Plant Israel die Deportation der Palästinenser des Gazastreifens?

Mit dem Machtwechsel im weißen Haus scheint Israel nun mehr oder weniger freie Hand im Bezug auf den Krieg gegen die Hamas zu haben. Vor ein paar Tagen hat Netanjahu bereits eine neue Phase des Krieges im Gazastreifen angekündigt (Quelle). Verteidigungsminister Katz spricht sogar davon, große Gebiete im Gazastreifen zu besetzen:

Offiziell soll es nur um neue Sicherheitszonen gehen. Doch wie verlässlich ist das, nachdem in der Vergangenheit wiederholt israelische Minister, die immer noch Teil der Regierung sind, die Besetzung des Gazastreifen gefordert haben und sogar US-Präsident Trump im Februar eine Übernahme, wenn auch durch die USA, ins Gespräch brachte?

Zuletzt wurde nun auch noch bekannt, dass der israelische Geheimdienst Mossad Gespräche geführt hat, um Länder zu finden, die bereit wären, eine große Anzahl Palästinenser aufzunehmen:

Englische Original-Quelle:
Scoop: Israeli Mossad asks African countries to take Palestinians from Gaza - axios.com

Israel könnte also wirklich Willens sein, den kompletten Gazastreifen nicht nur zu besetzen, sondern dessen Bevölkerung notfalls regelrecht zu deportieren. Was das bedeuten würde, kann man sich nur schwer vorstellen. Aber so eine gewaltsame Umsiedlung dürfte wohl ziemlich sicher viele weitere tote palästinensische Zivilisten mit sich bringen.

Den Berichten nach, waren dabei zunächst Länder wie den Süd-Sudan oder Somalia im Gespräch. Es steht außerdem noch zu befürchten, dass die Palästinensern in ihrer erzwungenen, neuen „Heimat„ alles andere als willkommen wären. Das könnte weitere gewaltsame Konflikte nach sich ziehen. Von der wirtschaftlichen Perspektive und der rechtlichen Stellung mal ganz zu schweigen.

Ja, der Nahost-Konflikt ist furchtbare Tragödie, auch für das israelische Volk und ein Ende ist kaum in Sicht. Aber auch Israel trägt eine nicht unerhebliche Mitschuld an dem Konflikt. Eine solche Vertreibung, als vermeintlich einfache Lösung, wäre also auch moralisch nicht zu rechtfertigen, von dessen Völkerrechtswidrigkeit mal ganz abgesehen.

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Nicht nur das. Es könnte der Auftakt für eine Eiszeit in der Region werden. Die Regierungen Ägyptens, Jordaniens und Libanons sind eigentlich israelfreundlich und stehen dafür bereits unter starkem Druck ihrer Bevölkerungen. Käme es zu einer erneuten Nakba befürchte ich, dass diese Regierungen ihre aktuelle Haltung nicht weiter durchhalten könnten.

Netanjahu muss eine Card Blanche von Trump bekommen haben. Anders ist dieser Kurs nicht zu verstehen. Für die noch regeltreuen Teile der westlichen Welt ist das hingegen ein völliges Desaster. China und Russland werden uns dieses Beispiel noch Jahrzehnte um die Ohren hauen.

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Ein wenig off-topic aus Interesse: Weiß jemand wie der Geschichtsunterricht in Israel abläuft? Denn man könnte ja meinen, dass dort ein Fokus auf den Schaden von Volksvertreibungen, -Umsiedlungen und Heimatlosigkeit gesetzt wird. Ich kriege den ganzen Wahnsinn einfach nicht mehr in meinen Kopf. Ist das amerikanisierung? Haben die einen Pakt, sich abwechselnd in Übernahme- und Unterwerfungsszenarien zu überbieten, damit man nicht mehr weiß, wen man zuerst zur Besinnung bringen muss? Ist das multilateral flood the zone with shit? Was ist das?

Das ist das Ergebnis von jahrzehntelangem Krieg. Da ist es nicht schwer in dem anderen den Bösen zu sehen, er bietet genug Grund dafür und um den zu sehen braucht man nur vor die Haustür gehen. Wir reden uns aus einer Welt in der Kriege es höchstens mal ins Fernsehen schaffen sehr leicht und abstrakt.
Und darum sind Friedensverhandlungen auch eine ganz andere Nummer. Auf beiden Seiten hat jeder Verwandte und Freunde die in diesem Krieg gestorben sind und darum geht es nicht nur um ein Ende des Krieges, sondern auch darum, sich freiwillig vom Gedanken zur Rache zu verabschieden und zu akzeptieren mit dem persönlichen Schmerz zu leben, der aus persönlicher Sicht natürlich ungleich größer ist als alles was der Feind ertragen musste.

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Ja, einmal mehr hat es auch wieder der Westen versäumt, einen klaren Friedensplan zu entwickeln und diesen robust gegenüber Netanjahu UND der Hamas/dem palästinensischen Volk zu vertreten. Die Folge davon ist, dass die Hamas immer noch in Gaza bestimmt und Netanjahu macht, was er will, also das, was für ihn am Besten ist! Nach diesem Muster handeln gerade zunehmend die Autokraten, weil sich rumspricht, dass man damit durchkommt. Europa wird entweder jetzt eine einheitliche Außenpoltitik entwickeln und diese konsequent vertreten oder gar nicht! Ich befürchte: gar nicht!

