… ohne die Amerikaner können wir …

… nicht?

Diese im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Abzug immer wieder gebetsmühlenartig wiederholte Aussage hinterlässt mich ratlos. Können wir (Deutsche? Europäer?) die Mannstärke nicht aufbringen? Haben wir die notwendigen Waffen, Transportmittel, etc. nicht oder nicht gefechtsbereit? Haben wir nicht die Fähigkeiten? Oder fehlt uns der politische Wille, unsere Berufssoldaten ihrem Berufsrisiko auszusetzen? Oder sich der Wählerschaft gegenüber ehrlich zu machen?

Und wenn das so ist: Kann Deutschland, kann Europa überhaupt noch ohne die Amerikaner selbst verteidigen?!?

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Ich glaube der einzige Grund ist, dass es dafür keinen Rückhalt in der Gesellschaft gibt. Und das hat m.M.n. folgende Gründe:

  1. kaum noch Menschen würden das eigene Leben für das Land, die eigene Politik oder Menschen in anderen Ländern aufs Spiel setzten.
  2. die „linken“ Meinungen sind zu stark geworden. Ressourcenverschwendung, moralisch Fragwürdige Handlungen,… werden in den Medien ausgeschlachtet (vgl. in der jetzigen Situation Gregor Gysi)
  3. Wir können einem fremdem Land nicht unsere Kultur aufdrücken. Ein riskanter Einsatz wäre somit oft sinnlos.

Vor wem denn? Frankreich hat die Atombombe. Das ist somit eine Abschreckung und die einzige Möglichkeit Europa zu verteidigen.

Die Debatte, ob sich Deutschland und die EU noch ohne die USA verteidigen können, wird im akademischen Bereich kontrovers diskutiert:

Das empfinde ich als eine ziemlich steile These. Woher nimmst Du die?

Ich meine meine Fragen völlig un-ideologisch. V.a. unabhängig von der Frage, ob es um Auslandseinsätze oder „echte“ Landesverteidigung geht: Wenn die Bundeswehr noch nicht mal in der Lage ist, (so, wie die Amerikaner) einen Flughafen zu sichern und Rettungsmissionen vom Flughafen in die Stadt und zurück zu beschützen, bin ich doch ziemlich fassungslos und frage mich, wozu die knapp 50 Mrd. Euro ausgegeben werden …

Auch mit konventioneller (nicht-atomarer) Kriegsführung kann man einem Angreifer solche Schwierigkeiten bereiten, dass er sich einen Angriff genau überlegt. Wenn wir aber nicht mal in der Lage sind, ein Flugfeld im Ausland für eine Woche zu sichern, könnte nicht nur Putin darüber nachdenken, ob er seine in den ehemaligen Soviet-Republiken erprobte assymetrische Kriegsführung nicht auch mal an einem europäischen Land ausprobieren könnte.

Also als jemand, der zumindest seinen Wehrdienst geleistet hat, kann ich da recht klar sagen:
Ob ich mein Leben „für das Land“ riskieren würde hängt für mich einzig davon ab, ob „mein Land“ in dem Konflikt im Recht ist und was die Niederlage des eigenen Landes bedeuten würde.

Kurzum:
Würden sich Deutschland und Frankreich wegen irgendwelchen Nichtigkeiten (wie in der Vergangenheit halt Religion, politische Ränkespiele…) im Krieg gegenüberstehen würde ich sagen: „Mir ist völlig egal, wer gewinnt, im Zweifel lerne ich französisch. Macht euern Scheiß ohne mich!“. Daher: Würde man mich hier einziehen wollen, würde ich eher auswandern.

Würde hingegen ein diktatorischer Staat (z.B. Russland oder China) Deutschland angreifen (also den Krieg beginnen), wäre ich durchaus bereit, mein Leben im Krieg zu riskieren. Das gilt aber nicht, wenn „mein Land“ den Krieg selbst verursacht hat (z.B. weil die politische Situation mit Russland immer weiter eskaliert wird und die NATO entscheidet, Russland anzugreifen, dann aber aus irgend einem Grund den Kürzeren zieht…). Auch in so einem Fall würde ich mein Leben nicht riskieren wollen.

