Renteneintrittsalter und demographischer Wandel

Ich würde sogar behaupten, es wäre in der Regel gesünder, gar nicht in Rente zu gehen. Use it or lose it.

Ich behaupte mal, Verrentung ist ein Risikofaktor für Vereinsamung und Demenz.

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Das hängt glaube ich sehr vom Einzelfall ab.

Das romantisierte Ideal ist immer der Großvater, der sich in der Rente um die Enkel kümmert und zum Lebensabend noch mal viel Freizeit bei Skat-Abenden oder sonstigen Vereinen genießen kann (gut, die Kreuzfahrt ist jetzt kein Ideal mehr im Hinblick auf die Klimakrise). Problem ist, dass diese Ideal immer seltener zutrifft. Das liegt auch daran, dass unser Leben immer mehr von Arbeit dominiert wird und viele Menschen außerhalb der Arbeit kaum soziale Kontakte haben, während die Familien immer mobiler werden und die Kinder deshalb oft weit weg sind. Wenn dann die Arbeit wegfällt, bleibt eben nichts mehr. Das Problem sehe ich hier aber weniger in der Verrentung als viel mehr im ungesunden Fokus auf die Arbeit, der von unserer Leistungsgesellschaft immer noch propagiert wird.

Es kommt auch sehr darauf an, über welche Jobs wir nun reden. Bei Jobs, die man tatsächlich nur des Geldes wegen macht, ist die Vorfreude auf die Rente schon gewaltig, das betrifft sowohl monotone Bürojobs als auch körperliche Arbeit. Andere, z.B. manche Richter, Professoren und Anwälte, also Berufsgruppen, die sich über ihre Arbeit auch stark selbst verwirklichen können, praktizieren teilweise noch bis weit in ihre 70er und müssen dann irgendwann, weil sie die geistige Eignung nicht mehr haben, gegen ihren Willen aus dem Dienst entfernt werden (ich hab das damals bei einem Psychologie-Prof im Erststudium an der FH mitbekommen - der Mann wollte den Studierenden unironisch erzählen, man müsse mit Bienen englisch reden, weil man von so weit gereisten Wesen nicht erwarten könne, dass sie deutsch sprächen… nur ein Beispiel. Der Mann war über 70 und offensichtlich durch, hat sich aber mit Händen und Füßen gegen den Ruhestand gewehrt…)

Die Frage, die ich persönlich mir stelle, ist, ob wenn ich in 30 Jahren 70 werde, die Situation immer noch so ist. Denn meine Generation ist eben die typische PC-Generation und ich kann mir problemlos vorstellen, dass unsereins im Alter dann nicht mit dem Kissen auf der Fensterbank die Nachbarschaft inspiziert (der klassische „Blockwart-Rentner“), sondern im Alter genau so weitermacht, wie das ganze Leben schon - mit einer Mischung aus sozialen Kontakten in der Realität und Online.

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Der Gedanke hat durchaus seine Berechtigung, je nachdem wie konsequent man ihn umsetzt.
Wenn man mit fortschreitendem Alter oder nachlassender Leistungsfähigkeit die Arbeitsanforderungen/.zeit reduziert, aber trotzdem die vorhandene Arbeitskraft weiter nutzt, ist das sicher positiv für die sozialen Beziehungen und die eigene Zufriedenheit („gebraucht zu werden“). Die Finanzierung müsste dann geklärt sein.
Extreme Version: Ich hatte mal einen Chef mit so motivierenden Sätzen wie „Urlaub hält Sie nur vom Arbeiten ab“ oder „wenn Ihre Kinder wieder zaghaft anfangen Sie zu duzen, dann müssen Sie wieder zur Arbeit“.
Dessen Vorstellung wäre ein Arbeitnehmer, der 24h für den Betrieb da ist, keine sozialen Bindungen hat und möglichst kein Gehalt will, da er/sie eh keine Zeit hat es auszugeben - der Arbeit wegen. Wenn mal eine „kaputt“ geht, tauscht man ihn halt fix aus. Das einzige was ihn an der Idee etwas störte, war die Gefahr, das dann niemand mehr seine Produkte in ausreichendem Maße kauft.
Soll heißen: Das Prinzip, solange Vollzeit unter voller Belastung zu arbeiten, bis man tot umfällt, macht eine Rentenversicherung überflüssig, wird aber so manchem nicht erstrebenswert erscheinen.
Würde da schon eher für die erstere Idee votieren.

