Rechtsdrift deutscher Parteienlandschaft

Hallo zusammen,

ich habe ein Thema, das ich gerne einmal ergebnisoffen ansprechen möchte, weil ich hierzu nichts valides finden konnte und ich denke, dass wir hier im Forum die richtigen Leute haben.

Ich habe das Gefühl, dass die gesamte deutsche Parteienlandschaft in der Vorbereitung der anstehenden Wahl zum einen kommunikativ, als auch in dem Verhalten der vergangenen Jahre nach rechts gedriftet ist.

Angefangen mit dem traurigen Erfolg der AFD und einem sich immer stärker verbreitenden Anti-Wissenschaftsdenken, Anti-Ausländer, „Anti-Alles-denken“ kommt es mir so vor, als würden dies nun auch andere Parteien aufnehmen.

Der Gedanke kam mir zu erst in der ganzen Diskussion um Maaßen in der CDU. Hier hätte ich erwartet, dass die CDU sich stärker distanziert und würde behaupten, dass das früher wohl auch so geschehen wäre. So fehlt eine deutliche Abgrenzung zu seinen rechten Thesen und er macht entsprechend Wahlkampf am rechten Rand für die CDU.

In der CSU ist es die Migrationspolitik und die gesamte Kommunikation zu diesem Thema, oder auch das Verhalten an den Grenzen. Von Söder kommen aussagen wie:
„Für die CSU steht fest: In Klassenzimmer gehören Kruzifixe und keine Kopftücher.“ (alt ca. 2004)
„Wir müssen endlich den Asyl-Tourismus beenden“ (2018). Das sind Positionen, die rechts gut ankommen.

Auch die FDP lässt sich gerne mal von der AFD helfen, siehe Thüringen und Herrn Kemmerich. Man kann nun sagen, dass man irgendwann halt mal mit der AFD zusammenarbeiten muss, aber ich habe auf Twitter eine Grafik gesehen (leider nicht wiedergefunden, sodass ich die Quelle nochmal genauer ansehen kann), dass das gerade verabschiedete Wahlprogramm wohl einer Umfrage nach auch großen Zuspruch bei den rechten Flügeln findet.

Was ich sagen will, ist, dass es so aussieht als würden diese 3 Parteien nun auf Stimmenfang in einem rechten Bereich gehen wollen, der früher tabu war.

Weitergehend kommt es mir so vor, als sei die SPD weiter in die Mitte gerückt. Bei weitem nicht rechts, aber stärker für Unternehmen, Wirtschaftsliberaler und weiter von den früher vertretenen Standpunkten entfernt.
Die Grünen schienen sich hier zwischen Linke und SPD zu drängeln.
Dies ist keine Ausrichtung auf die rechte Wählerschaft, aber vielleicht eher eine Zusatzbetrachtung.

Ich weiß, dass das hier nur eine simplifizierte Betrachtung auf einer Geraden ist und man eine komplexe Parteienlandschaft nicht nur auf einer Geraden aufspannen kann. Auch ändern sich Zeiten und die Welt insgesamt, aber einen starken Ruck nach rechts will ich eigentlich nicht erleben.

Auch bin ich kein Politikforscher oder eine Person mit großem Wissen in dieser Materie, weswegen ich dies nun gerne zur Diskussion und Betrachtung stellen würde.

Gibt es überhaupt einen Rechtsruck in der deutschen Bevölkerung? Ist Rassismus und das Rechte Politikspektrum salonfähiger geworden? Orientieren sich nun auch klassischere Parteien diesem vermeidlich existierenden Bevölkerungsteil zu?

Besten Dank und schöne Grüße!