Ich denke, ich bin nicht der einzige Ex-Soldat (und damit automatisch Reservist) der so denkt. Zum Glück sind wir heute differenzierter, wenn es um das Thema geht - weil man uns nicht als Kinder eingeimpft hat, dass „Frankreich der Erbfeind ist“ und „es eine Ehre ist, im Krieg für sein Land zu sterben“. Zum Glück!

Was passiert, wenn die „rechten“ Meinungen zu stark sind, sehen wir in Russland, der Türkei, aber auch den USA. Alle diese Länder sehen es als Werkzeug ihrer Außenpolitik, auch mal Krieg zu führen.
Nebenbei: Dem Afghanistan-Einsatz haben 2001 538 der 581 Abgeordneten zugestimmt und in der Bevölkerung gab es in den ersten Jahren des Einsatzes fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den Einsatz, eben weil man nach 9/11 eingesehen hat, dass man Al-Qaida nur mit kriegerischen Mitteln besiegen und so weitere Anschläge wie 9/11 zumindest schwerer machen kann. Und das war zu einer Zeit, zu der Rot-Grün regiert hat…

Kurzum:
Wenn’s wirklich nötig ist, lässt sich auch in Deutschland ein Krieg rechtfertigen. Zum Glück ist hierzulande aber die Basis-Stimmung zu Kriegen „Nein“ und nur in Ausnahmen wird dann doch mal einer befürwortet, während das in Ländern mit stärkeren „rechten“ Meinungen umgekehrt ist. Daher bin ich froh darüber, dass die Dinge hier sind, wie sie sind…

In dem Punkt sind sich hoffentlich mittlerweile Rechte und Linke Ideologen einig. Man kann die Kultur eines Landes, zu der auch Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Frauenrechte und co. gehören, nicht mit einem Krieg ändern. Ein „Feind von Außen“, daher ein Besatzer, wird immer dazu führen, dass die Extremisten es leicht haben, das Volk auf ihre Seite zu ziehen.

In diesem Punkt sind wir uns daher einig - eine Seltenheit, wie ich anmerken möchte :wink:

Naja, selbst wenn Europa keine Atomwaffen hätte (und es nicht die nukleare Teilhabe der NATO oder die NATO selbst gäbe…) wäre es recht klar, dass die USA, wenn z.B. die Russen angreifen würden, sich mit ihren Atomwaffen einmischen würden, denn niemals würde man seitens der USA Europa „den Russen“ überlassen.

Generell finde ich bei der Diskussion problematisch, dass oft nicht realisiert wird, dass moderne Kriege in aller Regel auf zwei Arten entschieden werden:

  1. Konventionell (siehe Berg-Karabach), daher wer mehr und moderneres Material hat, gewinnt.
  2. Durch Propaganda bzw. Rückhalt des Volkes, daher dadurch, dass man einen hinreichenden Teil des Volkes auf die eigene Seite zieht und dann darauf aufbauend die Macht übernimmt.

Und (West-)Europa ist in beiden Bereichen ziemlich stark. Ja, wir mögen über die Ausstattung der Bundeswehr lachen, aber es ist bei weitem nicht so schlimm, wie man danken mag. Die Zahl an Soldaten und modernen Equipment, über welche die EU verfügt, kombiniert mit der Tatsache, dass man im Verteidigungsfall einen massiven Vorteil hat, machen es ausgesprochen unrealistisch, dass irgendein Land Europa konventionell erobern könnte.

Zudem sind zumindest in Westeuropa die Werte von Demokratie und Menschenrechten stark ausgeprägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Aggressor es schafft, relevante Bevölkerungsanteile auf seine Seite zu ziehen und damit Europa in einen Bürgerkrieg zu stürzen, um den Boden für eine Invasion von Außen zu bereiten (wie z.B. in der Ostukraine) sehe ich in Europa beim besten Willen nicht - auch wenn die Gefahr durch Rechtspopulisten wie die AfD nicht unterschätzt werden sollte.

