Proportionales EU-Parlament

Moin!

Ihr sagt, dass es entweder ein riesiges Parlament geben müsste oder halt wie jetzt ein nicht proportionales Parlament, bei der ich als Deutscher nicht angemessen repräsentiert bin.

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit, nämlich europäische Listen und ggf. Parteien. Statt deutsche Grüne ins europäische Parlament zu schicken, wäre es meiner Meinung sowieso Zeit, dass wir weniger nationalistisch denken und eben europäische Parteien bekommen.

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Das wäre letztlich ein Schritt, der irgendwann kommen würde - aber es wäre eben auch ein Schritt in Richtung „Vereinigte Staaten von Europa“ - und da gibt es leider noch sehr viele Länder, die nicht in diese Richtung wollen…

Es geht letztlich doch mehr um eine allgemeine Frage, die wir ja auch aus Deutschland kennen:
Sollen in einem Bundesstaat (wie Deutschland oder die USA) oder einem Staatenbund (wie Europa) die Interessen der kleinen Länder ein gewisses Gewicht haben - oder, weil sie eben so wenig Bevölkerung haben, irrelevant sein.

Wenn die kleinen Länder ein gewisses Gewicht haben sollen, wird das immer dazu führen, dass die kleinen Länder einen gewissen Bonus bekommen. Das ist bei uns bei der Bundestagswahl so, das ist in den USA bei den Wahlmännern so und das ist im Europaparlament ebenso. Denn andernfalls hätte NRW schlicht 26,5 Mal so viele Stimmen wie Bremen im Bundesrat (statt „nur“ doppelt so viele, wie es aktuell der Stand ist) und Deutschland hätte 166 Mal so viele Abgeordnete wie Malta (statt „nur“ 16 Mal so viele, wie es aktuell der Stand ist).

Die kleinen Länder haben trotz ihres „Bonus“ schon nur sehr begrenzte Macht im Vergleich zu Deutschland, Frankreich oder Italien, würde man ihnen diesen Bonus wegnehmen wären sie wirklich bedeutungslos, dann hätten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zusammen immer die absolute Mehrheit der Abgeordneten hinter sich und könnten - noch stärker als ohnehin schon - jeden Kurs bestimmen.

Diese Problematik würde auch auf EU-Wahllisten durchschlagen - denn die einzelnen Länder würden natürlich darauf beharren, dass die Wahllisten entsprechend ihrer Größe aufgestellt werden. Welche Aussicht hätte ein Kandidat aus Malta, auf einen aussichtsreichen Platz in einer EU-weiten Wahlliste zu kommen?

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Auf jeden Fall werden damit die Interessen eines einzelnen Maltesers damit höher gerichtet als die einer Niederländerin, eines Franzosen oder einer Deutschen. Ein sehr schwieriges Unterfangen, das gerecht zu gestalten.

Man kann auch einem deutschen Abgeordneten mehr Stimmen geben… Wer sagt denn, dass die alle ein Büro/Schreibtisch/5 Leute haben müssen.

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Vermutlich sagen das 26 andere EU-Staaten… ^^

Wir müssen uns wirklich bewusst sein, dass solche Dinge auf der EU-Ebene zu massiven Verteilungskämpfen führen würden. Es besteht aktuell ein (vermutlich schmerzhaft ausgehandelter) Konsens und wenn der aufgekündigt wird kann es viele, viele Jahre dauern, bis man sich auf einen neuen Konsens einigen kann. Sowas sind sogar die Dinge, an denen die EU zerbrechen könnte (zum Brexit kam es letztlich auch genau wegen solcher Verteilungskämpfe, weil die Briten (mMn ziemlich unverschämt) mehr gefordert haben, als der Rest der EU bereit war ihnen zu geben)

Das ergibt doch keinen Sinn. Bei der Bundestagswahl wählen wir nicht den Bundesrat, den wählen wir nämlich gar nicht direkt (und auf europäischer Ebene ist er deshalb eher vergleichbar mit dem Europäischen Rat, wo alle Länder gleichberechtigt sind).

Im Bundestag hat Bremen 5 Abgeordnete und NRW 155, also 21 Mal so viele. Darüber habe ich noch keine Beschwerden gehört.

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Damit Malta in einem proportionalen EU-Parlament 5 Abgeordnete bekommt, müsste dieses etwa 4500 Mitglieder haben. Wäre also fast doppelt so groß wie der Chinesische Volkskongress.

Mit 4500 Mitgliedern wäre kein Parlament arbeitsfähig. Die Idee ist ja gerade, dass ich (und viele andere) einen Vertreter ins Parlament schicke, der in unserem Namen Politik macht und Entscheidungen fällt.

