Rentensystem - Umlage oder Kapitaldeckung? Mackenroth These

Ich fand Deinen Ansatz, der Staat solle das Anlagevermögen selbst verwalten spannend und habe lediglich auf Deinen Hinweis reagiert, der sinngemäß lautet: „Wenn der Staat Geld anlegt, dann passiv und diversifiziert.“

Und hier insbesondere Dein Ansatz, dass die Anlage passiv erfolgen soll.

Dem wollte ich entgegensetzen, dass diese Betrachtung u.U. etwas unvollständig ist, da es, neben Risiken, die Du wegdiversifizieren kannst (klassisch Markowitz - Varianz/Kovarianz) Risiken gibt, die Du nicht „wegdiversifizieren“ kannst. Diese Risiken könnten durch einen passiven Ansatz sogar noch verstärkt werden.

Durch das Auftreten eines extrem großen Anlegers werde neue Risiken entstehen, die Du mit klassischer Portfolioanalyse weder erfassen noch korrigieren kannst.

Alle technische Details zu erklären ist hier im Forum zu aufwendig und nicht zielführend. Ein Grundverständnis hatte ich vorausgesetzt, da Du die These aufgestellt hattest.

Ah, ok, jetzt verstehe ich, worauf Du hinaus willst. Ich bin kein Finanzanlagespezialist und bin — wahrscheinlich zu stark vereinfachend — davon ausgegangen, dass das, was für einen einzelnen Anleger gilt (Markowitz), auch für eine Staatsfonds gilt (wobei das grundsätzliche Aktienrisiko, das man für eine höhere Rendite auf sich nimmt, nicht völlig wegzuhedgen ist — wer eine risikolose Anlage sucht, wird sie nicht finden — „every magic comes with a price“).

Nach Deiner Einschätzung skaliert die Anlagestrategie jedoch nicht so einfach mehr oder weniger linear. Jetzt müsste man Vollprofis vom Fach oder Wissenschaftler fragen, wie ein Staatsfonds den von Dir genannten Risiken entgegen wirken kann. Bist Du vielleicht so einer?

Ja, dann wäre es nicht mehr komplett passiv. Ich denke, dass man trotzdem der Erkenntnis folgen sollte, dass kein aktiver Anlagemanager auf Dauer die Performanz des Marktes schlagen kann und dass jedes Risikomanagement immer einen Preis haben muss.

Die Frage ist, was Du mit „skalieren“ meinst. Ist es kostengünstiger, ein Volumen zu handeln, als ein kleines? Sicher.

Vielleicht kannst Du dir das vorstellen, wie ein Supertanker im Vergleich zu einer kleinen Motoryacht. Beide haben Waren geladen.

Die direkte Verbindung zwischen zwei Punkte ist eine Gerade, d.h. beide Kapitäne werden in der Regel stumpf gerade aus fahren [naiv-passiver Ansatz - kostengünstig und direkt/ETF], um von einem Punkt zum anderen zu kommen.

Jetzt kommt aber ein Sturm auf. Die kleine wendige Yacht sucht Schutz im nächsten kleinen Hafen [aktives Management], während der Supertanker allein auf hoher See verbleiben muss, da jeder Hafen zu klein wäre.

Wenn nun beide Schiffe in den Hafen wollen, um ihre Waren abzuladen [Börse - Käufer/Verkäufer] dann fährt die kleine Yacht an eine freie Stelle, es findet sich schnell ein Käufer für die wenigen Waren und die kleine Yacht ist auf und davon, neue Märkte zu ergründen. Der große Tanker muss erst einmal durch ein Tug Boat in den Hafen gelotst werden [Prime Broker]. Die Ladung soll nun möglichst schnell gelöscht werden, aber sie ist so groß, dass sie erst durch viele kleine Großhändler [Broker/Market Maker] in kleine Häppchen verpackt werden muss. Die Ladung wird nun aber nur an einen einzige Händler verkauft. Dieser nimmt die Ware auf Kommission, geht aber im Verkaufsprozess pleite und flieht mit den Resten der Beute in ein südostasiatisches Land [Betrug - Kontrahentenrisiko/Counterparty Risk].

Du könntest mit dem Händler auch vereinbaren, dass er Dir die Ladung nicht zu einem bestimmten Preis abkauft, sondern versucht, diese meistbietend zu verkaufen und Du erhältst den gesamten Erlös [Total Return Swap].

Eines anderen Tages reist Du wieder in einen sehr großen Hafen [Markt z.B. Aktienmarkt] (kleine gehen ja nicht) und willst Holz verkaufen (Du kannst nur bestimmte Güter, deren Handelsvolumen einem Mindestwert entsprechen, kaufen und verkaufen, weil alles andere nicht ein so großes Schiff auslasten würde). Problem ist, dass einer der Hafenarbeiter eine Freundin in dem Hafen hat, aus dem mit dem Riesentanker kommst. Und die hat ihm jetzt geflüstert, dass gerade ein Riesentanker mit Holz in Richtung des Hafen 2 unterwegs ist. Der Hafenarbeiter erzählt das seinem Chef, der selbst gerade einen erheblichen Holzvorrat gekauft hat. Der wird natürlich sofort verkauft, bevor Du mit deinem ganzen Holz die Preise ruinierst [front running].

Sagen wir, der Hafen liegt in einem Land, in dem Holz etwas Unanständige ist. Dann würde niemand so recht Dein schönes Holz kaufen wollen zumal der andere Gauner ja den Markt gerade erst damit geflutet hat. Also veranstaltest Du eine Kostümparty, so richtig mit Masken und Nebel und alles ganz dunkel ^^ Dort versammeln sich potentielle Käufer (alle krass getarnt) und begutachten Dein Holz. Käufe werden sehr diskret durchgeführt (Dark/Blind Pools).

