Obdachlosigkeit und Wohnungspolitik

Ich möchte einmal das Thema Obdachlosigkeit ins Blickfeld holen.

Was es bedeutet, obdachlos zu sein, und wie ein Weg aus der Obdachlosigkeit aussehen kann: Interview Dominik Bloh Stephan Anpalagan

Dominik Bloh lebte selbst auf der Straße, kämpfte sich (mit Hilfe) zurück in einen geregelten Alltag und betreibt in Hamburg einen Duschbus GoBanyo.

Aus dem Gespräch geht hervor, wie wichtig eine Wohnung ist, um wieder auf die Beine zu kommen, und wenigstens die Möglichkeit, sich zu waschen, sich wieder als Mensch zu fühlen und so wieder Kraft zu schöpfen, Schritte zu wagen wie den Gang zu Ämtern u.a.

Das Grundbedürfnis einer Wohnung und die fatalen Folgen ihres Fehlens (ohne Wohnung keine Arbeit etc.) müssen wir in den größeren Kontext der Wohnungsnot stellen.

Das System, dass immer mehr Sozialwohnungen aus der Sozialbindung herausfallen lässt, lässt die (zum Teil sicher vorgeschobenen) Eigenbedarfskündigungen weiter zunehmen. Folge: Menschen verlieren ihre Wohnung, Mieten steigen.

ARD Doku

Gleichzeitig gehören die Stadtimmobilien wenigen Immobilienfirmen/Personen, die keinen Grund haben, mehr Wohnraum zu niedrigeren Preisen zu schaffen, da sie weniger Gewinne machen würden https://interaktiv.tagesspiegel.de/wem-gehoert-berlin/.

Problem:

  • Wohnungsnot wird größer, Obdachlosigkeit nimmt zu.
  • Mieten steigen.
  • die soziale Angst in der Bevölkerung wächst und wird oft missbraucht, um die beunruhigten Menschen gegen Migranten und Bürgergeldempfänger aufzuhetzen. Dabei müsste sich die Wut gegen Vermögende richten.
  • Durch das Wohngeld subventioniert der Staat (ungewollt) die Immobilienbesitzer.
  • Die großen Immobilienbesitzer/-firmen haben große Macht und Einfluss.

Lösungsvorschlag:

  • Die Versorgung mit Wohnraum wieder zu einem großen Teil staatlich organisieren (Der „Markt“ hat versagt)
  • Eigenbedarfskündigungen brauchen eine Kontrolle
  • Sozialwohnungsbindung darf nicht wegfallen.

Die Entwicklung ist aktuell sehr negativ. Wohnungsnot ist eines der zentralen Probleme, die innenpolitisch zum Wohle der Bürger :innen gelöst werden muss.
Man könnte sagen: Obdachlosigkeit kann jeden treffen. Was natürlich nicht stimmt, wie Dominik Bloh feststellt. Olaf Scholz, Christian Lindner, Robert Habeck, Friedrich Merz und die meisten Entscheider wird sie natürlich nicht treffen. (Was vielleicht erklärt, warum dagegen nichts unternommen wird). Sie kann aber die meisten Menschen nicht nur in prekären Beschäftigungsverhältnissen, sondern auch aus der (unteren) Mittelschicht treffen.
Krankheit, Jobverlust, Schicksalsschläge können jeden ereilen. Der Weg auf die Straße ist nicht weit, wenn dann kein intaktes soziales Netz (z.B. die Familie) vorhanden ist.

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Hier fehlt ein wichtiger Aspekt, auch in der genannten Doku. Obdachlosigkeit ist ein Großstadt- Phänomen! Im ländlichen Raum gibt es massiven Leerstand an Wohnungen und die Mieten sind sehr niedrig.
Warum muss denn ein Obdachloser eine (Sozial-)Wohnung in der Großstadt bekommen?
Die meisten Obdachlosen sind Arbeitslos und haben oft auch kein soziales Umfeld (Familie) an dem sie gebunden sind.
Die einfachste Lösung ist umsiedeln in den ländlichen Raum.
So hart das klingen mag, aber irgendwann ist der Sozialstaat auch nicht mehr verantwortlich Leistungen bereit zu stellen.