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Wie wollen Sie das denn beurteilen können?

Also werfen Sie ernsthaft den Medien vor, kritisch über Dinge zu berichten? Ich glaube kaum, dass man Bild oder Welt, die mit fragwürdigen Methoden arbeiten, als „links“ bezeichnen kann.

Menschenrechte sind nicht „kultur“, sondern universell.

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Ja, das ist wohl die bittere Wahrheit: Die BW hat einen Verteidigungshaushalt von 50 Mrd. Euro und ist nicht in der Lage einen Flugplatz in einem Entwicklungsland für ein paar Wochen zu halten (nicht: zu erobern!) Entweder man ist in der Lage das zu ändern oder man kann die 50 Mrd gleich einsparen. Ich glaube, dass wir rüstungstechnisch immer noch im Ost-West-Konflikt verhaftet sind und auf moderne Bedrohungslagen überhaupt nicht reagieren können. Mit einer asymmetrischen Bedrohung ist man offensichtlich völlig überfordert. Um Drohnen macht man immer noch einen weiten Bogen, statt dessen wird immer noch auf Großgerät gesetzt: Panzer, Fregatten etc. Offenbar ist es auch nicht möglich einen Kampfverband von sagen wir 50.000 Mann aufzustellen, der schnell weltweit operieren könnte. Das entspräche aber den bedrohungslagen der letzten 30 Jahre. Niemand braucht mehr eine Vorneverteidigung an Oder oder Elbe. Fragt sich, wie lange es noch dauert, bis die Besitzstandswahrer beim Bund endlich berentet sind…

Zum Einen bekommt die Bundeswehr kaum junge Leute dazu. Sollte man die Absicht haben, könnte man sich auch ausbilden lassen oder?

Und noch ein paar Eindrücke von mir (und vielen aus meinem Bekanntenkreis). Diese Ansätze treffen nicht auf jeden Menschen in Deutschland zu.

  1. Wir haben doch einige Quellen zu Verfügung und laufen nicht gehorsam in jede Schlacht, wie es vor einigen Jahrzehnten war. Ich kann dazu fast alle Angaben und Vorwürfe in Echtzeit prüfen.
  2. Viele Menschen fühlen sich nicht mehr dem „einen“ Staat verbunden.
  3. Die Grenzen sind für mich als Europäer frei. Ich kann auswandern wohin ich will und das praktisch schon morgen. Das ist noch nicht allzu lange möglich. Und darum bin ich auch nicht auf genau dieses Land angewiesen.
  4. Religion und die Vertröstung aufs „jenseits“ spielt nur noch eine untergeordneter Rolle.
  5. Das Leid in Deutschland ist doch relativ überschaubar. Warum sollte ich mein Leben riskieren, wenn es mir gut geht?

Ja

Das Stimmt! Und das sollte auch kein Angriff auf „linke“ Meinungen sein. Ich glaube nur, dass der Aufschrei von „Links“ größer wäre als von „Rechts“ sollten Menschen in anderen Kulturen sterben. Wenn ich mich irre, widersprecht mir gerne.

Ich bewundere diesen Optimismus. Ich sehe Europa in allen Belangen unterlegen.

Ja aber erst wenn man sich diese von der Obrigkeit erkämpft hat. Ich frage mich wirklich wie viele Menschen auf diesem Planeten diese Menschenrechte wirklich ausüben können bzw. besitzen (so wie wir in Deutschland). Ich würde auf ca. 10% aller Menschen tippen (aber ohne Beleg).

