Renteneintrittsalter und demographischer Wandel

Demographischer Wandel und die Diskussion um das Renteneintrittsalter:

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Ich muss ehrlich sagen, dass ich die ganze Diskussion absolut verlogen finde. Es wird immer wieder behauptet, dass der demographische Wandel angeblich das Rentensystem zum Kollabieren bringen würde und es außer einer Erhöhung des Renteneintrittsalters, einer Erhöhung der Rentenbeiträge oder einer Senkung des Rentenniveaus absolut keine Alternativen gäbe.

Was mich daran ärgert sind mehrere Punkte. Meiner Ansicht nach hat unser Rentensystem einige derart gravierende Konstruktionsfehler, die eine solche Diskussion eigentlich komplett obsolet machen solange man diese Fehler nicht korrigiert. Bei dem jetzigen System über Probleme durch den demopgraphischen Wandel zu sprechen ist ungefähr so als würde man über die Farbe der Tapete diskutieren während das Haus gerade komplett in Flammen steht.

Damit meine ich vor allem:

A) Dass ausnahmslos alle Arbeitstätigen in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen sollten, egal ob normaler Arbeitnehmer, ob Selbstständiger oder Beamter. Dass ein gesetzliches Rentensystem irgendwann nicht mehr funktionieren kann, wenn sich systematisch insbesonders viele einkommensstarke Gruppen aus diesem ausklinken können ist doch mehr als offensichtlich.

B) Dass auf jede Art von Einkommen auch Rentenbeiträge im gleichen Maße fällig werden, insbesondere auch auf Einkommen, die nicht durch Erwerbsarbeit generiert werden.

C) Abschaffung einer Obergrenze. Wer über ein hohes Einkommen verfügt darf sich auch gerne stärker am Sozialsystem beteiligen, einfaches Solidarprinzip.

Vor allem: Wenn wirklich angeblich der demographische Wandel der Kern des Problems sein soll, wie schaffen es dann einige unserer Nachbarländer erheblich bessere Rentensysteme aufzustellen, bei denen teilweise die Beiträge niedriger, aber das Rentenniveau deutlich höher ist, teilweise sogar mit einer garantierten Mindestrente, von der man hier nur träumen kann? Oder ist der demographische Wandel nur ein rein deutsches Problem, während hingegen um uns herum weiter fleißig Kinder in die Welt gesetzt werden? Das kann ich mir kaum vorstellen.

Aber auf Basis dessen finde ich die Diskussion halt sehr schwierig. Wenn jemand bei der Diskussion über die Rente „demographischer Wandel“ schreit ist das für mich im Moment nichts weiter als eine absolut plumpe Nebelkerze, weil offenbar niemand gewillt ist den Elefant im Raum anszusprechen. Und das schließt leider einen großen Teil der Medienlandschaft mit ein, die dieses Narrativ auch oft ohne zu hinterfragen 1:1 wiederkäuen.

Wenn man die o.g. Missstände korrigieren würde, dann könnte man auch mal ehrlich Bilanz ziehen und Überlegungen anstellen welche Beiträge notwendig sind, welches Rentenniveau möglich ist und welches Renteneintrittsalter sinnvoll wäre. Aber vorher ist die gesamte Diskussion doch eine komplette Farce, weil es anscheinend nur noch darum geht wie man ein in sich schon kaputtes System noch irgendwie im Streckbetrieb länger am Leben hält anstatt es endlich mal sinnvoll zu reparieren.

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Du übersiehst hier einen entscheidenden Punkt: Wenn mehr Leute in die Rentenkasse einzahlen, erwerben auch mehr Leute einen Rentenanspruch. Du verschiebst das Problem also um eine Generation in die Zukunft, indem die o.g. Gruppen heute einzahlen und später Rente erhalten. Ein kaputtes System zu retten, in dem man mehr Leute hineinzieht, funktioniert nicht. Das Problem an der Rente ist, dass man das Problem leicht um Jahrzehnte verschieben kann.
Dementsprechend finde ich auch überhaupt nicht „offensichtlich“, dass so ein System nur oder größtenteils deshalb nicht funktioniert, weil einkommensstarke Gruppen nicht mitmachen.

Auch hier: Vorsicht vor den höheren Rentenansprüchen, die so erzeugt werden. Oder wie werden bei einer schrumpfenden Bevölkerung die Einkommen aus Nicht-Erwerbsarbeit inflationsbereinigt steigen?

