Pauschale Kritik an den Polizeien

Was wäre, wenn ja?
Würde das für dich etwas an der Tatsache ändern, dass es problematisch ist, friedliche und zum Teil minderjährige Demonstrierende über Nacht einzukesseln?

Weil die Polizei eine organisierte Macht ist, die für Demos deeskalierende Strategien hat/haben sollte. Die Demonstrierenden sind zwar auch in gewisser Weise organisiert, aber weniger in der Form, dass der eine für den anderen verantwortlich ist. Wenn die Polizei kesselt, ist das eine aktive Entscheidung der Polizeiführung. Wenn es einen vermummten Block gibt, ist das imho nicht genauso die Verantwortung anderer Demonstrierenden.
Und selbst wenn, Demonstrierende können andere Demonstrierende ja nicht zwingen, die Vermummung abzulegen.

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Nein, ich bin kein Polizist. Ich kenne ein paar Polizistinnen und Polizisten. Ich glaube allerdings nicht, dass das für meine Haltung relevant ist. Ich bringe dem Land ein gewisses Grundvertrauen entgegen. Und natürlich sehe auch ich Dinge kritisch.
Was mir auch in dieser Diskussion auffällt, dass es unglaublich viel Empathie für die Menschen / das Individuum gibt, die mit „der“ Polizei zu tun haben und schlechte Erfahrungen machen, und die Polizei wird auf den Staat, die Behörde reduziert. Polizistinnen und Polizisten setzen nicht nur Recht und Gesetz durch, sie sind auch Bürger und Menschen. Und ich weiß, dass auch Menschen in dieser Funktion nicht alles gut und richtig finden. Aber gerade auch in einer Demokratie und Rechtsstaat müssen Sie, solange eine Tätigkeit nicht offensichtlich Illegal ist, erst einmal ihren Dienst versehen.

Das ist in etwa so aussagekräftig, wie wenn ich sage, dass meine Freunde, egal welcher Gruppe, keine Probleme haben oder zumindest noch nie das Bedürfnis hatten darüber zu reden. Und nein, mein Freundeskreis gehört nicht ausschließlich zu einem privilegierten Personenkreis.

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Aber dieses Grundvertrauen ist genau das Problem, viele Bevölkerungengruppen haben zurecht dieses Grundvertrauen nicht. Deswegen rät der zentralrat der juden davon ab in der öffentlichkeit eine Kippa zu tragen, deswegen haben viele jüdische Communities einen privaten Sicherheitsdienst. Denn wie Halle gezeigt hat ist eine Holztür im Zweifel alles was dich vor einem Anschlag schützt. Und dass ist „nur“ der funktionale Aspekt für viele Gruppen kann die Polizei auch eine aktive Gefahr sein, wenn man an die Fälle von Jalloh und John denkt. Dieses Grundvertrauen ist ein Luxus den viele Bevölkerungsgruppen in Deutschland einfach nicht haben.

Deine perspektive scheint vor allem empfunden zu sein, was etwas problematisch ist wenn du anderen die subjetivität ihrer Empfindungen vorwirfst. Das zeigt dein Fokus auf Empathie gegenüber Polizisten als Individuuen/Menschen. Denn während hier im Forum das zwar sicherlich niemand negieren würde sind halt die Polizisten nicht einfach nur Individuen sondern das personfizierte Machtmonopol des Staates. Deswegen sind auch die anführungszeichen extrem unpassend. Die Polizei ist eine feste Organisation, struktur, Institution mit einer Funktion, Legitimation und damit verbundenen Machtfülle. Sobald man die privilegien dieser Struktur genießt kann man sich nicht mehr so einfach auf die individuelle Ebene zurückziehen, da die individuelle Ebene keine Legitimation für diese Privilegien bereitstellt sondern die strukturelle Ebene. Im gleichen Sinne wie jeder „Einzellfall“ welcher der normativen Legitimation der Organisation zu widerläuft die Rolle der Institution in Frage stellt, muss auch das Individuum das Teil dieser Instution ist sich rechtfertigen für jeden Einzellfall, weil es sein Privileg der Gewaltanwendung eben aus der normativen Grundlage der Organisation bezieht.