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Auch Macron hat heute wohl noch einmal vor einem solchen Schritt gewarnt:

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An dieser Stelle sollte sich Deutschland hervortun und den Menschen aus Gaza ein Migrationsangebot stellen. Anders ist der Konflikt wohl nicht zu lösen und die Kapazitäten in Deutschland sollten ob der sinkenden Migrationszahlen vorhanden sein.

Drei Probleme dabei:

  1. Es ist politisch vor allem im aktuellen Klima nicht vermittelbar.
  2. Es wäre eine massive Unterstützung des Völkerrechtsbrechers, bei einer groß angelegten Vertreibung dadurch zu helfen, die Vertriebenen aufzunehmen.
  3. Der wichtigste Punkt: Die Leute wollen nicht gehen. Und wenn man sie zwingt, also wirklich deportiert, werden die Migranten-Gruppen ein massiver Nährboden für Terrorismus sein und die Anschläge auf jüdisches Leben werden massiv zunehmen.

Versetz dich mal in die Lage eines deportierten Palästinensers in Deutschland… schwer, sich vorzustellen, dass der Krieg gegen Israel (und leider auch alle Juden, weil in dieser Situation leider kaum differenziert werden dürfte) dann nicht von und auf Deutschem Boden weitergeführt wird. Das wiederum wird die AfD stärken und die Akzeptanz für Migration, vor allem aus muslimischen Ländern, nachhaltig schädigen. Ich sehe bei diesem Szenario ernsthaft die Gefahr eines „vierten Reiches“.

Also nein, das ist keine Lösung. Deutschland muss dafür kämpfen, dass Israel seine Annexions- und Vertreibungspläne aufgibt, im Zweifel auch mit drakonischen Sanktionen und vollständiger politischer Isolation.

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Wie kommst du zu diesem Ergebnis, der ganz klar gegen internationales Recht verstößt. Warum sollte Deutschland bzw. die EU nicht viel eher mit allem politischen und wirtschaftlichen Gewicht dafür kämpfen Israel wieder auf den Pfad internationalen Rechts zurückzubringen? Würde eine Vertreibung der Palästinenser aus Gaza nicht als Blaupause für die Vertreibung aus der Westbank dienen?

Der Nahost-Konflikt ist kein Naturgesetz. Er kann gelöst werden wenn Extreme beider Seiten nachhaltig zum Teufel geschickt werden. Ich denke das geht langfristig nur durch eine temporäre wohlwollende Verwaltung der umstrittenen Gebiete durch eine faire, internationale Allianz.

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Das haben fast alle Flüchtlinge so an sich. Keiner flieht aus Jux und Tollerei, sondern weil push Faktoren wie Krieg und wirtschaftlich desaströse Zustände ihn dazu zwingen.

Dieses Argument hätte ich eher aus der rechten Ecke erwartet. Hättest du ähnliche Argumente auch zugelassen, wenn es um syrische Flüchtlinge geht? Hat ja schließlich nur Assad geholfen, wenn man ihm feindlich gesonnene Oppositionelle aufnimmt …
Diese Menschen aus politischem Kalkül und als Garant für ein weiter Schwelen des Konflikts ihrer Not zu überlassen, empfinde ich als falsch.

Auch dieses Argument kennt man zur Genüge. Bloß keine Muslime aufnehmen, könnten ja Terroristen darunter sein, die für den islamischen Staat kämpfen. Ja es gab Anschläge, aber bitte nicht alle Menschen (darunter Frauen und Kinder) als mögliche Terroristen brandmarken.
Ich verstehe deine Angst vor der AfD, aber es hilft doch nicht, im voraus eilendem Gehorsam alle Menschlichkeit aufzugeben und deren Forderungen zu übernehmen.

Du mischst hier zwei Dinge durcheinander:
Ich sage nicht, dass man Menschen, die freiwillig aus Gaza nach Deutschland fliehen, nicht Asyl gewähren sollte. Das ist aber etwas ganz anderes als eine gezielte Deportation / Vertreibung durch Israel zu unterstützen.

Wenn Assad die Menschen gezielt hätte vertreiben wollen und Deutschland ernsthaft überlegt hätte, als befreundeter Staat dort zu kooperieren, ja. Aber das war nicht die Situation. Es sind völlig verschiedene Situationen.

Israel dabei zu unterstützen, diese Menschen aus politischem Kalkül und völlig völkerrechtswidrig zu vertreiben wäre aber in Ordnung?!?

Also ich würde dein Argument exakt umdrehen: Mit keinem anderen Staat als mit Israel würde man hier überhaupt über eine „Kooperation“ im Sinne von „Ihr deportiert, wir nehmen auf“ nachdenken. Mit keinem einzigen. Bei jedem anderen Staat würde man so eine Deportation mit den schärften Sanktionen beantworten.