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Hallo Alex,

interessante Perspektive, weil ich sehe eher das Gegenteil: ein „Linksruck“ bei den Parteien Beispiele: Ehe für alle und Mindestlohn unterstützt durch die Union, Borjans und Esken als SPD Vorsitzende, aber auch generell, dass die AFD existiert, durch mangelnde Abdeckung „rechter“ Positionen bei anderen Parteien. Wie du siehst habe ich die Worte „rechts“ und „links“ in Anführungszeichen gesetzt, da ich es tatsächlich sehr kurz gedacht halte die Parteinlandschaft so eindimensional zu betrachten. Hier ein Beispiel einer zweidimensonalen Betrachtung der Friedrich Ebert Stiftung: Strategiedebatten: Deutschland (Oktober 2017), aber ich habe auch schon 4 dimensonale Modelle gesehen…

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Nano, du hast mir meinen Post quasi vorweg genommen. Ich glaube auch, dass das eindimensionale links recht zuordnen zu simpel ist, um die Bewegungen der Parteien zu beschreiben.

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Vielen Dank für den Link zur Friedrich Ebert Stiftung. Die dortigen Punkte muss ich erstmal genauer lesen.
Hoffentlich gibt es eine derartige Auswertung noch vor der Wahl im September. Ich vermute aber, dass die Stiftung ihre Analyse erst wieder nach der Wahl veröffentlichen wird.
Gibt es vergleichbare Analysen von ähnlich qualitativen Quellen, die die aktuelle Lage bewerten?

Und ich stimme voll zu, dass man die Komplexität nicht rein binär bewerten kann. Das habe ich oben ja bereits angedeutet, dass ich das vermute.

Interessant, dass ihr zwei direkt eher eine neue Ausrichtung nach „links“ wahrnehmt und das Auftreten der AFD so bewertet, dass den anderen Parteien die „rechte“ Seite fehlt.

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Ich sehe auch bei der SPD wieder eine Bewegung nach Links, nachdem Hartz4 und die Groko und die Konkurrenz zur Linken sie fast zerrieben haben.

Bei der CDU scheint es nach Merkel aber wieder konservativer zu werden:

Edit: Typos

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Dein Link ist wirklich sehr ergiebig und ich wünschte es gäbe etwas aus 2021 in dieser Richtung.

Ein paar nützliche Perspektiven:

Die CDU scheint tatsächlich eher in eine „modernere“, weniger konservative Richtung gedriftet zu sein, was Raum für die AFD geschaffen haben könnte. Dies will die CDU nun wohl korrigieren und orientiert sich nun vielleicht zurück. Heimatpolitik und Leikultur.
Es heißt, dass Wahlen nicht mehr in der Mitte, sondern am Rand gewonnen werden. Hier ist damit die Richtung der noch konservativeren und eher „rechten“ Kräfte gemeint.
Genauso sieht man, was unter Volkspartei zu verstehen ist, da die „Lebenswelt“ der CDU deutlich größer ist. Hier ist aber auch klar, dass eine große Blase auch mehr Reibungsfläche am Rand hat. In der Mitte und am Radikaleren oder „rechteren“ Rand.
Die Wilkommenskultur hat die CDU innerparteilich nicht verkraftet und war deutlich außerhalb der „Lebenswelt“ dies wollen einige Kräfte (um Maaßen) nun wohl korrigieren.

Nochmal Danke für den Link. Da ist auch noch viel mehr drin und eine Übereinanderlegung mit einer heutigen Analyse würde noch viel mehr ergeben.

@ChristianF leider ist dein Link hinter einer paywall, die ich gerade nicht bezahle.

Welche Punkte stechen für dich dort heraus?

Es werden eine Reihe von Beispielen aufgezählt, wo MdB, die für Merkels Kurs stehen, durch konservativere Kandidat:innen abgelöst werden.

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Mein erster Impuls war eigentlich ablehnend, aber tatsächlich ist Maaßen ein ziemlich guter Punkt. Den hätte man früher vonseiten der CDU wohl eher versteckt gehalten bzw. sich wenigstens von ihm distanziert, vielleicht pro forma ein Parteiausschlussverfahren ins Gespräch gebracht. Heute lässt man ihm wahrscheinlich ganz bewusst freie Hand, damit er die Leute umwirbt, die tatsächlich am rechten Rand stehen.

