Schuldenbremse

Es ist bedauerlich, dass die Diskussion über die Schuldenbremse auch hier im Podcast so einseitig geführt wird.
Grundsätzlich gibt es viele gute Gründe die es Wert sind Schulden zu machen, einige davon wurden hier im Podcast und im Lage Buch auch schon behandelt. (Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung, etc.)

Es gibt aus meiner Sicht Argumente für die Schuldenbremse über die es sich lohnt nachzudenken.

  1. Rentenlücke
    Die Zahl der Beitragszahler ist in den vergangenen drei Jahrzehnten (bis 2023) um rund 21 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum nahm die Zahl der Altersrentner allerdings um 56 Prozent zu. (Statista) Schon heute werden Steuermittel für die Finanzierung der Rente eingesetzt. Bis 2025 könnte es sein, dass 1,3 Arbeitnehmende einen Rentnernbeziehenden bezahlen.
    In Anbetracht dieser herausforderndenn Perspektive sehe ich einen Baustein sich großflächige Möglichkeiten zur Schuldenaufnahme in der Zukunft offen zu halten.

  2. Wieso leisten wir uns so viele Ineffizienzen im Staat?

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive sind absolute und relative Rekordsteuereinnahmen Deutschlands seit 2012 bei gleichzeitigem Aufbau von Investitonsrückstau kein gutes Zeichen für die Leistungsfähigkeit des Staates. Die Schuldenbremse ist ein Instrument Druck auszuüben um den Staat leistungsfähig zu bekommen für die enormen Zukunftsaufgaben. (Bildungswende, Energiewende, Verteidigungs-Zeitenwende um nur ein paar zu nennen)

  1. Deutsche Fiskalpolitik ist ein entscheidender Faktor für die Stabilität des Euro und damit der Stabilität von Europa.

Das Argument wurde im Podcast ja aufgegriffen, dass Deutschlands Sparmeister-Rolle, dem Euro seit der Finanzkrise viel Stabilität verliehen hat, allerdings mit der Einschränkung, dass es zukünftig nicht mehr so wichtig sei.
Angesichts von sich zuspitzen Schulden Situationen von Frankreich und Italien sowie weiteren EU Staaten ist der fiskalische Stabilitätsanker Deutschland gefragter denn je, wenn man Anhänger der Sichtweise: „Scheitert der Euro, dann scheitert auch Europa“, ist.

Zu bedenken ist zudem, dass Geld was wir heute Ausgeben uns wie ein Mühlstein, in Form von Zinsen, um den Hals hängt wenn sich die Lage noch zugespitzt hat. Priorisierung und Fokussierung auf die zentralen Themen muss in der jetzigen Situation nicht unbedingt ein Fehler sein.

Wie seht ihr das?

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Nein, die Schuldenbremse ist ein Instrument neoliberaler und konservativer Politiker, um progressive Projekte (Bildungswende, Energiewende, etc.) abzuwürgen und das Ideal des „schlanken Staats“ zu verwirklichen.

Immerhin wurde Deutschland nach Einführung der Schuldenbremse 2009 noch 12 Jahre von deren Verfechtern (CDU, der wirtschaftsliberale Flügel der SPD und FDP) regiert. Die hätten also ohne Probleme die Zeit nutzen können, den Staat „leistungsfähig“ zu bekommen. Stattdessen wurde die Infrastruktur nur noch weiter kaputtgespart.

Die Lösung des Rentenproblems ist ziemlich einfach: die Wirtschaft ankurbeln. Dazu braucht es, richtig, Investitionen (und Migration, aber das würde das Thema hier derailen). Es wäre die schlechteste aller Entscheidungen, die zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kleinzusparen, nur um dann möglicherweise mehr Schuldenkapazität für die (kurzfristige) Aufrechterhaltung der Sozialsysteme zu haben.

