Pauschale Kritik an den Polizeien

Liebe Lage,

im letzten Podcast, ab Minute 16:40 gibt es eine unterschwellige, aber doch auffällige Kritik an den Polizeien in Deutschland. Das finde ich um so problematischer, da ihr selbst sagt, dass das Gewaltmonopol nur beim Staat liegen kann.

„Nur der Staat darf Gewalt anwenden, und das tut er typischerweise durch die Polizei. Die wiederum handelt dabei auch, jedenfalls in der Theorie, aufgrund von Gesetzen, ist an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden, und wenn der Staat zu weit geht, also zum Beispiel Polizeibeamte zuschlagen, wo es dazu keinen Grund gab, dann kann man dagegen klagen.“

Den Einschub „jedenfalls in der Theorie“ empfinde ich vollkommen überzogen und im Kontext des Themas Selbstjustiz durch Radikale vollkommen deplatziert.

Gemäß der Statistik gab es am 30.06.2021 gemäß den Haushalten der Länder ca.280.000 Personen im Bereich Polizei.

Im Hellfeld gibt es ca. 2000 Anzeigen pro Jahr wegen mutmaßlicher Polizeigewalt. Im Dunkelfeld soll es 12000 Fälle mutmaßlicher Polizeigewalt geben. Und um das klar zu sagen, jeder berechtigte Fall ist ein Fall zu viel und gegen diese Polizistinnen und Polizisten muß rechtlich vorgegangen werden. Aber die Zahlen zeigen dennoch, dass die Menschen im Polizeivollzugdienst mehrheitlich zum Nutzen der Gemeinschaft ihren Dienst nach besten Wissen und Gewissen versehen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Arbeit und Methoden der Polizei bei Personen, die ein Problem mit dem Gewaltmonopol des Staates haben, wenig Anerkennung finden. Die Tätigkeit der Polizei bringt demnach einer gewisse Grund-Unzufriedenheit der betroffenen Klientel mit.

Ich würde mir von euch einfach ein wenig mehr Neutralität gegenüber der Polizei wünschen. Gerade wenn es um Themen wie Verteidigung der Demokratie, Selbstjustiz, Rechtsstaatlichkeit usw. geht. Man muss sie ja nicht lieben.

2 „Gefällt mir“

Naja, das finde ich jetzt wiederum etwas überzogen :slightly_smiling_face:. Sie haben ja nicht gesagt, wie weit Theorie und Praxis auseinander liegen. Und dass es hier ernst zu nehmende Probleme gibt ist ja selbst von der Polizei selbst anerkannt.
In der Tat fände ich aber auch einen etwas konstruktiveren Ansatz mit diesem immer wieder auftauchenden Thema in der Lage wünschenswert. Z.B. könnte man ja verstärkt mit den statt über die Sicherheitsbehörden sprechen. Auch habe ich selten überhaupt etwas von Lösungsansätzen gehört. Es hört sich immer so an, als müsse die Polizei sich einfach mal zusammenreißen und ihre Probleme in den Griff bekommen. Dabei sind diese Probleme m.E. ganz eng damit verknüpft welche Dinge wir als Gesellschaft unter welchen Randbedingungen von den Sicherheitsbehörden erwarten.

3 „Gefällt mir“

Lösungsansätze gibt es ja einige. Und ich bin mir ehrlich gesagt ziemlich sicher darüber auch schon in der Lage gehört zu haben.

https://www.deutschlandfunk.de/polizeigewalt-praevention-studie-100.html

1 „Gefällt mir“

Die Kritik an der Polizei bezieht sich doch ganz offensichtlich auf die Frage, wie dieses Gewaltmonopol ausgestaltet werden sollte und nicht ob wir es lieber abschaffen sollen.

1 „Gefällt mir“

Kleiner Fehler bei der Darstellung der Verhältnisse.

Die 280.000 beinhalten alle die polizeilich Tätig sind, also auch die Spurensucher, Schreibtischermittler u.s.w.

Also eine Ganze Reihe Leute die im Rahmen ihrer Tätigkeit kaum bis gar keine physische Gewalt ausüben.

1 „Gefällt mir“

Schon klar, dass habe ich auch nicht geschrieben oder so verstanden. Die gewählte Formulierung drückt jedoch ein gewisses Misstrauen gegenüber der Polizei aus. Und ich stelle mir die Frage, ob das Misstrauen auch begründet ist.

