… ohne die Amerikaner können wir …

Wieso sollte speziell das Netto-Haushaltsmedianvermögen mit militärischer Macht korreliert sein? Man würde ja auch nicht von Luxemburg erwarten, dass es Deutschland militärisch ebenbürtig ist.

Um noch einen anderen Punkt z bringen:
Es ist ja vielleicht schon plausibel, dass die 4.-größte Volkswirtschaft ( List of countries by GDP (nominal) - Wikipedia ) ein gewisses Militär unterhält. Insofern fände ich die Erwartung an Deutschland, militärisch auf eigenen Füßen stehen zu können, nicht direkt abwegig.

Deutschland hat in der internationalen Politik durchaus ein hohes Gewicht. Innerhalb der EU geben Deutschland und Frankreich recht klar den Ton an und Deutschland ist in internationalen Gremien extrem gut vernetzt. Im Hinblick auf den Einfluss auf das Weltgeschehen wird Deutschland relativ regelmäßig hinter den USA, China und Russland geführt (meist noch vor Großbritannien und Frankreich), lediglich was die militärische Macht angeht ist Deutschland klar hinter GB und Frankreich angesiedelt.

Die Zahlen sind extrem irreführend. Was du da auflistest ist das Nettovermögen des durchschnittlichen Privathaushaltes. Relevanter wäre hingegen das Bruttoinlandsprodukt, da dieses auch die Leistungskraft von Unternehmen und staatlichen Institutionen beinhaltet. Und nach dem BIP ist Deutschland nach den Daten von 2020 auf Platz 4 hinter den USA, China und Japan. Und mit einem BIP 3,8 Billionen noch deutlich vor den dahinterliegenden Plätzen (6. ist GB mit 2,7 Bio, 7. Indien mit 2,7 Bio, 8. Frankreich mit 2.6 Bio).

Im Hinblick auf seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit - und darauf kommt es an - ist Deutschland daher klar die Nummer 4 auf der Welt, was schon ziemlich gut ist… Japan ist zwar vor uns, aber dafür sind wir nicht im Ansatz so stark überschuldet wie Japan… (Japan führte hier 2019 die Weltrangliste mit 238% des BIP, die USA liegen bei 109% des BIP, Deutschland nur bei 60% des BIP, China bei 53% des BIP).

Kombiniert man daher beide Werte kann man durchaus Deutschland im Hinblick auf seine Vermögen und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit noch vor Japan auf Platz 3 ansiedeln. Lediglich die USA und China sind uns massiv überlegen…

Das Nettovermögen der Haushalte hingegen ist ziemlich irrelevant und hat halt mehr damit zu tun, wie stark ein Staat seine Bürger an seinem Reichtum teilhaben lässt. Und dass Deutschland sein Vermögen sehr stark in Unternehmen und staatlichen Institutionen bindet, statt es an die Privathaushalte weiterzugeben, ist eben eine Besonderheit Deutschlands, die durchaus auch im Ausland kritisiert wird, weil das einer der zentralen Gründe dafür ist, warum wir einen so starken Exportüberschuss haben (dh. unsere Wirtschaft ist unglaublich stark, was zu vielen Exporten führt, und wir geben verhältnismäßig wenig unserer Wirtschaftskraft direkt an die Bevölkerung weiter, was die Importe in Grenzen hält…).

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Frage: Wann hat das letzte Mal nach dem 2. Weltkrieg eine militärische Intervention einer oder mehrerer Großmächte (also nicht Blauhelme der UNO) eine längerfristige Verbesserung der Lage in der jeweiligen Region gebracht?
Mit viel Wohlwollen fällt mir der Kosovo-Krieg ein, nur sind sich die Volksgruppen dort heute weiterhon spinnenfeind und irgendwie wird man das Gefühl nicht los dass es dort auch jederzeit wieder losgehen könnte.

Es braucht immer einen Plan, wie man nach dem militärischen Teil weiter vorgeht. Mit klaren Zielen, Milestones, etc, wie in einem Projekt. Und einer ständigen Neubewertung der Lage, mit Konsequenzen. Das scheint mir selten bis gar nicht der Fall zu sein. Und falls doch überwiegen dann doch ideologische Beweggründe.

Hierzu ein interessanter, erhellender Artikel aus der FAZ (aktuell noch ohne Paywall):

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Um auf die Anfangsfrage zurück zu kommen, sehe ich dabei im Grunde zwei Faktoren, die uns Europäer (damit nicht EU gemeint) in vielen militärischen Bereichen abhängig von den USA machen.