Die Rentenversicherung unterliegt nicht dem Solidaritätsprinzip. Höhere Einkommen erwerben auch höhere Rentenansprüche. Die von dir geforderte Abschaffung der Obergrenze hat also das gleiche Problem: Höhere Rentenansprüche in zukünftigen Generationen.

Was du implizit forderst, ist die Umstellung auf das Solidaritätsprinzip, bei dem die erworbenenen Rentenansprüche progressiv sinken, d.h. die Zunahme der Rentenansprüche ist langsamer als die Zunahme der Beiträge. Das ist natürlich de facto einen Rentenkürzung für Reiche, also die Senkung des Rentenniveaus, über die du eigentlich nicht diskutieren willst.

Das ist mit Blick auf die Solidarität eine nette Idee, aber auch das löst das Problem „demographischer Wandel“ eben nur solange, wie die steigenden Beiträge den Wandel auffangen. Auch dieses System kippt, sobald die neuen Einzahler ebenfalls in Rente gehen.

Bitte Beispiele bringen, und die Daten auch. Ich habe gerade einmal gegoogelt:

Die Niederlande zum Beispiel (die höhere Renten haben), erhöhen gerade ebenfalls ihr Renteneintrittsalter (Höhere Rente in den Niederlanden: System auch in Deutschland anwendbar?), Frankreich ebenfalls.
Hier ist übrigens zu sehen, dass das Renteneintrittsalter in Deutschland gar nicht so viel höher ist als in anderen EU-Staaten, vor allem in Westeuropa.
Übersicht: Gesetzliches Renteneintrittsalter in den EU-Staaten | Sozialverband VdK Deutschland e.V.
Die Behauptung, mit einem besseren System wäre der demographische Wandel kein Problem, lässt sich also nicht halten.

Ich weiß leider nicht, welche Länder du so im Sinn hast, bei denen das mit der Rente deutlich besser klappt. Aber die Kandidaten, die mir einfallen, liegen in der Geburtenrate zumindest vor Deutschland: Niederlande, Dänemark, Frankreich

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Tatsächlich ist es derzeit aber genau umgekehrt. Weil hart arbeitende Niedriglohnempfänger eine deutlich niedrigere Lebenserwartung haben als bspw. gut verdienende Akademiker, erhalten sie durchschnittlich über ihre gesamte Ruhestandszeit gesehen erheblich weniger Rente pro Rentenpunkt. Somit steigen die Rentenansprüche sogar progressiv mit Zunahme der Beiträge. Der Maurer, Kassierer oder Krankenpfleger subventioniert also die Rente des Bank- oder Versicherungsangestellten.

Natürlich gibt es den demografischen Wandel. Was dabei aber immer ignoriert wird, wenn davon gesprochen wird, dass „immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner finanzieren müssen“, ist dass ja auch auf der anderen Seite immer weniger Kinder versorgt werden. Genau genommen ist der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung über die Jahrzehnte recht konstant, so dass diese eigentlich in der Lage sein sollten, den Rest der Bevölkerung zu versorgen. Das Problem ist: Rentner werden von der Solidargemeinschaft getragen, Kinder großteils individuell von den Eltern, wo jeder Erwerbstätige sich rausziehen kann, indem er einfach keine Kinder in die Welt setzt. Im Grunde bräuchte es da also einen Mechanismus, wie man insbesondere wohlhabende DINKs mit 2–4 Urlaubsreisen pro Jahr dazu heranzieht, mehr in die Versorgung der Alten abzugeben.

Und das ist das nächste Problem. Die Einkommensspreizung läuft bei uns immer weiter auseinander. Wenn man bewusst einen riesigen Niedriglohnsektor schafft, um den Unternehmen einen Gefallen zu tun, gleichzeitig dann die Rentenansprüche pro Lebensarbeitszeit kürzt, (mit der s.o. erlogenen Begründung, der demografische Wandel verlange das,) dann kann man sich eigentlich nicht darüber wundern, wenn am Ende ein großer Teil der Bevölkerung nicht genug Rente zum Leben bekommt. Es ist alles eine Verteilungsfrage.