Gibt es überhaupt einen Rechtsruck in der deutschen Bevölkerung?

Der Frame vom Rechtsruck war 2015 unangebracht und ist es heute auch. Die Einstellungen sind vorher da. Sie brechen sich nur zu bestimmten Anlässen Bahn. Darüber hinaus ist die Nazikeule für weite Teile der Bevölkerung heute einfach verbraucht, was den Eindruck eines „Rechtsrucks“ erwecken könnte.

Auch die FDP lässt sich gerne mal von der AFD helfen, siehe Thüringen und Herrn Kemmerich.

Würde ich jetzt nicht der FDP anlasten, sondern einer Einzelperson, höchstens aber dem Landesverband. Daraus einen bundesweiten, gesellschaftlichen Rechtsruck ablesen zu wollen, halte ich insofern für ziemlich weit hergeholt. Da gab es hinter verschlossenen Türen wahrscheinlich auch ein ordentliches Donnerwetter.

Abschließend noch zur CSU: Da du selbst ein Zitat von 2004 gebracht hast, müsste dir eigentlich klar sein, dass es sich gerade bei der CSU wohl nicht um einen „Rechtsruck“ in jüngerer Zeit handelt. Ganz im Gegenteil gehört das doch quasi zur DNA dieser schon immer volkstümelnden Partei.

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Ich kann das nur mal von eher ‚linker Seite‘ Beleuchten, da sieht es ganz anders aus

  • Ehe für alle: Das darf der Bundestag noch machen, bevor es irgendwann das Bundesverfassungsgericht macht. Zusätzlich werden auch in Konservativen Kreisen immer mehr Leute von Dingen überzeugt sein, die unsere Verfassung so vorgibt und zu dem der Forschungsstand immer klarer und deutlicher wird. Das hat also nichts mit Links zu tun, sondern mit der Realität, die Konservative Positionen kurz und klein hackt. Und das ist auch gut so.

  • Mindestlohn: Auch hier wieder das selbe - Bevor hier das Bundesverfassungsgericht per Entscheidung die Gesetzgebung vor sich her treibt, gibt es Bewegung. Wir haben es ja auch bei Hartz 4 gesehen.

  • die AFD existiert, durch mangelnde Abdeckung „rechter“ Positionen: Die Parteien haben sich nicht umsonst davon entfernt. Es findet sich bei der AFD sehr wenig, in der Breite vertretbares und in so fern würde ich eine dem rechtsradikalen zugewandte Partei nicht mit Konservativen Parteien vermischen.

Rechtsruck: Der gefühlte Rechtsruck kommt halt auch von der Einsicht, das sich mit einer SPD, die sich in der Koalition als Steigbügelhalter für konservative Politik hergibt und einer Grünen Partei, die durchaus einen Hang zum Konservativen hat ( seihe Grüne im Umfeld von Landwirten) am Ende ein sehr schmaler Korridor für das was so gemeinhin als ‚Linke Politik‘ gelesen wird ergibt. Schlussendlich ist Rechtskonservative Politik (leider) nicht so unbeliebt in Deutschland, auch wenn wir das immer recht ungern zugeben.

Wie gesagt, mein Blick auf das Thema ist links geprägt. und ich bin btw (noch) Genosse

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Ehe für alle: Ob das jetzt einer Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zuvorgekommen wurde lasse ich mal dahingestellt. Bin jetzt auch nicht sicher was das Thema mit Forschung zu tun hat. Ich halte das Thema eher für eine gesellschaftliche/religiöse Frage. Ich wäre im übrigen auch eher für eine „Ehe für niemanden“ da ich das Konzept von Ehe für veraltet halte.

Mindestlohn: Wie im Podcast auch häufiger richtig angemerkt ist das Bundesverfassungsgericht nicht dafür zuständig verfassungskonforme Gesetze zu formulieren, vorzugeben oder Druck auszuüben. Ein Mindestlohn und auch seine höhe sind Abwägungsentscheidungen und ich sehe hier tatsächlich wie sich grade die CDU von der eher (wirtschafts)liberaleren Position entfernt hat.