Intetessantes Zitat von Andrea Nahles, Chefin der Agentur für Arbeit, in der heutigen Tageszeitung:
„Nach dem Übergang in den Ruhestand sind Rentner durchaus bereit und ansprechbar, für Teilzeit vielleicht nochmal für den deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.“

Deine Ausführungen sind völlig korrekt, es darf nur nicht vergessen werden das wir in teilen schon in schwammig in ein Solidaritätssystem übergehen da wir die Rentenkasse durch Steuereinnahmen stützen.

Das stimmt an sich, wobei ich nicht finde, dass diese Diskussion nicht im Sinne dieses Punktes geführt wird. Was vergessen wird ist die Tatsache, dass die Leute keine 40h Woche mehr haben wollen, also weniger arbeiten wollen und damit auch %ual weniger einzahlen. Hinzu kommt das diejenigen die sich das leisten können Ihren Löwenanteil für die Rente auch Privat anlegen. Dazu wird es spannend zu sehen wie die Fachkräfte, die ins Land kommen Ihre Altersvorsorge lösen. Denn auch hier wird die Tendenz Richtung Private Anlage gehen da dies hauptsächlich höhere Gehaltsstufen betrifft.

Das sehe ich auch so. Den demographischen Wandel gibt es natürlich, aber ein Problem stellt er ja nur dar, weil das Rentensystem ein Umlagesystem ist, wie du oben ausführst. Wäre das nicht so, würde man die der Rentenzahlung entsprechende Berechnungen in den Haushalt einrechnen und nicht den Einzahlungen gegenüberstellen.

Warum soll das zwangsläufig zu einer Mehrbelastung führen? Wenn die heutigen Rentner anstatt komplett in Rente zu gehen eine Art Teilrente erhalten und weiter arbeiten und entsprechend auch reduziert einzahlen. Das sehe ich nicht, dass dies automatisch zu einer Mehrbelastung führt.

Generell bin ich auch dabei, da Diskussionen um ein fixes Rentenalter für alle und ausgehend von einer 40h Woche nicht mehr der Realität entspricht.

Zum einen wollen oder können viele keine 40h Modelle umsetzten, zum anderen gibt es viele, die aufgrund Ihrer Tätigkeit früher in Rente gehen müssen, während andere durchaus noch länger arbeiten können, wenn auch reduziert. Wenn man von flexiblem Arbeitsmodellen spricht muss man hier in Zukunft ansetzen. Weiterhin stumpf auf 40h und Rente mit 67 und mehr für alle gleichermaßen zu fordern ist Unsinn.

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Interessantes Interview zu den Zuverdienstmöglichkeiten für (Früh-)Rentner:innen - und der schlechten Kommunikation darüber. Leider paywalled…

Edit: Früh-

Schön, wenn man privat versichert ist :slight_smile:
Auch hier kann man sich als Gutverdiener, Selbständiger, Beamter wieder aus dem System stehlen.
Da ist der Reiz für Politiker an dem System etwas zu ändern natürlich nicht sehr groß.
Seit Blüm weiß jeder, dass die Rente nicht sicher ist und nur noch künstlich am Leben gehalten wird.
Man kommt aber auch nicht raus aus der Nummer. Die Beiträge garantieren eine gesetzlich geregelte Rente mit einer gesetzlich geregelten Erhöhung.
Das bedeutet, dass ein Systemwechsel nur möglich ist, wenn er parallel zum jetzigen System eingeführt wird, was vorübergehend doppelte Kosten bedeutet.
Kein Politiker, der wieder gewählt werden will, kann das wollen.

„Gutverdiener“ i.S.v. „Angestellte mit hohem Gehalt“ (da du sie ja zu Selbstständigen und Beamten abgrenzt) können sich weder aus der hier diskutierten Rente, noch aus der Pflegeversicherung „rausstehlen“.
Im Fall der Pflegeversicherung zahlen sie sogar den Höchstsatz, ohne davon mehr zu haben. Wenn du jetzt wieder die Beitragsbemessungsgrenze aufbringst, sind wir wieder bei der sozialen Umverteilung von oben.