  1. militärische Komponente
    Im Bereich eines militärischen Komplexes sind die meisten europäischen Staaten nicht in der Lage, mit den USA mitzuhalten. Afghanistan ist dabei ein gutes Beispiel. Die USA konnte innerhalb eines Tages, 6.000 SoldatInnen nach Kabul beordern und dabei den dortigen Flughafen zu sichern und zu betreiben. Das hat die Europäer in die situative Abhängigkeit zu den USA gebracht. Es war allen klar, wenn die USA sagt, die betreibt den Flughafen nicht mehr, dann fehlt es am nötigen Material wie Personenstärke, um den Flughafen zu sichern und weiter zu betreiben.

Damit sind wir schon am nächsten Punkt: dem Material und den militärischen Fähigkeiten, die schnell eingesetzt werden können. Hierbei sind die USA mehr als überlegen und können innerhalb weniger Stunden Truppen inkl. schwerem Material in Krisengebiete verlegen (siehe Bespiel oben). In Deutschland benötigt es hierbei eine Vorlaufzeit von ca. einer Woche, um (proportional) die gleiche Menge an Truppen zu verlegen. In den meisten anderen europäischen Staaten, die militärisch dazu in der Lage wären, sieht es genauso aus. Am ehesten könnte Großbritannien in der zeitlichen Komponente sich mit den USA duellieren.

Damit einhergehend ist im Großen und Ganzen der europäische Defizit in den militärischen Fähigkeiten. Nicht nur zahlenmäßig (das im Übrigen eine deutsche Eigenheit ist, Panzer, Flugzeuge und Fregatten zu zählen), sondern auch im technischen Bereich. Wir Deutschen fliegen noch mit dem alten Tornado herum, währen die F35A eine der modernsten Jets darstellt. Ebenso verhält es sich im boden- und seegestützten Bereich. Die Debatte um die Bewaffnung von Drohnen ist dabei ein Armutszeugnis unserer Ambitionen.

  1. politische Ebene
    Neben den Defiziten der Europäer im militärischen Bereich, fehlte es allen Beteiligten am politischen Willen, noch einmal in Afghanistan (v.a. selbständig) zu operieren. Es ist politisch nicht sexy geworden, (wenn auch nur befristet) militärische Operationen in Afghanistan zu vollziehen. Es wollten schlichtweg alle politischen Beteiligten „nichts wie raus aus Afghanistan“. Dies belegt schon die harte Linie der US-Regierung, die am 31.08. als Enddatum bzw. Abzugsdatum der Kräfte am Flughafen festhält.

Das Ergebnis dieser Erkenntnis führt allerdings nicht dazu, dass sich Deutschland und sich die europäischen Staaten nicht selbständig verteidigen oder auch militärisch selbständig operieren können. Mali mit der EU-Mission EUTM ist dabei ein Beispiel - auch wenn hier auch Fehler aus Afghanistan passieren. Art. 42 EUV ist dabei im Bereich der EU auch so angelegt, dass sich die EU von den USA abnabelt. Allerdings muss im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einiges passieren, dass die EU einheitlich große militärische Operationen durchführen kann.

Das klingt ein wenig so, als sei das negativ.

Vielleicht ist auch einfach die Einsicht eingekehrt, dass man in Afghanistan nicht mit dem Mittel der militärischen Besatzung eine Demokratie und einen Rechtstaat nach westlichem Vorbild aufbauen kann.

Wie gesagt, Demokratie und Menschenrechte mögen für uns universell und allgegenwärtig sein - die Basis für unser Miteinander. Aber wir können nicht mit den Mitteln des Krieges dafür sorgen, dass Menschen, die in völlig anderen Werte-Systemen großgeworden sind, unsere Werte übernehmen.

Ja, das fühlt sich scheiße an - natürlich würden wir gerne die Frauen in Afghanistan befreien, den Kindern dort eine bessere Zukunft bieten und die Menschenrechte der religiös unterdrückten schützen. Aber das darf halt nicht dazu führen, dass man völlig blind und ohne reale Erfolgsaussichten in einen Krieg zieht, nur weil man sich mit den Realitäten in einem anderen Land nicht abfinden kann… blinder Aktionismus hat noch nie etwas positives bewirkt, vor allem nicht, wenn der Aktionismus sich in Krieg äußert.