Die AFD: eine Mischung aus konservativen, nationalsozialistischen und abgehängten enttäuschten Leuten und eben auch ehemaligen CDUlern die den neuen Kurs der CDU nicht unterstützen.

SPD: die SPD befindet sich in einer Art Schizophränie. Auf der einen Seite müssen sie Realpolitik in vielen Parlamenten und Regierungen machen, aber die Basis und vorallem die Jusos streben stark nach links. Eine sehr schwierige Situation für Scholz und co.

Die ehe für alle war einfach nicht mehr zu verhindern. So einfach ist das. Es ist einfach die Zeit dafür gekommen (viel zu spät). Mit Vorurteilen kann man recht schwer Gesetzgebung erklären. siehe auch: GG.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Es gab lange die Auffassung, Homosexualität mache ‚anders‘ aber das hat sich halt nicht halten lassen. Es gibt einfach dafür nach Stand der Sozialforschung in diesem Jahrtausend, gar nicht mehr so viele wissenschaftliche Anhaltspunkte.

Zum Glück müssen religiöse Gefühle auch hinter dem GG zurückstehen. Und so macht das Zusammenwirken der Forschung und der Anwendung des Grundgesetzes einfach die Ehe für alle zu einer Sache die noch ein Bundestag entscheidet oder halt mal ein Betroffener für den Bundestag vor dem Bundesverfassungsgericht einklagt. Die Union hat es ja schon viel zu lange verhindert und so das Gesicht gewahrt.

Das Bundesverfassungsgericht formuliert keine Gesetze, aber korrigiert den Gesetzgeber halt jedes mal wenn jemand berechtigter weise klagt. In so fern, wenn man es denn verstehe will und nicht direkt auf der Metaebene ausrutscht: Das Bundesverfassungsgericht macht Gesetze.

Es gibt überhaupt keinen Mangel an der Abdeckung Rechter Positionen. Die Parteienlandschaft in Deutschland ist eher rechts und konservativ geprägt. Grade werden die Grünen ja zur angeblich linken Partei erklärt, obwohl sich das so gar nicht aufrecht erhalten lässt und auch selbst in der Linken gibt es Leute wie Wagenknecht, die jetzt in einer AFD nicht so auffallen würden. Auch die SPD, mit ihrer, wie du es bezeichnest.
‚Realpolitik‘ hat durchaus Flecken, wo es ‚bürgerlich‘ bis konservativ zugeht.

Eine der größten Irrtümer und Schlechten Spinnings ist das es angeblich so ‚Linke Politik‘ überall gibt und es nichts anderes mehr Gäbe.

Wenn man sich Zentrale Themenfelder ansieht (Wohnungspreise in Verbindung mit Gehalt, Soziale Absicherung H4, Abbau von Arbeitnehmerrechten, Aufnahme Geflüchteter, Politik and den EU Aussengrenzen, Ein Staatstrojaner nach dem Anderen, defacto stop der Windenergieausbauten, Pro Auto Politik) dann haben wir einen Siegeszug der konservativen Politik erlebt und jetzt ist halt mal das Ende der Fahnenstange erreicht: Wenn das noch mehr konservativer werden soll: Dann musst du zur AFD, aber ansonsten haat es sich etwas ausgesiegt. Mehr von dieser Politik bedeutet halt irgendwann auch sehr repressiven Staat (siehe Cannabispolitik) und das betrifft mehr als nur immer sexuell anders handelnde, Frauen, Ausländer, sondern auch weisse, männliche Mitbürger mit Erbe.

[Wegen Überlänge gekürzt]
Mir fehlen immer zusätzliche Kriterien… Links und rechts ist doch unterkomplex - zudem kommt es etwas auf den Zeitpunkt an.

Eine Möglichkeit ist der politische Kompass. Ich möchte übrigens ausdrücklich darauf hinweisen, dass natürlich einzelne Politiker deutlich von den hier gezeigten Einordnungen abweichen können.