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Das lese ich dort aber anders raus, oder verstehe ich es nur falsch?

Du hast recht, ich habe die private Krankenversicherung und die damit private Pflegeversicherung übersehen.

Soweit ich weiß, besteht für Beamte ebenfalls die Pflicht, eine Pflegeversicherung abzuschließen.

Das ist richtig, die hat aber gewisse Unterschiede zur gesetzlichen, z.B. richtet sich der Beitrag nicht nach dem Gehalt, es gibt keinen kinderlos-Aufschlag (was der Grund meines Posts war), die geleisteten Beiträge sind von der Versicherung für die Leistungen des Beitragszahlers anzulegen was ihn unabhängiger vom demographischen Wandel macht

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Ich habe zwei Punkte:

Möglichkeiten um mehr Geld ins System zu bringen schlägt das Netzwerk Steuergerechtigkeit vor:

Darüber hinaus wäre ich dafür, die Auszahlungshöhe von der Einzahlungshöhe sehr stark zu entkoppeln. Ich wäre für eine einheitliche Rentenhöhe, da diejenigen, die viel eingezahlt haben ja auch viel verdient haben und damit deutlich mehr Vermögen aufbauen konnten als Menschen mit geringen Einkommen.

Wäre wohl davon abhängig, wie hoch diese Einheitsrente wäre. Wenn ich nach 45 Jahren Arbeit, trotz gutem Verdienst, mit weniger als 1200€ Rente auskommen soll, müsste man sich schon umstellen. Pauschal zu unterstellen, jeder der gut verdient hat automatisch ein großes Vermögen angehäuft, finde ich unrealistisch. Besonders wenn eine Pflegebedürftigkeit eintritt, werden nach aufbrauchen des eigenen Vermögens die Masse der pflegebedürftigen Rentner durch die Sozialkassen finanziert werden müssen, da die eigene Rente bei keinem Rentner ausreichen wird.
Find ich schwierig…

Könntest du die Vorschläge kurz erläutern oder eine Referenz geben? Unter dem Suchwort „Rente“ finde ich in dem Jahrbuch lediglich eine Beschreibung des Ist-Zustands.

Da ist sie wieder, die Rentenkürzung. :yum:

Da war ich zu unpräzise.

  1. Das Rentensystem ist ein Umlagesystem, dass die Höhe der Rentenbeiträge vom Gehalt abhängt leuchtet mir ein. Das die Höhe der Rente davon abhängt weniger.
    Hier wäre für eher relevant, was jemand im Alter braucht.

  2. Ich meine weniger „einheitliche Rentenhöhe“ sondern eher „maximale Rentenhöhe“. Wenn man schon sein ganzes Leben lang viel verdient hat, hatte man die Chance viel Geld anzulegen oder zu investieren.
    Nur weil man schon immer viel verdient hat, muss man nicht auch dauerhaft eine hohe Rente erhalten. Sonst wirkt wieder das Motto „Wer hat dem wird gegeben“.
    Ich finde da könnten z.B. 3000 € ausreichen.

  3. Außerdem müssten andere mit einbezogen werden, z.B. Beamte.
    Auch bei Beamten sollte die Pension eine max. Höhe haben.

Gibt es noch weitere Gruppen?

Die sagen nichts zur Rente, sondern zeigen Ungerechtigkeiten auf, durch deren Beseitigung viel Geld in System kommen könnte.
Siehe das plakative Beispiel auf der Seite:
„Unser Muster-Millionär zahlt auf sein Einkommen von 1,6 Millionen Euro nur 21 % Steuern. Während das Durchschnittspaar mit einem Bruttoeinkommen von 110.000 Euro eine Steuer- und Abgabenquote von 43 % trägt, sind es bei der Familie des Muster-Millionärs nur 24 %.“
Soweit ich weiß liegt das an der unterschiedlichen Besteuerung von Gehältern, Einkommen, Aktien- Immobilien und anderer Gewinne.