Schuldenbremse (mit)verantwortlich für EU-Wahlausgang?

All diese Probleme ließen sich entspannter angehen oder gar lösen, wenn wir nicht so verbissen an der Schuldenbremse festhalten würden. Wie können wir einerseits den Staat in seiner Handlungsfähigkeit so massiv einschränken und andererseits beklagen, dass er unfähig sei, die Probleme zu lösen?
Wir feiern uns für unsere Demokratie, verbieten uns aber, über neues Geld tatsächlich Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft zu nehmen. Stattdessen klagen wir über zu hohe Steuern und misstrauen den Politiker:innen.
Ich denke, wenn wir die Demokratie wirklich verteidigen wollen, müssen wir uns auch damit beschäftigen, was die Rolle des Staates ist, warum dem so ist und wer andererseits von einem schwachen/schlanken Staat profitieren würde.

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Dem würde ich mich nicht grundsätzlich verschließen. Eine Reform der Schuldenbremse ist sicher notwendig.

Allerdings ist es auch wichtig zu erkennen, dass Probleme mit Geld zuschütten auch nicht unbedingt die beste Lösung ist.

Die Verkehrswende bekommt man zum Beispiel vor allem durch bessere Angebotspolitik hin. Wir haben noch viel zu wenig Ladesäulen als dass der Komfortverlust durchs Säule suchen, anstöpseln, weggehen und 4h später wieder wegfahren für Otto N. als vernachlässigbar wahrgenommen wird.

Die Industrie leidet unter hohen Strompreisen. Sie leidet aber auch unter sehr hohen bürokratischen Auflagen. Wir müssen bspw. täglich mehrere Exceltapeten mit unserer Stromproduktion und Abnahme und Gründen für Ausfälle an die Netzbetreiber schicken. Excel!!! :nauseated_face: Niemand schaut sich das dort an, aber wir beschäftigen mehrere Mitarbeiter damit. Es gibt tausende ähnliche Beispiele.

Die Wohnungsnot werden wir auch nicht mit mehr Geld allein lösen. Das Problem ist nämlich eher die fehlende Verfügbarkeit von Bautrupps und Handwerkern. Auch wenn die doppelt so viel verdienen können, werden die sich nicht teilen können. Da hilft dann eher serielles Bauen.
Fehlendes Material kann natürlich ein Problem sein, dass man mit Geld angehen kann. Da gilt es aber vielleicht auch Vorschriften zu vereinfachen, so dass auch weniger spezialisierte (billigere) Baustoffe wieder eingesetzt werden dürfen.

Im Rentensystem ist meines Erachtens nicht zu wenig Geld. Man hat nur zu viele Rentengeschenke an Menschen gemacht, die diese nicht brauchen. Es braucht keine Mütterrente für die Chefarztgattin usw…

Und zuletzt, Lehrer werden hier schon sehr überproportional bezahlt, im Vergleich zu anderen Ländern. Unsere Probleme bei den Lehrern liegen offensichtlich woanders und es ist nicht die Konkurrenz mit der Industrie. Ich würde vor allem das Image des Lehrerberufs und der Klientel der „Kundschaft“ als Problem ausmachen.

Ich glaube die Analyse ist etwas verkürzt. Einfach nur mehr Geld wird es nicht richten. Wir brauchen endlich einen effektiven und effizienten Staat. Wir müssen mehr bekommen für jeden € den unser Staat ausgibt. Wir sind einfach brutal ineffektiv und ineffizient. Die Handlungsunfähigkeit ist in vielen Bereichen mittlerweile einfach systemimmanent.

Wenn nur mehr Schulden die Lösung des Problems wären, dann hätten wir in Frankreich und Italien kein Thema mit rechtsextremen Strömungen - schließlich stehen diese beiden Länder in der Staatsverschuldung doch ganz oben in der Liste.

Ich bin überzeugt: einfach nur mehr Geld wird dieses System nicht retten - damit verhindern wir notwendige Reformen und verschieben das Problem einfach nur in die Zukunft.

Mag sein, dass wir auch nach einer umfassenden Struktur-/Staatsreform immer noch Schulden bzw. Steuererhöhungen benötigen, um die oben beschriebenen Probleme alle zeitnah zu beheben, aber wir sollten den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen.

MMn sollten neue Schulden machen der erste Schritt sein. Ist es nicht gerade bei

wichtig, dass der Staat handlungsfähig ist sowie Sicherheiten und langfristige Planungen garantieren kann?


Gegenfrage: Hilft uns die Schuldenbremse bei der Bewältigung der oben genannten Probleme? Oder hilft sie dabei, den Unmut in der Bevölkerung zu beseitigen?

Ich verstehe ehrlich gesagt den Sinn und Zweck der Schuldenbremse nicht. Zukünftige Generationen müssen die Schulden nicht zurückzahlen. Zinszahlungen stehen einem wachsenden BiP und einem funktionierenden Staat gegenüber.
Aber vielleicht kann mich da jemand aufklären und mir auch erklären, wie die Bankenkrise 2007/8 sich in eine Staatskrise ausgeweitet hat, welche durch umfassende Konjunkturpakete (Schulden) abgefedert werden konnte und in dessen Zuge die Schuldenbremse eingeführt wurde.

Wie gesagt, die Schuldenbremse schränkt den Staat in seinen Möglichkeiten ein. Den demokratischen Staat, auf den wir so Stolz sind und für den wir alle 4 Jahre wählen gehen. Der dann aber nicht das umsetzten kann, was die Wählerinnen wollen, da angeblich das Geld fehlt.

Wir sollten Aufhören Staatsschulden als eine Frage der „Schuld“ zu sehen.

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Sollte etwa selbst Lindner erkannt haben, wie Brandgefährlich seine Sparpolitik ist?

Haben wir hier einen Dissens? Ich bin ja durchaus auch bereit die Schuldenbremse zu reformieren wie ich oben schrieb. Nur möchte ich gern unsere Schwächen und Ineffizienzen, die wir in wirtschaftlich und sozial aufstrebenden Zeiten aufgebaut, trotzdem reformieren.

Du kaufst dir doch auch keinen neuen Kühlschrank wenn du das Problem (begrenzter Platz) auch lösen könntest, indem du Konservendosen einfach un lagerst (Analogie zu mehr Ineffizienz durch Bürokratie).

Das hier nicht, das ist im Gegenteil die Folge davon, dass wir nicht schon viel früher eine Schuldenbremse (zumindest bei konsumtiven Ausgaben) eingeführt haben. Falls eine Aktienrente gewünscht wird (um flächendeckende Altersarmut zu bekämpfen), dann kann diese durch eine Erbschaftssteuer und/oder Vermögenssteuer und/oder Vermögensabgabe gedeckt werden. Die fehlende Schuldenbremse hatte es viel zu lange möglich gemacht, diese Debatte mit Zuschütten durch schuldenfinanziertes Geld abzuwürgen.

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Die Mittelschicht trägt aktuell die Hauptlast (hohe Einkommensteuer, wenig Kapitaleinkünfte). Daher noch ein Vorschlag: wir könnten doch Steuersenkungen für die Mittelschicht durch Schulden gegen finanzieren.