Auch hier muss man fragen, ob das überhaupt wünschenswert ist. Nachdem die USA sich als Weltpolizei zurückziehen ist die Frage: Wollen wir wirklich, dass Europa an diese Stelle tritt? Ich will das nicht.

Die Europäische Militärpolitik sollte vor allem einen Fokus auf die Verteidigung haben - auch wenn es gerne anders gesehen wird ist die EU tatsächlich auch ein Verteidigungsbündnis. Dazu Art. 47 VII EUV:

In diesem Sinne bin ich für eine verstärkte Zusammenarbeit der Armeen der europäischen Mitgliedsstaaten. Nicht jeder EU-Staat braucht eine eigene Armee mit allen denkbaren Funktionen - eine Spezialisierung, gerade kleinerer Staaten, auf einzelne Bereiche wäre wesentlich sinnvoller.

Aber wie oben schon ausgeführt halte ich einen Verteidigungsfall in Europa ohnehin für nahezu ausgeschlossen, weil es technisch nahezu unmöglich sein dürfte, ein so dicht besiedeltes und modernes Gebiet militärisch anzugreifen und zu halten… die Zeiten konventioneller Kriege unter Industrienationen sind mMn schlicht vorbei… viel wichtiger als die Verteidigung gegen konventionelle Angriffe ist daher die Verteidigung gegen Propaganda und sonstige politische Einmischung - und gegen geheimdienstliche Tätigkeiten (wie z.B. im Fall Skripal oder beim Tiergarten-Mord). Hier wäre mehr europäische Zusammenarbeit zwingend notwendig, da durch den Wegfall der innereuropäischen Grenzen die Sicherheit der deutschen Grenzen nun an den europäischen Außengrenzen und jedem einzelnen europäischen Flughafen gewährleistet werden muss…

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Mir geht es hier gar nicht um Afghanistan. Mir geht es um die Fähigkeit der Bundeswehr als Verteidigungsarmee. Sondern, dass wir 50 Mrd. unserer Steuereinnahmen für eine Armee ausgeben, die im Zweifel binnen weniger Tagen überrannt werden und uns ganz selbstverständlich auf „die Amis“ verlassen, dass die für uns den Kopf hinhalten.

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… und dabei so in eine Abhängigkeit von den Amerikanern geraten, dass wir illegales Verhalten auf deutschem Boden dulden (Steuerung von bewaffneten Drohnen von Rammstein aus) oder unsere Politiker darauf verzichten, deutlich zu machen, warum so viele unserer A400 Flugzeuge (halb)leer aus Kabul rausfliegen mussten (weil die Afghanen auf „unseren“ Listen auch von den US-Soldaten gar nicht durchgelassen wurden)

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Den Witz hat Pispers schon vor mehr 20 Jahren gebracht; " Die Bundeswehr ist dazu da, den Feind an den Landesgrenzen solange aufzuhalten, bis Militär kommt". Leider was Wahres drann.

Nur fragt man sich eben auch: Welchen Feind? Jahrzehntelang hatte man „den Ostblock“, der ist ja nun eher zerbröckelt und dient nicht als Feind, wozu also eine stehende Armee unterhalten? Besonders bei den Summen, die das kostet. Antwort: Weil die NATO das von ihren MItgliedern fordert.

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Also, mir bereitet die „Außenpolitik“ eines Herrn Putins - und nicht nur in den ehemaligen Staaten der SU - und die damit verbundenen Wertvorstellungen zunehmend Sorge. So ganz ohne Verteidigungsarmee wäre m.E. kein wirklich smarter Move. Und eine Arme, die in der Lage ist, notfalls Bundesbürger irgendwo auf der Welt aus „failing states“ zu holen, wäre eigentlich m.E. auch ganz sinnvoll.

Die Ereignisse aus Afghanistan haben mir auch nur als Beispiel genügt. Diese Beispiele haben auch Lehrwert auf die Frage, wie verteidigungsfähig die Bundeswehr für sich alleine genommen ist, falls irgendeine Armee uns angreifen sollte. Gerade hierbei ist vernetztes Handeln wie das Verteidigungsbündnis NATO oder die EU wichtig, sodass sich Deutschland nie alleine verteidigen muss. Die Bundeswehr war noch nie für sich alleine genommen verteidigungsfähig, um einen Angreifer abzuhalten, sie war nie so konzipiert bzw. ausgestattet.

