Obdachlosigkeit und Wohnungspolitik

Das finde ich sehr charmant. Wenn man diese Sozialwohnungen bspw. an Aufstocker gibt, die Vollzeit arbeiten, aber nicht an Vollzeit-Arbeitslose haben wir sogar noch einen zusätzlichen Anreiz, sich am Erwerbsleben zu beteiligen.

Zudem ist es schon so, dass der Sozialstaat als Ziel und Aufgabe hat, allen Leuten zu helfen. Das begründet aber noch nicht das Recht, als Arbeitsloser in den besten Lagen in einer Sozialwohnung wohnen zu müssen. Die bessere/stadtnahe Lage kann man sich ja dann durch Leistung erarbeiten (entweder indem man genug Geld verdient, oder durch o.g. Mechanismus), dann kommen wir aber auch schnell wieder in die Bildungs-Debatte, damit jeder überhaupt die Möglichkeit hat.

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Was für ein negatives Menschenbild! Die allerallermeisten Menschen möchten arbeiten. Arbeit ist Teilhabe und Kontakt und Selbstwirksamkeit.

Mit der Anreiztheorie (Anreiz zum Arbeiten) bestraft man all die Menschen, die gern arbeiten wollen, aber nicht können (Mismatch Arbeitssuchende -Arbeit, Krankheit, Pflege von Kindern oder Alten…)

Wieso bestrafen?

Wenn wir zwei Personen haben, aber nur eine Wohnung, dann würde ich eher eine Bestrafung sehen, wenn die Person die ohne Arbeit flexibler im Wohnort ist in der guten Lage wohnen darf, während die andere Person pendeln muss.

Wir haben hier ja nur zwei Möglichkeiten. Einer pendelt oder keiner pendelt.

Nähe zu zu pflegenden Angehörigen kann ja auch ein Faktor für die Berücksichtigung bei Sozialwohnungen sein.

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Ich stimme @pbf85 in seiner Antwort zu und möchte ergänzen, dass zwischen Obdachlosigkeit und Reichen eine sehr große Bevölkerungsgruppe liegt, welche auch die große Mehrheit in Städten abbildet.

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Das ist nun aber alles mal Bunt gemischt.

  1. Der Sozialstaat würde damit seine Sozialleistung erfüllen
  2. Was hat das nun mit der Mobilitätswende zu tun?

Das war in der Argumentation von @Friedolino doch sehr deutlich. Aber ich führe es gerne weiter aus:
Auch Sozialleistungsempfänger haben ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe („soziokulturelles Existenzminimum“). Wenn du nun anfängst, Sozialleistungsempfänger gegen ihren Willen aufs Land zu verfrachten, es dort aber nicht die Mobilität gibt, um am sozialen Leben der Städte teilzuhaben, weil die Landbevölkerung wegen der stockenden Mobilitätswende auf das Auto angewiesen ist und der Sozialleistungsempfänger eben kein Auto hat, dann ist das ein Problem.

Leute wollen nicht nur in den Städten leben, weil es dort „Arbeit“ gibt. Leute wollen auch dort leben, weil sie dort gerne ihre Freizeit verbringen, weil Städte mehr Möglichkeiten bieten als das Land. Hier eine Zwei-Klassen-Gesellschaft aufzubauen (Quasi „nur wer arbeitet, hat es verdient, in der Stadt zu leben“) halte ich für grundfalsch.

Abgesehen davon wäre es auch einfach nicht machbar. Willst du Langzeitarbeitslose oder Sozialhilfeempfänger zwingen, ihre Wohnungen in den Städten aufzugeben und aufs Land zu ziehen, wo die Chancen, einen Job zu bekommen, noch mal schlechter sind? Diese ganze Idee klingt für mich nach absolutem Populismus. Ja, Wohnungen in den Städten sind begehrt, aber hier „den Markt regeln zu lassen“, also armen Menschen zu sagen: „du bist Arm, du gehörst aufs Land“ ist aus meiner Sicht eine hyperkapitalistische Dystopie, die den sozialen Frieden im Land massiv gefährden würde.

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Ich bestreite sicher nicht, dass es diese Fälle gibt. Ich sage nur, dass ich dieses Problem für annekdotisch halte und das klingt ja auch bei deinem NDR-Beitrag an.