Hinzu kommt, dass die Polizei in ihrem Aufbau, man denke an den Corpsgeist, wesentlich entmenlichender bzw einem die individuelle agency extrem stark entzieht. Eben das beschreiben auch viele Polizeianwärter die abgebrochen haben.

Der Begriff Land ist hier viel zu diffus, meinst du den Staat, die Bevölkerung, Das Rechtssystem etc etc. das sind alles unterschiedliche bezugspunkte.

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? Als ob dieser Ratschlag aufgrund der Polizei gemacht wird. In keinem Staat der Welt gibt es absolute Sicherheit vor Verbrechen, auch nicht in einem Polizeistaat, von dem Deutschland ganz weit entfernt ist.
Außerdem dürfte die Vorstellung, dass der Hauptteil der Bevölkerung außerhalb von Geschwindigkeitskontrollen und Volksfesten einen regelmäßigen direkten Kontakt zur Polizei hätte, doch eher übertrieben sein.

In einem Job, in dem viele Mitglieder potentiell ihr Leben bzw. ihre Gesundheit riskieren, ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl, dass über das eines Teams in einer Werbeagentur hinausgeht, hilfreich. Wie alles hat auch das seine negativen Seiten, ich sehe in einem „Corpsgeist“ aber auch viel positives.

Deine Beschreibungen der Kategorien sind viel zu allgemein und verdecken damit die spezifische problematik des jeweiligen Sachverhalts.

Bei meinem Vergleich gehts nicht um allgemeine Kriminalität sondern um Hasskriminalität gegen Bevölkerungsgruppen und wie die Polizei Menschen davor schützt. Ich verstehe nicht was der Nutzen davon sein soll beides in einen Topf zu verwerfen. Zu mal du mit deiner verallgemeinerung auch implizierst es wäre nicht nur normal eine baseline an Hasskriminalität gegen Bevölkerungsgruppen zu haben sondern man könne auch wenig dagegen machen. Inbesondere bezogen auf mein Beispiel wäre die jetzige Verbreitung von Antisemitismus in Deutschland so eine Baseline. Was ich bestenfalls als beachtlich unbedacht finde für ne Aussage in einem Deutschenforum.
Auch scheinst du mich missverstanden zu haben. Der Rat und die Sicherheitsdienste werden wegen des in Deutschland verbreiteten Antisemitismus gemacht. Aber die Polizei hätte die Aufgabe die jüdischen Communities davor zu schützen. Dem werden sie offensichtlich nicht gerecht. Inbesondere im Fall von Halle hat die Polizei trotz spezifischer Protokolle zum Schutz von Synagogen es nicht geschafft am höchsten jüdischen Feiertag in einer Synagoge auch nur die basalste form der Sicherheit zu schaffen. Versagen ist hier eigentlich noch ein euphemismus.

Den Satz zum Polizeikontakt verstehe ich nicht. Ich habe nichts derartiges gesagt.

Corpsgeist ist aber nicht einfach ein zusammengehörigkeitsgefühl, wie eine Nachbarschaft oder ein Verein. Corpsgeist ist eine spezifisch militarisierte Form repressiv hierarschischer vergemeinschaftung in der die notwendige Abhängigkeit zum Selbstschutz die Leute spezifisch diszipliniert. Was eben auch dazu führt dass gewisses Gedankengut gestärkt und Kritik unterdrückt wird. Die daraus resultierende Verrohung kannste dann in den jeweiligen Whatsappgruppen lesen.

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Der in Deutschland existierende Antisemitismus speist sich mittlerweile aus unterschiedlichen Quellen. Halle war die Tat eines Neonazis, aber die Diskussion um das Tragen der Kippa war eine Reaktion auf antisemitische Angriffe arabischer Migranten auf Männer in Berlin. Da frage ich mich einerseits schon, wo du im zweiten Fall die Verantwortung auf Seiten der Polizei siehst und andererseits was der Hinweis auf das hiesige „Deutschenforum“ soll.

