Ehrlich gesagt, bin ich baff, um nicht zu sagen, irritiert, dass das jüngste SCOTUS-Urteil, das Trump, Bondi, Miller und Konsorten quasi einen Freifahrtschein ausstellt und zugleich die Unterwürfigkeit der auf Lebenszeit berufenen Rechtsdraußenrichter am Obersten Gericht dokumentiert, hier noch nicht heftig diskutiert wird. Oder ist das schon Resignation?
Justice Sonia Sotomayor wrote: „With the stroke of a pen, the president has made a solemn mockery of our Constitution.“ It continues: „Rather than stand firm, the court gives way.“
Wenn Europa nicht unfähig ist, kann es auf die eine oder andere Weise vom Trump-Idiotismus profitieren.
→ Für fähige Köpfe attraktiver sein als die USA.
Ich hoffe, die demokratisch regierten Bundesstaaten schaffen es, möglichst unabhängig zu bleiben und mit eigenen Konzepten Trumps Irrwege etwas auszuhebeln.
Dabei denke ich gar nicht nur an die Verheerungen, die Trumps nun höchstrichterlich bestätigter Quasi-König-Status in den USA anrichten wird. Denn die fürchterlichen Folgen solchen Absolutismus’ gehen - global betrachtet - weit darüber hinaus.
Ein Beispiel unter vielen ist das folgende.
Der SCOTUS setzt wohl gerade zum finalen Punch gegen faire Wahlen an.
Ich fürchte, dieses Urteil wird - auch wegen einer unglaublichen medialen Verkürzung - oft missverstanden.
Nach meinem Verständnis hat der Supreme Court der USA eine Entscheidung getroffen zu gerichtlichen Verfügung einzelner Bundesrichter: So dürfen einzelne Bunderichter keine bundesweit geltende Anordnungen (z.B. einstweilende Verfügungen) gegen Maßnahmen der Bundesregierung erlassen. Vielmehr dürfen sie solche Anordnungen nur in Bezug auf die für die direkt am Verfahren beteiligten Kläger treffen (Ausnahme: Sammelklage).
Bei diesem Urteil ging es. nicht um eine inhaltliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Trumps Dekret, das bestimmte in den USA geborene Kinder von der automatischen Staatsbürgerschaft ausschließen sollte. Die Entscheidung betrifft ausschließlich den Umfang gerichtlicher Eingriffe. Sie bedeutet daher nicht, dass Trumps Dekret sofort in Kraft tritt. Die
Wie das einzuordnen ist und welche Auswirkungen dieses Urteile haben wird, dazu bin ich zu wenig juristisch vorgebildet, um das einschätzen zu können.
Weiß nicht ob es falsch dargestellt wird. Wie erfolgreich Gerichte gegen unrechtmäßiges Regierungshandeln vorgehen können, wenn die Entscheidung immer nur für den Einzelfall gilt, erleben wir ja gerade in Deutschland…
Das Urteil macht es sicher nicht einfacher, Trump Einhalt zu gebieten. Nach meinem Verständnis hat SCOTUS aber auch explizit auf den Weg von „Class Action“, d.h. Sammelklagen als bundesweites Mittel hingewiesen und entsprechende Bestrebungen sind bereits unterwegs.
Außerdem wirkt das Urteil in beide Richtungen - auch Biden‘s Politik ist durch nationwide injunctions (in Verbindung mit judge shopping, d.h., Klage in Distrikten, in denen das Urteil erwartbar konservativ ist) massiv behindert worden. Ob die Republikaner unter dem nächsten demokratischen Präsidenten immer noch so glücklich damit sind wird man dann wohl sehen.
Als die Biden-Administration durch injunctions ausgebremst wurde, hat der rechtsdominierte SCOTUS gar nichts hinterfragt.
Es geht auch nicht bloß um formalrechtliche unmittelbare Konsequenzen, die schon schlimm genug sind, sondern auch um den Urteilstenor und die in den letzten Einlassungen der Rechtsdraußenmehrheit am Obersten Gericht enthaltenen Vorentscheidungen, die immense Verdrehungen der bisherigen Rechtspraxis mit fatalen Folgen für Rechtsstaat und Demokratie beinhalten.