Das wird man nicht so schnell ändern können. Auch die Amerikaner können dieses „Flugplatz“ nicht sichern, ohne einen kompletten Kriegseinsatz zu planen und durchzuführen. Die Taliban haben halt auch durchaus schwere Geschütze (Artillerie) und was bitte soll die Bundeswehr oder eine beliebige andere Armee machen, wenn die Taliban sagen: Wir beschießen jetzt diesen Flugplatz so lange, bis kein westliches Land dort mal landen will!

Es geht nicht darum, dass man diesen Flugplatz nicht gegen die Taliban verteidigen könnte - natürlich könnte man das. Aber der Preis, den man dafür zahlen müsste (sowohl finanziell als auch in Menschenleben) ist schlicht zu hoch, weil es schlicht und ergreifend eine Kriegserklärung gegenüber den Taliban wäre, es würde bedeuten, dass wir den ganzen Afghanistan-Einsatz wieder auf Null setzen und von vorne anfangen.

Das trifft auf alle Armeen zu und lässt sich auch nur begrenzt ändern. Auch die US-Armee hat fast alle Kriege gegen Feinde, die asymmetrisch gekämpft haben, auf kurz oder lang verloren. Das fängt im Vietnam-Krieg an und endet in Afghanistan (zu keinem Zeitpunkt ist es den USA gelungen, das gesamte Land auch nur annähernd zu sichern…). Die Opfer-Zahlen des Afghanistan-Krieges sprechen da auch für sich: 71.387 Tote auf den Seiten der Koalition (davon 64.124 Afghanen) stehen 69.400 bis 74.400 Toten auf Seiten der Taliban und Al-Qaida entgegen. Ziemlich ausgeglichene Bilanz dafür, dass die USA alleine knapp 2 Billionen (engl. 2 Trillionen!) Dollar in den Krieg gesteckt hat.

Der Grund, warum asymmetrische Kriegsführung existiert, ist eben, weil sie es relativ kleinen und schlecht ausgerüsteten Truppen ermöglicht, einen technologisch und zahlenmäßig massiv überlegenen Gegner auf Augenhöhe zu halten.

Kurzum: Was du von der Bundeswehr erwartest können nicht einmal die USA mit ihrem massiven Militärbudget leisten. Hier muss man einfach mal realistisch bleiben und einsehen, dass Kriege im Ausland, bei denen man gegen asymmetrisch kämpfende Truppen antritt, einfach recht aussichtslos sind. Will man einen solchen Krieg gewinnen muss man da mit einem 20:1 oder gar 100:1-Verhältnis rein, und selbst das garantiert keinen Erfolg.

Aufgrund welcher Daten und Fakten?
Wie massiv der Verteidiger-Vorteil ist hat nicht zuletzt Afghanistan wieder gezeigt. Ich würde behaupten, kein Land, weder die USA, noch Russland, noch China, haben eine Militärmacht, die auch nur ausreichen würde, um eine einzige europäische Millionen-Metropole langfristig sinnvoll zu halten. Einnehmen, also die stehenden Truppen besiegen, vielleicht. Aber sinnvoll halten - never. Es hat einen Grund, warum die einzigen Kriege mit Territorialverlusten in den letzten Jahrzehnten solche waren, die auf der Propaganda-Ebene gewonnen wurden (z.B. Ostukraine und Krim) und warum z.B. China nicht „einfach Taiwan und Hong Kong einnimmt“. Weil die Kosten dafür - sowohl kurzfristig, vor allem aber langfristig, so hoch wären, dass es sich für den Angreifer einfach nicht lohnt, es würde langfristig genau so enden, wie der NATO-Einsatz in Afghanistan geendet ist…

Bitte solche verkürzten, meinen Post in einem falschen Licht darstellenden, Zitationen unterlassen. Das ist ganz schlechte Diskussionskultur…

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Das Problem hatte die Bundeswehr sogar schon, während zum Teil ziemlich einseitig junge Männer zum Wehrdienst getrieben wurden. Geht es der Wirtschaft gut, hat die Bundeswehr Probleme Leute zu kriegen. Wenn die Arbeitslosigkeit steigt ist die Bundeswehr ein sicherer Arbeitgeber. Das hat nichts mit Landesverteidigung zu tun.