Das ist richtig.

„Von Korpsgeist spricht man nach heutiger Definition, wenn eine emotionale Gemeinschaft innerhalb einer objektiv abgrenzbaren Gesellschaftsgruppe entsteht, die nach außen hin einheitlich auftritt und untereinander solidarisch handelt und dadurch persönliche Bindungen über das rein gesellschaftliche Maß hinaus fördert.“ (Aus dem Wiki Artikel)

Die Polizei hat für mich zumindest in Teilen mehr mit der Bundeswehr als mit ziviler Verwaltung gemein, Stichwort Gewaltmonopol. Angesichts der zunehmenden gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich auch die Polizei gegenüber sieht, halte ich so ereasz nicht per se für negativ. Die Bewertung hängt wohl aber vor allem an der allgemeinen Einstellung zu Polizei bzw. zu der Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die er neben den Bürgern schützen soll.

Da du dich nur noch auf das eine Beispiel beziehst nehme ich an dass du meinem Einwand zu Halle und den Sicherheitsdiensten zustimmst ? Denn wenn die Polize in solchen begrentzten Situationen die Sicherheit nicht gewährleisten kann dann wird die Betroffenengruppe daraus schließen dass in Situationen wo der unmittelbare schutz noch schwieriger ist durchzusetzten sich nicht auf die Polizei verlassen. Gleichzeitig ist das mangelnde Vertrauen dieser Gruppen eben auch ein Problem das von Seiten der Polizei behandelt werden muss.

Der Verweis auf das deutsche Forum kommt daher dass du die Frage vom Schutz von Juden durch den deutschen Staat so wegwischt. Was aus dem deutschen Staats- und Selbstverständnis befremdlich wirkt.

Ich frage mich ehrlich gesagt was „objektiv abgrenzbar“ heißen soll, wahrscheinlich so was wie organisiert oder instutionalisiert trotzdem eine seltsame wortwahl. Wie dem auch sei die Definition kann man auch auf einen Kleingartenverein oder ein Dorf beziehen. Das Macht die definition aber ziemlich unbrauchbar weil man sie fast für alles anwenden kann. Und auch wenn ich bei manchen kleingartenvereinen das Gefühl habe mich in einem Polizeistaat zu befinden würde ich jetzt nicht von Korpsgeist sprechen. Gerade auch weil die Bindungen abgegrenzt werden von der Gesellschaft und nicht der Gemeinschaft, wovon die Gruppe mit Corpsgeist eine spezifische subgruppe wäre. In dem Sinne wüsste ich gerade nicht wie ich die dynamiken einer „normalen“ Gemeinschaft im vergleich zu einer Gesellschaft abgrenzten würde von einer Gemeinschaft mit Corpsgeist.
Btw weiter oben steht auch eine gemeinschaft meist aus Männern besteht, ich frage mich was das wohl heißen soll :wink:

„Nicht per se negativ“ ist halt solange man nicht klar die ambiguität darstellt eine reine affirmation und unterschlägt die negativen Aspekte.
Es ist nicht nur die struktur die mehr mit der Bundeswehr gemein hat sondern dass sich die Polizei dem auch immer mehr annähert. Ich glaube auch die Polizei hätte nicht so viele „Herausforderungen“, wenn sie bissle reformfähiger wäre. In dem sinne könnte man fasst meinen der Korpsgeist ist zum Teil eine „Lösung“ zu problemen, welche er selbst schafft.
Den Ideologieverweis, auch wenn allgemein formuliert, finde ich hier ziemlich fehl am platz. Ich hab die Polizei vor allem aus ihrer eigenlogik heraus kritisert und auch der Rest des Threads weist vor allem auf Probleme die keinerlei derartige ideologische Einordnung benötigen sondern sich aus den normativen Prämissen des Staates ergeben. Zu mal gerade im Bezug auf den Korpsgeist findet sich die Kritik in zahlreichen poltischen Lagern insbesondere auch von liberaler Seite. Die Verteidigung kommt vor allem von konservativer Seite.

btw interessante pronomenwahl für die Polizei :slight_smile:

Ja, dass für eine Synagoge nicht wenigstens an einem hohen jüdischen Feiertag ein polizeilicher Schutz existierte, habe ich damals auch nicht verstanden. Zudem soll der Umgang von den nach der Tat eingesetzten Polizisten gegenübern den Opfern bzw. Angehörigen gelinde gesagt nicht gerade glücklich gewesen sein. Da gab es viele kritikwürdige Punkte.

