppen wie Linke bzw. liberals und Konservative haben typische Verteilungen dieser „Geschmacksrichtungen“, ebenfalls gibt es Unterschiede zwischen Generationen.
Die sechs Werte sind:
- „Care“: Kümmer dich um andere, schade ihnen nicht.
- Fairness
- Loyalität
- Authorität
- „Sanctity / purity“: Vermeidung von Perversion, Dreck, Ekel, Verschandelung
- Liberty
Linksdenkende Menschen legen ganz viel Wert auf Care und Fairness.
Konservative Menschen haben ausgeglichenere Werte:
Und darum können konservative Menschen oft erstaunlich viele Menschen abgreifen, denn sie können andere recht gut verstehen; während Linke mit ihren 2-3 Werten es ganz schwer haben, Konservative zu verstehen.
Es gibt ein unheimlich empfehlenswertes Buch dazu, The Righteous Mind. Das Modell heißt eigentlich Moral Foundations Theory.
Wenn wir also die Frage beantworten, ob es in Ordnung ist, einen Hund zu essen, dann reagieren wir entsprechend unserer Werte, treffen eine Entscheidung, und suchen erst dann Argumente raus. Auch wenn wir die Logik dafür ganz schön verdrehen müssen. Und zwar egal, welche Werte / Moralvorstellungen wir nun konkret haben - wir funktionieren alle so. Manche sind sich dessen nur unbewusst.
Und wenn wir erwarten, dass alle Menschen die linken westlichen Werte übernehmen, verlangen wir von ihnen, dass sie Werte ablegen, die sie schon haben; das ist viel verlangt und würde auch eine ganz andere Kommunikation voraussetzen. Aber ich will hier keinen Roman schreiben, darum belass ich’s dabei
Ich hoffe, ihr findet das Modell genauso bereichernd wie ich.