Quellensammlung 2021

Ja, stimmt, da habe ich nicht genau genug gelesen: Die Meta-Studie, über die die SZ berichtet, untersucht, „wie zuverlässig Schnelltests eine Infektion mit Sars-CoV-2 erkennen“.

Die, Frage, ob jemand infiziert ist, ist aber gar nicht die Frage, für die die Schnell- (und auch Selbst-)-Tests eingesetzt werden sollen. Vielmehr geht es um die Frage, ob man in den nächsten Stunden infektiös ist.

Nach meinem Kenntnisstand beantworten die Schnell- und Selbsttests diese Frage mit einer sehr viel höheren Genauigkeit (wenn ich mich recht erinnere: 85-93%).

Damit wären sie sehr wohl gut geeignet, um kurz vor einem Cluster-Event (Schule, Arbeitsplatz, Restaurant, Privattreffen, …) sich zu testen und, falls positiv, darauf zu verzichten (und einen PCR-Test zu machen). Wenn das flächendeckend jeder tun würde, könnten man einen Großteil der flächendeckenden Infektionen verhindern!

Und ja: Die Getesteten müssen wissen, dass das Ergebnis eine Momentaufnahme für die nächsten 6 Stunden sind und keine zuverlässige Aussage darüber treffen, ob sie infiziert sind.

EDIT: falsch war: „Die etwas schlechtere False-Positive-Rate könnte man mit einer 2-fachen Nachtestung abfedern.“ Siehe Antwort von @birgit unten.

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Eine Nachtestung bringt bei einem False-Positive wohl nicht so viel, jedenfalls dann nicht, wenn man einen Test des gleichen Herstellers verwendet. Falsch-positive Ergebnisse haben, wie ich es verstanden habe, mit der Besiedlung von bestimmten Keimen im Nasen-Rachenraum zu tun. Die sind zwar völlig harmlos, können aber das falsche Ergebnis machen. Und das findet sich dann (zumindest beim gleichen Test) auch beim zweiten oder dritten Versuch wieder.

Danke für diesen Hinweis. Wieder was gelernt. Ich habe meinen Beitrag korrigiert

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Wenn das ist, so es stimmt, ernüchternd:

Drosten:

Dass diese Tests nie so genau und gut sind wie die PCR-Tests war meines Wissens nach immer klar. Selbst wenn nur jeder 4. Infizierte gefunden wird, ist das trotzdem ein Infizierter weniger, der das Virus verbreitet. Und diese Tests sind eben ein so geringer Aufwand und quasi keiner Einschränkung, dass es gut ist, dass diese immer verplichtender werden. Man sieht nur, dass 1-2 Tests pro Woche auf Arbeit und in der Schule eben doch zu wenig sind und eigentlich verpflichtet täglich gemacht werden müssten um Ansteckungen durch Menschen mit hoher Mobilität zu verhindern.

Ja, mir war immer klar, dass die den PCR Test unterlegen sind, d.h, eine Infektion nicht sehr gut erkennen. Bislang ging ich aber immer davon ausgegangen, dass sie Infektiösität gut erkennen.

Das Paul Ehrlich Institut nennt als Kriterium für eine Zulassung von Schnelltests:

https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/mindestkriterien-sars-cov-2-antigentests-01-12-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6

Die z.B. vom Hersteller Boson angegebene Sensitivität des Boson Laientest »Rapid SARS-CoV-2 Antigen Test Card, der gerade als erster eine Sonderzulassung vom BfArM erhalten hat, liegt bei 96,77 Prozent und die Spezifität bei 99,2 Prozent.

Die Schnelltests sind gut um sich einen statistischen Überblick zu verschaffen. Dafür werden sie aber aktuell und auch für die Zukunft geplant kaum benutzt, Sondern sie dienen als Zutrittskarte zu lokalen Dienstleistungen (Arbeit, Pflegeheime, Friseur, KIno, Theater, Einzelhandel).

Dagegen spricht auch nichts, Clustererkennung durch regelmäßige Tests ist und bleibt möglich und auch persönlich hat man gute Chancen eine Infektion frühzeitig zu erkennen, wenn man sich regelmäßig testet, bei Symptomen sowieso.
Allerdings macht das die Tests als Freifahrtsschein und Grundlage für Öffnungen einigermaßen unbrauchbar. Sie sind halt ein Instrument der Pandemie-, nicht der Lockdownbekämpfung.