Gewisse Teile der Polizei wie SEK oder GSG9, die im Nachgang eines der größten Desaster der deutschen Polizei (München 1972) gegründet wurde, müssen eher wie Militär funktionieren. Die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft samt gewaltbereiten Rechts- und Linksextremisten, religiösem Extremismus sowie der organisierten Kriminalität kann man aus meiner Sicht nicht mit Streifenpolizisten begegnen.

Jaein. Das Kesseln friedlicher Demonstranten wäre damit nicht in Ordnung. Wenn nun aber Demonstranten der Aufforderung, sich von Vermummten oder Steinewerfern zu separieren, nicht folge leisten und damit die Durchsetzung der Demovorschriften erschweren, dann unterstützen sie damit zumindest die weniger friedlichen. Und hier gilt mit gehangen, mit gefangen. Richtig friedlich finde ich diesen indirekten Support dann nicht. Mein Mitleid hält sich stark in Grenzen.

Das sehe ich anders. Wenn wir (zurecht) an Corona-Maßnahmenkritiker den Anspruch hatten, sie sollten rechts denkende Menschen in ihren Reihen nicht tolerieren und teils sogar darüber Anliegen diffamiert haben, dann sollte es nicht zuviel verlangt sein, auch gegen Gewaltbereite in den eigenen Reihen vorzugehen.

Als erstes können sie sich ja von Vermummten separieren. Der Veranstalter könnte auch klar machen, dass er Vermummung nicht duldet und per interner Orga-Teams das auch durchsetzen. Oder er könnte nach Eskalationen in den Medien auch die eigene Seite kritisieren und auf die eigene Verantwortung der Gekesselten hinweisen.

Ja aber da fängt man sich auch schnell mal sowas ein wie das MEK Sachsen… ich spreche aber auhc nicht von spezialeinheiten sondern von der allgemeinen militarisierung der Polizei bspw in Ausrüstung. Ich mein auch wenn es immer mal wieder versucht wird zu untergraben gibt es eigentlich den Grundsatz dass die Bundeswehr nicht imm inneren agieren darf. Wenn man allerdings die polizei aufrüstet untergräbt man das prinzip da kann man sich auch gleich eine Gendamerie anschaffen.

Ich wäre etwas vorsichtig damit vermummte ,gewaltbereit und rechts gleichzusetzten. Gerade Vermummung dient auch dem selbstschutz vor der Verfolgung von rechten Gruppen oder etwaigen Problemen mit dem Staat weil man bspw in Dresden gegen Nazi demos am 13 Februar demonstriert hat, man denke an den Thüringer Ministerpräsidenten. Nicht jeder vermummt sich um Straftaten zu begehen.

Mal ganz davon abgesehen das die unmittelbare gewalt bei rechten Demos schnell für beistehende bzw die ganze Stadt gefährlich werden kann. marodierende Linke erzeugen zwar Sachschaden und prügeln sich mit der Polizei gehen aber nicht auf Menschenjagd.

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Du meinst weil die rechten am Demorand stehen könnten und Fotos machen? In Antifakreisen wird das regelmäßig gemacht und die Fotos samt persönlicher Daten online geteilt (kenne ich noch aus der eigenen Zeit). Trotzdem ist Vermummung auf rechten Demos eher ein Randproblem.

Das mag schon eher ziehen. Wenn man von einem repressiven Staat ausgeht, dann fühlt man sich natürlich angreifbar.