Und im Grunde passiert mit dem Rentensystem über die letzten Jahrzehnte mit Riester-Rente, Aktienrente usw. einfach das, was der Neoliberalismus in allen Sektoren (öffentliche Versorgung, Infrastruktur, Gesundheitssystem,…) veranstaltet: Mutwillig kaputt sparen, oh, das ist ja total kaputt, das müssen wir „für Investoren öffnen“, und die ruinieren das dann mit ihren erwarteten Profiten endgültig.

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Du übersiehst hier aber einen entscheidenden Punkt: Die gesetzliche Rente ist ein Umlagesystem. Es ist nicht wie manche meinen eine Art Fond in den du lebenslang einzahlst und dann im Rentenalter deine gesamten Einlagen + eine Rendite wieder rausziehst. So funktioniert das nicht und so ist es auch nicht gedacht.

Es wird halt - wie es der Begriff schon sagt - etwas umgelegt, nämlich das, was eben erwirtet schaftet wird. Das kann halt je nach Wirtschaftlage mal mehr oder weniger sein. Wieviel du dann vom Kuchen abkriegst hängt natürlich wie du korrekt sagst davon ab, welche Rentenansprüche du durch deine Einzahlungen erwirkst. Deine Ansprüche entsprechen aber logischerweise nicht 1:1 deinen Einzahlungen, sonst könnte das System ja auch gar nicht funktionieren. Natürlich muss ein funktionierendes Rentensystem so arbeiten, dass es den untersten Schichten etwas zuschießt um auf eine Rente zu kommen, von der man leben kann (siehe z.B. die garantierte Mindestrente in Österreich) und das natürlich querfinanziert, in dem man von den höchsten Einkommen entsprechend etwas wegschneidet. So ein System kann aber nicht funktionieren, wenn du nicht alle mit ins Boot holst, vor allem nichst die Menschen mit höheren Einkommen. Denn dann reicht es einfach schlichtweg nicht um jedem eine Rente zu ermöglichen, von der man leben kann.

Warum ist es denn heute so, dass viele vor allem einkommensstarke Schichten aus dem gesetzlichen Rentensystem ausgeklinkt haben? Das passiert ja nicht aus Spaß an der Freude, sondern weil diejenigen für sich so offenbar eine deutlich höhere Rente rausschlagen können. Und das ist dann eben das Geld, was im gesetzlichen Rentensystem fehlt.

Ich streite ja gar nicht ab, dass es Probleme wegen des demographischen Wandels gibt. Aber diesen als das alleine Problem des Rentensystems darzustellen ist einfach eine Lüge. Deshalb ja eben auch meine Forderung, dass man erstmal das System ansich in Ordnung bringen soll, indem man alle an diesem beteiligt. Wenn es DANN wegen zu wenig Nachwuchs von unten nicht reicht um jedem Bürger ein Rentenniveau zu bieten, von dem man ein vernünftiges Leben führen kann. Ja dann kann man sich auch mal über den demographischen Wandel unterhalten. Aber vorher ist das für mich halt nur eine Nebelkerze, sorry.

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Gerade wenn du „die Versorgung der Alten“ meinst, gibt es diesen Mechanismus schon. Das ist der höhere Beitrag zur Pflegeversicherung für Kinderlose. Das ist zugegeben nicht viel.

Das hat aber nichts mit der Rente zu tun. Die Rente zementiert die Spreizung während des Erwerbslebens - zumindest für Angestellte.

Spannende Erkenntnis. Hast du dafür eine Quelle? Ich konnte nichts finden.

Das weiß ich. Was hat das mit deinen Lösungsvorschlägen und meinen Einwänden zu tun?

Eben. Dass es sich um ein Umlagesystem handelt, ändert erstmal nichts daran, dass mit dem aktuellen Verteilungsmechanismus das Problem nicht dadurch zu lösen ist, dass man mehr Menschen mit hohem Einkommen in das System zieht.
Wir müssen also den Verteilungsmechanismus ändern. Sobald wir das in der Art tun, die du vorschlägst, wird das natürlich zu einer Gerechtigkeitsfrage, weil dann die Frage ist, wem hier etwas weggeschnitten wird, um die Armen zu finanzieren.

Das ist überhaupt nicht natürlich. Wir könnten diesen Menschen auch in ihrem Arbeitsleben genug bezahlen oder zuschießen, sodass sie Ansprüche generieren, die reichen.

Nochmal: Das ist die Senkung des Rentenniveaus, die du oben nicht als einzige Lösung gelten lassen willst!