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, kommst Du von der Party auf Dein Schiff und siehst, dein Kapitän wurde abgesetzt und es steuert … ein Lokalpolitiker aus Südthüringen, der sich um den Bundestag bewirbt. Dir wird heißt und kalt, was ist passiert? [Politik]

Wie Du siehst, haben große Kähne idiosynkratische Risiken, die sich völlig von denen eines Kleinanlegers unterscheiden.

Diese Risiken sind nicht normalverteilt (Glockenkurve). Stattdessen hat die Glocke sehr dicke/hohe Enden/Ränder, d.h. Extremszenarien [Tailrisk] sind wahrscheinlicher als bei (normalverteilten) Kleinanlegern. Hier überwiegen aber vor Allem die negativen Risiken, das Risiko ist als asymetrisch verteilt [asymetrische Tail Risk].

Die Risiken materialisieren sich also … manchmal … Das mussten auch schon Nobelpreisträger erfahren, die sich auf die Verwaltung von Risiken spezialisiert haben [Long Term Capital Management - LTCM] und Boote sinken.

Zuletzt benötigen die richtig großen Schiffe auch die richtigen Regeln, klar [Notenbankpolitik]

Und ja, es macht einen Unterschied, ob Du den Supertanker langsam, über 40 Jahre oder sofort; mit einem Mal, belädst (Norwegen über 40 Jahre, Deutschland … mehr oder minder mit einem Mal).

Allein die Infratruktur … 1.500.000.000.000€ in Wertpapiere zu schieben … mit einem Mal … das sprengt fast jeden Hafen und wäre DAS perfekte Ziel für Spekulanten.

Was würde dann passieren, wenn mehrere große Staatsfonds EINE Anlage wollen? Du darfst nicht vergessen, dass Riesentanker nur sehr sehr sehr begrenzt aussuchen können, was sie handeln - kein Wunder, dass dem norwegischen Staatsfonds 2x10% an deutschen Immobilienunternehmen gehört.

Stell Dir vor, das will der Deutsche Investitionsfonds auch. Was da für Kräfte aufeinander krachen würden … biblisch. Und wieder … das PARADIES für Spekulanten (unsere kleinen Motoryachten).

Nun, das wurde schon mehrfach widerlegt. Wer einen „aktiven“ Aktienfonds mit einem ETF vergleichen will … meinetwegen. Aber das soll da die Erkenntnis sein? Dass ein aktiver schlechter ist? Hmm … ja, das wissen wir seit 40 Jahren.

Es geht viel mehr um (echte) Spezialfonds, Hedgefonds und sonstige sehr aktiv und dynamisch verwaltete Anlageklassen (Private Equity, Family Offices, Stiftungen, Lebensversicherung usw.)

Ich hoffe, ich nicht zu sehr abgeschweift :innocent:

Grüßle

M.

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100% einverstanden.

Die Frage ist nur, wie rasend schnell werden sich die Bedingungen verändern, wenn sich die bekannte Welt verändert?

Drogen? :rofl:

Ich finde, Du gehst diese sehr enge Brücke extrem schnell entlang. Der Verfall wird ja auch definitiv nicht alle Assetklassen gleich treffen. Ein international diversifiziertes Portfolio wird kaum betroffen sein, wenn Deutschland BIP auf Platz 15 gerutscht ist, zumal dies ja wirklich ein längerer Prozess ist.

Uff, ja, sehe ich genauso. Wenn man sich dann noch die Finanzierungsstrukturen der großen Immobilienkonzerne anschaut … alles recht kurzfristig für den guten Zins …Falls die Preise mal fallen sollten, dann vermutlich in Zusammenhang mit steigenden Zinsen und das würde bedeuten, dass die Immobilienkonzerne nicht nur Verluste in ihren Bilanzen auf der Bewertungsseite hinnehmen müssten, sondern die Refinanzierung würde riesige Löcher in die P&L hauen und wie gut die Immobilien als Sicherheiten bewertet werden, wird dann auch spannend …

Aber auch hier finde ich, dass der Zerfall des EURO noch nicht so unmittelbar bevorsteht, oder von welchem zeitlichen Horizont sprichst Du?

Grüßle

M

O.k., jetzt begebe ich mich auf dünnes Eis, da ich schon seit dem Studium Makroökonomik für esoterischen Humbug halte. Wie soll man mit einer Handvoll von ökonomischen Indikatoren die komplexen Entscheidungsfindungen und Interaktionen von Milliarden von Individuen vermessen und steuern? Das hat mir nie eingeleuchtet. Entsprechend ist in dem Bereich meine inhaltliche Auseinandersetzung nie über Pflichterfüllung hinausgegangen.

Aber nun zum zitierten Punkt.

  1. Solange es einen Mindestreservesatz größer Null gibt, beschränken die Spareinlagen (genauer: reservepflichtige Verbindlichkeiten) die Kreditschöpfungsmöglichkeiten der Banken. Je mehr Spareilagen, desto mehr Kredit ist möglich, desto mehr Investitionen sind möglich (auch wenn vor allem große Unternehmen auch andere Möglichkeiten haben).

  2. Loanable Funds Theorie hin sonstige Kredit- und Geldtheorien her, letztlich ist Geld doch ein Schleier oder eine Illusion, auch wenn es oft reale Wirkungen hat, aber es geht am Ende beim Wirtschafte um reale Güter und Ressourcen. Soll real investiert werden, so muss real auf den jetzigen Verbrauch der Ressourcen für Konsumzwecke verzichtet werden. Es muss gespart werden.
    Für jede Investition ist in einer Welt mit Knappheit das Nicht-Konsumieren von Ressourcen, also sparen, Voraussetzung.