Deine Aussagen stimmen so auch nicht mehr. Die Bundeswehr definiert sich schon seit einigen Jahren als humanitäre Armee, die Länder nicht mehr erobert oder Feinde zwingend abwehrt, sondern Länder unterstützt Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen, wie immer die aussehen mag. Zudem sieht man sich immer als Teil der Nato oder der gesamten EU. Ich denke es läuft sinnigerweise eh auf eine Armee der EU zu.

Prinzipiell bin ich aber der Meinung, dass wir viel zu viel Geld an die Bundeswehr verschwenden, da es zum Teil auf Grund veralteter Strukturen verbrennt oder von externen Dienstleistern gefressen wird, siehe BWI IT.

Hier stellt Klaus Kleber genau meine Frage an AKK. Die Antwort ist so ernüchternd, wie ich befürchtet habe: „Die Amerikaner haben … eine unglaubliche Ausrüstung … Dinge, über die wir nicht verfügen“.

Ein Zufall, das uns das jetzt 6 Wochen vor der Wahl wie ein nasser Waschlappen ins Gesicht geschleudert wird?

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Bei Minute 10:50 sagt AKK

„es gibt keiner der gesagt hätte die Bundeswehr hätte ihre Aufträge in Afghanistan nicht erfüllt“

Da stellt sich mir die Frage

  • was waren die Aufträge?
  • was sind die Parameter die für einen Erfolg angelegt werden?

Die Ausbildung der afghanischen Truppen (es sei denn wir haben die Taliban ausgebildet) waren offensichtlich nicht erfolgreich.

Die Verteidigung der Demokratie am Hindukusch war offensichtlich auch nicht so erfolgreich.

Magst Du erläutern was die „nicht zufällige“ Antwort auf deine suggestivfrage wäre?

Exakt das ist eines der großes Probleme mit dem Afghanistan-Einsatz. Bis 2005 war noch alles in Butter - das Ziel war die komplette Vernichtung von Al-Qaida. Das war ein klares Ziel welches auch mit militärischen Mitteln sinnvoll erreicht werden konnte.

Danach gab es keinen Konsens in der Koalition, wie es wirklich weitergehen soll. Die USA haben den Einsatz vor allem mit dem Ziel der Terror-Prävention geführt (daher dafür sorgen, dass sowas wie Al-Qaida nicht zurückkommt), die Europäer haben eher Nation Building betreiben wollen (also Stärkung der Zivilgesellschaft, Aufbau von Demokratie und Rechtstaatlichkeit, Aufbau der zivilen Infrastruktur). Wirklich Einigkeit oder auch nur messbare Parameter wurden nie festgelegt.

Nimmt man die Wahlbeteiligung der Afghanen als Parameter für den Erfolg des Aufbaus einer Demokratie wird sehr klar, wie massiv dieser Einsatz fehlgeschlagen ist:

Wahlbeteiligung 2019: ~2,4 Millionen Stimmen (20% der registrierten Wähler, unter 8% der Bevölkerung, die absoluten Stimmzahlen wurden schon gar nicht mehr veröffentlicht…)
Wahlbeteiligung 2014: 6,6 Millionen gültige Stimmen (7,1 Millionen bei der Stichwahl)
Wahlbeteiligung 2009: 5,7 Millionen gültige Stimmen
Wahlbeteiligung 2004: 8 Millionen gültige Stimmen

Gewisse Schwankungen sind durchaus erklärbar, aber spätestens 2019 hätten alle Alarmsignale ertönen lassen müssen. Nimmt man die Wahlbeteiligung als Indikator für den Erfolg des Nation Buildings hätte spätestens 2019 klar sein müssen, dass etwas fundamental falsch läuft. Hier sieht man ganz gut, dass es 2004 durchaus Hoffnung gab - aber zwischen 2004 und 2019 hat sich einfach zu wenig, insbesondere im Hinblick auf den Wohlstand, getan, um diese Hoffnung zu nähren…

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Nun, zumindest dass die Union dieses Desaster zum Anlass nehmen könnte für das Argument: „Wir haben ja schon immer gesagt, dass wir die Militärausgaben steigern müssen“.