Die Steuereinnahmen sind von 2013 bis 2022 um durchschnittlich 27,6 Milliarden Euro im Jahr gestiegen. Das bewegt sich im Rahmen der Inflationsrate im selben Zeitraum, jedenfalls nicht viel drüber (im Jahr 2022 betrugen die Steuereinnahmen 895,7 Milliarden Euro). Gleichzeitig sind die Erwartungen an den Staat und seine Pflichten stark gestiegen: Ganztagsbetreuung der Kinder (bald durchgehend vom 1. Lebensjahr bis zum Ende der Schulzeit), Qualität und Leistungen der Pflege und medizinischen Versorgung, etc.

Vor dem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass ohne die Bereitschaft Infrastruktur-Investitionen durch Schulden zu finanzieren in diese Infrastruktur eben nicht investiert wurde.

Dieses Argument übersieht völlig, dass durch die Investitionen ja zusätzliche Einnahmen entstehen. Entweder direkt über Nutzungsgebühren der geschaffenen Infrastruktur (Glasfaser, LKW-Maut, Mieteinnahmen beim Wohnungsbau) oder indirekt über höhere Steuereinnahmen durch die angeregte wirtschaftliche Aktivität.

Meine Wahrnehmung ist, dass die meisten anderen Staaten und auch viele Akteure der Finanzwirtschaft der deutschen Weigerung, ordentlich in die eigene Zukunft zu investieren, inzwischen eher skeptisch gegenüberstehen. z.B. hier: https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2024-05-02/european-economy-worry-about-growth-not-debt-levels

Es gibt meiner Ansicht nach einen breiten wirtschaftswissenschaftlichen Konsens, der auch von Interessenvertretern der Industrie und Arbeitgebern mitgetragen wird, dass der Status Quo nicht weiter haltbar ist. Verteidigt wird die gegenwärtige Handhabung der Schuldenbremse eigentlich nur noch von eher ideologiegetriebenen Akteuren – die ironischerweise gerne ihren politischen Gegnern genau diese Art von angeblich ideologiegeleiteter Politik zum Vorwurf machen.

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  1. Dieser Punkt ist nur unter den Auflagen der Schuldenbremse ein Problem. Die Relevante Größe beim Bewältigen der steigenden Anzahl an Rentnern ist nicht abstraktes Geld, sondern ob Deutschland ausreichend Güter und Dienstleistungen erzeugt, um nicht nur die arbeitende Bevölkerung, sondern auch Kinder, Rentner und Kranke „durchzufüttern“.
    Ich halte das Argument für einen Zirkelschluss.

  2. Relative Rekordsteuereinnahmen wären mir neu. Immer wenn von Rekorden die Rede ist, sind die Einnahmen in absoluten Euro gemeint, was bei jährlich positiver Inflationsrate natürlich ein sehr schwaches Argument ist, denn es steigen quasi alle absoluten Eurobeträge (Schulden, Einnahmen, Vermögen, etc.). Wenn du zu Steuereinnahmen im Verhältnis zu BIP (o.Ä.) genauere Zahlen hast, wäre ich sehr interessiert. Meine kurze Recherche hat dazu nichts geliefert.

  3. Hier ist der Blick über den Tellerrand interessant, da wir sonst ein bisschen zu sehr in der Glaskugel lesen müssten: Deutschland hat im Vergleich mit anderen OECD-Ländern eine sehr niedrige Schuldenquote (OECD-Schnitt ~110% vom BIP). Andere Länder mit viel höherer Schuldenquote haben nicht zwingend ein schlechteres Rating als Deutschland (Japan, USA, UK, Kanada, etc.). Soll heißen: die Schuldenquote ist nicht die eine Kennzahl, die bestimmt, ob wir in Zukunft Kredite bekommen oder nicht. Viel entscheidender sind die wirtschaftliche Kraft und die Stabilität des Landes.
    Und hier sehe ich den größten Nachteil: Wir schaffen es schlicht nicht unsere Infrastruktur nur am Leben zu halten, geschweige aus- und umzubauen. Das fängt schon bei dem massiven Personalmangel in den Ämtern an, die ewig brauchen um Anträge zu bearbeiten. Und das, obwohl es in Deutschland sehr wohl noch unfreiwillig Arbeitslose und Teilzeitbeschäftigte gibt. Das sind verschwendete Ressourcen, die nur existieren, weil wir kein Geld in die Hand nehmen wollen.