Dort Arbeit zu finden, dürfte schwierig sein.

Warum? In der Stadt aus der ich komme findet man sowohl bezahlten Wohnraum als auch Lehr- und Arbeitsstellen in verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Von angelernten Tätigkeiten bis hin zu den üblichen Lehrberufen. Zudem ist man mit dem Zug in 45 min in einer Großstadt.

Die Frage ist nur, ob die Obdachlosen in der Großstadt überhaupt Obdachlos sind weil sie dort keine Wohnung gefunden haben. Wenn ich Berichte richtig im Kopf habe sind das nämlich eigentlich eher Ausnahmen und der Großteil der Obdachlosen gehen gezielt in die Großstädte oder landen aufgrund anderer Probleme (oft Alkohol oder Drogen) auf der Straße. Hier helfen andere Programme sicherlich mehr als einfach nur günstiger Wohnraum für den man sich dann ja auch aktiv bemühen müsste.

Was natürlich nicht heißt, dass es kein Problem mit der Wohnsituation in vielen Großstädten gibt. Wohnungslose, also solche die unfreiwillig bei Eltern oder Freunden leben müssen gibt es wohl immer mehr. Diese sind dann aber nicht gleich Obdachlos.

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Das wäre Teil einer Lösung, müsste aber auch staatlich organisiert werden. Die wenigsten Vermieter:innen werden bereit sein, jemanden einziehen zu lassen, der so stigmatisiert ist, und die Wohnung lieber leerstehen lassen.

Außerdem sollte man bedenken, dass Obdachlose oft psychologische und sonstige Beratung brauchen, die wird auf dem Land schwer zu bekommen sein.

Klingt hart, ja. Klingt genau genommen nach „lasst sie verrecken“.

Ganz wichtiges Thema. Danke dafür, @Margarete_Amelung. Ich suche gerade einen Nachmieter für meine Wohnung und war enttäuscht als die kommunale Wohnungsgenossenschaft mir quasi verbot Menschen mit Finanzierung durch das Jobcenter vorzuschlagen. Dabei hatte ich etliche Anfragen von Menschen, die verzweifelt suchten.

Nur mit dieser Aussage habe ich Probleme. Aus meiner Sicht hat nicht der Markt versagt, denn der Markt möchte ja gern mehr bauen. Nur es fehlen in den größeren Städten vor allem Flächen zum Bauen und durch die Verschärfung von Auflagen zu Emissionen (Schal, Wärme usw.) wurde bauen immer teurer gemacht. Die Bauämter machen es mit ewig langen Genehmigungsverfahren auch nicht unbedingt leichter. Und die Politik ist auch nicht wirklich hilfreich. Ausgehend von Magdeburg gibt es sogar eine bundespolitische Kleinpartei, die aus Angst um ihre Schrebergärten Wohnungsbau bekämpft.

Von Marktversagen müsste man sprechen wenn es etliche leerstehende, hochpreisige Wohnungen gäbe, also in diesem Segment eine Übersättigung an freien Wohnungen existiere, während massenweise Menschen mit niedrigem Einkommen keine Wohnung finden. So ist es aber nicht. Tatsächlich gibt es quasi für alle Gruppen zu wenig Wohnraum in der Stadt, dafür aber etlichen Leerstand im ländlichen Raum, wie auch @mr.mucki richtig beschreibt.

Kluge Politik müsste sich daher entscheiden entweder Anreize fürs Leben im ruralen Umfeld zu schaffen und damit den Bedarf zu verschieben oder mehr Bauland zu schaffen. Auf den angeblich kaputten Markt zu verweisen lenkt daher vom eigentlich Verantwortlichen ab.