Wesentlich perfider und bösgläubig gedacht: Hat vielleicht jemand dieses Desaster angezettelt, um (1) die Bereitschaft der Bevölkerung, höhere Militärausgaben zu akzeptieren, anzufeuern oder (2) der Union, die aktuell auf dem absteigenden Ast ist, eine ungefragte Wahlkampfhilfe zu verschaffen?

Zur Frage der Ziele und der Erfolge des Einsatzes war heute ein sehr guter Aufsatz in der FAZ:

https://talk.lagedernation.org/t/afghanistan-ein-sehr-kluger-gebildeter-kritischer-blick/9180?u=trq

Um das klarzustellen:
Mit „dieses Desaster angezettelt“ beziehst du dich nur auf das Desaster, dass wir Deutschen es nicht rechtzeitig gebacken bekommen haben, unsere Helfer zu evakuieren, richtig?

Du meinst wohl nicht das gesamte Scheitern des Afghanistan-Einsatzes, denn das hat sicherlich keiner angezettelt, das wäre ein klassischer Verschwörungsmythos…

Was deinen zweiten Punkt angeht (Wahlkampfhilfe der Union) glaube ich tatsächlich eher, dass die Regierung sich mit ihrem Verhalten hier keinen Gefallen getan hat. Ich denke, unter’m Strich hilft die Situation eher der Opposition, welche ja auch argumentieren kann, dass sie für eine frühere Evakuation war. In der Realpolitik hingegen hat Seehofer sein perfides Ziel erreicht: Durch möglichst viel Bürokratie dafür zu sorgen, dass möglichst wenig Afghanen es nach Deutschland schaffen. Und das war ziemlich sicher so geplant.

Bezüglich deines ersten Punkte (Bereitschaft für höhere Militärausgaben) glaube ich eher, dass eine so krasse Niederlage wie in Afghanistan dazu führt, dass die Bevölkerung zukünftige Auslandseinsätze noch kritischer sieht, als dazu, dass die Zustimmung zur Erhöhung von Militärausgaben wächst. Wie gesagt, die USA haben nach eigener Angabe 2 Trillionen Dollar in Afghanistan versenkt, selbst wenn Deutschland von 2004 bis 2020 seinen gesamten Haushalt dazugegeben hätte, hätte es vermutlich nichts am Resultat geändert.

Ich bin daher in beiden Punkten skeptisch…

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Zu deinem bösgläubigen Punkt (2)
Es fällt mir ja grundsätzlich eher schwer mich in potentielle Wähler:innen der Union reinzuversetzten.
Hast Du das Gefühl bei der aktuellen Performance bzgl. Afghanistan könnte jemand daraus schlussfolgern: „Das ist ja ein Desaster, da muss ich aber die CDU/CSU wählen damit sowas nicht wieder vorkommt?“

Weil es ist ja schon ein von der Regierung (mit)zuverantwortendes Desaster um das es hier geht…

Wenn ich mir das hier ansehe, halte ich diesen Gedankengang in den relevanten Kreisen für durchaus plausibel.

https://www.golem.de/news/bundestagswahl-2021-buerger-sehen-hoechste-digitalkompetenz-bei-cdu-und-csu-2104-156141.html

In Europa gibt es zwei UNO-Vetomächte - Deutschland ist keine davon. Ich bin immer wieder erstaunt dass Deutschland international so viel Macht zugetraut wird - insbesondere von Deutschen. Woher kommt das?

Deutschland ist nach dem Nettovermögen im Median ein Land, das minimal reicher als die Slowakei und VIEL ärmer als Spanien, Frankreich oder Italien ist.
Warum um alles in der Welt solle Deutschland militärisch stark sein?