  3. Führt jedes Sparen zu Investitionen. Nöö, auch real nicht (wir lassen jedes Jahr Johannisbeeren vergammeln, weil es einfach zu viele sind, auch zum Verschenken). Aber wenn mich einer aktiv zum Verzicht auf Ressourcenverbrauch anregt (gib mir bitte Deine Johannisbeerernte wenn es soweit ist), indem er mir für später Ertrag oder Zins verspricht (dann gibt es in zwei Wochen später ordentlich Saft und Konfitüre), dann hat er wohl was Ertragreiches damit vor (behält selbst Saft für sich). Oder es ist ein Wohltäter, der mir Güter schenken will. bzw. die Banken, da kommen wir ja her, sind caritative Einrichtungen, weil sie Zins zahlen, obwohl sie keinen Ertrag erwarten.

  4. Ich habe großes Systemvertrauen, schon allein, weil ich selbst in einer bürokratisch-technokratisch staatlichen Einrichtung tätig bin. Eins der Probleme solcher Einrichtungen und der Personen, die dort arbeiten, ist, dass Menschen dazu neigen, das was sie tun, gut und wichtig finden zu wollen. Daher neigen wir dazu unser eigenes Tun, zu rationalisieren und in seiner Wichtigkeit zu überschätzten. Das kann ich jeden Arbeitstag gut beobachten. Das ist gerade in Organisationen ein selbstverstärkender Prozess, da sich die dort arbeitenden Personen in der Wichtig- und Richtigkeit ihres Tuns gegenseitig bestärken.
    Was will ich damit sagen? Auch Zentralbanken sind derartige technokratisch-bürokratische Expertenorganisationen, die ihr Handeln vor sich (und der Öffentlichkeit) rechtfertigen wollen und die die Inhalte, Konzepte und Theorien rausfiltern, die sie selbst bestätigen. Zudem rekrutieren sich die führenden Personen der großen Zentralbanken aus Personen, die im Zentralbank-IWF-Weltbank-Kosmos sozialisiert und oder MIT bzw. Goldman Sachs als Kariere-Stationen hatten. Es gibt also ein gemeinsames Mind-Set. Die entsprechenden Personen treffen sich mehr oder weniger ständig mit Personen mit einem ähnlichen Mindset, aus den Zentralbanken und ihren sonstigen Peer-Groups aus der Finanzbranche. Natürliche glauben die entsprechenden Personen, dass ihr Tun und ihre Steuerungsinstrumente gut für die Welt sind. Und natürlich ist daher Ihr Mindset durch ökonomische Theorien geprägt, die dieses Tun rechtfertigen.
    Daher mag all das stimmen, was die BuBa da schreibt, aber als eine unvoreingenommene Schiedsinstanz für ökonomische Konzepte halte ich sie nicht geeignet. (zumal es ja in der Makro selten richtig/falsch, sondern nur konsistent und inkonsistent und dann „glaub ich“ vs. „Glaube ich nicht“ gibt.)

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Da reicht ein Like :+1: nicht mehr. Sehr schön erläutert. Sehr einleuchtend. Beachte meine PM.

Diese Annahme setzt implizit voraus, dass die Wirtschaft nahe am Limit ihrer Möglichkeiten produziert. Erst dann verdrängt z. B. die Nutzung einer Tonne Stahl für Konsumzecke (schicker Balkon am Einfamilienhaus) deren alternative Nutzung für Investitionszwecke (neue Werkzeugmaschine). Von so einer Situation nahe an der Vollauslastung war die Weltwirtschaft aber lange Zeit weit entfernt.

Wenn jedoch Produktionspotential brach liegt, dann braucht man nicht den Konsum zurückzufahren, um Ressourcen für Investitionen freizubekommen. Stattdessen stehen die Werkhallen, Rohmaterialien und Arbeitskräfte bereit, was fehlt, das ist allein das Geld (genauer: die Profiterwartung auf Seiten der Eigentümer der Produktionsmittel), um sie in Bewegung zu setzen. Geld können Staaten aber schaffen, ohne es jemandem wegzunehmen.

Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Diese Situation dreht sich nun langsam wieder. Aber nicht, weil wie zu Zeiten des Wirtschaftswunders so kräftig investiert und konsumiert wird in Zweiklang aus Ausweitung der Produktion und Ausweitung des Massenkonsums, sondern weil in den entwickelten Volkswirtschaften zig Mio Arbeitskräfte in den Ruhestand gehen, ohne dass in ausreichendem Maße jüngere Arbeitskäfte nachrücken.

Aber jetzt gerade (und die letzten 20, 30 Jahre) hätte man investieren können und müssen, wie blöde, um einerseits das gesellschaftliche Elend der Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden und gleichzeitig in den zukünftigen Arbeitskräftemangel mit möglichst hohem Produktivitätspotential zu gehen. Dieses Zeitfenster schließt sich nun.

Ich bin kein Prohpet und kann dir nicht die globale Wirtschaftsentwicklung der nächsten 50 Jahre vorhersagen. Was aber absehbar ist, das ist das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt. Und den Babyboom, gefolgt von einem starken Abfall der Geburtenrate, ist ein Phänomen, das meines Wissens alle entwickelten Länder betrifft. Welche Folgen wird es nun haben, wenn rund um den Erdball zig Mio gut ausgebildete, hochproduktive Arbeitskräfte aus dem Produktionsprozess ausscheiden, aber dann noch gut 20 Jahre als Konsumenten von vor allem personalintensiven Dienstleistungen erhalten bleiben?