Dein letztes Argument „der Mühlstein um unseren Hals“ ist wieder ein Zirkelschluss. Ohne Schuldenbremse, wären Zinskosten kein Problem.

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Und auf die Stabilität wurde in einer vergangenen Lage schon eingegangen: wenn die Infrastruktur marode wird, dann wächst in der Bevölkerung auch der Zweifel an der Demokratie. Das in Deutschland ca. 20% der Wähler die AfD wählen würden ist für die Wirtschaft meiner Ansicht nach ein größeres Risiko, als die Verschuldungsquote um ein paar Prozent anzuheben.

Ich war vor ein paar Tagen auf einem Elternabend, da hat ein Gymnasiallehrer (!) gesagt „50% meiner Schüler sind wegen nicht ausreichender Deutschkenntnisse und anderen Dingen besonders Förderbedürftig. Für die anderen Kinder habe ich keine Zeit mehr“. Dass der deutsche Staat solche Situationen wegen irgendwelcher historisch in keiner Weise belegbaren liberaler Wirtschaftstheorien zulässt ist eine Schande für eine moderne, reiche und demokratische Gesellschaft.

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Mir ist bewusst, dass ich mich mit dieser argumentativen Schlagseite zur Schuldenbremse eine Minderheitsmeinung wiedergebe. Um so mehr freue ich mich über die sachlichen Antworten und das Feedback. Danke dafür! Einzig auf das Labeln von Positionen könnte ich persönlich verzichten.

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Mit Schulden für Wirtschaftswachstum zu sorgen ist mir zu platt. Das verkennt aus meiner Sicht die Aufgabe der Wirtschaft für eine Finanzierung der öffentlichen Ausgaben mittels Steuerabgabe zu Sorgen und nicht andersherum.
In Ausnahmefällen wie Krisen oder Umbrüchen kann der Staat natürlich mit Förderungen unter die Arme greifen. Die ganz konkrete Frage die ich in weiten Teilen noch unbeantwortet sehe: Wird sich die Förderung jemals wieder auszahlen oder wird nur eine dem Untergang geweihte Branche künstlich am Leben gehalten bis wir sie irgendwann untergehen lassen müssen. (Beispiel Kohleförderung im Ruhrgebiet, Galeria Kaufhof, etc.)
Wenn wir auf die energieintensive Industrie schauen, dann müssen wir uns Fragen ob das in Deutschland eine Zukunft hat, oder ob die nicht in beispielsweise in Spanien besser aufgehoben ist, wo günstiger Solar Strom auf Grund der Gegebenheiten viel umfangreicher zur Verfügung steht und damit auch langfristig viel konkurrenzfähiger anzubieten ist. (Hinweis aus der aktuellen Lagesendung über die Versorgungslücke in der Energieversorgung die durch teuren importierten Wasserstoff ausgeglichen werden muss)
Wenn wir durch neue Schulden nicht über lebensfähige Unternehmen in eine Abhängigkeit zwingen, verlieren am Ende alle.

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Reizthema. Ich halte das FDP- Beispiel der schwäbischen Hausfrau auch für sehr platt und simpel.

Allerdings denke ich schon, das man ein gewisses Maß zwischen Einnahmen und Ausgaben wahren sollte und Schulden eher eine Ausnahme für Unvorhergesehenes sein sollten.

Ein Punkt wäre vorab zum Beispiel ein sorgsamer Umgang mit Geld. Also die Verschwendung von Steuergeldern minimieren durch ggf Haftung der Verursacher (Beispiel Andi Scheuer) und engere Kontrolle.