Dort berichten dann Anwohner, dass sie Leerstand beobachten. Teils entpuppen sich die Fälle als tatsächliche als vermutliche Wohnraumspekulation. In anderen Fällen hat der Eigentümer einen Bauantrag beim Bauamt eingereicht und liegt im Antragsverfahren/Rechtsstreit. Das ist sein gutes Recht.

Es ist meines Erachtens nicht ratsam nur aufgrund eines anekdotischen Medienberichts das Problem spekulativen Leerstands zu quantifizieren. Daher möchte ich die Frage erneuern: Kennst du irgendwelche belastbaren Studien zu spekulativem Leerstand?

Wieviele Wohnungen könnten wir am Markt haben wenn wir hier restriktiver wären. Wie groß wäre hingegen der Effekt wenn man Menschen, deren Lebenssituation sich verändert hat (bspw. Kinder aus dem Haus), dazu anhielte ihre Wohnverhältnisse anzupassen. Und wie gehen wir mit dem tatsächlich vorhandenen Leerstand im ländlichen Raum um? In der Stadt, in der ich aufgewachsen bin (damals 80.000 Einwohner), steht heute massig Wohnraum leer. Es gibt Kino, Theater, kleinere Klubs und einiges an Arbeitsplätzen und trotzdem wollen junge Menschen dort nicht hinziehen, da mit Leipzig oder Berlin zwar völlig überfüllte, aber kulturell viel ansprechendere Großstädte in der Nähe liegen.

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Ich weiß nicht, ob es fair ist, solche Studien zu fordern, so lange es keine Offenlegungspflicht dieser Informationen gibt und der Staat diese Informationen nicht systematisch erhebt. Letztlich können wir nur sagen: Es ist denkbar (also nachvollziehbar), dass es hier ein Problem geben könnte - und deshalb können wir nur den Staat auffordern, dieses Problem zu erörtern, denn ohne staatliche Autorität werden sich Wohnraumspekulanten auf ihr Recht zurückziehen, niemanden sagen zu müssen, was sie mit ihrem Eigentum vor haben.

Es ist einfach sehr schwierig, hier an konkrete Zahlen zu kommen, weil die Spekulanten natürlich ein extremes finanzielles Interesse daran haben, diese Informationen geheim zu halten. Die Tatsache, dass es keine verlässlichen Informationen gibt, darf daher nicht dazu führen, Maßnahmen gegen Wohnraumspekulation abzulehnen.

Vielleicht sollten wir hier mal zurück zum Thema! Es geht um Obdachlose. Alle anderen Personengruppen sind doch gar nicht in der Verhandlung.

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Ich rede nicht vom Dorf mit 200 Einwohnern sondern Wohnungen gibt es selbst in Städten mit 70.000 Einwohnern leichter als in solchen mit 250.000.
Anbindung an die Großstädte ist meist ok und während der Pendler die Strecke über 10 mal pro Woche fahren müsste (5 mal Arbeit, plus ggf soziale Teilhabe) wäre es für den Arbeitslosen höchstens 1 mal pro Woche. In der Stadt wo man lebt kann man zudem auch Anschluss finden, wenn man nicht täglich in die Oper, den Tiergarten oder das Staatstheater will.

Wir sind uns sicherlich einig, dass Obdachlose bereits keine Wohnung mehr haben. Es geht doch um die Frage wo man ihnen eine Wohnung beschafft.

Danke @Daniel_K . Du sprichst mir aus dem Herzen.
Es wäre menschenverachtend.

Es wäre Menschenverachtend einem Obdachlosen eine Wohnung außerhalb der Metropolen (wo ja die meisten Obdachlosen sind) zu geben? Das muss man bitte mal erklären!

Wenn es nicht menschenverachtend ist, sollten wir es für alle so machen. eine Behörde weißt Wohnraum zu und wir haben keinen Wohnungsmangel mehr und die Preise sinken. Problem gelöst.

Ok. Dann machen wir es so, dass man erst obdachlos werden muss um in der Metropole eine Wohnung bekommen zu können und die alleinerziehende Mutter von 40 km weiter muss täglich über eine Stunde pendeln weil sie keine Wohnung dort bekommt wo sie arbeiten kann. Oder sie wird halt obdachlos und bekommt dann auch eine Wohnung in der Metropole.