Die logische Folge aus meiner Sicht ist ein lang anhaltender Mangel an (adäquat ausgebildeten) Arbeitskräften. Und zwar von Tokyo bis Tutzingen. Es geht hier also weniger darum, dass Deutschland relativ zum Rest der Welt an Bedeutung verliert, sondern um einen globalen Angebotsschock auf dem Markt für Arbeitskräfte. Wieviele Dutzend Millionen ordentlich ausgebildete Pflegekräfte kann man von den Philippinen oder Indonesien anwerben? Ach, da leben insgesamt nur gut 400 Mio Menschen und deren Geburtenrate liegt inzwischen auch nur noch knapp über 2? Ups!

Irgendwann einmal sind die Babyboomer dann aber unter der Erde und fallen als Konsumenten aus. Die ihnen folgenden Alterskohorten umfassen immer weniger Menschen (da Geburtenrate <2 in den meisten Teilen der entwickelten Welt), was auf eine chronisch schrumpfende Nachfrage hinausläuft. Das wird den Wert vieler Assets runterziehen. Vielleicht nicht nominal (denn die Geldmenge wächst ja immer weiter und irgendwas muss damit gekauft werden), aber mit Sicherheit relativ zu dann deutlich knapperen Gütern wie eben gut ausgebildeten Arbeitskräften.

Was bedeutet das für die Alterssicherung? Der Staat muss zuesehen, dass die Produktivkräfte optimal entwickelt werden und man möglichst viele der immer seltener werdenden Spezies „fortpflanzungsfähige, adäquat ausgebildete Arbeitskräfte“ ins Land holt. Das allein hilft bei der Versorgung zukünftiger Rentnergenerationen.

Stattdessen Geld in den Ankauf von Bürotürmen oder des MSCI World zu stecken, hat null positive Auswirkungen für zukünftige Rentner. Das kann sich nur für einzelne Personen lohnen, die durch eine erfolgreiche Geldanlagen ihre zukünftige Kaufkraft gegenüber dem Rest der Nachfrager verbessern.

Nein ich setze keine Vollauslastung „der Wirtschaft“ voraus. Schon allein, weil es „die Wirtschaft“ nicht gibt. Es gibt nahezu unzählige unterschiedliche wirtschaftliche Aktivitäten zu Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse. Bei einigen ist das derzeitige Angebot höher als die Nachfrage, in andern niedriger. Selbst Dein Stahlbeispiel funktioniert so nicht, da es die unterschiedlichsten Stahlsorten gibt, von denen zu einem bestimmten Zeitpunkt manche gefragt sind und manche nicht.
Es gibt so gut wie es immer „unterausgelastete“ Bereiche, weil es immer neue Waren und Dienstleistungen gibt, weil sich Produktionstechnologien ändern, weil die Produktivität steigt usw. Es gibt aber auch immer „überausgelastete“ Bereiche, weil es immer neue Waren und Dienstleistungen gibt, weil sich Produktionstechnologien ändern, weil die Produktivität steigt usw. Die Gleichzeitigkeit von Bereichen mit sich verschärfenden Knappheiten und welchen mit abnehmenden Knappheiten („Unterauslastung“) ist der Normalzustand. Die freiwerdenden Ressourcen werden dann über den Preismechanismus an die Stellen gelenkt, wo sie noch einen Beitrag leisten können. Die Nachfrage wird mittels der Preise von den Gütern weglenkt, die gerade relativ knappe Ressourcen verbrauchen, zu den Gütern die weniger knappe Ressourcen nutzen. Ist die umgelenkte Nachfrage Konsumnachfrage, dann wird gespart. Es ist also weniger die Frage ob, sondern mehr die Frage wo gespart wird.
Ach ja, das alles braucht auch noch Zeit.
Hier zeigen sich übrigens zwei weiter Aspekte, warum ich die handelsübliche Markroökonomik für Humbug halte. Zum einen die Betrachtung des ökonomischen Geschehens als mehr oder weniger eine Einheit („die Wirtschaft“). Zum anderen die Vernachlässigung des Faktors Zeit in ökonomischen Prozessen.

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Ähhm, nöö. Marktwirtschaften sind gerade darin besonders gut, knappe Ressourcen sparsam einzusetzen und zu schonen und dabei einen Mehrwert zu generieren. Zumindest so lange klare Eigentumsrechte definiert sind oder definiert werden können. Zudem ist die Wirkung auf die Kapitalrendite (und damit Aktien) nicht von vorneherein klar.

Da obige Argument ist, wie bei der meisten Kritik an der Marktwirtschaft, recht statisch. Es gibt eine Gesamtrendite von X, die wird verteilt, wenn es mehr Ansprüche, beispielsweise für die Nutzung der Umwelt, gibt, sinkt diese. Marktwirtschaften sind aber dynamische Systeme, die sich nicht nur an veränderte Bedingung anpassen, sondern aus den gegebenen Ressourcen einen Mehrwert genieren.

Dabei kann es sogar sein, dass die Kapitalrendite steigt, wenn für Umweltnutzung gezahlt werden muss. Die Entlohnung der Produktionsfaktoren hängt von ihren relativen Knappheiten ab. Mangels Eigentumsrechten war dies beim Faktor Umwelt bisher nicht der Fall. Der Preis war Null und hat allen signalisiert, dass sie grenzenlos zur Verfügung steht. Erst mit einer Bepreisung, beispielsweise beim CO2, wird signalisiert: geht mit dem knappen Gut sparsam um. Das führt zu vielfältigen Anpassungsprozessen. Die Güterpreise für CO2 hungrige Produkte steigen, davon wird weniger gekauft, relativ umweltintensive Produkte werden weniger nachgefragt und, wenn die Konsumenten ihr Geld weiter loswerden wollen (woran ich persönlich keinen Zweifel habe) steigt die Nachfrage nach weniger umweltintensiven und damit relativ kapital- und/oder arbeitsintensiveren Produkten.