Dazu ggf eine Priorisierung von Ausgaben enger fassen, also gesamtgesellschaftlich relevante Ausgaben für Bildung und Klimawandel haben Vorrang vor nachrangigen Ausgaben wie dem millionenschweren Neubau einer Oper oder die Förderung hochpreisiger aber nicht nachhaltiger Projekte.
Also Mehrheitsnutzen vor Minderheitsnutzen.

Natürlich sind Schulden bei Ereignissen wie Corona oder Krieg in Europa sicher oft unumgänglich.

Aber Schulden zum Zuschütten politischer Versäumnisse der Vergangenheit und Gegenwart halte ich nicht für zukunftsfähig.
Auch da sollte Augenmaß Vorrang haben. Auch bei der Förderung der so freien Marktwirtschaft. Wenn Unternehmen Unabhängigkeit wollen, dann auch bei unternehmerischen Versagen.

Just my 51,4 Cent

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Das stimmt. Nur ist das auch nicht unbedingt ein Argument für neue Schulden. Die Verwaltung ist aktuell einfach nicht in der Lage die bestehenden Steuereinnahmen zielführend und effizient einzusetzen. Mit neuen Schulden überdecken wir nur die Probleme in der Verwaltung die uns dann eben in 10 Jahren auf die Füße fallen. Daher zuerst die Verwaltungsreform und dann die Investitionen.

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  1. Wenn man davon ausgeht, dass man die Schuldenquote beliebig hochtreiben kann hast du Recht. Wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass eine Gesellschaft ihre Einnahmen so verteilen sollte, dass alle ein auskömmliches selbst bestimmtes Leben führen können ohne gleichzeitig über ihre Verhältnisse zu Leben, dann greift dein Argument zu kurz.

  2. Das Steueraufkommen in Deutschland im Verhältnis zum BIP hat sich in den letzten Jahren in Wellen bewegt. Zum Vergleich im Jahr 1993 betrugt das Steueraufkommen im Verhältnis zum BIP 22,5%, 2003 21,5%, 2013 23% und 2023 23,1%. Der Anstieg der Sozialabgaben ist hier noch gar nicht mit einberechnet. Insgesamt stehen dem Staat also relativ und absolut immer mehr Mittel zur Verfügung. Steuerquote in Deutschland bis 2023 | Statista.

  3. Fairer Punkt, viele große Wirtschaftsnationen sind trotz hoher Schuldenquote wirtschaftlich erfolgreich. Meine Bedenke: Ich sehe das Konstrukt in Europa aber als anfälliger an, weil selbst vergleichsweise kleine Staaten wie Griechenland die Eurozone in eine Schwere Schulden- und Vertrauenskrise gestürzt haben und wir deutlich mehr Akteure mit (leider) unterschiedlicher politischer Agenda innerhalb des Währungsverbunds haben.

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Und ohne neue Schulden überdecken wir nur den Investitionsstau, der uns dann eben in 10 Jahren auf die Füße fällt. Man muss eben beides gleichzeitig machen, investieren und die Verwaltung verbessern.

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Mir scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Die „Aufgabe“ der Wirtschaft Werte zu erschaffen, die in Steuerabgaben münden, ist ja an Voraussetzungen geknüpft. Nämlich eine gute Infrastruktur und Bildung. Diese muss der Staat zuerst bereitstellen.

Ich kann nicht erst anfangen Töpfe zu verkaufen um mir von den Erträgen einen Töpferofen und Ton zu kaufen. Es geht nur umgekehrt.