Wenn du rein optisch zu gewissen Gruppen gehörst: ja!!!

1 „Gefällt mir“

Könnte es nicht hypothetisch auch am Verhalten der Gruppen gegenüber der Polizei liegen, dass diese Gruppen ggf. überproportional negative Erfahrungen machen?

Dazu gibt es nun wirklich genug kriminologische Studien.

Grundsätzlich gilt natürlich, dass hier eine gegenseitige Eskalation stattfindet, aber ebenso unbestreitbar ist, dass die Polizei bestimmte Gruppen häufiger kontrolliert und auch mitunter „robuster“ anfasst.

Daher: Auch wenn es z.B. statistische Gründe gibt, warum die Polizei „den dunkelhäutigen Menschen, der sich am Bahnhof herumtreibt“ durchsucht (und nicht etwa Max Mustermann), führen diese an äußeren Merkmalen festgemachten Durchsuchungen dazu, dass die betroffene Gruppe stigmatisiert ist und sich eine immer größere Ablehnung gegen die Polizei entwickelt (wenn du ein paar Mal unberechtigt durchsucht wurdest, weil andere Menschen aus deiner Ethnie Mist bauen, würdest du auch eine kritische Distanz zur Polizei entwickeln…). Wo viel kontrolliert wird, wird aber auch immer viel gefunden. Da durch die häufigen Kontrollen dieser Gruppe daher zwangsläufig auch mehr Straftaten festgestellt werden führt es wieder dazu, dass die Polizei sich bestärkt darin sieht, diese Menschen noch öfter zu kontrollieren. Diese Menschen sehen sich dadurch dann aber noch stärker verfolgt - und so geht es immer weiter.

Die einzelnen kriminellen Individuen der betroffenen Gruppe tragen daran natürlich auch eine Mitschuld, aber hier gilt eben auch, dass diese nicht die gesamte Gruppe offiziell repräsentieren, daher nicht die gesamte Gruppe für das Verhalten Einzelner in Sippenhaft genommen werden sollte. Die Polizei hingegen handelt hier als System und hat durch systematisch andere Vorgehensweisen auch die Möglichkeit, die Eskalationsgefahren zumindest zu reduzieren.

Eine optimale Lösung gibt es für dieses Dilemma aber wie so oft nicht - außer eben, dafür zu sorgen, dass bestimmte Ethnien nicht überdurchschnittlich häufig in Armut leben und z.B. früh vom Bildungssystem aufgegeben werden. Kriminalitätsprävention durch Umverteilung und Bildung ist daher besser als Kriminalitätsbekämpfung durch Racial Profiling. Wir müssen das Problem an der Wurzel bekämpfen, und das ist mMn Bildung und Armut.

7 „Gefällt mir“

Ich würde darüber hinausgehen und sagen, dass wir das Problem breiter angehen müssen. Die ständige Demütigung durch staatliche Organe kann sich nämlich auch negativ auf Bildung und Karriere-Chancen auswirken.

3 „Gefällt mir“

Neben der empirischen fakten lage und der verweigerund der aufarbeitung durch die Polizei verstehe ich ehrlich gesagt den Ansatz des Threads nicht. Die Polizei wird als exekutive des staates natürlich an dem höchstanzulegenden standard gemessen. alternativ lässt sich die Gewaltanwendung durch die Polizei gar nicht legitimieren. Die strukturelle Lage wurde von @Daniel_K gut dargestellt allerdings würde ich weiter gehen. Zur legitimation reicht es absolut nicht aus dass die Polizei ein Netprofit für die gesellschaft ist. Mit dieser logik kann man jede professionalisierte organisation rechtfertigen welche eine gewisse ordnung aufrecht erhällt. Für eine Polizei in einem demokratischen rechtsstaat reicht das aber nicht aus. Jede fragwürde anwendung des gewaltmonopols stellt die legitimität der polizei zurecht in frage. Die Polizei ähnlich wie geheimdienste und die armee haben stets die Tendenz einen Staat im Staat zu bilden (man denke an die verfassungswidrigen Polizeigesetze) dem muss durch ensprechende kontrolle und kritik rechnung getragen werden.