50 Mrd. EUR für den Haushaltsplan 14 zeigt eben auch nicht, wie die Bundeswehr ausgestattet ist. Darin enthalten sind auch Kosten für zivile Unternehmen, die für die Bundeswehr arbeiten bzw. diese beliefern oder Kasernen reinigen. Aber auch das Salär für unsere SoldatInnen sowie die Verwaltungskosten des Ministeriums. Nichts desto trotz ist die Bundeswehr für die Verteidigung nicht genug ausgestattet; die Waffensysteme sind zudem auch veraltet. Siehe Tornado.

Die Freund-Feind-Einordnung ist mit dem Zerfall des Eisernen Vorhangs eigentlich überholt. Die NATO hat sich dabei auch neu ausgerichtet und Russland nicht mehr als Feind betrachtet. Leider ist das in manchen Köpfen noch immer verankert. Russland und China (als Beispiele) sind die systemischen Rivalen im Bereich der Verteidigungspolitik, da sie neben der NATO (oder USA alleine) die Fähigkeiten haben, ihre Interessen - notfalls auch militärisch - durchzusetzen.

Ein stehendes Heer ist aber gerade für eine professionelle Verteidigung (heute: eines Bündnisses) essentiell. Nur so kann im Verteidigungsfall aus- und weitergebildet werden. Auch ist die Bundeswehr nicht nur Verteidigungsarmee, sodass ein stehendes Heer schnell eingreifen kann. Gerade für die Evakuierung von Staatsbürgern oder UN-Missionen.

Das Verhalten der USA in Ramstein - die Weiterleitung der Signale zur Steuerung von bewaffneten Drohnen - ist per se nicht rechtswidrig. Das konkrete völkerrechtswidrige Verhalten findet dabei im Zielland statt. Von deutschem Boden geht dabei nicht unmittelbar eine völker- oder rechtswidrige Handlung aus. Das hat das BVerwG so festgestellt. Auch kann die Bundesregierung auf dem Bereich der Air Base wenig machen (deutsche Jurisdiktion ist dabei eingeschränkt)

Das hindert allerdings nicht daran, dass die USA ihr völkerrechtswidriges Verhalten der targeted killings auf Zivilisten unterlassen sollen. Gezielte Tötungen von Kombattanten sind dabei vom Völkerrecht gedeckt.

Ich meinte es nicht einmal negativ, war eigentlich nur eine Antwort auf die aufgeworfene Frage. Das sog. „nation building“ war primär nicht die Aufgabe der Bundeswehr in Afghanistan. Diese Frage muss von der gesamtpolitischen Präferenz getrennt werden. Die Mandate der Bundeswehr waren im Grunde Stabilisierung durch Ausbildung sowie das Bekämpfen von Al-Qaida. Allerdings waren die Regierungen der Staaten, die auf dem Petersberger Kongress, die Weichen vom sog. „nation building“ betrieben haben. Hierin liegt auch ein Fehler aus Afghanistan.

Ich sehe die GASP und damit die EU auch nicht als Weltpolizei. Vielmehr ist die EU in Einklang mit der UN-Charta für mich im Bereich der Sicherheitspolitik peacekeeper sowie peacemaker in bewaffneten zwischenstaatlichen Konflikten - nie in Bürgerkriege. So ist die GASP auch nach Art. 42 I EUV aufgebaut. Die EU sieht sich nicht nur als Verteidigungsbündnis.

Der Schritt hierzu wäre eine - auch von Macron vorgeschlagene - europäische Armee. Gerade die engere Zusammenarbeit soll die EU erreichen. Gerade unsere Bündnisse sind für uns enorm wichtig, um zu lernen, aber auch zu lehren sowie sich zu verbessern. Leider herrscht in diesem Bereich Einstimmigkeit, sodass eine effektive und wirkungsvolle GASP nie erreicht werden kann.

Der Verteidigungsfall kann eben schon ausgelöst werden, denn auch quasi-staatliche Akteure werden als Angreifer erfasst. Frankreich hat nach den Anschlägen in Paris das Ausrufen des Art. 42 VII EUV erwogen. Wie Sie richtig sagen, die Zeit von symmetrischen (also konventionellen) Kriegen und Konflikten ist vorbei, allerdings kommt dies aber immer wieder vor. Deswegen ist die GASP auch im Bereich von militärischen Operationen anzuwenden und immer noch wichtig.

Die Bundeswehr ist aber nicht zuständig von nachrichtendienstliche Tätigkeiten. Für die engere Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ist allerdings auch wieder Einstimmigkeit erforderlich, die aber nicht realistisch erscheint.