Zugleich machen die Produzenten das, was sie schon immer machen, Kosten drücken. Da Umweltverbrauch nun kostet suchen sie nach Wegen diese einzusparen. Technologien, Beschaffungswege, Produktpaletten und interne Prozesse werden angepasst. Dabei verschiebt sich die Faktornachfrage von dem nun neuerdings relativ teuren Faktor Umwelt zu den relativ billiger gewordenen Faktoren Arbeit und Kapital. Wohl gemerkt, die absolute Entlohnung von Kapital und Arbeit hat sich (noch) nicht geändert. Sind aber in Relation zum Umweltverbrauch billiger geworden, da dieser ja plötzlich was kostet.

Greifen die skizzierten Mechanismen, dann steigt die Nachfrage nach Kapital und Arbeit. Steigt die Nachfrage, ohne dass das Angebot auch steigt, dann sollte auch die Preise steigen. Damit würde die Kapitalrendite sogar steigen.

Dies ist aber nur ein Mechanismus. Die Anpassungsmechanismen in dezentralen Systemen wie Marktwirtschaften sind jedoch sehr komplex. Sie sind so komplex, dass sich eine Prognose über die Wirkung vom Einbezug der Umweltkosten in das Wirtschaften auf die Kapitalrendite (und damit Aktien) nicht geben lässt.

Es scheint jedoch naheliegend und plausibel, dass die Geschäfte, die derzeit mit hohem kostenlosen Umweltverbrauch durchgeführt werden, schlechter laufen werden. Dagegen profitieren die wirtschaftlichen Aktivitäten, die mit wenig Umweltverbrauch auskommen.

Nicht-marktwirtschaftliche Systeme sind in der Vergangenheit definitiv nicht besser mit der knappen Ressource Umwelt umgegangen, wie ein Blick auf die Hinterlassenschaften der ehemaligen Zentralverwaltungswirtschaften zeigt. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Zentralverwaltungswirtschaften i.d.R. mit einer Diktatur einhergingen. Und Diktatoren kümmern sich erst um die Umwelt, wenn es für ihren Machterhalt relevant wird.

Es liegt aber auch am Fehlen privater Eigentumsrechte. In Markwirtschaften mit privaten Eigentumsrechten und funktionierendem Rechtsstaat, führt allein das Eigeninteresse der potenziellen Verschmutzer in bestimmten Bereichen dazu, dass sie nicht verschmutzen. Denn wird dadurch das Eigentum eines anderen geschädigt, drohen kosten durch Schadenshaftung. Kosten meidet aber ein Kapitalist wie der Teufel das Weihwasser. Will man sich gegen die Haftungsrisiken versichern, dann hängen die Versicherungskosten (Prämie) auch davon ab, wie wahrscheinlich der Schadensfall ist. Damit sind wieder Anreize gesetzt, in Schadensvermeidung, sprich Umweltschutz, zu investieren.

Aus meiner Sicht haben nur Markwirtschaften die Kraft und das dynamische Anpassungsvermögen, um die Umweltprobleme in der materiellen Bedürfnisbefriedigung der Menschen in den Griff zu bekommen. Dabei wäre es nicht das Ziel die Naturzerstörung auszuweisen, sondern in das System zu den „wahren Kosten“ zu integrieren und so zu verringern. Die Rezepte dafür sind auch schon Jahrzehnte bekannt. Nur die Politik schreckt davor zurück, weil bestehende Interessen von bestimmten Kapitalisten und bestimmten Arbeitnehmern (und Autofahrern :blush:) dem im Weg stehen.

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Kleine Anmerkungen:
Beim CO2 geht es nicht um die Nutzung einer Ressource, sondern um Abfall/Müll der entsteht. Für die Nutzung unserer Atmosphäre als Müllkippe musste man bisher nicht bezahlen. Das ändert sich jetzt.
Oder anders herum… Immer her mit den CO2 hungrigen Produkten, die CO2 in ihr Produkt einbauen!

Vielleicht war ich da etwas ungenau und natürlich ist CO2 keine Ressource. Das sind dann schon eher die CO2-Senken und die Dinge, die durch den Klimawandel geschädigt bzw. zerstört werden.

An der grundlegenden Argumentation ändert das aber ja nichts.

Also bestreitest du die Existenz von Wirtschaftszyklen? Von Phasen allgemein hoher Auslastung (während denen z. B. über knapp zwei Jahrzehnte insgesamt mehr 10 Mio „Gastarbeiter“ angeworben wurden) sowie solchen mit allgemein niedriger Auslastung (während denen der Begriff Massenarbeitslosigkeit geprägt wurde und man den vorher angeworbenen Rückkehrprämien gezahlt hat)?

Wenn du die aber nicht bestreitest, was willst du dann eigentlich sagen? Dass es selbst in der tiefsten Wirtschaftskrise noch Insolvenzverwalter gibt, die zusätzliche Bürokräfte anheuern?

Selbstverständlichm gibt es sowas wie eine gesamtwirtschaftliche Produktionskapazität und deren anteilige Auslastung. Wenn man die dann auf Branchen runterbricht, dann sieht das z. B. so aus: https://www.gesamtmetall.de/sites/default/files/folie23_1.png
Oder bezogen auf die Industrie in verschiedenen Ländern: https://blog.zeit.de/herdentrieb/files/2014/09/BCI_Kapazitaetsauslastung_Industrie.gif

Klar gibt es bei mikroskopischer Betrachtung immer einzelne Sparten, die unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Lage, gerade Wachstum oder Schrumpfung erleben. Aber das mittelt sich nicht einfach zu einer stabilen Auslastung der Gesamtwirtschaft nahe am maximal möglichen Output. Wenn dem so wäre, könnte es lang andauernde Phasen mit hoher Arbeitslosigkeit gar nicht geben. Ebensowenig wie anhaltende Boomphasen, in denen die Produktion gar nicht mit der Nachfrage schritthalten kann.