Ich habe hierzu einen Vergleich gefunden (Achtung, Y-Achse invertiert!), bei dem ich die Quelle leider nicht einschätzen kann, und die dennoch einen entsprechenden Rechtsruck bezeichnet. In Teilen kann ich das nachvollziehen, erlebe aber eher eine „Autoritärisierung“ als wirklich einen starken Rechtsruck. Diese Grafik zeigt diese Entwicklung, auch, wenn ich die Quelle nicht direkt zitieren möchte. Nach der Grafik sage ich, warum…

image

AFD
Also, ich möchte gerne mit der AfD beginnen. Unter Lucke hatte ich den Eindruck, es ginge den Gründern und der Mehrheit in der Partei vorrangig tatsächlich um eine Neuordnung der Wirtschaft. So richtig autoritär und in Teilen rechtsextrem wurde die AfD wenn ich das richtig erlebt habe erst mit der Zeit. Zwischenzeitig sind (und waren) stramme (ehemalige?) Rechtsextreme in höheren Ämtern innerhalb der Partei.

Aus meiner Sicht: Klar erkennbare Bewegung nach rechts-autoritär / autoritär.

CDU (in Teilen CSU)
Hier gab es zur Zeit der „Flüchtlingskrise“ ja häufig vorwürfe, die CDU wäre zu links geworden. Ich persönlich bin zu jung, um mich an eine „alte“ CDU zu erinnern, die noch weiter rechts steht. Ich möchte aber einen besonderen Punkt hervorheben, der eben die CDU/CSU Fraktion für mich persönlich massgeblich prägt: Das Thema rund um die christlichen Werte und die selbst propagierte christliche Tradition:

„Nach christlichem Verständnis sind Mensch, Natur und Umwelt Schöpfung Gottes“, heißt es im CDU-Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2007. Gott habe den Menschen nach seinem Bilde geschaffen, woraus sich die Würde des Menschen als schützenswertes Gut ableite. Die natürliche Umwelt wird als Schöpfung angesehen, über die der Mensch nicht frei verfügen dürfe, sondern die ihm von Gott zur Bewahrung anvertraut worden sei.

Beide Zitate stammen aus dem nachfolgenden Wikipedia Artikel.

Ich verstehe unter diesen Grundsätzen der Partei weder die aktuellen Entwicklungen, die meiner - in diesem Falle absolut unbedeutenden - Ansicht nach absolut an „den christlichen Werten“ vorbei geht. Ein Teil der Klientel würde Jesus direkt wieder ausschaffen. Eigentlich steht die CDU also - wenn es um solche konkreten Themen geht - weiter rechts, als ihr eigenes Parteiprogramm meiner Interpretation nach zulassen dürfte.

Persönlich erlebe ich die CDU/CSU Fraktion nicht grundsätzlich linker oder rechter, ich beobachte aber, dass hier die Polarität innerhalb der Partei/Fraktion grösser wird. Wenn man den politischen Kompass oben betrachtet, ist das eigentlich auch nachvollziehbar, weil die CDU eben ein relativ grosses politisches Spektrum in der rechten / autoritären Seite bedient. In der Tendenz glaube ich schon, dass es eher progressive Strömungen oder auch nur Teilgedanken innerhalb der CDU/CSU gibt (bspw. wenn Söder sich für „Grüne“-Themen einsetzt, andererseits haben wir aber auch klare Tendenzen in die eher autoritäre/konservative Richtung gibt (bspw. Maaßen). Wie gleicht man das aus?

Es gibt hier nun mal einfach diejenigen Konservativen, die sich grundsätzlich als christlich-sozial verstehen und denjenigen, die halt nur selektiv sozial sein wollen (bspw. nicht für Migranten, Kinder Arbeitslose etc.). Ich erlebe hier, dass die CDU/CSU ihren gemeinsamen Nenner verliert. Meine Meinung ist, dass die Fraktion erst wieder einen gemeinsamen Nenner finden muss, bevor sie wieder die Massen versammeln kann, das dürfte aber durch die zunehmende Polarität bei den Themen schwer werden.

