@HansHans eine Definition von Bürokratie
Es geht hier explizit nicht um Papierkram, sondern um die Steuerung des Staates allgemein.
„Bürokratie (deutsch „Herrschaft der Verwaltung“) ist eine staatliche oder nicht-staatliche Verwaltung, die durch klare Hierarchien, Entscheidungen nach Gesetz und Vorschriften und geplantem Verwaltungshandeln innerhalb festgelegter Kompetenzen gekennzeichnet ist.“
Quelle: Wikipedia
Weil der Hersteller sich dann einfach die ihm angenehmste Auslegung der Richtlinie aussuchen würde. Im schlimmsten Fall würden unterschiedliche Hersteller unterschiedliche nationale Gesetzgebungen zum Ausgangspunkt nehmen und ein Fiat und ein BMW hätten keine für den Kunden vergleichbare Sicherheitsauststattung, auch wenn diese auf dem Papier die Kriterien der selben Richtlinie erfüllen würden.
Richtig spaßig wird das, wenn es um Funktionen geht, die auf Interoperabilität angewiesen sind.
Und warum? Gibt es einen sachlichen Grund, warum ein Auto in Polen anders funktionieren muss als in Deutschland? Wer Differenzierung in der Leistung oder der Ausstattung möchte, der kann das durch die Auswahl unterschiedlicher Modelle unterschiedlicher Hersteller wunderbar bekommen. Aber sowohl für die Entwicklung, als auch den Endkundenpreis und die transnationale Nutzbarkeit ist es erheblich vorteilhafter, wenn die Mindestanforderungen an Sicherheit für den gesamten EU-Raum gleich sind.
Das Subsidiaritätsprinzip greift in beide Richtungen. Und viele Herausforderungen unser immer stärker verflochtenen Welt lassen sich nunmal am besten (oder ausschließlich) oberhalb der Ebene der Nationalstaaten regeln. Ich empfinde den Umfang der EU-Regulierungen da bisher in keiner Weise als übergrifflich, wobei man natürlich spezifische Fälle diskutieren und verbessern kann. Aber dabei hilft eine Grundsatzdebatte kein Stück weiter sondern spielt nur den EU-Skeptikern in die Hände.
Hier ist auch wichtig zu bedenken, dass „wir“ auch tatsächlich wir sind, denn an jeder EU-Regulierung sind über den Ministerrat immer auch die Regierungen der Mitgliedsstaaten beteiligt.
Nicht so ganz richtig.
Ich darf z.B. eine ungerade Anzahl Scheinwerfer am Auto haben, weil das in Schweden zulässig ist. Will ich das Fahrzeug in Deutschland zulassen muss der 5. bzw. 7 Scheinwerfer ab.
Obwohl in der Union zugelassen.
Erstens weil in dem Falle die nationale Vorgabe härter sein dürdte als die Mindestvorgabe und falls das nocht der Fall ist trotzdem eine Einzelzulassung im anderen Mitgliedsland fällig wird.
@ped die EU Verordnungen lassen sich hier alle sehr gut einsehen.
Quantitativ betrachtet sind im Jahr 2023 insgesamt 2219 neue Rechtsakte (Rechtsakte sind juristische Handlungen: Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen) vom EU Parlament verabschiedet worden.
Qualitative Beispiele wurden ja Eingangs genannt. Über den Alltag hinaus gibt es viele weitere Bereiche aus denen Laute Kritik an der EU Gesetzgebung. Beispielsweise Landwirte die breite Klagen entsenden und berichten von einer finanziellen Abhängigkeit von EU Subventionen bei gleichzeitig belastender und stetig wachsender Bürokratie.
Da sind aber auch Stellungnahmen der Zentralbank dabei. Ohne einer Vergleichszahl, zum Beispiel der Rechtsakte Deutschlands, ist das wenig aussagekräftig.
Vielleicht können wir die Diskussion mal umdrehen und konstruktive Vorschläge sammeln. Was wären Dinge die eine Breite Mehrheit an EU-Bürgern begeistern würden.
Dinge wie EU weites Roaming oder sogar die großen Würfe wie Arbeitnehmerfreizügigkeit, gemeinsame Währung, Reisefreiheit etc?
Ich muss immer noch an den Mann an einer niederländischen Tankstelle kurz nach der Euro-Bargeldeinführung denken, der sich ärgerte keine 10% Rabatt bekommen zu haben, schließlich würde er doch mit „deutschen Euros“ bezahlen… (Die 10% waren zuletzt der ungefähre Unterschied zwischen DM und Gulden.)
Ich bin mir nicht so sicher, was mir diese Zahl sagen soll. „Empfehlungen und Stellungnahmen“ sind ja per Definition keine bindenden Rechtsakte.
Um vielleicht ansatzweise Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen:
Der Bundestag hat in der 20. (aktuellen) Wahlperiode bisher 285 Gesetze verabschiedet. Das sind also ca. 95 pro Jahr.
Vom Europaparlament und -Rat wurden 2023 insgesamt 77 Rechtsakte im „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ verabschiedet – also gemeinsame Veordnungen, Richtlinien und Beschlüsse. Das Jahr 2023 scheint auf den ersten Blick auch nicht aus der Reihe zu fallen.
Das Europaparlament scheint also im Vergleich zu einem nationalen Parlament (Bundestag) keinen übermäßigen Eifer bei der Verabschiedung neuer Gesetze an den Tag zu legen. Allerdings sagen diese Zahlen noch rein gar nichts über den Inhalt dieser Gesetze aus und da wird es ja erst richtig interessant.