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Worauf ich hinauswollte ist die Diskrepanz:

  • Anforderung des PEI: Sensitivität > 80% (d.h. 8 von 10 Positive werden erkannt), Spezifität > 97% (3 von 100 Negativen werden als Positiv angezeigt)
  • Aussage Drosten: Infektiosität wird nur an 5 von 8 Tagen (63%) erkannt.

Wenn 8 von 10 Infizierten als infiziert erkannt werden, wie kann dann die Infektiosität nur in 63% Tage erkannt werden. Das Erkennen von Infektiosität ist doch „leichter“ als das Erkennen einer Infektion, weil die Viruslast viel höher ist.

Wenn ich es im Podcast richtig verstanden habe erklärt Drosten es damit, dass in den Zulassungen und auch Überprüfungen, wie sie z. B. in seinem Labor gelaufen sind keine Patient:innen an den Tagen -2 bis 0 eingeschlossen sind, was man sich ja auch leicht vorstellen kann. Die Diskrepanz fällt jetzt bei Leuten, die aus verschiedenen Gründen sich regelmäßig schnelltesten und dann auch infizieren auf, z. B. Lehrer:innen.

Ich habe mir den Podcast jetzt auch mal angehört (das Skript ist ja noch nicht da). Ab 00:48:09 geht es um „Diagnostik-Lücke bei Schnelltests“, ab 00:57:32 um „Schnelltests als Screenings trotzdem zuverlässig“.

Nach meinem Empfinden differenziert Herr Drosten nicht klar zwischen „Infektion“ und „infektiös“. Aber letztlich muss man ihn so verstehen: Antigen-Schnelltest bleiben in den ersten 2-3 Tagen der Infektiosität falsch-negativ.

Aber:

  1. Damit findet man im Fall von Screenings (z.B. 2 Tests / Woche in der Schule oder 1 Test / Woche am Arbeitsplatz) immer noch 63% aller ansteckenden Mitarbeiter, aber 27% der Ansteckenden können bis zum nächsten Screenings-Test weiter anstecken!
  2. Negative Schnelltests sind eben doch nicht geeignet, unbefangen, d.h. ohne Maske, ins Restaurant, Theater oder zur Oma zu gehen!

Ein negative Schnelltest würde dann vielmehr sagen:

  • "Ob Du infiziert bist, weiß ich nicht.
  • Ob Du infektiös bist, auch nicht.
  • Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Du jemand anstecken kannst, ist 63% niedriger als Du ohne Test hättest erwarten können".

Und es bedeutet, dass ein negativer Schnelltest im Impfpass (der m.W. vorgesehen ist) ganz anders zu interpretieren ist.

Schnelltests also kein Game-Changer?

Trotzdem sind 2, besser 3 Schnelltests / Woche an Schulen und in Unternehmen sinnvoll und sollten Pflicht werden (die Bundesbremse sieht in Unternehmen nur ein Pflichtangebot von einem Schnelltest pro Woche vor).

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Mir ist auch aufgefallen, dass bei dem Test von Boson in der deutschen Anleitung beschrieben ist, dass man den Tupfer „bis zu 2,5 cm“ in die Nase schieben soll. In der englischen Anleitung heißt es „not less than 2.5 cm“, also nicht weniger als 2,5 cm. Ich frage mich, ob der Test so überhaupt richtige Ergebnisse anzeigt, wenn man sich an die deutsche Anleitung hält.

Die Tests sind eigentlich nicht für Passport-Screenings geeignet. Teilweise liegt die Sensitivität noch unter 50%.
Zudem niesen Schüler oft beim Abstrich im Klassenzimmer.
Kein Wunder, dass in Österreich die Inzidenz trotz Screening weiter stieg.
Und wir kopieren jetzt das nicht erfolgreiche Modell…

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat früh auf die Unzuverlässigkeit der Schnelltests hingewiesen, schon, als es im »Epidemiologischen Bulletin« vom Januar berichtete, dass ein in Deutschland häufig verwendeter Schnelltest nur 39 Prozent der asymptomatisch Infizierten in der Notaufnahme eines Großklinikums erkannt hatte. Oliver Keppler und Kolleginnen der Forschungsgruppe B-Fast verfassen Positionspapiere, Konzepte, mahnende E-Mails. »Es ist nicht so, dass wir aus der Wissenschaft heraus politische Entscheidungsträger über diese Problematik nicht informiert hätten«, sagt Keppler. »Aber irgendwann wollte uns anscheinend niemand mehr zuhören.«

Das heißt, die Politik übt sich weiterhin in Realitästsverleugnung oder magischem Denken oder sie täuscht bewusst und grob fahrlässig die Bevölkerung.

