bei der letzten Bundestagswahl (BTW) wurde dafür plädiert, taktisch zu wählen und darauf zu verzichten, die Stimme einer Kleinpartei zu geben. Dies wurde auch schon hitzig in diesem Beitrag diskutiert. Da nun wieder eine BTW ansteht, würde ich gerne ein ergänzendes Plädoyer dafür halten, dass auf diese Antiwerbung verzichtet wird. Zur Transparenz: Ich bin einfaches Mitglied der Partei Volt und werde die Argumentation in einen parteiübergreifenden und einen parteispezifischen Teil untergliedern. Dieser Beitrag motiviert sich rein aus meiner persönlichen Kombination aus LdN-Fan und Kleinpartei-Mitglied und ist nicht von Volt-Gremien beauftragt oder mit diesen abgestimmt.
Parteiübergreifende Argumente
Die Wahl ist zentrale Akt einer Demokratie, bei der das Volk die Möglichkeit bekommt, die eigenen Werte und Zukunftsvisionen mit den Programmen der Parteien abzugleichen und durch das Kreuz diese Werte in den Bundestag zu tragen. Taktisches Wählen verzerrt das Meinungsbild des Volkes und damit auch die Debatten und Inhalte in der nächsten Legislaturperiode.
Mit der Entscheidung taktisch zu wählen, legt man sich automatisch fest, dass sich an der (nicht-populistischen) Parteienlandschaft im Bundestag nichts ändert. Eine nicht-populistische Partei in den Bundestag zu bringen ist ein Marathon. Es erfordert viel Arbeit und viele mutige Wähler, die bereit sind, auch Kleinparteien das Vertrauen auszusprechen. Wir leben in sehr herausfordernden Zeiten, die progressive, neue Ideen erfordern. Ich behaupte, dass der nötige Reformwille von etablierten Parteien geringer ist, als diese Erneuerung durch eine Kleinpartei in den Bundestag zu bringen.
In der LdN wird häufig über die Politik- und Demokratieverdrossenheit der Menschen gesprochen. Gerade in (demokratischen) Kleinparteien sind viele junge und motivierte Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen und ehrenamtlich sehr viel Zeit investieren, um positive Visionen von Deutschlands Zukunft zu skizzieren. Und das alles vor dem Hintergrund, dass man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an der 5%-Hürde scheitert. Eine Kleinpartei-Antiwerbung in einem Podcast mit Ihrer Reichweite ist ein Schlag ins Gesicht für jeden dieser Menschen, die so viel Einsatz für die Demokratie zeigen.
Je größer der Balken mit den „Sonstigen“ Parteien, desto lauter wird die Debatte um das Modell einer Ersatzstimme oder eines Präferenzwahlsystems, was zwar mehr Aufwand bedeutet, die Demokratie jedoch stärken würde.
Am Beispiel der Piraten hat man gesehen, dass eine Kleinpartei mit ihren Inhalten auch die Debatten im Bundestag mitbestimmen kann, ohne dass die Partei selbst in den Bundestag eingezogen ist.
Parteispezifische (Volt) Argumente
Die Antiwerbung gegen Kleinparteien würde natürlich auch Volt treffen. Die LdN schließt die Themenblöcke zumeist mit konstruktiven Vorschlägen zur Verbesserung der jeweiligen Problemstellung ab. Aus meiner Sicht gibt es eine sehr große Schnittmenge aus den Vorschlägen und Sichtweisen der LdN und der Partei Volt, welche sich auch im Wahlprogramm (WP) wiederfinden. Ein paar Beispiele würde ich hier gerne anführen, die in Zukunftsvisionen und Finanzierung unterteilt sind. Aufgrund der Zeichenbegrenzung in dem Forum sind die Argumente als Kommentar (bitte ab hier Kommentar lesen) eingebunden. Ich entschuldige mich für die Länge, wollte jedoch nicht kürzen, da dies die Größe der Schnittmenge unterstreicht.
Abschließende Worte:
Ich verbinde diesen Beitrag mit der Hoffnung, dass Menschen auch Kleinparteien eine Stimme geben, wenn diese mit ihren Inhalten überzeugen. Vielleicht dürfen die Inhalte ja sogar in Form eines Interviews mit Maral Koohestanian oder Damian Böselager Einzug in die LdN erhalten, wie in diesem Beitrag bereits von der LdN zur Kenntnis genommen wurde.
Klimaneutralität, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden [WP, S. 48] Grundsätzliche Einstellung auch der LdN
Verwaltung: Bürokratieabbau, indem Anträge bei nicht fristgerechter Bearbeitung als genehmigt gelten
Demokratie stärken: Whistleblower-Schutzprogramm im Bereich von Korruption, Polizei und Justiz [WP, S. 18] LdN 261: Whistleblowing bei Facebook
Digitalisierung: Sehr hohe Priorität durch Einrichtung eines Digitalministeriums
Digitale Aufsicht derzeit auf 80 Behörden verteilt; Volt will Bündelung auf 3 klar strukturierte Bereiche: Cybersicherheit, Marktüberwachung, Datenschutz [WP, S. 25]
Konsolidierung von Verwaltungssoftware und IT-Systemen; Festlegung von bundeseinheitlichen Standards [WP, S. 29] LdN: Digitalisierung der deutschen Verwaltung
Innere Sicherheit: effektiver Eu-Außengrenzschutz, Bewegungsfreiheit in der EU [WP, S. 32] LdN398: Grenzkontrollen in Frankfurt/Oder
Umgang mit China: demokratische Werte aktiv fördern und Abhängigkeiten verringern; gleiche Wettbewerbsbedingungen für chinesische Unternehmen; Erweiterung der Gesprächskanäle [WP, S. 43f] LdN 308: Abhängigkeit von China
Ukraine: Ukraine muss gewinnen. Mit der Ukraine entwickelte Militärstrategie inkl. erforderlicher Waffen und uneingeschränkte Nutzung [WP, S. 45] LdN 401: Frieden für die Ukraine, LdN Kritik: SPD bennent den Sieg der Ukraine nicht klar.