Der Trend in der EU geht ja schon deutlich in die Richtung, das Einstimmigkeitsprinzip abzulegen - alleine schon, um Staaten wie Polen und Ungarn nicht ein Veto in nahezu allen Angelegenheiten zu geben.

Ich selbst bin einer europäischen Armee nicht abgeneigt - denn sie würde genau das ermöglichen, was ich oben forderte: Mehr Spezialisierung auf der Ebene der Staaten, die Staaten brauchen keine „vollwertigen Armeen“ mehr, dadurch gibt es weniger Kompetenz-Doppelungen und weniger Kompetenz-Lücken. Das alles ist durchaus in meinem Interesse.

Allerdings muss man halt sagen, dass diese beiden Entwicklungen nicht kompatibel sind. Denn eine Voraussetzung, die ich an eine europäische Armee stellen würde, wäre ein striktes, unter einer Ewigkeitsklausel stehendes Einstimmigkeitsprinzip. Daher: Eine Europäische Armee darf niemals im Ausland eingesetzt werden, wenn auch nur ein einziger europäischer Staat dagegen ist.

Kritiker würden jetzt sagen: „Aber das macht die Europäische Armee ja völlig handlungsunfähig - außer halt in den extrem seltenen Fällen, in denen sich alle einig sind!“. Mein Gegenargument wäre: Jup, das ist exakt das Ziel des Einstimmigkeitsprinzips. Denn solche Auslandseinsätze sollen die krasse Ausnahme bleiben und nicht zum Normalfall werden.

Daher bin ich für eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in den meisten Bereichen und auch für eine europäische Armee, aber wenn wir in die Richtung Europäische Armee gehen wollen, muss hier das Einstimmigkeitsprinzip fest und auf Dauer unveränderlich verankert werden.

Deutschland, wie der größte Teil Europas, ist Teil des amerikanischen Imperiums. Es ist gar nicht vorgesehen, dass ‚wir‘ in größerem Umfang militärisch eigenständig handlungsfähig sind.

Dürfte den meisten Leuten auch so ganz recht sein (solange Washington die kollektive Sicherheit einigermaßen kompetent garantiert).

Bei einer asymmetrischen Kriegsführung wie in Afghanistan ist die Bestimmung/Identifizierung von Kombattanten halt das große Problem bzw. nicht möglich. Die willkürliche Bestimmung welche Personen den Status „Kombattant“ bekommen führen zu den massiven Fehlern wie sie in Afghanistan passiert sind. Die Willkür dass man als Zivilperson jederzeit grundlos angegriffen werden kann ist aus meiner Sicht Terror.

Wenn wir die „Unschuldsvermutung“ und das fehlen der Todesstrafe zugrunde legen dann ist eine Tötung mit Drohnen, wie sie die USA betreibt, aus deutscher Sicht nicht möglich.

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Exakt das ist das Problem.
Es wird in dieser ganzen Debatte viel zu viel so getan, als wären konventionelle Kriege („Land A schickt seine Armee gegen die Armee von Land B“) noch das Maß aller Dinge. Dem ist nicht so. Konventionelle Kriege haben die letzten 20 Jahre kaum eine Rolle gespielt und werden in Zukunft eine noch geringere Rolle spielen.

Daher müssen bei all diesen Diskussionen z.B. um die Ausstattung der Bundeswehr die Konsequenzen für die asymmetrische Kriegsführung berücksichtigt werden. Und das führt gerade beim Thema „Bewaffnete Drohnen“ ganz schnell dazu, dass man die Drohnen wie die USA einsetzt: Als Polizist, Staatsanwalt, Richter und Henker in Personalunion.

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Ist das so? Die zwei bewaffneten Konflikte, die in den letzten Jahren am nähesten zur deutschen Staatsgrenze stattfanden, sahen mir ziemlich konventionell aus.

Okay, fangen wir mal so an: Wer ist Ihrer Meinung nach potentiell in der Lage, in Europa mit einer konventionellen Invasion einzufallen? Die Standard-Antwort darauf wäre „der Russe!“. Daher möchte ich darlegen, warum es völlig absurd ist, davon auszugehen, dass Russland auch nur annähernd die Kapazitäten hätte, um Deutschland oder gar ganz Europa auf konventionelle Weise gefährlich zu werden.

Schauen Sie sich mal die Geschichte des zweiten Tschetschenien-Krieges von 1999-2009 an. Tschetschenien ist ein Gebiet, welches kleiner als Schleswig-Holstein ist und zu Beginn des Krieges gerade einmal eine knappe Million Einwohner hatte von denen etwas über 200.000 in der größten Stadt, Grosny, lebten.

