Reden mit Verschwörungstheoretikern

Es ist leicht und manchmal auch sehr unterhaltsam, sich über diese Leute aufzuregen und/oder lustig zu machen, solange man selber nicht allzu direkt betroffen ist. Wenn es aber Leute trifft, die einem persönlich etwas bedeuten, sieht das natürlich anders aus.

Leider merkt man dann schnell, dass gute Argumente, Fakten und Belege, selbst bei Menschen die man ansonsten für vernünftig gehalten hat, oft nur sehr wenig ausrichten können.

Eine interessante Alternative könnte der Ansatz der „Street Epistemology“ sein, bei dem man versucht, mit dem Gesprächspartner gemeinsam herauszufinden, warum die Person eigentlich glaubt was sie glaubt, und ob es sich dabei wirklich um gute Gründe handelt.
Der entscheidende Punkt ist, dass das Ziel eines Gesprächs nicht primär ist, den anderen umzustimmen, sondern vor allem zu verstehen, was die Gründe für einen bestimmten Glauben sind. Häufig wird im Laufe eines solchen Gesprächs klar, dass die Gründe nicht so gut sind, wie man vorher dachte. Natürlich wäre es unrealistisch, von einem Menschen zu erwarten, eine über lange Zeit gefestigte Meinung dann sofort aufzugeben, aber es kann durchaus ein Anstoß für einen längeren Umdenkprozess sein.

Wer sich für das Thema interessiert, kann mal bei Youtube nach „Street Epistemology“ und „Anthony Magnabosco“ suchen.

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Wer sich mehr mit dem Thema Verschwörungsmythen auseinandersetzen möchte, dem möchte ich sehr folgende Literatur empfehlen: Pia Lamberty und Katarina Nocun „Fake Facts - Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen“ und von Michael Blume „Verschwörungsmythen - Woher sie kommen, was sie anrichten und wie wir ihnen begegnen können“. Ich habe beide Bücher im letzten Jahr gelesen, nachdem ich im Freundes- und Bekanntenkreis auf coronabedingtes Geschwurbel gestoßen bin.
Pia Lamberty forscht zu Verschwörungsideologien, Michael Blume ist Beauftragter gegen Antisemitismus der Landesregierung Baden-Württemberg. Beide wären auch einmal interessante Gesprächspartner für die Lage oder „Das Interview“. Mir haben beide Bücher im Umgang geholfen.

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Ich verlinke hier mal einen Beitrag zum selben Thema:

Stimmt, man sollte sich hier allerdings bewusst sein, dass man in dem Versuch erstmal zu verstehen, wie die Person denkt, man natürlich noch viel gruseligeren Kram rausbuddeln kann. Verschwörungsmythisches bzw. -ideologisches Denken ist stark verbunden mit rechtsextremen Gedankengut bzw. Antisemitismus Rassismus und weiteren Diskriminierungensformen. Je nach dem was die Leute so von sich geben muss man halt auch ertragen können, was da so hoch kommt. Gerade, wenn man Diskursiv auf die Leute zu geht, um sie zu verstehen oder einen Ansatzpunkt zu finden, bekommt man schnell das Gefühl eigene wichtige Positionen aufzugeben. Daher würde ich schon empfehlen hierbei Grenzen einzuziehen und sich zu Fragen, wie weit man selbst gehen kann.

Auch wenn es vermutlich in vielen (extremen) Fällen nicht hilft, finde ich die Idee der Seite https://codetekt.org/ super: Nach einem objektiven, leicht verständlichen und anwendbaren Fragenkatalogs wird die Vertrauenswürdigkeit eines Artikels o.ä. von mehreren freiwilligen „Detektiv:innen“ bewertet. Das Ergebnis kann man dann einfach mit der Person, von der man die Information hatte, teilen und hat so eine unabhängige Gesprächsbasis. Mit meiner Mutter konnte ich mich bereits darauf einigen, einige ihrer Bezugsartikel einzureichen :slight_smile:
Allerdings: die Seite ist sehr neu und bisher scheint es sehr wenige „Detektiv:innen“ zu geben, sodass die Bewertung ziemlich lange dauert. Vielleicht finden sich ja hier noch ein paar Leute, die die Idee überzeugend finden und ab und an Zeit haben, einen Artikel/eine Info/… zu überprüfen?