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Ich habe ja auch gesagt Investitionen sorgen für Wirtschaftswachstum. Das ist ein ziemlich anerkanntes volkswirtschaftliches Prinzip. Natürlich macht es keinen Sinn, Schulden aufzunehmen und damit zum Beispiel Steuersenkungen für Superreiche zu finanzieren. Aber Schulden, die zum Beispiel zur Förderung der energetischen Sanierung von Häusern genutzt werden, die sonst nicht saniert werden würden, zahlen sich gleich doppelt aus: Sie sorgen für ein höheres Wirtschaftswachstum (weil die Baubranche mehr zu tun hat) und sie reduzieren die Folgekosten des Klimawandels (weil CO2 eingespart wird).

Klar muss gut überlegt werden, in was genau investiert wird. Das Grundprinzip ist aber meiner Ansicht nach extrem valide.

Aber die Grundaufgabe des Staats ist es, für die Wirtschaft die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Privatunternehmen können nicht dafür sorgen das Straßen gebaut werden, Glasfaser verlegt wird oder die Grundschulen eine hohe Qualität haben. Das ist Pflicht des Staats und dafür braucht er Geld. Wenn dieses Geld aus Steuereinnahmen nicht zu holen ist und die Summe nicht sinnvoll an anderer Stelle eingespart werden kann, müssen eben Schulden gemacht werden. Und selbst wenn höhere Steuern und Einsparungen theoretisch möglich wären kann es trotzdem Sinn machen, Schulden aufzunehmen – weil man zum Beispiel nicht den Sozialstaat komplett schleifen möchte und/oder Schulden für den Staat extrem günstig sind.

Diese Frage ist für viele Vorhaben schon abschließend beantwortet. Keiner bezweifelt meines Wissens nach, dass der Ausbau und die Elektrifizierung des deutschen Schienennetzes insbesondere im Güterverkehr wirtschaftlich sinnvoll wäre. Und wenn man sich anschaut, wie viel Geld eine verkorkste menschliche Existenz den Staat kostet und wie sehr er von erfolgreichen Kindern profitiert, dann könnte man vermutlich die Zahl der Lehrer und Kita-Erziehrinnen pro Kind in Deutschland verdoppeln, wenn dadurch (wie alle pädagogische Forschung nahelegt) die kindliche Entwicklung und der Lernerfolg deutlich verbessert würde. Das ist aber meine ganz persönliche Schätzung.

Wenn es nur um günstigen Strom gehen würde, gäbe es längst keinerlei energieintensive Industrie in Deutschland mehr. Tatsächlich ist ja auch schon viel abgewandert. Die, die noch da sind haben in der Regel andere Gründe: Fachkräfte, politische Prioritäten und Förderung, etc. Das neue Intel-Chipwerk in Magdeburg ist ein gutes Beispiel: Extrem energieintensive Produktion, deren Ansiedlung durch die Schaffung von Subventionen und guter politischer Rahmenbedingungen möglich gemacht wurde.

Das tun wir auch, wenn die Unternehmen alle gehen/dicht machen, weil die Brücken marode sind und die Kinder der Fachkräfte keine ordentlichen Schulen haben. Es muss da eine Balance geben und aktuell wiegt die Notwendigkeit für mehr Investitionen in die Zukunft einfach schwerer.

Ich bin kein Fan von „erst jenes, dann dieses“ wenn man zwei sinnvolle Dinge auch gleichzeitig machen kann.

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Das ist ein schönes Beispiel. Sollte der Staat den Brennofen bereitstellen oder kann der Handwerker erstmal 3 Töpfe unter einem Feuer brennen, sein eigenes Produkt überprüfen, schauen ob das jemand haben möchte, wieviel jemand anderes dafür bereit ist zu geben und dann danach mit diesem Wissen z.B. Kreditfinanziert einen Ofen anschaffen?

Woher nehmen wir Hoffnung, dass Mitarbeitende einer Behörde das beste spezifische Wissen über Öfen haben, wo doch (fast) jede Innovation erst nach langer Zeit ihren Weg in öffentliche Organisationen findet.