Der Artikel hat übrigens auch bessere Vorschläge wie das Pooling von Proben für PCR-Screenings oder sog. Lamp-Tests (noch nicht zugelassen).

Vielleicht auch hier nochmal eine ganz simple Frage (hoffentlich nicht zu sehr vereinfacht), weil ich die ursprüngliche Aussage von Herr Drosten nicht ganz verstehe
Ich hatte bisher gedacht:

  • Die Schnelltests sind zuverlässig bei hoher Viruslast
  • Personen mit hoher Viruslast sind besonders Infektiös
    Dass die Thresholds „Schnelltest schlägt an“ und „Viruslast ist hoch genug für Infektiösität“ verschieden sein könnten war schon immer klar, aber die Hoffnung war dass aus dieser Kombination zumindest die „schlimmsten Infektionsereignisse“, aka Superspreading, verhindert werden kann.

Ist dann nicht dennoch die Aussage „Infektiösität wird nur an fünf von acht tagen entdeckt“ eine andere als die Aussage „5/8= ca 60% der Infektiösität wird entdeckt“, weil an den Tagen an denen entdeckt wird auch die Infektiösität höher ist als an denen an denen nicht entdeckt wird?
Ich verstehe absolut: Wir lernen dass Schnelltests auch Infektiösität nicht sicher erkennen. Aber vielleicht sind 60% trotzdem zu pessimistisch?

Aus dem Transkript der aktuellen Folge, Seite 10/11. Im Prinzip: Präsymptomatisch scheiden lebende Zellen lebende Viren aus → hohe Infektiösität, aber der Abstrichtupfer nimmt das relevante Material nicht mit. Symptombeginn durch Zelluntergang → freiliegende Virusbestandteile, Test positiv. Bisher sind das Erfahrungsberichte und Modellvorstellungen, aber erfahrungsgemäß ist er ja recht vorsichtig mit dem, was er so spekulierend sagt.

Man kann da mechanistisch ein Modell liefern. Es ist nur im Moment relativ schwierig, das schon durch Studiendaten zu untermauern. Es ist ganz schwer, die Patienten so zu selektieren, dass man diesen Frühverlauf der Infektion schon richtig in Studien systematisch erfassen kann. Denn wer lässt sich zufällig an Tag minus Eins testen mit beiden Tests? Wann kommt das mal vor? Das ist das Problem. Selbst wenn das vorkommt: Wer von denen macht dann in einer Studie mit? Wer weiß, dass es überhaupt eine Studie gibt? Darum gibt es diese Daten noch nicht. Die werden in den nächsten Wochen bis Monaten natürlich zusammenkommen, weil jetzt diese blinden Testprogramme ausgerollt werden. Und weil im Frühverlauf immer mehr Patienten auffallen werden. Im Moment ist es so, ich kann das nur aus meiner beruflichen Praxis, aus meiner Handhabung und aus Gesprächen mit Kollegen, die noch viel mehr im Laborleben stehen als ich selbst, ableiten, die mir das immer mehr erzählen, dass es diese Konstellation gibt. Es besteht speziell bei den Antigentesten eine Lücke in der Frühphase der Sensitivität. Wir können uns das natürlich vorstellen, wie das mechanistisch funktioniert. Das Virus repliziert in der Schleimhaut. Diese Schleimhautzellen, die leben, und das Virus repliziert da drin und wird ausgeschieden von diesen lebenden Schleimhautzellen. Irgendwann sterben die Schleimhautzellen. Dann sind diese toten Schleimhautzellen voller Nukleokapsid-Antigen von dem Virus. Und dieses Nukleokapsid-Antigen, das liegt in diesen jetzt gestorbenen Schleimhautzellen im Überschuss vor. Wenn wir einen Abstrich machen, dann landen diese an der Oberfläche befindlichen toten Zellen voller Virus-Antigen an dem Abstrichtupfer vom Antigentest und werden dort getestet. Und das ist es, worauf wir eigentlich testen. Wir testen auf tote Zellen mit einem Überschuss von rumliegendem Virus-Antigen. Während schon zwei, drei Tage vorher die noch lebenden, frisch infizierten Zellen massenweise lebendes Virus rauspumpen, infektiöses Virus. Das passiert einfach vorher. In dieser Phase wird also das Antigen, das eigentlich ein Bauprotein des Virus darstellt, auch in frisch infektiöse Viruspartikel verbaut und bleibt nicht in den Schleimhautzellen liegen. In dieser Frühphase schmeißen wir das als Virus raus. In der späteren Phase bleibt das als Überschuss, als Bauschutt im Prinzip, in diesen abgeschilferten toten Zellen liegen. Und darauf testen wir im Antigentest, so kann man sich das erklären. Das ist alles vollkommen schlüssig.