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Gerade, wenn man Diskursiv auf die Leute zu geht, um sie zu verstehen oder einen Ansatzpunkt zu finden, bekommt man schnell das Gefühl eigene wichtige Positionen aufzugeben.

Kannst du erläutern, was du damit meinst? Zuhören heißt ja nicht zustimmen.
Bei Street Epistemology versucht man meistens, seine eigene Meinung zum Thema komplett aus dem Gespräch rauszuhalten, weil man dem Gegenüber nicht das Gefühl vermitteln möchte, sich verteidigen zu müssen. Es ist tatsächlich ein Miteinander, kein Gegeneinander. Das ist glaube ich das was dabei anfangs am schwierigsten zu verinnerlichen ist, aber einem langfristig deutlich bessere Gespräche ermöglicht. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass man bei der eigenen Meinung irgendwelche Kompromisse eingehen muss. Und wenn mein Gegenüber wirklich Recht haben sollte, will ich ja eigentlich auch überzeugt werden - auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verschwörungsgläubiger mit guten Argumenten ankommt, wohl vernachlässigbar gering ist.

Das Miteinander ist abhängig von der Situation. Man ist in Gesprächen außerhalb von stark formalisierten Rahmen, wie bspw. moderierten Gesprächsgruppen etc. meist in einem dynamischen Verhältnis von Miteinander/Gegeneinander und auch zuhören/eigene Meinung. Gerade auch, wenn die gegenüberliegende Person sich nicht auf diese Methode einlässt.

Ich will dir nicht widersprechen und ich bin der Ansicht, dass insbesondere viele Männer gut daran täten zu lernen sich zurück zu halten, mehr diskursiv fragen denn debattierend, etwas mehr Distanz zu lernen, aber vor allem zu lernen, dass gegenüber erstmal zu monologisieren zu ermuntern.Das macht nicht nur die Gespräch interessanter sondern hilft auch dabei bissle mit dem eigenen männlichen Dominanzgehabe besser umgehen zu können. Allerdings sind das halt erstmal allgemeine Gesprächsregeln und bei Verschwörungstideologien reden wir doch meist von harten Formen des Antisemitismus und Rassismus, oder weiter ausgedehnt, bei der Manosphere insbesondere Pickupartists und Incels von Frauenhass, Vergewaltigungs- und Mordphantasien. Dem zu widersprechen ist halt nicht einfach ein für oder gegeneinander und eben auch nicht einfach die eigene Meinung zurückzuhalten. Man sollte schon vorher versuchen einzuschätzen mit, wem rede ich (im Sinne von Vorstellungen, Weltbild, Radikalisierung etc.), wie verhält sich diese Person diskursiv und wie weit bin ich bereit mir das anzuhören, was diese Person tendenziell von sich gibt. Das gilt insbesondere für Personen, welche schon Erfahrungen mit diesen verschiedenen Formen von Gewalt oder Diskriminierung gemacht haben. Ich weiß nicht, wie vertraut du mit dem Inhalt und Umgangston einiger dieser Szenen bist und je nach dem an, wen man da gerät kann das ziemlich belastend sein. Da sollte man nicht zu naiv herangehen, gerade, wenn man mit der Methode aber auch dem Umgang mit gewissen Aussagen nicht vollends vertraut ist. Denn dein Argument zu Debatte und Verschwörungsideologen trifft halt auf diese Methode genauso zu. Es ist wahnsinnig schwierig diese Leute zu erreichen und der Versuch oftmals sehr belastend. Um den Punkt von oben aufzugreifen, die harten Verschwörungsideologen sind ja häufiger Männer und da hat man es auch schnell mit aggressiven Verhalten zu auch im diskursiven Verhalten.

Bitte nicht missverstehen, ich finde deinen Ansatz gut nur im Einzellfall sollte man sich klar sein, dass es halt eben nicht einfach nur ein Gespräch ist, auf das man sich nur einlassen muss.