Dieses sinkende Rentenniveau ignorierst du, bzw. behandelst es argumentativ anders, weil bei den Reichen gekürzt wird. Trotzdem ist es am Ende genau das.
(Das ist noch kein Statement dazu, ob das ein wünschenswerter Zustand ist. Ich benenne es nur als das, was es ist.)

Nein nein nein! Deine Forderung ist, bei der Verteilung der Rentenauszahlung eine soziale Umverteilung einzubauen. Das ist ein entscheidender Unterschied.

Dein ganzer Beitrag versteckt deine eigentlich vorgeschlagene Rentenreform (Umverteilung) hinter der Integration hoher Einkommen.
Das muss tatsächlich, wie von dir dargelegt, simultan erfolgen, damit nicht von der Mitte nach unten verteilt wird. Trotzdem sind das zwei Paar Schuhe.

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Das ist keine Zwangsläufigkeit für die Zukunft und schon heute zweifelhaft, zumal auch das aktuelle Rentenversicherungssystem schon Elemente des Solidaritätsprinzips aufweist, z.B. durch die teilweise Anrechnung von Krankheits-, Berufsausbildungs- und Arbeitslosenzeiten.

Wie @otzenpunk schon ausgeführt ist das aktuelle System schon im Hinblick auf unterschiedliche Lebenserwartungen der unterschiedlichen Einkommensgruppen oder auch Geschlechter sehr unfair. Frauen leben z.B. statistisch immer noch knapp 5 Jahre länger als Männer, was bei gleicher Einzahlung in die Rentenversicherung extrem unterschiedliche Auszahlungsbeträge ergibt… genauer gesagt: Der Mann mit durchschnittlicher Lebenserwartung von 78,5 Jahren erhält bei Renteneintrittsalter von 67 Jahren 11,5 Jahre Rente, die Frau mit durchschnittlicher Lebenserwartung von 83,4 Jahren erhält jedoch 16,4 Jahre lang Rente, also bekommt die Frau bei gleichem Einzahlungsbetrag im Schnitt 42% mehr Rente ausgezahlt… Das ist schon ein sehr relevanter Unterschied.

Die Rentenversicherung ist daher - wie jede Versicherung - dadurch ausgezeichnet, dass kein Anspruch auf eine exakte Auszahlung besteht. Manche haben „Pech“ und sterben kurz vor’m Rentenalter, andere haben Glück und werden 100 Jahre alt…

Ein solidarisches Element auch bei der Einzahlung einzubauen ist daher keinesfalls völlig „systemfremd“ für die Rentenversicherung. Dazu kommt, dass es solche Elemente auch aktuell schon gibt - allerdings erst bei der Auszahlung. So hatte die Rentenversicherung 2021 z.B. Ausgaben in Höhe von 341 Milliarden Euro, aber nur Beitrags-Einnahmen in Höhe von 262 Milliarden. Die restlichen 79 Milliarden kamen auch 2021 schon aus dem Bundeshaushalt und damit aus Steuermitteln. Auch das ist letztlich ein solidarisches Finanzierungselement, dessen Anteil seit Jahren konsequent steigt.

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Die Ansprüche im Umlageverfahren sind allerdings schon nach oben gedeckelt (bei einem Maximum von 2,1 Entgeltpunkten pro Jahr, wenn ich das richtig im Kopf habe).

Die Beiträge sind allerdings auch gedeckelt durch die Beitragsbemessungsgrenze. Der Effekt der Einbeziehung breiterer Einkommensschichten ist daher m.E. nicht unmittelbar klar und müsste durchgerechnet werden…

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Letztlich muss hier schlicht ein System der „diminishing returns“ eingeführt werden. Daher: Die Auszahlungen im Rentenalter hängen schon mit der Höhe der Einzahlungen vor der Rente zusammen, aber halt nicht streng proportional. Grundsätzlich bekommt derjenige, der mehr einzahlt, auch mehr als derjenige, der weniger einzahlt. Aber der, der z.B. 10 Einheiten einzahlt, bekommt eben 20 Einheiten ausgezahlt (+100%), während derjenige, der 25 Einheiten einzahlt z.B. nur 37,5 Einheiten ausgezahlt bekommt (+50%) und derjenige, der 50 Einheiten einzahlt, auch nur 50 Einheiten ausgezahlt bekommt (+/- 0%). Derjenige, der wiederum 100 Einheiten einzahlt, bekommt dann eben nur 75 Einheiten ausgezahlt (-25%). Kurzum: Wie auch im Steuersystem wird bei sehr hohen Einzahlungen ein Teil der Einzahlungen auf die sehr niedrigen Einzahlungen umverteilt. Das ist letztlich der Kern jedes Sozialsystems und sollte auch in der Rente gelten.