No right is safe in the new legal regime the Court creates.
Darauf läuft es letztlich hinaus.
Wie schon oben verlinkt, nimmt der SCOTUS die Demokratie weiter unter Feuer.
The Supreme Court on Monday agreed to hear a Republican-led case that could upend campaign finance law and allow national party committees to spend even more on elections.
If ruled in the GOP’s favor, this would be another massive blow to the effort to keep money out of politics.
Der SCOTUS hat schon letztes Jahr Unbehagen gegenüber nationwide injunctions gezeigt, und zwar in einem Fall, der aus der anderen politischen Richtung kam [1]. Da hatte im November 2022 eine pro-life-Lobbyorganisation gegen die Zulassung von Mifepriston [2] geklagt, und im April 2023 von einem Gericht in Texas eine einstweilige Verfügung in diesem Sinne erreicht. Mifepriston ist das Medikament, mit dem in den USA die meisten Abtreibungen durchgeführt werden.
Das war kein Zufall, sondern kommt aus dem playbook des Project 2025 [3], wo es wörtlich heißt [4]:
former director of HHS’s Office of Civil Rights Roger … Severino writes that the “FDA should…reverse its approval of chemical abortion drugs because the politicized approval process was illegal from the start.”
Der Supreme Court hat das dann letztinstanzlich (und einstimmig) gekippt, aber nur mit der Begründung die Kläger hätten kein „standing“, seien also nicht klabeberechtigt.
Ich habe keine Zweifel, dass die konservativen Richter der Klage stattgegeben hätten, wenn sie damit nicht auch ermöglicht hätten, dass sagen wir ein Richter in Oregon die Sendelizenz von Fox News widerruft, oder die Zulsassung von Benzin mit 95 Oktan.
Die Biden-Administration hat anders als Trump jetzt allerdings auch nie gegen das Prinzip nationaler Injunctions geklagt sondern immer über die Substanz argumentiert - und SCOTUS handelt in der Regel nicht sua sponte.
Aber zurück zu Deiner Ursprungsfrage warum es keine rege Diskussion gibt: Für mich persönlich gesprochen ist es in erster Linie Ermüdung mit den ständigen Hiobsbotschaften aus den USA und eine persönlich Entscheidung für meine mentale Gesundheit.
Ich setze mich noch mit den Themen auseinander, die mich betreffen, d.h. in erster Linie US-Außen-, Wirtschafts- und Handelspolitik. Aber die US-Innenpolitik kann ich weder beeinflussen noch bin ich direkt von ihr betroffen (außer das ich die USA als Reiseziel erstmal gestrichen habe).
Insofern fühle ich Mitleid für die direkt betroffenen Menschen, die B/H gewählt haben, Wut für die zahlreichen Deppen, die Trump gewählt haben und Gleichgültigkeit für diejenigen, denen Biden/Harris nicht links genug waren und jetzt die Konsequenzen tragen müssen.
Den Rest versuche ich so weit wie möglich auszublenden und seit ich Twitter/X gelöscht habe und US-Newsseiten meide, geht es mir tatsächlich deutlich besser.
Die US-Wähler haben in ihrer Mehrheit den Untergang ihrer Demokratie gewählt. Das muss man akzeptieren, aber ich mag mir das Massaker nicht in Zeitlupe anschauen. Es kommt, wie es kommen musste und meine kleine Hoffnung, dass potentielle Wähler rechter Parteien in Europa sich davon eher abschrecken lassen, könnten, als vom Blick ins Geschichtsbuch, erfüllt sich offensichtlich nicht (siehe u.a. Polen).
Ich hatte sehr bewusst „Wähler“ und nicht „Wahlberechtigte“ geschrieben. Das Ergebnis der letzten Wahl war klar und hat die politischen Mehrheiten gebracht, die genau die Politik von Trump ermöglichen. Jeder der abgestimmt hat und jeder der nicht abgestimmt hat konnte/musste wissen, wer auf dem Wahlzettel und was auf dem Spiel stand und jetzt wird geliefert, was mit dieser Wahl bestellt wurde.