Söder ist ein Wolf im Schafspelz, Merz hält Millionäre für ganz legitimen oberen Mittelstand und Maaßen liebäugelt mit Verschwörungstheorien. Trotzdem gibt es natürlich viele gute Politiker:innen, denen es wirklich um das Wohl „der Allgemeinheit“ geht, denen Bildung und Soziales nicht komplett egal sind.

Aus meiner Sicht lässt sich das hier daher nicht verallgemeinern, die CDU/CSU Fraktion hat beide Strömungen in sich. Einige Christdemokraten wünschen sich die klare Kante gegen rechts, andere öffnen sich in Richtung AfD. Ich empfinde den rechtskonservativen Flügel in der CDU derzeit als lauter, erste Schulterschlüsse mit der AfD werden bereits gefordert.

SPD
Viele gute Punkte im Parteiprogramm wurden umgesetzt, aber als Siege der CDU/CSU verkauft. Zudem ist die SPD gefühlt wieder etwas in die sozialdemokratische Ecke gerückt, nachdem mit Schröder die eher wirtschaftsliberalen Kräfte in der SPD massgeblich zum heute schlechten Ruf der SPD beitragen.

Man auch hier darauf hinweisen, dass bereits seit längerer Zeit in der SPD die eher konservativen / wirtschaftsliberalen Strömungen stärkeren Einfluss hatten und - gegen viele weitere traditionelle Mitgliederstimmen - die Kurse von Schröder mittrugen.

Die Bilder von 2017+18 haben wir aber eben auch nicht vergessen. Die SPD fällt nach kurzem Hype wieder zurück, weil es Schulz anscheinend nicht gelingt, die Basis zu mobilisieren. Ich kann mich erinnern, damals nicht mehr aus dem Kopfschütteln gekommen zu sein, weil er es irgendwie einfach nicht geschafft hat, seine Positionen wirklich deutlich zu machen und/oder die Basis einzufangen. Die SPD verlor weiter an Stimmen und gibt schliesslich das Amt des Parteivorsitzenden auf.

Mit Nahles kam nach Schulz die erste Frau ins SPD-Vorstandsamt. Und meiner Meinung nach war zu diesem Zeitpunkt einfach die Wahl zwischen Pest und Cholera beim SPD-Vorstand angesagt. Es gab einfach irgendwie keine Sympathien für die zur Wahl stehenden Personen und die Ergebnisse der Europawahl haben das ja anschliessend auch bestätigt. Nahles hatte keinen Rückhalt und ihr Kurs war - für mich jedenfalls - schwer fassbar. Ich habe die Vermutung, dass sie versucht hatte, den bestehenden Kurs beizubehalten und nur Feinkorrekturen vorzunehmen. Bekanntlich ohne Erfolg.

Es gibt noch heute immer wieder Versuche der linkeren und progressiveren Parteimitglieder:innen wieder mehr Einfluss auf die SPD zu bekommen, während die tendenziell „rechteren“ Strömungen eben massgeblich das heutige Bild mitgeprägt haben. Ich sage nur aktive Beihilfe zum Status Quo.

Mit Esken, Kühnert und co. scheinen die Kräfte in der SPD jetzt aktiver und stärker, insbesondere aber lauter wieder nach links-progressiv zu gehen.

Aus meiner Sicht ist die SPD tendenziell etwas nach links gerutscht.

Die Grünen
Die Grünen richtig einzuschätzen ist mir gefühlt unmöglich. Mit den „Hippies“ und Fundamentalisten hat die Partei eigentlich nicht mehr viel gemein. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass die Grünen sich eher offen für progressive gesellschaftliche Entwicklungen darstellen. Ich weiss nicht, ob man wirklich von einem „Linksruck“ bei den Grünen sprechen kann, ich erlebe die Partei nämlich tatsächlich deutlich wirtschaftsnäher und in Teilen Law-and-Order affiner, als auch schon. Ist es möglich, dass die Grünen (wie die CDU) einfach mittlerweile sehr grosse Teile einer gesellschaftlich-politischen Strömung unter sich vereinen? Vielleicht sind sie momentan auch einfach die einzige Partei, die „wirklich“ für Klimaschutz steht. Das ist aber wie gesagt nur mein Gefühl.