Allerdings gibt es da einen Fehlschluss. Denn die Vermummung wird ja meist erst lange nach Demostart aufgesetzt. Nämlich dann, wenn es langsam hitziger wird. Der aufrechte und besorgte Demoteilnehmer kann sich an dieser Stelle bereits vom kritischen Bereich entfernen oder sogar die Demonstration verlassen. Warum sollte er dann verfolgt werden?

Für mich wirkt dein Argument wie eine Nebelkerze.

Da gebe ich dir absolut Recht, ich bin auch gegen das Vermummungsverbot. Ich fand es damals witzig, als ich auf dem Maidan in Kiew war und die Gedächtnistafeln zum Euromaidan gelesen habe, dass nach der dortigen Schilderung die Einführung eines Vermummungsverbotes der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wir sehen das Vermummungsverbot in Deutschland tatsächlich wesentlich zu „selbstverständlich“. Das hat nebenbei viel damit zu tun, wie viel Vertrauen man dem Staat entgegen bringt.

Dennoch müssen wir, wenn wir das Verhalten der Polizei bewerten, die aktuelle gesetzliche Lage zu Grunde legen - und nach der ist das Vermummen auf Demonstrationen nun einmal in allen Bundesländern außer Schleswig-Holstein sogar strafrechtlich (dh. nicht nur ordnungsrechtlich) verboten. Das bedeutet auch wieder, dass die Polizei theoretisch sogar verpflichtet ist, gegen jeden einzelnen Vermummten vorzugehen. Das ist ein Grund mehr, warum ich zumindest fordere, das Vermummungsverbot „nur“ ordnungsrechtlich festzuschreiben, wenn es schon unbedingt weiter bestehen muss, wie es z.B. das VersG Schleswig-Holstein macht.

Reich rechtlich kann eine Versammlung tatsächlich schon deshalb als Unfriedlich definiert werden, wenn aus der Versammlung heraus Straftaten begangen werden (=Verstöße gegen das Vermummungsverbot) und die anderen Demonstrationsteilnehmer die Straftäter schützen (=sich nicht von Vermummten entfernen). Ab welchem Ausmaß hier eine Einkesselung oder Auflösung legitim ist wird hingegen stark unterschiedlich gesehen.

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Als eine Person die längere Zeit in Dresden gewohnt hat find ich das extrem gruselig da laufen desöfteren neben rechten mit Handys und gaffenden bürgern auch rechte „journalisten“ mit großen Kameras rum. Da kann man bei den Omas gegen rechts bei der kleinsten und friedlichsten Demo stehen und trotzdem landet das eigene Gesicht dann sonst wo. Aber ich finde es auch sehr befremdlich dass hier Corona nicht zu einer entsprechenden anpassung geführt hat. Ich will bei der nächsten Welle, übereifrigen Pyro freunden oder Polizisten die ihr Tränengas loswerden wollen schon ganz gern eine FFP2 Masken ohne direkt in die Vermmungsproblematik zu geraten.

Man könnte auch zumindest die Durchsetzung stark einschränken. Gibt diverse Beispiele wo die Vermummungsregelung dazu genutzt wurde es von Seiten der Polizei zu eskalieren. Was heißt hier eigentlich „sich entfernen“?

@pitus Ne ich meinte auch eher vermummung bei linken Demos. Das mit der späteren Vermummung stimmt zwar, allerdings hängt dass sehr stark davon ab bei welcher Demo man sich wo aufhält. Bei Gegendemos machen das schon auch Leute.

Das ist exakt das Problem mit dem Status Quo. Da aktuell Verstöße gegen das Vermummungsverbot Straftaten sind, hat die Polizei nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, dagegen vorzugehen. Das macht es der Polizei natürlich extrem leicht, über diese Regelung zu eskalieren, wie es wohl auch bei der Tag-X-Demo geschehen ist. Letztlich kann man der Polizei nicht vorwerfen, ihre Pflicht zu erfüllen - im Gegenteil, Konservative könnten der Polizei, juristisch völlig korrekt, sogar vorwerfen, wenn sie die Situation nicht eskaliert, also trotz Verstößen gegen das Vermummungsverbot untätig bleiben.