Die Pflicht zur Rentenversicherung für Unternehmer und Kapitalerträge würde in diesem Kontext natürlich dazu führen, dass diese Gruppen auch Rentenansprüche erwerben würden - aber eben in nicht im vollen Umfang ihrer Einzahlungen. Letztlich wäre das nichts anderes als eine indirekte Steuer. Alternativ können wir natürlich auch einfach die Steuern für Unternehmer und Kapitalerträge signifikant erhöhen, aber das ist organisatorisch teilweise schwieriger.

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Volle Zustimmung.

Klares Jaein. Die von dir erwähnten Millarden aus Steuergeld werden teilweise genau deshalb gezahlt, weil der Bund die Rentenkasse als Sozialsystem benutzt. (Die Ansprüche aus Arbeitslosigkeit werden, zumindest im ALG I, auch von der Arbeitslosenversicherung gezahlt.) Das ist insbesondere immer dann der Fall, wenn aus reinen Beitragszeiten Ansprüche erworben werden, obwohl die eingezahlten Beträge minimal oder nicht vorhanden sind.
Bestes Beispiel dafür ist die sog. Mütterrente.

Beide Argumente ändern allerdings nichts daran, dass ein Ausweitung der Rente auf mehr Personen/Einkommen nur etwas bringt, wenn

wird.„diminishing returns“ ist ein anderes Wort für ein „sinkendes Rentenniveau“. Das ist der einzige Punkt, den ich hier die ganze Zeit machen will.

Mal eine pragmatische Idee: Warum nicht mit 63 Jahren auf eine 20 h Woche runter, das fehlende Gehalt wird aus den Rentenansprüchen ausgeglichen. mit 67 kann man dann ohne Abzüge in Rente.
So erhalte ich noch Fachkräfte mit Rücksicht auf möglicherweise sinkende Leistungsfähigkeit, spare dabei noch einige Rentenbeiträge.
Mal als Idee…

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Das würde doch trotzdem zu einer Mehrbelastung des Rentensystems führen. Nein, schon allein aus Gründen der Fairness sollte die Lebensarbeitszeit mit der prognostizierten Rentenbezugszeit korrelieren. Wir müssen viel mehr Wege finden, auch ältere Arbeitnehmer noch nach ihren Fähigkeiten und körperlichen Voraussetzungen einzusetzen.

Dazu müssen wir ältere Mitarbeiter zum Beispiel von körperlich anstrengenden Tätigkeiten in Bürojobs umbilden. Bisher krankt es hier sowohl auf Seiten der Arbeitgeber (Stichwort: „Kann ich nicht“ oder „Will ich nicht“) als auch der Arbeitgeber („Zu teuer“, „Keine Zeit“).

Ab 67 Jahren (Tendenz steigend) sollte man dann, vor allem für Menschen mit vielen Berufsjahren in körperlich anstrengenden Jobs, auch flexiblere Lösungen nach deinem Vorbild anbieten. Jedes weitere gearbeitete Arbeitsstunde sollte die persönliche Rente steigern. Wir sollten über jeden Rentner froh sein, der auch mit 73 zumindest noch ein paar wenige Stunden arbeitet und damit sowohl das Sozialsystem (oder Rentensystem) als auch den Fachkräftemangel entlastet. Viele ältere Menschen bauen geistig und körperlich stark ab, sobald der tägliche Rhythmus aus Arbeit und Unternehmungen (sei es privat oder gewerblich) wegfällt.

Die Rente mit 63 war ein Geschenk der SPD an eine übergroße Wählergruppe, die Rentner- und Babyboomer, um ein soziales Profil zurückzubekommen. Gesamtgesellschaftlich war sie ein riesengroßer Fehler und das erkennt mittlerweile sogar die SPD Führung. Kürzlich hat Bundeskanzler Scholz ja sogar eingeräumt, dass aktuell zu viele Menschen mit 63 in Rente gehen.