3 „Gefällt mir“

Das ist auch nicht ganz korrekt. Die von dir genannten „Spurensucher“ und „Schreibtischermittler“ sind auch meistens Polizeibeamte (ggf. bei der Kriminalpolizei).

Mit dem weiteren Personal sind tatsächlich Verwaltungsmitarbeiter bspw. in der Personalabteilung oder im Beschaffungswesen gemeint, aber auch Hausmeister und Techniker, die die Gebäude und Technik der Polizei vor Ort am Laufen halten.

Ronen Steinke berichtete gerade bei einer Diskussion im Deutschlandfunk, dass (ich glaube in Sachsen) nur 1/5 aller rassistischen Übergriffe überhaupt zur Anzeige gebracht werden - das heißt: 80 Prozent der (potenziellen) Opfer scheinen kein Vertrauen in die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols durch die Polizei zu haben - wie groß soll die Lücke zwischen Theorie und Praxis denn noch sein, bevor sie als solche benannt werden darf, ohne dass die „Pauschalverdacht“-Sirenen anspringen? Wenn ein derart großer Anteil an Menschen kein ausreichendes Vertrauen in staatliche Organe hat, ist das aus meiner Sicht erstens ein gesellschaftliches Problem und zweitens ist dann eher der Staat am Zuge, dieses Vertrauen wieder herzustellen.

Edit: Hier übrigens die DLF-Sendung zum Nachhören, die Ausführungen von Steinke, auf die ich mich bezog, sind etwa bei 0:20:30

8 „Gefällt mir“

Das finde ich eine seltsame Schlussfolgerung. Ist nicht gerade aufgrund dieser überaus sensiblen Monopolstellung sachliche und faire Kritik an der Polizei bei nicht sachgerechter Ausübung ihres Gewaltmonopols umso wichtiger?

6 „Gefällt mir“

Richtig. Ist die Kritik denn denn sachlich und fair?

Das müsste man im zweiten Schritt klären, ob man das so empfindet. Im Allgemeinen halte ich die Kritik im Podcast schon für sachlich und fair, sonst würde ich ihn nicht hören.

Deine Frage impliziert, dass Du das bezweifelst. Dann wäre es m. E. gut, wenn Du deutlich machtest, auf welche Kritik Du Dich konkret beziehst und was genau Du daran unsachlich oder unfair findest.

1 „Gefällt mir“

Es gibt sicherlich Gruppen, die aufgrund ihres Verhaltens negative Erfahrungen mit der Polizei machen. z.B. Randalierende Hooligans.
Aber schon wenn man auf die polizeiliche Reaktion auf das Verhalten von Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen und/oder in Ausnahmesituationen schaut, erkennt man, dass ein gewisses Misstrauen abgebracht sein könnte. (Quellen s.u.)

Leider gibt es aber auch Gruppen, die unabhängig von ihrem Verhalten mehr negative Erfahrungen mit der Polizei machen als andere. Und dieser Sachverhalt begründet Misstrauen.

Wenn wir unsere Gesellschaft zum positiven weiterentwickeln wollen, ist ein kritischer Blick auf die Institutionen sogar unabdingbar. Das beschränkt sich nicht auf die Polizei, aber dort hat die Schieflage besonders gravierende Folgen.

Quellen:

Ich habe ja Zahlen geliefert, um das Problem einordnen zu können. Interessant wäre allerdings, und dazu habe ich nichts gefunden, in wie vielen Fällen die Handlungen der Polizei tatsächlich auch durch Gerichte als unrechtmäßig (Polizeigewalt, Rassismus, Diskrimierung, usw.) eingestuft wurden, und nicht nur Subjektiv.

Die folgende Statistik kommt auch mir bei weitem zu niedrig vor.

Ich habe dann mal nach Disziplinarverfahren gesucht. Da müsste dann tatsächlich für jedes Bundesland einzeln gesucht werden. Mal Beispielhaft für Berlin:

https://www.berlin.de/polizei/verschiedenes/artikel.90208.php

Tja, könnte daran liegen, dass die Polizei Straftaten verfolgt …
Wichtig wäre eine Anlaufstelle außerhalb der Polizei oder zumindest außerhalb der ortsansässigen Polizei.

3 „Gefällt mir“