Und die Nachfrage ist gottgegeben und hängt nicht von den spezifischen Bedingungen einer Wirtschaft in Raum und Zeit ab?

Das muss sich wohl auf einen anderen Beitrag beziehen, denn ich habe nirgendwo was von einer zu verteilenden Gesamtrendite geschrieben (auch im Sinn habe ich sowas nicht). Ich kritisiere einen Kapitalismus, der Rendite und Wachstum ins Zentrum stellt und damit - statischer Blick in die Vegangenheit - De Facto die Produktions- und Konsummuster herbeigeführt hat, welche maßgeblich unseren heutigen Naturzustand erklären. Siehst du das anders? Meinem Eindruck nach leben wir in einer Wegwerfgesellschaft, in der fortlaufend neue Schnickschack Bedürfnisse erfunden werden, die mit kurzlebigen Produkten befriedigt werden.

Wir kennen den Kapitalismus bisher nicht ohne massive Naturkostenexternalisierung, nur mit. Der Blick in die Zukunft ist spekulativ. Wenn absehbar die Spielregeln (Kostenstrukuren) deutlich geändert werden müssen, dann könnte - als denkbares Szenario - auf ein deutlich niedrigeres Renditeniveau zugesteuert werden. Who knows?

Stark steigende Preise könnten auch dazu führen dass viele Schnickschnackgüter (weiter entfernt von Grundbedürfnissen) praktisch unverkäuflich werden und sich Konsummuster deutlich ändern. Vielleicht brechen Märkte weg? Beispielsweise halte es für wahrscheinlich, dass einfach keine Schokoeier mit Aluhülle und Plastikherz mehr verkauft werden - und Niemanden stört’s. Who knows?

Ja, wenn mehrere Faktoren zusammenkommen könnte sowas vielleicht gelingen. Gegen bisherige Widerstände müssten die Naturkosten konsequent internalisiert werden. Dann müssten sich in diesem undurchsichtigem System dann auch die Renditeniveaus als ausreichend hoch erweisen. Dann ist auch noch zu bedenken, dass Green-Growth Szenarien sich auf das Versprechen berufen, dass clevere Ingenieure schon zeitnah grüne Wunder erfinden werden und dann alles so weitergehen (Konsumverhalten) könne wie bisher - nur in grün. Technische Utopien.

Ich denke allein aus rational gebotener Risikomanagementperspektive sollte man sich darauf nicht verlassen und auch mit einem De-Growth Szenario rechnen und sich dafür rüsten. Davor brauchen wir bei unserem Überflussniveau eigentlich auch keine Angst haben (mir ist klar, der Gedanke an Änderung von geliebten Verhaltensmustern ist unbequem…). Ich halte den Aufbau eines Rentensystem auf Basis eines Kapitalstocks (motiviert durch die empirisch beobachteten Renditen der vergangenen Jahrzehnte) für riskant - für Spekulation.

Leider kann ich das über jede Gesellschaftsordnung sagen (vgl. Sozialismus, Kommunismus - hat noch nie funktioniert). Und bei allen Konstrukten die zwischen diesen angesprochenen Formen stehen, sieht es nicht besser aus,
Aus meiner Sicht die einzige Lösung der Kapitalismus, so wie wir ihn jetzt in Deutschland haben.

Das sehe ich ganz anders. Zu keinem Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte ging es den Menschen besser und hatten einer höhere Lebenserwartung.

Aus meiner Sicht gibt es zwei alternativen.

  1. der Staat, und der hat in den letzten 50 Jahren doch eindeutig gezeigt, dass dieser unfähig ist.
  2. Banken und Versicherungen. Naja und da dürfte jedem klar sein, warum das langfristig keine gute Lösung ist.

Wie definierst Du „besser“? Nur „Im Durchschnitt“ mag das so erscheinen, wenn man ignoriert, dass wir auf Kosten der Zukunft unsere Kinder konsumiert. Berücksichtigst Du jedoch Verteilungsfragen und Nachhaltigkeit, merkst Du sehr schnell: Mit dieser Bewertung „besser“ lügen wir uns ganz ordentlich in die Tasche und verschließen die Augen davor, dass das System früher oder später zusammenbrechen muss (und die ersten Anzeigen kann nur der übersehen, der Augen und Ohren ganz fest verschließt).

Ich bestreite die Sinnhaftigkeit von Konzepten wie „die Wirtschaft“, „die Nachfrage“ oder dem „gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzial“. Diese sind bestenfalls irrelevant, wahrscheinlich aber irreführend.

Zum „gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzial“
Natürlich kann man zu jedem ökonomischen theoretischen Konstrukt etwa messen, wie die von Dir verlinkten Slides oder der Ifo-Indikator für die Gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung zeigen. Aber was sagt uns ein Wert von X und was folgt aus einer Veränderung von Y?

Die Indikatoren zeigen für 2005 und 2006 eher eine Normalauslastung während 2009 klar unterausgelastet ist. Die Arbeitslosigkeit war aber in 2009 und 2010 um ca. 1,5 Mio. niedriger als in 2005 und die Erwerbstätigkeit um 1,6 Mio. höher. Der Faktor Arbeit war mithin in der Phase der „Unterauslastung“ stärker beschäftigt als in der Phase Normalauslastung. Was sollen man mit so einem Konzept anfangen? Diese Maße scheinen die Realität, wie soll ich sagen, sehr spezifisch abzubilden.