Also mal ernsthaft, deine Interpretation ist hier wirklich völlig daneben.
Wir haben kein Problem damit, wenn vor Assad fliehende Menschen in Deutschland eine Diaspora gründen und planen, wie sie den Fall Assads unterstützen und danach Syrien wieder aufbauen können. Im Gegenteil, das haben wir sogar ein Stück weit unterstützt. Eben weil wir uns einig waren, dass Assad der Feind ist und die vor Assad fliehenden im Recht sind, Widerstand gegen das Assad-Regime aufzubauen.

Wenn wir aber Israel gezielt unterstützen, indem wir die Deportation der Menschen im Gaza-Streifen überhaupt erst möglich machen, wollen wir dieses Szenario aber gerade nicht haben.

Deine Vergleiche zu Syrien und Co. zeigen exakt, wo hier der maßgebliche Unterschied, das maßgebliche Problem liegt. Diesen Unterschied nicht anzuerkennen und zu versuchen, Kritik an diesem Vorschlag in die rechte Ecke zu schieben, finde ich ausgesprochen fragwürdig.

Nochmal:
Asyl für Menschen, die vor unseren Feinden fliehen: Jederzeit!
Eine Übernahme von Menschen, die von unseren Freunden deportiert werden: Never ever!

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Ich finde ja eher, dass Deutschland all jenen Israelis ein Migrationsangebot machen sollte, die im Zuge einer möglichen Zwei-Staaten-Lösung nach Europa wollen würden. Das wäre mal ein völkerrechtlich sauberer Vorschlag.

Vielleicht hat es, um mal eine Gegentheorie aufzumachen, den politischen Gegnern von Assad auch geholfen, zu wissen, dass es andere Länder gibt, in die sie notfalls fliehen können. Und eventuell (These von mir) konnten sie von solchen Ländern (wie Deutschland) aus sogar Widerstand gegen ihn organisieren oder für politischen Beistand werben (von 2015):
Klingelschild aus Tesafilm: Syrische Opposition eröffnet Vertretung in Berlin - FOCUS online

Die israelische NGO Breaking the Silence hat mehrere „Zeugenaussagen“ von IDF Soldaten aus dem Krieg gesammelt und online gestellt.

Der Guardian fasst die heftigsten Aussagen zusammen und man kann darin sehr deutlich erkennen was Israel mit dem Gazastreifen plant.

Mehrere Soldaten berichten von gezielten, undifferenzierten Erschießungen von Palästinensern. Die IDF habe eine für die Zivilisten unsichtbare Grenze definiert. Alle männlichen Ziele, die diese Linie zur Pufferzone (die kürzlich noch einmal stark ausgeweitet wurde) übertreten, werden als Terroristen angesehen und sollen ohne Warnung erschossen werden. Frauen und Kinder hätten es besser. Die sollen durch Panzerbeschuss nur „vertrieben“ werden.

Ein Soldat verweist darauf, dass die Palästinenser im zerstörten nördlichen Gazastreifen dennoch auf der Suche nach Essen immer wieder kommen. Resignierend fasst er zusammen, dass man den Wunsch der israelischen Bevölkerung ausführe, die der Ansicht sei es gäbe keine Unschuldigen Menschen (aka Zivilisten) in Gaza.

Andere Soldaten verweisen darauf, dass man innerhalb der Pufferzone alles zerstöre. Ein Soldat beschreibt, jeder Trupp bekäme pro Tag 5-7 Gebäude zugewiesen, die sie inklusive Inhalt zu zerstören hätten. Er könne sich nicht vorstellen, dass das erlaubt oder für den Auftrag gerechtfertigt sei. Ein anderer erklärt, die Pufferzone wirke wie Hiroshima. Amnesty International spricht vom Kriegsverbrechen kollektiver Bestrafung.

Letztlich wird ein Offizier besonders eindrücklich zitiert. Ich verzichte bewusst auf die Übersetzung.

"A lot of us went there, I went there, because they killed us and now we’re going to kill them,” they said. “And I found out that we’re not only killing them – we’re killing them, we’re killing their wives, their children, their cats, their dogs. We’re destroying their houses and pissing on their graves.”

Das ist eine Politik der verbrannten Erde. Hier soll das Leben im Gazastreifen offensichtlich nachhaltig unmöglich gemacht werden, so dass die Palästinenser freiwillig ausreisen. Genau zu diesem Zweck hat Israel kürzlich angekündigt eine eigene Behörde einzurichten.

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Die israelische Armee bestätigt im Grunde auch indirekt selbst, dass sie bzw. ihre Soldaten im Gazastreifen Verbrechen begehen, da die Soldaten explizit gewarnt werden, keine Videos von Einsätzen in den sozialen Medien zu verbreiten:

Amassing troops’ own clips from Gaza, anti-Israel activists are keeping heat on soldiers
Databases exposing soldiers are being compiled using networks to ensure they can’t be squelched as alleged evidence for war crimes charges. Is Israel doing enough to protect its veterans? - The times of israel

edit:
Im Kontext einer möglichen Vertreibung, muss man diese Meldung hier, leider schon als kleinen Dammbruch interpretieren:

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