Genau deshalb ist es so wichtig, dem Vorbild von Schleswig-Holstein zu folgen und das Vermummungsverbot zumindest zur Ordnungswidrigkeit herabstufen. Denn dann gibt es keine Pflicht für die Polizei, einzuschreiten, sondern sie kann zumindest - juristisch ganz korrekt - von der Verfolgung absehen. Noch besser wäre es, Vermummungen generell nicht zu verbieten, das stärkste Argument gegen ein Vermummungsverbot ist dabei, dass die weit überwiegende Zahl aller Staaten kein Vermummungsverbot kennt und ein Vermummungsverbot generell ein Kennzeichen eines autoritären Staates ist. Sämtliche Argumentationen für das Vermummungsverbot müssen sich daher die Frage stellen lassen: Warum soll es gerade in Deutschland (+Österreich, Schweiz, Italien) nötig sein, Vermummungen zu verbieten, während all die negativen Konsequenzen der Aufhebung eines Vermummungsverbotes, welche Konservative an die Wand malen, offensichtlich weltweit nicht eintreten. Ich würde bezweifeln, dass ausgerechnet das deutsche Volk besonders zu Volksaufständen tendieren würde, sodass hier autoritärere Mittel nötig seien…

So gesehen:
Ja, das Vermummungsverbot ist generell ein Schandfleck unserer Demokratie und dient vor allem der Polizei als Eingriffsgrundlage. Und das ist nicht gut.

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@Hufschmied, @Daniel_K,

wie verträgt sich euer Plädoyer gegen das Vermummungsverbot eigentlich mit der Kennzeichnungspflicht von Polizisten?

Sind wir doch mal ganz ehrlich, Anonymität in großen Gruppen begünstigt bei einem Teil beider Seiten, problematisches Verhalten. Ich hätte kein Problem damit das Vermummungsverbot, genauso wie die Kennzeichnungspflicht, fallen zu lassen, wenn der übergroße aufrechte Teil beider(!) Seiten Arsch in der Hose und den Idioten in ihren Reihen den Vogel zeigen würde.

Solange sich die Aufrechten aber wegducken, sehe ich solche Wünsche jedoch äußerst kritisch. Es geht hier schließlich nicht um Lapalien, sondern die Anonymität wird beidseitig (von den wenigen Idioten) für Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit missbraucht.

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Gibt es irgendeine rechtliche perspektive auf deinen ersten satz die ich nicht kenne oder ist es nur die Gleichsetzung?

Denn was die Gleichsetzung angeht ergibt sie überhaupt keinen Sinn. Demonstrierende und Polizisten sind keine sinnvollen Perspektive die selbe Gruppe. Natürlich setzt man an die Polizei ein feste professionalisierte und bewaffnete Gruppe einen höheren Standard an als an eine Gruppe von beliebigen Leuten die in einigen Fällen nicht mal alle das Ziel der Demo teilen und deren Bewaffnung je nach Polizeilaune irgendwo von Klobürste und steine reicht.
Zu mal auch wenn ich das oben schon lang und breit ausgeführt habe. Die Gewaltanwendung der Polizei bedarf immer Rechtfertigung und Kontrolle. Polizisten die über ihre legitimierte Funktion hinaus gewalt anwenden oder eskalieren sind keine Chaoten sondern entziehen der ganzen Institution ihre Legitimation. Daher beist sich beides überhaupt nicht.
Zu mal der Einwand gerade eh seltsam ist denn die Polizei hat keine Kennzeichnungspflicht und Vermummung ist verboten.

Die Kennzeichnungspflicht ist auch nicht nur für Demos.

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Ich habe immer argumentiert, dass gerade der konservative Widerstand gegen die Kennzeichnungspflicht in krassem Kontrast zur Befürwortung des Vermummungsverbotes steht. Eine Kennzeichnungspflicht der Polizei wird mit dem Argument des „Generalverdachts“ abgelehnt, aber gleichzeitig wird ein Generalverdacht gegen alle Demonstrierenden, die vielleicht einfach keine Lust haben, auf Anti-Antifa-Seiten zu landen, ausgesprochen. Das passt einfach nicht zusammen.