Potenziell ist es aber so, dass ich glaube, dass es schwer ist, die Grünen wirklich sauber einzuordnen, weil sie auf Grund der Mitgliederverschiebungen und Neueintritte ggf. einfach an einem ganz anderen Punkt steht.

Programmatisch: Aus meiner Sicht lässt sich das schwer beurteilen, ich schätze die Grünen im Sinne des Rechtsrucks als neutral ein.

FDP
Nach dem in der Lage besprochenen Vorfall 2020 rund um Kemmerich aus meiner Sicht ist es durchaus so, dass die FDP weiter nach rechts/autoritär rutschen und sich Teile mit der AfD verbrüdern würden.

Die Linke
Ja, die Linke. Es ist für mich eine Hassliebe. Es scheint für mich manchmal wie eine Szene aus „Das Leben des Brian“ von Monthy Python…

Im linken Milieu herrscht einfach in gewissen Teilen eine enorme Uneinigkeit über die konkreten Auswirkungen der eigenen Agenda und politischen Strömungen. Irgendwie sind alle anderer Meinung.

Mein Eindruck ist, dass die Linke ernsthafte Probleme mit den teilweise extrem diversen Flügeln in den eigenen Reihen hat. Insbesondere gibt es Strömungen, die durchaus auch kritisch zu sehen sind (beispielsweise unkritische Russland-Freunde). Für mich persönlich ist die (gefühlt) autoritäre Ausrichtung der Linken zunehmend unangenehm, insbesondere weil die irgendwie doch sammelnde Wirkung von Sahra Wagenknecht oder Gregor Gysi (der ja hochgeschätzt wird) ist einfach nicht mehr so vorhanden, wenn man mich fragt.

Die neue Führung ist nicht nach meinem persönlichen Geschmack. Wissler ist - zumindest im hessischen Landtag - als gute Rhetorikerin bekannt, ist aber für viele eher gemässigte Linke gefühlt ein Dorn im Auge, was ja in Teilen auch auf Henning-Wellsow zutrifft. Persönlich frage ich mich, ob die Linke nicht progressiver auftreten sollte.

Umso schöner finde ich die oberste Grafik in meinem Beitrag, die ja doch sehr klar zeigt, wo die Flügel liegen.

Aus meiner Sicht ist die Linke tatsächlich linker geworden (oder wird das, die Zeit der neuen Doppelspitze genügt nicht für ein erkennbares Bild). Eine tolerante, offene und „gemässigte“ Linke fehlt mir persönlich leider jedoch etwas

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Hm, wenn am Ende alle Parteien außer der sog. Linken rechts-autoritär sind, ist die Quelle wohl klar :wink:

Aber mal blöd nachgefragt: was genau bedeuten denn Links und Rechts noch? Gerade diese Achse wird ja heutzutage hinterfragt und in der Analyse der ebert-Stiftung z.B. in zwei Dimensionen zerlegt.

Ich sehe das auch als starke Vereinfachung und empfinde persönlich ebenfalls anders. Warum habe ich ja dargelegt.

Die Achse links und rechts steht in diesem Fall für ein egalitäres bzw. elitäres Weltbild wie in der oberen Grafik ersichtlich. Für die Definition siehe auch - die linke Seite ist im Artikel verlinkt:

Ich lehne dabei links und rechts keineswegs ab, finde es aber schwer Lindner mit Gauland bzw. Wagenknecht und Kühnert zu vergleichen. Der zusätzliche Aspekt ist im Prinzip der der Freiheit und zeigt eben deutlich auf, dass wirklich problematische Positionen einfach zusätzlich durch die Freiheitsorientierung (Y-Achse) entstehen können.

