Was mich ein bisschen wundert, ist, dass die Forderung von Putin, Importeure aus „unfreundlichen Staaten“ mögen doch bitte Gasimporte nun in Rubel bezahlen, irgendwie in den Medien nur unter „ferner liefen“ diskutiert wird - bestenfalls werfen sich einige Kommentatoren drauf, die schon lange den Import beenden wollen, und fordern, man solle sich nun erst recht sofort zu Importboykotten durchringen, aber viel Gehaltvolleres hab ich leider kaum finden können. Selbst hier im Lage-Forum hab ich noch keinen Thread dazu gefunden. Dabei ist sowoh die Forderung als auch alles, was sich daraus potenziell ergeben kann, meiner Einschätzung nach enorm folgenschwer und wird derzeit sehr unterschätzt.
Warum Putin das fordert ist ja recht durchsichtig: er will den Pfad, den das Geld nimmt, bis es den Rubelkurs stützt, abkürzen. Normalerweise müsste Gazprom die Einnahmen in Rubel tauschen; wenn westliche Importeure ihm diesen Schritt aber abnehmen, dann kommt die Nachfrage nach Rubel schneller im Markt an, und wenn es geschickt läuft, kann Putin es so drehen, dass die westlichen Importeure besonders schlechte Umtauschkurse bekommen, nämlich dann, wenn außer der russischen Zentralbank niemand genug Rubel-Liquidität aufbringen kann, um die enormen Summen, um die es geht, zu wechseln - ein Szenario, das ich angesichts des weltweiten Rückzugs des Westens aus Russland für nicht unwahrscheinlich halte.
Aber nun zu den Folgen: wie inzwischen bekannt ist, stellt Putins Forderung einen Versuch dar, die Lieferverträge einseitig zu verändern, denn die schreiben die Währungen fest. Das ist ein heikles Manöver, denn nur, wenn die westlichen Staaten aus Angst vor einem Exportstopp auf die Änderung eingehen, hat er wirklich etwas gewonnen. Bzw. ein bisschen was gewinnt Putin auch, wenn sie den Versuch als Anlass nehmen sollten, die Importe ganz einzustellen, denn dann könnte er immerhin noch genüsslich dabei zusehen, wie sich die Importeure erhebliche wirtschaftliche Schäden selbst zufügen.
Aber glücklicherweise war der Westen offenbar nicht dumm genug, in die Falle zu tappen. Man scheint sich darauf geeinigt zu haben, Putin einfach das Mantra, das er ständig in Bezug auf Gas- und Ölexporte gen Westen ruft - „Wir halten uns fein säuberlich an alle unsere Lieferverträge“ - zurückzuspiegeln und geht nicht auf die Forderung ein, mit Hinweis darauf, dass die Verträge sind, wie sie sind, und man gedenkt, diese ebenfalls in allen Punkten einzuhalten.
Das bringt Putin jetzt in eine Zwickmühle: er muss nun entweder zähneknirschend Euro und Dollar nehmen (mit denen er sich dann dank Sanktionen nicht besonders viel kaufen kann, was ihm derzeit im Krieg weiterhilft; er kann effektiv nur den Rubel damit stützen, und selbst das ist relativ aufwendig, weswegen er das Ganze ja gerne abkürzen würde) und sieht dann wie ein Schwächling aus, der sich nicht durchsetzen kann. Oder er zieht durch und muss dann zwingend die Exporte kappen. Womöglich ist das auch die ganze Zeit der Plan gewesen, das irgendwann sowieso zu tun - wenn dem so wäre, ist es umso besser, jetzt nicht auf die Rubel-Erpressung reinzufallen, denn ein Erpresser hört grundsätzlich nie auf, wenn er Erfolg hat, sondern nutzt das Druckmittel einfach nur, um einen noch höheren nächsten Preis zu erpressen. Jedenfalls hätte das dann natürlich ernste wirtschaftliche Folgen für Europa auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber würde es wohl Putins Möglichkeiten, sein Gas dann anderweitig zu verkaufen, auch deutlich einschränken bzw. erschweren. Denn er wäre dann derjenige, der klar vertragsbrüchig geworden ist - und während es ja durchaus den ein oder anderen Käufer geben mag, dem es egal ist, wenn der Handelspartner völkerrechtliche Verträge mit Füßen tritt (jedenfalls so lange er selbst nicht das Opfer ist), dürfte es kaum einen potenziellen Käufer geben, der begeistert davon ist, wenn sein Handelspartner auch wirtschaftliche Verträge nach Lust und Laune einseitig ändert oder auflöst. Wenn’s um’s Geld geht, ist Verlässlichkeit gefragt.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, wie diese Geschichte um die Rubelzahlungen weitergeht, und befürchte, dass sich da etwas sehr brisantes „unter dem Radar“ zusammenbraut, nämlich möglicherweise ein recht plötzlich aufgezwungenes Gas-Embargo - oder alternativ, und vielleicht sogar parallel dazu, ein weiterer enormer strategischer Fehler seitens Russland bzw. Putin. Wie seht ihr das?