Die Russen sind mit bis zu 80.000 Soldaten dort reingegangen, sprachen die Landessprache, hatten eine optimale Versorgungslage (weil es quasi die „Heimatfront“ war) und hatten auch in der Tschetschenischen Bevölkerung einige Unterstützer, die sie mit Informationen versorgt haben und sogar an Kampfhandlungen auf Seiten der Russen teilgenommen haben. Die Russen hatten schweres militärisches Gerät (Artillerie, Luftschläge), die Tschetschenen nicht. Grosny wurde beim Vormarsch quasi in Grund und Boden gebombt.

Das Resultat des Krieges: Die Russen haben 10 Jahre gebraucht, dieses winzige Gebiet einzunehmen - und dabei massive Verluste erlitten (etwa im 2:1-Verhältnis, was bei den Machtunterschieden ein absoluter Pyrrhussieg ist). Bis heute sterben dort jährlich noch mehrere Dutzend Menschen durch Kampfhandlungen und russische Truppenverbände sind dort gebunden, um ein Wiederaufleben der Aufständischen zu unterbinden. Ein Sieg sieht anders aus.

Und nun kommen „Militärexperten“ und meinen, dass Russland in Europa einmarschieren könnte? Ernsthaft? Ein Land, dass sich trotz massiver Motivation, schließlich ging es um die territoriale Integrität Russlands, über 10 Jahre abgemüht hat, ein so kleines und dünn besiedeltes Gebiet wie Tschetschenien zu erobern, soll in der Lage sein, mal eben so Deutschland oder gar die ganze EU anzugreifen?!? Ein Land, dass 10 Jahre brauchte, um eine Million Einwohner zu „befrieden“ soll in der Lage sein, in einen Staatenverbund mit 447 Millionen Menschen einzumarschieren? Sorry, aber das ist absurd. Die russischen Kapazitäten wären schon völlig erschöpft, wenn sie versuchen würden, die Westukraine (41 Mio) oder Polen (38 Mio) komplett einzunehmen und langfristig zu besetzen - und das unter der Voraussetzung, dass die angegriffenen Staaten keine militärische Unterstützung bekämen (was im Falle Polens ausgeschlossen wäre wegen der Beistandspflicht aus Art. 42 II EUV).

Kriege mit Territorialgewinn waren schon seit dem Ende des zweiten Weltkrieges stets nur dann möglich, wenn man es geschafft hat, eine Mehrheit der Bevölkerung auf die eigene Seite zu bringen. In Vietnam gelang das den USA nicht - und deshalb wurde der Einsatz für die USA trotz massiver Bemühungen zum Fiasko. Gleiches gilt für Afghanistan. In Südkorea gelang es dem Westen, die Bevölkerung auf die eigene Seite zu ziehen. Ebenso gelang es Russland, in der Ostukraine und auf der Krim den Großteil der Bevölkerung auf die eigene Seite zu ziehen und damit die Grundlage für eine Annexion (im Falle der Krim) bzw. eine Schein-Unabhängigkeit (im Falle der Ostukraine) zu schaffen. In Polen oder der Westukraine wäre das undenkbar, weil dort eben keine großen pro-russischen Bevölkerungsschichten leben.

Kurzum:
Bevor es jemals zu einer Invasion kommen könnte, müsste Russland erstmal den Propaganda-Krieg signifikant gewinnen. Es müsste in den einzunehmenden Ländern mindestens 30-40% der Bevölkerung auf der Seite Russlands stehen, bevor es überhaupt irgendwie realistisch ist, eine Invasion sinnvoll starten zu können. Und diese Gefahr sehe ich nicht.

Die Gefahr ist daher in der Tat Propaganda und Fake-News - so lange das verhindert und effektiv bekämpft werden kann braucht man vor einer Invasion nicht die geringste Angst zu haben - und die Gefahr, dass Russland einen Propagandakrieg gegen Europa gewinnt und eine massive Unterstützerbasis für eine Invasion aufbauen kann ist gleich Null. Und Propaganda und Fake News bekämpft man halt nicht mit der Bundeswehr.

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Dann drücken wir alle mal die Daumen, dass das die Entscheider in Russland auch so einschätzen. Sie schrecken ja auch nicht davor zurück, die Krim zu besetzen, de fact Krieg gegen die Ukraine zu führen, massiv in Syrien mitzumischen, u.v.m.