Aus meiner Sicht liegt der Fehler in der Diskussion über die Schuldenbremse in einem ganz anderen Feld:
Als allererstes, muss der Staat sich sicher sein was er gestalten und finanzieren will.
Dann schaut er sich an, welche Einnahmen er dazu zur Verfügung hat.
Diese Einnahmen hält er gegen die schuldenbremse und muss dann folgende Antwort bringen:
Verzichte ich auf etwas, dass ich will oder erhöhe ich die Einnahmen.

Und dort ist der Fehler in unserer Diskussion. Ich habe es ein anderer Stelle schon einmal aufgeführt, mit einem relativ einfachen und gleichzeitig gegen die Ungleichheit angehenden Schritt können wir das was wir wollen und das was uns vorgegeben ist finanzieren.

Welch Überraschung: Steuererhöhungen

Und da wir eine Partei in der Regierung haben, die das ums verrecken nicht will lassen wir dies in der Diskussion immer außen vor. Die FDP als 5% Partei hat es geschafft, den Diskurs so weit zu verschieben, dass das Thema Steuererhöhungen als Lösungsmöglichkeit schon gar nicht mehr aufgeführt wird.

Und so drehen wir uns im Kreis. Die FDP, AFD und die CDSU wollen bei den Armen sparen, die SPD und die Grünen wollen vielleicht nicht sparen sonder investieren. Konsens in einem Feld voller roter Linien ist nicht möglich.

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genau. kreditfinanziert. Weil man erst den Ofen braucht und erst danach genügend Töpfe verkaufen kann um ihn abzubezahlen.
Jetzt gibt es Dinge wie Schulen und Schienen, von denen schon bekannt ist, dass sich jeder investierte Euro vervielfacht. Aber eben gesamtgesellschaftlich und über einen längeren Zeitraum.

Darum geht es hier nicht. Öfen (Investitionsgüter zur Deckung eines akuten Bedarfs) sollen weiter von privaten Akteuren finanziert und betrieben werden.
Für Schulen (Investitionen, die das private Wirtschaften begünstigen oder erst ermöglichen) hingegen muss der Staat sorgen.

Bei privaten kreditfinanzierten Investitionen, die hohe Rentabilität versprechen würde wohl keiner sagen, dass diese unterbleiben sollen (wenn sie nicht anderweitig Schäden hervorrufen) Das würde nämlich mittelfristig die Einstellung der meisten Wirtschaftstätigkeiten bedeuten.

Warum das bei Investitionen in die Infrastruktur anders sein sollte, konnte mir noch keiner schlüssig darlegen.

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Das sagt doch keiner - beliebig. Nur das 64% ein guter Wert ist und 70% uns nicht schaden würde. Nur so nebenbei: Lindner senkt ja nicht die Schulden, sondern nur die Schuldenquote in den letzten Jahren.

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Also zumindest in der Lage und hier im Forum werden Steuererhöhungen eigentlich immer als sinnvolles Mittel angeführt. Zum Beispiel Erbschaftssteuer und Vermögenssteuer wurden ja hier schon rauf und runter diskutiert.

Das Problem ist, dass wir mit Steuererhöhungen alleine nicht das nötige Geld zusammenbekommen. Alle sind sich einig, dass bestimmte Steuern nicht erhöht werden sollen: Einkommenssteuern auf niedrige und mittlere Einkommen, Mehrwertsteuer und eigentlich alle anderen regressiven Steuern, etc.

Bleiben also vor allem die Steuern, die in irgendeiner Form die großen Vermögen und Einkommen betreffen. Da ist einiges zu holen, aber vermutlich nicht dauerhaft 40+ Milliarden Euro im Jahr oder wie viel wir auch immer für Investitionen ausgeben wollen. Irgendwann kommt man mit dem Grundgesetz und der allgemeinen politischen Stimmung in Konflikt.

Es ist entsprechend keine „entweder oder“, sonder ein „sowohl als auch“.

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Das ist meiner Meinung nach der eine Punkt, der so häufig missverstanden wird und dann genau zu solchen Diskussionen führt. Er ist schlicht falsch.