Deswegen ja der Vorschlag mit unterschiedlichen Stimmgewichten der hier auch schon aufkam. Ein Abgeordneter aus Deutschland vertritt demnach ungefähr 800.000 Menschen und sollte bei Abstimmungen dementschprechend viele Stimmen haben. Ein Abgeordneter aus Malta hätte dementsprechend weniger Stimmgewicht auf seiner Seite.

In den USA sieht man, was durch eine Tyranny of the Minority passiert. Mit Ausnahme der Wahl von 2004 haben die Republikaner seit Jahrzehnten keine Mehrheit im popular vote. Durch Tricksereien, um Wahlbezirke geschickt zuzuschneiden, und ausnutzen von Loopholes wie filibustering, schaffen sie es aber immer wieder den Wählerwillen zunichte zumachen.

Damit hätte ein einzelner deutscher Abgeordneter mehr Gewicht als alle maltesischen Abgeordneten zusammengenommen. Damit würde das Parlament für die kleineren EU-Mitglieder uninteressant.

Das ist jetzt zwar kein besonders guter Vergleich, aber: Im Legislativ-Yuan, dem Parlament Taiwans, sind 6 der 113 Sitze für die indigenen Völker der Insel reserviert, die heute wenig mehr als 2% der Einwohner ausmachen. D.h. Taiwan gesteht seinen indigenen Wählern fast das dreifache Stimmgewicht gegenüber dem Rest der Bevölkerung zu. Die ursprünglichen Pläne sahen sogar 20 indigene Sitze vor (womit jedes der 16 anerkannten Völker durch einen eigenen Abgeordneten hätte vertreten sein können). Es gibt also durchaus weitere Parlamente, die die Stimmen unterrepräsentierter Menschen höher gewichten, wenn sie dies für wichtig erachten.

Ich würde den Bundesrat eher mit dem Rat der Europäischen Union, nicht dem Europäischen Rat vergleichen (ich weiß, die sind unnötig verwirrend benannt und den Europarat, der nichts direkt mit der EU zu tun hat, gibt’s auch noch). Denn es kommen nicht die „Regierungschefs“ (MPs) zusammen, sondern von der Regierung gesandte Vertreter:innen (im Rat idR Minister:innen oder von ihnen benannte Fachleute). Und ähnlich wie die Ministerpräsident:innenkonferenz in D hatte der Europäische Rat ursprünglich keine offiziellen, verfassungsmäßigen Kompetenzen (wurde aber - anders als die MPK - mittlerweile konstitutionalisiert).

Letztlich trifft es aber trotzdem den Punkt: Die Interessen der Mitgliedstaaten werden eigentlich schon durch den Rat gewahrt, ohne den sowieso in der EU nichts geht, sodass dies allein meines Erachtens kein sehr überzeugendes Argument ist.
Trotzdem kann ich es irgendwie verstehen, dass bei der absoluten Anzahl an Parlamentarier:innen ein gewisser Ausgleich gewünscht ist, damit die Interessen und Perspektiven von - auf die EU bezogen - nationalen Minderheiten nicht völlig unter den Tisch fallen. Eventuell ließe sich das mittelfristig auch durch parlamentarische Sondergremien für bestimmte Fragen (mit anderer Verteilung des Stimmrechts oder der Zahl der Abgeordneten) oder Verfahrensregelungen (Anhörungsrechte o.ä.) adressieren.
Langfristig müsste die immer noch vorrangig nationalistische Organisation von Politik überwunden werden, um die weitestgehende Gleichheit der Wahl zu erreichen. Dafür müsste ein:e Malteser:in davon ausgehen können, dass ein:e Deutsche:r im Zweifel, d.h. auch wenn es wirklich brennt, keinen Unterschied zwischen ihm:ihr und einer:m Deutschen macht. Und höchstwahrscheinlich bräuchte es eine strenge Subsidiarität, um lokale/regionale Fragen sachnah regeln zu können, sowie regionale Selbstbestimmungsrechte ähnlich dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht.

Am Ende könnte ich mir auch vorstellen, dass die regionale Repräsentanz sich ein Stück weit auch selbst innerhalb der Parteien regeln würde. Schließlich schadet es in Wahlkampf, wenn eine Partei in einem Land gar keinen Listenplatz aus diesem Land vorweisen kann. Da ist der Vorteil, ein:e Malteser:in mit aufzunehmen, wahrscheinlich höher, als wenn die:der fünfzigste Deutsche auch noch auf die Liste kommt.