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Dankeschön, Jan.

Hm, hier hört vermutlich einfach meine Vorstellungskraft / mein Verständnis davon was für Schleimhautbestandteile man mit einem Tupfer aus einer Nase rausbekommt dermassen auf, dass ich das einfach mal so glauben werde :wink:

Schade, dass sogar in der Lage oberflächlich auf das Projekt in Tübingen geschaut wird.
Laut SWR vom 15.4. liegt die Inszidenz in der Stadt Tübingen bei 81. Da kann man mit Sicherheit nicht davon sprechen, dass die Inszidenz „durch die Decke geht“.
Wenn man dabei betrachtet, wie sich die Inszidenz im Kreis Tübingen entwickelt sind die Maßnahmen in Tübingen Stadt ein riesen Erfolg.
Wir müssen mal wieder lernen in Alternativen zu denken und raus aus Merkels Alternativlosigkeit kommen.
Auch wenn die Schnelltests keine 100%igen Ergebnisse liefern, sind Sie besser, als sie nicht anzuwenden und helfen infektiöse Menschen zu entdecken, die normalerweise nicht getestet würden. Alleine diese Entdeckungen reduzieren die Infektionsrate neben natürlich den anderen Maßnahmen der Kontaktbeschränkungen und Maske tragen.
Wenn wir überall genauso frühzeitig wie in Tübingen auf Schnelltests gesetzt hätten, wären uns viele Toten erspart geblieben.

Hallo Hasenkoettel, ich habe das in dem Podcast etwas anders verstanden:

Drosten meinte, dass Schnelltests erst nach ein paar Tagen anspringen, weil erst dann infizierte Körperzellen absterben und Virusbausteine ausschütten. Diese Bausteine sind letzten Endes das was der Schnelltest detektiert. Vor diesem Zelltod können Testpersonen auch schon eine sehr hohe Viruslast haben, aber diese wird unter Umständen nicht zuverlässig detektiert, da hier die Bausteine, die der Schnelltest detektiert im Virus verbaut sind und nicht einzeln vorliegen. Das würde bedeuten, dass in den ersten Tagen einer Infektion die Viruslast und die Positivrate in den Tests nicht unbedingt korreliert sind.

Und noch ein allgemeiner Kommentar zu dem Thema:

Fairer Weise muss man hier natürlich auch sagen, dass sich Drosten in diesem Fall nicht auf Studien beruft, sondern auf Diskussionen in Fachkreisen und eigene Erfahrungswerte. Daher macht es jetzt vermutlich keinen Sinn hier zu versuchen an dies Überlegungen konkrete Zahlen zu hängen, ich denke da müssen wir auf weitere Studien warten, die sicher kommen werden. Ich will damit natürlich nicht sagen, dass das was im Podcast diskutiert wurde sich als Falsch herausstellen wird sondern vermutlich nur präzisiert werden wird.

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Hallo, das folgende passt wahrscheinlich zu Mietpreisen in Städten aber auch allgemeiner und vielleicht ist es für diese oder jenen interessant.
Eine Besprechung des Buchs „Progress and property“ von Henry George (aus dem 19. Jahrhundert).

Darin wird vorgeschlagen eine „Land-Value-Tax“ (LVT) einzuführen, die möglichst alle „Grundrente“ dem Landeigentümer wegnimmt, damit es nur noch dann profitabel ist, Land zu haben, wenn man etwas damit tun möchte (also etwa Bodenspekulation verhindern). Wenn ich es richtig verstehe, ist das anders als die Grundsteuer in Deutschland, denn die (korrigiert mich, wenn ich mich täusche) berechnet sich aus dem ganzen Wert des Grundstücks, die LVT soll aber Verbesserungen am Grundstück (Häuser, Wasseranschluss…) nicht besteuern.

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