Alles Geld, das wir auf unseren Konten und in unseren Geldbörsen haben, ist Geld, das irgendwann mal vom Staat (bzw. präziser von der Zentralbank im Auftrag des Staats) oder einer Privatbank durch Privatkredite geschöpft wurde. Gäbe es dieses geschöpfte Geld nicht, gäbe es keine Steuereinnahmen, weil schlicht niemand Steuern zahlen könnte. Die Reihenfolge ist daher: Der Staat schöpft zuerst Geld, finanziert ein politisches Projekt und holt sich dann das Geld langfristig wieder über Steuern zurück. Steuern sind entsprechend das Gegenteil von Geldschöpfung (also Geldzerstörung) und können in einer Welt mit dauerhaft positiver Inflationsrate nicht nachhaltig zur Staatsfinanzierung dienen.

Niemand bestreitet, dass man die Schuldenquote beliebig hochtreiben könnte. Die Frage ist: Was sind die Konsequenzen. Die Konsequenz ist nicht, dass wir irgendwann kein Geld mehr bekommen (das kommt von der Zentralbank und ist „nur“ an politische Vereinbarungen geknüpft). Nur wird der Staat durch seine Ausgaben irgendwann die Inflationsrate beeinflussen, weil er der Wirtschaft die Güter unter der Nase wegkauft. Genau dieses Problem haben wir aber gerade nicht. Vor allem die Bauwirtschaft wäre aktuell sehr froh, wenn sozialer Wohnungsbau endlich angegangen werden würde.

1980 waren wir bei 23,8% - also keine Rekordeinnahmen, nur ganz gut im Vergleich zu den 0er Jahren.

Wie du schon richtig sagst: es war eine Vertrauenskrise. Das Vertrauen war nicht mehr gegeben, weil es Sorgen gab, dass die EZB Griechenland fallen lassen könnte. Unser damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble war bekanntermaßen glühender Verfechter der schwarzen Null (Schuldenbremse auf Steroide) und hat aktiv verhindert dieses Vertrauen herzustellen. Erst Draghis „Whatever it takes“ hat dem ein Ende gesetzt. Die Frage hier ist: Welche nationale Zentralbank würde auch nur mit dem Gedanken spielen den eigenen Staat nicht mehr zu finanzieren? Nur bei der EZB gab es daran Zweifel. Und diese Zweifel hatten ihren Ursprung meiner Meinung nach nicht in Frankfurt, sondern in Berlin.

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Doch, könnte schon.
Erbschaftssteuer 10% ohne große Ausnahmen 40 Milliarden€ jährlich
Vermögenssteuer 2% waren auch bis zu 20 Milliarden jährlich

Plus, Steuervermeidung effektiv begrenzen und Steuerprüfung verbessern bis 100 Milliarden

Das Geld ist morgen natürlich nicht da, aber über die nächsten Jahre könnte man das Aufstellen.

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Nicht die Einkommensungleichheit ist das Problem, sondern die Vermögensungleichheit. Laut Bundesbank betrug das mittlere Nettovermögen eines deutschen Haushalts vor Pandemiebeginn 70 000 Euro, wer dauerhaft zur Miete wohnt, kam nur auf 10 000 Euro. Dem reichsten Tausendstel der Bevölkerung standen dagegen je 35 Millionen Euro zur Verfügung – 3500 Mal so viel.

Als Konsequenz empfiehlt Claus Hulverscheidt dafür zu sorgen, dass jeder einen angemessenen Beitrag zum Allgemeinwohl leistet. Der Bürgergeldbezieher, die arbeitende Mitte, aber umso mehr diejenigen, die dank ihrer hohen Vermögen dazu besonders in der Lage sind.

Am logischsten wäre dafür die Wiedererhebung der 1997 ausgesetzten Vermögensteuer, die selbst dann zweistellige Milliardenbeträge brächte, wenn sie nur die Superreichen träfe.

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