Ja, und diese sind allesamt keine guten Beispiel für eine übermäßige Regulierungswut Europas, darum hat sich die bisherige Diskussion ja gedreht.
Auch darauf wurde schon eingegangen (vor mir): die Bürokratie ist weitgehend hausgemacht, geht also nicht auf europäische Anforderungen, sondern deutsche Umsetzung zurück. Und dafür könnten sich die Landwirte eigentlich mal bei den vielen Generationen CDU und CSU Agrarminister in Bund und Ländern bedanken, die dafür hauptsächlich verantwortlich zeichnen.
Sich über „finanzielle Abhängigkeit“ zu beklagen ist natürlich auch so eine Sache. Jedem Landwirt steht es frei, auf Subventionen zu verzichten und sein eigenes Ding jenseits der Bürokratie zu drehen. Dass das für viele finanziell nicht möglich ist, hat vor allem mit zu wenig Regulierung zu tun, weil man sich dazu entschlossen hat, den großen Einzelhandelsketten und der Lebensmittelindustrie in bester kapitalistischer Sitte komplett freie Hand zu lassen, ihre Marktmacht gegen die Bauern auszuspielen. Ich habe allerdings noch keine Trecker-Demo zur Aldi-Konzernzentrale rollen sehen …
EU-weiter Mindestlohn
EU-Vermögenssteuer
Konsequenter Umwelt- und Klimaschutz als Voraussetzung für jede Form der Agrarsubvention
Finanztransaktionssteuer
Gemeinsame und einheitliche Besteuerung von Off-Shore Vermögen und Einkünften von EU-Bürgern
Gemeinsame Streitkräfte und Rüstungsbeschaffung
Gemeinsame Strukturen und Ressourcen für den Katastrophenschutz
EU-Seenotrettung im Mittelmeer und Atlantik
Schärfere Gestaltung der CO2-Grenzwerte bei Neuwagen
Verbot von PFAS
Verbot von Glyphosat und einer breiten Palette anderer Pflanzenschutzmittel
Klare Mindestvorgaben für Inklusion und Teilhabe behinderter Menschen, besonders in der Schule und im Arbeitsleben
Keine gute Idee, sofern er als fester Betrag in € angegeben wird.
Wenn dann höchstens als % vom nationalen Durchschnittslohn, ansonsten müsstest du vorher die Lebenshaltungskosten in Europa vereinheitlichen (das schaffst du noch nichtmal auf nationaler Ebene) oder aber der Mindestlohn wird so niedrig, dass er in Hochpreisdeutschland wirkungslos ist oder so hoch, dass er in Osteuropa unbezahlbar ist.
Ohne die EU wären wir beim Thema Rauchverbot und auch bei bestimmten Bürgerrechten (siehe Debatte zur Vorratsdatenspeicherung) vermutlich wesentlich weniger weit, insofern sehe ich schon viele positive Aspekte, mit denen man auch Werbung für die EU machen könnte. Aber diese Themen sind natürlich auch immer polarisierend.
Wie wäre es mit „Steuer auf Milliardäre und Steuerflüchtlinge“?
Auch Maßnahmen im Umweltschutz kann man meiner Meinung nach gut verkaufen, wenn man sich nicht vor den Karren der Konzerne spannen lässt. Die EU könnte ja mal eine Studie in Auftrag geben, welcher Anteil der männlichen Bevölkerung PFAS im Hoden hat .
Mir persönlich würde es aber schon reichen, wenn über die Maßnahmen der EU nicht immer wieder blödsinnige, populistische, unreflektierte und uninformierte Statements verbreitet werden.
Ich bin auch Fußgänger (auch PKW-/Motorrad-/Fahrradfahrer) und erlebe Gleiches. Wenn ich das System einfach abschalten kann, dann wird diese Regelung nicht viel bringen. Und konsequenterweise müsste diese dann auch auf die anderen Fahrzeuge angewendet werden. Tatsächlich für Fahrradfahrer.
Schönes Beispiel: Verpackungsrichtlinie 94/62/EG. Jeder EU-Mitgliedstaat kocht sein eigenes Süppchen für die Kennzeichnungspflichten. Im Prinzip guter Ansatz aber für Hersteller die EU-weite exportieren benötigt es zur Umsetzung allein dieser Richtlinie eine Vollzeitstelle.
Das klingt für mich nun nach einem Beispiel, in dem gerade keine hinreichende Regulierung stattgefunden hat und es dadurch für EU-weit handelnde Unternehmen extrem kompliziert wird. Hier wäre also mehr „Regulierungswut“ der EU hilfreich gewesen, um zu EU-weiten Standards zu kommen, damit Firmen sich gerade nicht mit 27 verschiedenen Regelungen befassen müssen.
Denn die generellen Geschwindigkeitsbegrenzungen, die in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) laut § 3 Absatz 3 geregelt sind – beispielsweise Tempo 50 innerorts – gelten nur für Kraftfahrzeuge. Gewöhnliche Fahrräder gehören nicht dazu. Gibt es Tempolimits für Radfahrer? | Runter vom Gas
Und weiter im gleichen Artikel: "Auch wenn Rad- und Pedelecfahrende nicht an die generellen Tempolimits gebunden sind, die die StVO in § 3 Absatz 3 für Kraftfahrzeuge beschreibt: An Verkehrszeichen, die Geschwindigkeiten für alle Fahrzeuge regeln, müssen sie sich halten – wie alle Fahrzeugführende. "
30km/h sind auch für Radfahrer schnell überschritten.