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Das ist teils nicht so einfach. Ich arbeite seit 17 Jahren in der beruflichen Reha, also wir beraten und schulen Erwachsene um, die aus gesundheitlichen Gründen den alten Beruf nicht mehr ausüben können. (SGB IX, LTA).
Da machen wir zum Beispiel aus einem Maurer mit kaputter Bandscheibe einen Orthopädietechnik-Mechaniker, aus einer Krankenschwester mit Burn-Out eine Podologin. Das bedeutet aber, ich muss vorab durch eine gezielte Berufsfindung/Arbeitserprobung schauen, was passt zum betreffenden Arbeitnehmer (gesundheitlich/eignungsdiagnostisch/Interessenlage).
Pauschal alle aufs Büro stecken ist nicht zielführend, kann ich aus Erfahrung sagen. Man geht auch nicht in eine Schulabschlussklasse und sagt :„Reihe 1 wird Dachecker/in, Reihe 2 wird Verkäufer/in“. Ein 63jähriger, der nie was mit PC zu tun hatte, wird sich da selten noch begeistern können und damit auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig sein.
Ideal wäre ab einem gewissen Alter, am besten ab 55 Jahre, schon frühzeitig zu schauen, welche Berufe oder Tätigkeiten in Frage kommen und dann schon langsam umzuschulen.

Sowas zum Beispiel: TErrA | Tätigkeitswechsel zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit (taetigkeitswechsel.de)

Dazu braucht es für ältere flexiblere Arbeitszeitmodelle, also das man mit 63 zumindest die Stunden reduzieren kann, aber bei entsprechendem Lohnausgleich. Daher die Idee der Teilrente, die ja auch privat finanziert werden kann, ähnlich Riester.

Schnelle Lösungen sind da schwierig. Einfach nur das Rentenalter pauschal auf 70 Jahre zu setzten wird nicht mehr Leute in Arbeit halten (vor allem wenn sie gesundheitlich gar nicht können), das wäre dann nur eine sehr ungerechte Rentenkürzung, besonders bei körperlich oder psychisch anspruchsvollen Jobs.

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@Mike danke für den Einblick in deine Reha-Erfahrung.

Meine Tätigkeit macht mir viel Spaß und ich arbeite gern darin. Wie sich das in den nächsten 20 Jahren + x entwickelt, keine Ahnung. Ich denke, dass alles rund um die Unterstützung auf dem Weg bis zur Rente von enormer Bedeutung ist.

Hallo Mike,

danke dir für deine unglaublich wertvollen Einblick in deinen Berufsalltag. Im Grunde merke ich dadurch, dass ich dich vermutlich teilweise falsch verstanden habe.

Hier bin ich ganz bei dir. Vielleicht würde ich sogar früher ansetzen. Der Maurer oder Dachdecker hat auch mit 55 schon verschlissene Knochen. Aber eigentlich sehe ich hier vor allem den Arbeitgeber in der Pflicht, der das Know-how hoffentlich in der Firma halten möchte. Und natürlich den Arbeitnehmer, der nicht mit einer kümmerlichen Rente in Frührente gehen will. Dem Maurer muss doch klar sein, dass er den körperlichen Teil des Jobs nicht bis 70 machen kann und er muss frühzeitig eine Exit-Strategie entwickeln.

Hier habe ich dich glaube ich falsch verstanden, da ich die Verkürzung definitiv nicht über die Rente framen würde. Rente hat in Deutschland so etwas dauerhaftes. Mir schwebt eher eine Verkürzung der Arbeitszeit für die Dauer einer Weiterbildung auf Basis der Arbeitslosenversicherung vor. Dann ist jedem klar, dass das nur auf Zeit ist.

Ich würde sogar weiter gehen als das. Pro Jahr sollte jeder Arbeitnehmer Anspruch auf 2-4 Wochen professionelle Weiterbildung haben, die ihm Fähigkeiten vermitteln entweder in höher qualifizierte Arbeit zu kommen oder das Berufsfeld in eine für ihn nachhaltigere Tätigkeit zu wechseln. Diese Zeiten sollten max. auf 6 Monate Förderung angespart werden können und sollten frühestens alle 2-3 Jahre genommen werden können. Die Agentur für Arbeit zahlt Weiterbildungskosten und den Lohnausfall.

Was hältst du davon?