Da sind wir uns wohl einig, das Problem ist allerdings, dass wir wohl realistisch genug sind, zu verstehen, dass der Mensch nun einmal Mensch ist und entsprechend menschlich handelt. Das wiederum bedeutet, dass der Polizist seinen „Kameraden“ im Zweifel ebenso schützt wie der friedliche Demonstrant seinen radikaleren „Mitstreiter in der Sache“.

Im Idealfall würden Gewalttaten auf beiden Seiten stets aufgeklärt und von anderen Gruppenmitgliedern nicht toleriert, bei der Abwägung muss aber berücksichtigt werden, dass die Polizei hier für den Staat auftritt und deshalb noch deutlich stärker Rechenschaftspflichtig ist als der Demonstrant. Die Fragen sind doch letztlich:

  1. Ist eine Kennzeichnungspflicht notwendig, um effektiv Rechtsschutz gegen staatliches Unrecht zu bekommen? Ich denke die Erfahrung zeigt hier deutlich: Ja. Erst seitdem es dank Smartphones ständig Videos zu solchen Vorfällen gibt, gibt es überhaupt eine Chance, hier Gerechtigkeit zu bekommen. Der Modus Operandi der Polizei ist aber weiterhin, bei jeder Anzeige gegen Beamte zu aller erst Gegenanzeige wegen Widerstandsdelikten zu erstatten, für die sich natürlich immer Zeugen unter den Beamten finden. Das ist leider eine traurige Realität.

  2. Ist ein Vermummungsverbot notwendig, um effektiv schwere Straftaten auf Demonstrationen zu ahnden? Hier würde ich wie gesagt aufführen, dass das in allen anderen Staaten auch ohne Vermummungsverbot zu funktionieren scheint. Gerade mit moderner Technologie sollte es eigentlich problemlos möglich sein, ausgemachte Straftäter zu „taggen“ und später zu ergreifen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass es legitime Gründe gibt, warum im deutschsprachigen Raum ein Vermummungsverbot notwendig sein soll, während nahezu der ganze Rest der Welt ohne auskommt.

Daher:
Idealerweise müsste es umgekehrt sein: Die Polizei ist als rechenschaftspflichtige Staatsgewalt zu einer gewissen Transparenz verpflichtet, der Demonstrierende hingegen hat mMn das Recht, auch Anonym zu demonstrieren, da dies gerade dort, wo es um die Rechtstaatlichkeit schlecht bestellt ist, ein effektives Demonstrieren überhaupt erst ermöglicht. (und in Deutschland zu Zeiten des Radikalenerlasses ja auch schon kritisch war).

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Dürfen die Demonstrierende auch, da die Teilnahme nicht daran gebunden ist, dass man sich vorher ausweist. Aber es ist schon befremdlich, wenn die Anonymität über das normale Maß in der Öffentlichkeit hinaus geht.

Aber das was man in den Nachrichten sieht, wenn es Widerstand gegen die Polizei, Randale/Sachbeschädigung gibt, dann scheint es mir doch primär von vermummten Personen zu erfolgen. Da liegt die Verhinderung der Strafverfolgung schon näher.

Und letztendlich reden wir hier doch von einer radikalen Minderheit bei der die Eskalation billigend oder gar vorsätzlich in Kauf genommen wird.

Das erweckt bei mir den Eindruck, dass wir in unterschiedlichen Ländern oder Wirklichkeiten leben. Ich habe keine verlässliche Zahl über die Anzahl der Versammlungen pro Jahr in Deutschland gefunden. Für 2021 habe ich eine Zahl von 6600 Veranstaltungen nur für das Land Berlin gefunden. Wenn ich dem gegenüber die Berichterstattung über Ausschreitungen setzen, dann betrifft das Problem anscheinend primär Versammlungen/Themen bei denen extreme Gruppen agieren. Die Mehrheit der Bürger kann für ihre Themen frei und unbesorgt demonstrieren.