Methodische Probleme:
Das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzials ist ein theoretisches Konzept, dem keine empirische Entsprechung gegenübersteht, die direkt messbar wäre. So liefert der Versuch Kapital zu messen schon genügend Diskussionsstoff und die Operationalisierung der „Technologie“ aus der ökonomischen Theorie, in der alles mögliche steckt, ist empirisch nur als Restgröße möglich (Solow-Residual). Folglich kann das Produktionspotenzial aus konzeptionellen Gründen nicht gemessen, sondern nur geschätzt werden. Dafür gibt es prinzipiell drei Methoden:

  1. Umfragen bei Betrieben
  2. Zeitreihenanalysen
  3. Theoretisch fundierte Produktionsfunktionsschätzungen

zu 1.
Die Umfragen bei Betrieben ist die direkteste Methode. Sie leuchtet mir auch noch am ehesten ein. Sie leidet aber schon darunter, dass nur aktuell bestehende Betriebe befragt werden. Gerade geschlossene Betriebe, von denen noch die Produktionsanlagen stehen und die Beschäftigten zwar schon entlassen die Qualifikationen aber noch nicht entwertet sind, gehen beispielsweise nicht ein. Neue Betriebe, bei denen beispielsweise schon alle Maschinen stehen aber noch nicht alle Stellen besetzt sind, dürften je nach Fragestellung eine überhöhte Auslastung berichten.
Über die Auslastung der Produktionsfaktoren einer Volkswirtschaft sagen diese Befragungen aber nichts aus, da die Nicht-Nutzung außerhalb der jeweiligen Betriebe nicht berücksichtigt wird.
Schrumpft ein Betrieb, der gestern noch 50% Auslastung hatte, sind es bei gleicher Produktion heute 100%.
Die Fokussierung auf Betriebsbefragungen führt also dazu, das wesentliche Aspekte nicht erfasst werden, weil sie für die Betriebe keine Rolle spielen.

zu 2.
Bei den Zeitreihenanalysen, von einfachen gleitenden Durchschnitten, über univariate Filterverfahren zu multivariaten Filterverfahren und unabhängig vom jeweiligen Filter, wird letztlich die Wirtschaftsleistung der vergangenen Jahre als Schätzung für das Produktionspotenzial in der Gegenwart genommen. Dies wird dann mit der tatsächlichen Produktion verglichen, um die „Produktionslücke“ zu bestimmen.
Ist die Wirtschaftsleistung über mehrere Jahre rückläufig (was Produktionsfaktoren freisetzen und sie unterauslasten sollte) sinkt das gemessene Produktionspotenzial und damit steigt dann auch wieder der Auslastungsgrad, obwohl mehr Produktionsfaktoren brachliegen als zuvor. Steigt hingegen die Wirtschaftsleistung über mehrere Jahre, auch über stärkeren Einsatz der Produktionsfaktoren, wird in einer Wachstumspause eher eine Unterauslastung ausgewiesen, obwohl weniger Produktionsfaktoren brach liegen werden. Es wird in diesen Situationen also genau das Gegenteil dessen gemessen, was tatsächlich vorliegt.

zu 3. Produktionsfunktionen
Hier wird ein theoretischer Zusammenhang zwischen Inputs und Outputs unterstellt und modelliert. Mittels ökonometrischer Verfahren und Daten aus der Vergangenheit wird dann der funktionale Zusammenhang geschätzt. Für die Gegenwart werden dann die beobachtenden Werte für die zur Verfügung stehenden (oder eingesetzten) Produktionsfaktoren in die geschätzte Produktionsfunktion eingesetzt und mit der aktuellen Produktionsleistung verglichen. Die Differenz ist dann „Unter-„ und „Überauslastung“. Klingt erstmal gut.
Leider auch im Detail problematisch. Da am aktuellen Rand keine Beobachtungen (entsprechende Statistiken haben meist ordentliche Nachlaufzeiten) vorliegen, werden die Werte für die Inputs geschätzt mit … genau den unter 2. verwendeten Zeitreihenverfahren. Damit importiert man auch die Probleme. Der ganze intangible Bereich von Patenten über Organisationskapital bis zum sich gerne mal ändernden institutionellen Rahmen sind theoretisch essenzieller Bestandteil der Technologie der Produktionsfunktion, empirisch aber kaum zu fassen.
Zudem wird auch hier der funktionale Zusammenhang zwischen In- und Output mit den Daten der Vergangenheit bestimmt. Es wird also unterstellt, die Wirtschaft heute funktioniert so, wie vor 10 Jahren. Das heute Speicherchips oder Batterien genauso wichtig sind wie vor 10 Jahren, dass das Einsatzverhältnis von Arbeit und Kapital im Finanzsektor der gleiche ist, wie vor 10 Jahren usw.

Zusammenfassung:
Letztlich laufen alle drei Methoden darauf hinaus, dass das, was in der Vergangenheit war, einfach fortgeschrieben wird. Ein längerer Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität führt zu der paradoxen Situation, dass am aktuellen Rand das Produktionspotenzial niedriger ausfällt und bei einer Stabilisierung dann eine Normal- oder Überauslastung anzeigt, obwohl mehr volkswirtschaftliche Ressourcen brachliegen. Darüber hinaus kämpft jede Methode mit spezifischen Messfehlern
Zudem bilden sie weder dynamische Prozesse noch das warum einer „Über-„ oder „Unterauslastung ab“.

Inhaltliche Irrelevanz (oder zur Sinnhaftigkeit von „die Wirtschaft“):
Den drei Methoden, wie der gesamten Makroökonomik, ist wiederum gemein, dass sie in der betrachteten Untergliederung (Volkswirtschaft, Wirtschaftszweig) alles über einen Kamm scheren. Es wird nicht nach unterschiedlichen Bereichen (Wirtschaftsbereich, Region, Zeit, …) geschaut. Für das reale wirtschaftliche Geschehen folgt aus der Beobachtung das in einem bestimmten Aggregat, die Auslastung bei 80% liegt: nichts. Es ist eine irrelevante Information. Wenn die M+E-Unternehmen eine 66%-Auslastung haben, kann es eben sein, dass für keinen Betrieb dieser Wert zutrifft, sondern, das eine Hälfte zu 99% und die andere Hälfte zu 33% ausgelastet ist (oder jede andere beliebige und gerne auch stetige Verteilung vorliegt). Was haben die einen Richtig und die anderen falsch gemacht)? Oder wird nichts produziert, weil gerade die alten Produktionslinien gegen neue ausgetauscht werden? Was folgt daraus?