Betreffend der Quelle ist es durchaus so, dass diese Einordnung nicht einfach so von einem „linken Spinner“ gemacht wurde, sondern vom offiziellen politischen Kompass im internationalen Vergleich auf Basis der Wahl von 2017.

https://www.politicalcompass.org/germany2017

In den FAQs der Seite ist auch erklärt wie die Organisation zu diesen Einschätzungen kommt.

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Ich weiß ja nicht, was du mit „früher“ meinst, aber diese Sichtweise ist aus meiner Sicht absolut unhistorisch. Die CDU hat seit ihrer Gründung ehemalige Nazis in ihren Reihen gehabt und sie hat lange vor und lange nach Franz Josef Strauß’ berühmten Diktum, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe immer wieder Politiker (meist Herren) in ihren Reihen nicht nur geduldet, sondern teilweise sogar in erster Linie agieren lassen, deren politische Haltung in puncto Nationalismus, Rassismus, Geschichtsrevisionismus, Misogynie und Homophobie der heutigen AfD in nichts nachsteht.

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Super-interessante Seite. Ich habe zwar auf die Schnelle nicht herausgefunden, was Du mit „offiziell“ meinst, aber ich empfehle spaßeshalber den Fragebogen zur Positionierung in diesem Koordinatensystem.

Ich selber bin dabei als so extrem links-libertär eingestuft worden, dass es einerseits dazu passt, dass ich mich von keiner Partei richtig repräsentiert fühle (obwohl ich es trotzdem schaffe, Mitglied der Grünen zu bleiben). Andererseits (wirtschaftspolitisch) passt es aber gar nicht.

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Genau. S. Hessen-CDU (von der “Stahlhelm-Fraktion” bis Roland Koch)…

Die ehem. SS-Männer bzw. deren Vergangenheit hat man aber versteckt gehalten. Dem gegenüber ist der Maaßen jetzt weder ein Unbekannter, noch einer, der mit seinen Einstellungen hinterm Berg halten würde.

Bezüglich deiner AfD-Vergleiche: Zeiten ändern sich. Die Politik war in den 50ern eine andere als heute. Die Parteien und Personen sind daher auch nicht wirklich vergleichbar mit heute. Mit „früher“ wollte ich auch gar nicht so weit zurückgehen, wie du das jetzt tust. Die CDU zwischen den 00ern und 2015 hätte Maaßen jedenfalls nach meiner Auffassung nicht so toleriert.

Ich spreche von der Organisation die den politischen Kompass betreibt.

Gerade das Thema Wirtschaftspolitik macht ja die Sachen wieder komplexer. Zurecht auch. Für den „normalen“ Alltagswähler ist der Kompass sehr praktisch weil er sehr einfach funktioniert.

In der Schweiz gibt es die „Spinne“, ein etwas komplexeres Konstrukt das aber eben auch nur Teile abbilden kann. Schau mal rein, es ist sehr interessant.

https://politspider.ch/

In der Schweiz haben zahlreiche Politiker ihre „Spider“ publiziert, weshalb Wähler:innen die Positionen der Kandidierenden besser kennen. Streng genommen ist aber auch das nicht komplex genug.

Und genau diese verschiedenen Meinungen und Feinheiten sind in der Praxis das Problem.

Das Problem beim „Political Compass“ ist – zumindest war er das vor etlichen Jahren, als ich mich mal damit beschäftigt hab – dass er sehr US-zentriert konzipiert ist. D.h. die Fragen bilden überwiegend die relevanten Konfliktlinien ab, an denen sich in den Staaten die Gräben zwischen den Lagern auftun. Hier in Deutschland sind aber bspw. gesetzliche Krankenversicherungen eben kein Anzeichen dafür, dass man ein radikaler Kommunist ist, sondern außer ein paar FDPlern finden das die meisten ziemlich normal. Dafür gilt man hierzulande praktisch als Spinner, wenn man befürwortet dass Waffen unregistriert in Supermärkten verkauft werden dürfen, etc.

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