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Das würde ich gerne mal mit Zahlen belegt haben. Ich halte es auch keineswegs für ein Naturgesetz. Der Körper bleibt bis ins hohe Alter sehr leistungsfähig - wenn man ihn richtig fordert und ihm genügend Erholung bietet.
Abgesehen davon, dass viele Menschen gerade auf dem Bau rauchen, Alkohol trinken, sich ungesund ernähren und zu wenig sportlich betätigen: Wenn wir Fehl- und Überbelastungen vermeiden (z.B. auch durch modernere Bauweisen und Geräte) und ggf. Arbeitszeiten reduzieren, sollte es eigentlich möglich sein, länger zu arbeiten, bzw. Ausscheiden zu verhindern.

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Die Agentur für Arbeit ist da schon dabei mit dem Lebenslangen Lernen und der Berufsberatung für Erwachsene im Erwerbsleben.

Thema: Lebenslanges Lernen | Faktor A (arbeitsagentur.de)

Über die Qualifizierungsmöglichkeiten nach §81 SGB III, dem Bildungsgutschein, ist auch einiges möglich.

Förderung der beruflichen Weiterbildung | Bundesagentur für Arbeit (arbeitsagentur.de)

Die Rentenversicherungsträger, die ja auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben finanzieren, haben den Grundsatz Reha vor Rente. Also wenn sich eine Chance auf Erwerbstätigkeit in einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit besteht, machen die viel mit.

Kosten und Zahlen zu gesundheitsbedingten Ausfällen finden sich u.a. hier:
BAuA - Kosten der Arbeitsunfähigkeit - Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Ein Wert war die Summe von 144 Mrd Euro als fehlzeitenbedingte Kosten der Wertschöpfungskette allein für 2020 in Deutschland…

@christianF
Gesundheitsbedingte Leistungsfähigkeit hängt immer von der individuellen Konstitution und Gesundheitsverhalten ab, das ist sicher so. Doch auch die Arbeitsbedingungen spielen eine gravierende Rolle. Fehlender Arbeitsschutz auf dem Bau, keine vorhandenen Hilfsmittel (man trägt die 3 Tonnen Pflastersteine halt von Hand, weil kein Hubwagen oder Stapler da ist), oder psychische Belastungen wie Zeitdruck, Personalmangel, Überforderung wie zum Beispiel oft in der Pflege, die fängt man dauerhaft nur bedingt mit Entspannungstraining oder Radfahren auf. Besonders wenn die eigenen Wünsche und Ziele („Idealismus“) dauerhaft nicht mit der Arbeitsrealität übereinstimmen. (Beispiel aus der Arbeitspsychologie: Person-Environment-Fit-Modell von Edwards, Caplan & van Harrison 1998).

Also da sind nicht nur die Arbeitnehmer gefragt, sondern auch die Arbeitgeber. Viele AG sind in Zeiten des Fachkräftemangels schon sehr aktiv, bieten Gesundheitsprogramme für Mitarbeitende, finanzielle Boni für absolvierte Gesundheitskurse, bieten aber auch interne Fortbildungen oder unterstützen bei der Anerkennung von Berufskenntnissen.
Die Richtung stimmt, aber grad kommt die Generation der Arbeiter aus den 80er bis 90ern auf uns zu, da hat viele Arbeitgeber die Gesundheit der MA nicht interessiert, gab ja genug andere vor der Tür, die für wenig Geld ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit gearbeitet haben.

Zum Thema Rente/Teilzeitrente: meine Idee war eher, den Übergang von Arbeitsleben zur Rente nicht abrupt, sondern fließend zu gestalten. Man bekommt also nicht die Volle Rente mit 63 Jahren, sondern nur einen teil, den rest erwirtschaftet man durch Teil-Berufstätigkeit. Mit 68 oder 70, je nachdem was die Gesundheit sagt, läuft man dann Richtung Voll-Rente aus. So die Idee…

Ein solches System existiert in Bayern für Beamte/ Tarifbeschäftigte bereits und auch in NRW m.E. Es wäre ohnehin gesünder, als von einem Tag auf den anderen den gewohnten „Vollgas-Modus“ abzubrechen.

Absolut. Deshalb habe ich ja auch die Technik erwähnt. Ich will das bestimmt nicht nur zu einem Problem der Arbeitnehmer machen. Kein Dissens.