Mir ging es im Zuge dieser Diskussion hier darum, warum wir bei der Vielzahl an Wohnungslosen und Leuten die unfreiwillig weit außerhalb wohnen ausgerechnet die Obdachlosen als die Gruppe identifizieren die dringend Wohnraum in den Metropolen braucht obwohl genau diese Gruppe die am flexibelsten sein könnte.

Edit: Der weitaus größte Teil der Obdachlosen ist gar nicht selbst aus diesen Metropolen. Wir reden also nicht davon Leuten ihre Heimat zu nehmen. Dafür wäre ich natürlich auch nicht.

Das Problem ist das auch diese Menschen meist in einem sozialen Gefüge Leben. Wenn man denen nun auf dem Dorf eine Wohnung findet die bezahlbar ist, was z.b. in NRW auch wirklich mittlerweile ab vom Schuss sein müsste, werden diese zusätzlich vereinsamt. Erlebe das gerade im Bekanntenkreis selbst. Da musste eine Frau aufgrund von Eigenbedarfskündigung und Mangel an günstigen Mieten 30km entfernt in ein Dorf ziehen wo 3mal am Tag ein Bus kommt und nun ist ihr Auto defekt. Diese Wohnung ist nicht mal im Bereich von 400€ aber da war nichts zu finden. Depressionen sind hier vorprogrammiert.

Frau mit Hund und Bürgergeld bezug. Keine Chance auf dem Wohnungsmarkt in NRW. Ohne private Unterstützung wäre Sie obdachlos.

Redest du von Obdachlosen oder von Wohnungslosen? Wie mir ein Streetworker mal gesagt hat ist das Ziel bei Obdachlosenhilfe ja eigenltich sie aus ihrem aktuellen sozialen Gefüge rauszuholen, da dieses meist von Alkohol und Drogen geprägt sei. Langfristige Perspektive haben die nicht, wenn sie immer wieder dorthin zurückkehren.

Wenn wir über Wohnungslose reden ist das ein anderes Thema. Hier ist aber ja ausdrücklich das Thema Obdachlosigkeit.

Dann reden wir aber ja auch nicht von einer Obdachlosen, wenn sie von einer Wohnung in eine andere zog.

Ich habe nirgends geschrieben, dass man Leute aus Wohnungen in den Metropolen umsiedeln soll.

Ich verstehe die ganze Diskussion wirklich nicht. Es ist ja nun beileibe nicht so, als ob es nur für Obdachlose ein Problem gäbe, in Großstädten eine bezahlbare Wohnung zu bekommen. Und erst recht nicht ist Obdachlosigkeit eine Ursache für den eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Umgekehrt ist der Wohungsmangel allerdings (unter anderen) eine Ursache für Obdachlosigkeit. Anstatt also darüber zu fantasieren, Menschen, die sich kaum dagegen wehren können, irgendwohin zu verfrachten - egal ob sie das wollen oder nicht - könnte man ja vielleicht mal darüber nachdenken, wie man das eigentliche Problem angeht.
Kleiner historischer Vergleich zum Beispiel Berlin: Als es die letzten beiden Male so einen krassen Wohnungsmangel gab - das war nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Zweiten Weltkrieg - war die Antwort jeweils ein massives staatlich finanziertes Wohnungsbauprogramm. Das würden einige Marktradikale vielleicht unerträglich finden, aber Millionen Menschen würden davon profitieren.

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Die Frage ist nur ob sich die Situationen vergleichen lassen. Heute haben wir schon recht hoch verdichtete Innenstädte, die Peripherie ist auch recht ausgedehnt, und die Wohnpreise bei Neubauten, seien sie auch staatlich gefördert, sind üblicherweise immer noch zu hoch um als Obdachloser über Sozialhilfe hier eine Startchance zu bekommen.

Ich sehe ohnehin größtenteils nicht die Mietpreise als Auslöser für die steigende Zahl an Obdachlosen, sondern die knappe Zahl an Sozialarbeitern, die diesen Menschen in ihren schwierigen Situationen Hilfestellung geben können. Was natürlich nicht heisst, dass sozialer Wohnungsbau nicht benötigt würde.

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Die Wirtschaftsweisen fordern das auch, aber da ist doch diese Schuldenbremse…

… deren Veränderung die Wirtschaftsweisen ebenfalls fordern.

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