[…] Dass es selbst in der tiefsten Wirtschaftskrise noch Insolvenzverwalter gibt, die zusätzliche Bürokräfte anheuern? […] Klar gibt es bei mikroskopischer Betrachtung immer einzelne Sparten, die unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Lage, gerade Wachstum oder Schrumpfung erleben. Aber das mittelt sich nicht einfach zu einer stabilen Auslastung der Gesamtwirtschaft nahe am maximal möglichen Output.

Ähm, doch. In der großen Rezession von 2009 („Weißt Du noch, damals, als fast die Welt unterging?“ :blush:) fielen laut Arbeitsmarktbericht der BA in fünf Wirtschaftsbereichen etwa 375.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse weg, während in ca. neun Wirtschaftsbereichen etwa 300.000 neue entstanden. Da haben sich mal eben 80% weg gemittelt. Zumal das Auf und Ab innerhalb der einzelnen Bereiche schon weg gemittelt ist.

Und warum sollte man einen stabilen Zeitpfad der Auslastung anstreben? Das schließt größere disruptive Innovationen genauso aus, wie größere institutionelle Reformen. Sollen wir auf neue, den Menschen Nutzen bringende Innovationen, oder eine angemessene CO2-Bepreisung verzichten, nur damit die Potenzialauslastung einen stabilen Pfad hat? Das ist eine normative Setzung, die ich offensichtlich nicht teile.

Weiter wird der Faktor Zeit in diesen ganzen Polit-Makro-Konzeptionen vernachlässigt. Tesla hat im Herbst 2019 die Errichtung einer Fabrik in Brandenburg angekündigt. Bisher ist noch kein einziger Produktionsprozess gestartet, geschweige denn ein Auto vom Band gelaufen. Auf- und Abbau von Produktionskapazitäten brauchen Zeit. Die Entscheidung überhaupt und dann wo zu investieren, brauchen auch Zeit. Die heutigen Makromaße bilden die Entscheidungen von vor drei oder mehr Jahren ab. Das gilt für viel Prozesse. Wenn ich dann heute auf Grund einer irreführenden Maßzahl Rahmenbedingungen ändere, machen diese die Entscheidungen aus der Vergangenheit gegebenenfalls zunichte, vernichte Investitionen und erzeugen dadurch die Schwankungen, die Du vermeiden willst.

Die mikroskopische Betrachtung, wie Du das nennst, ist die wirklich relevante, weil hier die Ursachen für Schwankungen liegen. Die real relevanten Entscheidungen werden eben von den einzelnen Akteuren getroffen und nicht von „der Wirtschaft“ oder „der Nachfrage“. Und jeder Entscheider, Du und ich, der Inhaber einer Pizzeria, der CEO eines Weltkonzerns, oder der Eigentümer einer Schreinerei, schaut auf die für ihn oder sie relevanten Informationen. Und das ist selten die Auslastung des volkswirtschaftlichen Produktionspotenzials.
Hinter dem Wert X einer makroökonomischen Maßzahl, stehen unzählige verschiedene ökonomische Realitäten der wirtschaftlichen Akteure. Wird aus der Maßzahl eine wirtschaftspolitische Maßnahme abgeleitet, passt sie so gut wie auf keine dieser Realitäten.

Beste!

Die rethorischen Taschenspielertricks lasse ich mal unkommentiert, da ich davon ausgehe, dass sie kaum jemand gelesen/verstanden hat (leider).

Damit hast Du natürlich auch einen viel höheren Fehler und alle Deine GARCH Modelle gehen zum Teufel :wink: Und Deine Ränder werden größer und breiter und größer und breiter. Und Deine Populationsgrößen werden kleiner und kleiner und schwupps misst (?) Du leeren Raum.

Das ist leider nur so halb richtig. Schwer leugbar gibt es in der deutschen Ausprägung der sozialen Marktwirtschaft real relevante Entscheidungen, die kollektiv getroffen werden, messbar und durchaus auch auswertbar sind. Diese können deutlich von Glückswirtschaften wie Bhutan oder Planwirtschaften wie China abweichen.

Somit gibt es "Konzepte(n) wie „die Wirtschaft“, „die Nachfrage“ oder das (dem) „gesamtwirtschaftliche(n) Produktionspotenzial.

Das schließt auch den Kreis zur Rente. Die Rente ist letztlich auch nur ein Konzept, wie mit potentiell erwerbsarbeitsfreier Zeit umgegangen wird.

Diese ist allerdings, wenn korrekt definitiert, sehr gut meßbar und hat durchaus Aussagekraft. Das güldet, da gibst Du mir hoffentlich recht, auch für jedes andere wirtschaftliche Konzept.

Da werden wir uns dann ja doch einig. Das ist mein Punkt. Das lässt sich alles nicht messen. Daher sind das irrelevante Konzepte. (Außerdem sind’s eher Deine denn meine Modelle, denn ich bezweifle ja, dass man das überhaupt sinnvoll messen kann).

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Interessanter Datenpunkt: die Geburtenrate in China ist nun niedriger als in Japan.

China’s fertility rate may become ‘world’s lowest’ without strong intervention policy, India may overtake China by 2023: demographers - Global Times

Junge, halbwegs akzeptabel ausgebildete Arbeitskräfte werden in wenigen Jahrzehnten rund um den Erdball in Gold aufgewogen werden.