Migration: Migration als Gewinn für Fachkräftemangel. Zuwandernde erhalten von ersten Tag an eine Arbeitserlaubnis [WP, S. 51] u.a. LdN353: Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete
Wirtschaft: Staat als Risikokapitalgeber zur Stärkung der Hebelwirkung aus der Kombination von öffentlichen und privaten Geld [WP, S.54] LdN387: Rudi Bachmann - Stichwort Forward fiscal guidance
Klimaschutz: Sehr hohe Priorität (172 Treffer in WP)
Klimageld fließt zu 33% an Menschen zurück (Vorbild Österreich) u.a LdN345: Klimageld wird wohl nicht kommen; aber mit 100% Vorschlag der LdN?
vollständige Abschaffung klimaschädlicher Subventionen [WP, S. 62] LdN410: Frage an Olaf Scholz
Keine Förderung von H2-ready Heizungen, da Betrieb mit Wasserstoff unrealistisch [WP, S.68] LdN325: Gebäudeenergiegesetz
Mindestlohn: Erhöhung des Mindestlohns - Dynamisch auf 60% des Medianbrutto (aktuell 14,61 Euro). Dies erspart Diskussionen und politisches Kapital [WP, S. 89] LdN bei "Alles gesagt?": Abstand zu Bürgergeld
Bildung: schrittweise Auflösung des Föderalismus in der Bildung [WP, S. 104] LdN bei "Alles gesagt?": Föderalismus muss an die heutigen Gegebenheiten angepasst werden.
Diskriminierungsfreie Gesellschaft: unabhängige Kontrollstellen für Polizei, Verwaltung und Justiz [WP, S. 143] LdN123: Rechtsradikale Polizisten
Finanzierung
Schuldenbremse: Zukunftsorientierte Nettoinvestitionen in Bildung, Klimaschutz, Digitalisierung und Infrastruktur sind von der Schuldenbremse ausgenommen. Rat aus Fachleuten stellt sicher, dass es sich wirklich um Zukunftsinvestitionen handelt. [WP, S. 22f] LdN Buch: Infrastruktur und Bildung; viele LdN-Folgen
Erbrecht: Zehnjahresfrist entfällt, Verschonungsregeln werden abgeschafft; Höhere Freibeträge für Familienmitglieder und Familienheime [WP S. 100] LdN392: Niedrige politische Unterstützung für Erbschaftssteuer
Vermögenssteuer: Vermögenssteuer für Superreiche (Freibeträge in mehreren Millionen Höhe) [WP, S. 101] LdN155: Vermögenssteuer
Zuckersteuer: Einführung einer gesundheitspolitisch motivierten Zuckersteuer [WP, S. 131]
Wirtschaftlicher Aufschwung mit Steuermehreinnahmen durch Digitalisierung, bürokratiearme Standards z.B. beim Datenschutz, Innovations- und Start-Up Förderung sowie Investitionen in die Infrastruktur
Ich gebe zu, dass ich selbst nicht genau weiß, ob bzw. welche Finanzierungslücke durch das Volt Wahlprogramm entsteht, aber ich fände es sehr spannend eine Einschätzung eines entsprechenden Instituts zu hören.
Ich habe die Spitzenkandidatin von Volt bei Jung und Naiv gesehen. Tilo bringt sie ganz schön ins Schwimmen. Liegt das an mangelnder Erfahrung im Umgang mit Medien bei den kleinen Parteien oder vielleicht doch n den Leerstellen im Programm?
Was mir wirklich aufgestoßen ist und mich mehr an Musk&Co erinnert als an eine soziale liberale Demokratie:
Grundeinkommen für alle unter Streichung der anderen Sozialleistungen und gleichzeitig weder Mietpreisbremse noch Mietendeckel. Was macht dann ein Bürgergeldempfänger, wenn die Mieten hoch sind/steigen und er kein Wohngeld mehr bekommt?
ein Expertenteam soll echten Einfluss auf den Haushalt haben. Großes Fragezeichen. Sehr großes.
Das ist doch das Konzept vom bedingungslosen Grundeinkommen. Der Bürger bekommt genug, um davon leben und an der Gesellschaft teilhaben zu können. Dafür wird Rente, Arbeitslosenversicherung, Bürgergeld etc. abgeschafft.
Ich finde, sie schwamm schon im Interview mit der LdN. Das liegt sicherlich an mangelnder Erfahrung (wie bringe ich im Interview meinen Punkt schnell auf den Punkt?), aber wohl auch daran, dass sie in vielen Punkte nicht „im Detail“ ist.
Viele Ideen finde ich gut. Nicht umsonst landet bei mir im Wahl-o-Mat und Ähnlichen Volt immer kurz hinter den GRÜNEN.
Aber es sind Ideen, keine zu Ende gedachten Konzepte (auch dort Ähnlichkeit zu den Grünen, siehe Vorstoß zu Sozialversicherungsbeiträge auf Kapitaleinkommen).
Aber ich traue dieser Spitzenkandidatin weder zu, erfolgreich eine Partei und eine Bundestagsfraktion zu führen, noch ihre Punkte im Parlament, geschweige denn in der Regierungs-, Ministerial- und Verwaltungsbürokratie durchzusetzen.