Ja, dass verstehe ich, aber hier muss wirklich einmal die gesamte Bilanz aufgemacht werden.
Was kostest Sozialwohnung bzw. Wohngeldzuschuss, plus alle anderen Zuschüsse und Zuwendungen in der Großstadt im Vergleich zu einer Wohnung und Hartz 4 auf dem Land?
Wenn ich mir die derzeigten Wohngeldzuschüsse in München, Hamburg und Berlin anschaue sind wir hier bei ca. 921€ (laut Wohngeld.org). Das Bürgergeld beträgt 563€ für Alleinstehende. D.h. wenn jemand für 350€ die Wohnung auf dem Land bekommt, ist das schon alleine durch den Zuschuss gedeckt. Laut Immobilienscout gibt es massenhaft Mietwohnungen für Alleinstehende in dieser Preisregion.
Damit ist die Gesamtrechnung (rein Volkswirtschaftlich) eindeutig. Das hilft natürlich dem Individuum bei seiner Re-Integration nicht in diesem Punkt, aber wie gesagt, der Sozialstaat ist auch irgendwann einmal an seiner Grenze.

Es ist ja nicht so, dass es keine Hilfe gibt. Es gehen ja sogar Streetworker gezielt auf Obdachlose zu. Hilfe kann aber ja auch nicht aufgezwungen werden. Gerade wenn dann auch noch Alkohol oder andere Drogen im Spiel sind, dann muss der Betroffene schon auch mitarbeiten. Ich denke darauf wollte @mr.mucki raus.

Hilfe gibt es bei uns z.B. auch in der Kleinstadt, wo tatsächlich sogar schon Obdachlosen aus der Großstadt in ein geregeltes Leben geholfen wurde.

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Naja, wenn psychische Krankheiten (inkl. Suchterkrankungen) im Spiel sind, ist zumindest in manchen Fällen auch erstmal einen Einweisung nötig.

Kann ich mir schon vorstellen, aber ist diese Kleinstadt ein Beispiel für einen Ort, wo massiv Wohnungen leerstehen? Solche Regionen zeichnen sich ja auch normalerweise durch Versorgungs-Engpässe aus.

Natürlich. Aber auch dann hilft ja erstmal nur günstiger Wohnraum wenig.

Massiv nicht. Es gibt aber bezahlbaren Wohnraum. Die Fälle um die es hier geht waren auch natürlich Leute die wohl bereits mittendrin im Prozess zurück in die Mitte der Gesellschaft waren und auf Vermittlung kamen. Erst in eine Unterkunft der Kirche und dann in eine eigene Wohnung.

Soweit ich weiß, ist das genau so. Dazu kommt, dass Immobilienfirmen aktuell bei hohen Zinsen etc. keinen Anlass sehen, mehr zu bauen, da sie sich durch das dann entstehende größere Angebot selbst schaden würden. Das ist halt die Marktdynamik.

„Verrecken“ tun viele Obdachlose durch Kalte Winter (Kälte Tod), Drogen und Alkohol.
Zumindest den Kälte Tod kann man damit ausschließen. Für die anderen Beiden Themen sind ganz andere Maßnahmen notwendig.

Ich glaube, mir ist noch nicht ganz klar, was genau dein Vorschlag ist.

Da bin ich anderer Meinung. Aktuell tragen Vermögende nur wenig zum Gemeinwesen bei. An der Schraube kann und muss man drehen und denen wieder auf die Beine helfen, die es allein nicht können. Am Ende profitieren davon alle.

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Diese Diskussion gab es hier im Forum doch schon mehrfach und bisher konnte niemand belegen, dass im hochpreisigen Bereich in den großen Städten tatsächlich signifikanter Lehrstand besteht. Klar ist mal die eine oder andere Wohnung leer, aber im Großen und Ganzen scheint das annekdotisch.

Schau doch mal auf die einschlägigen Portale und such nach 5+Raumwohnungen in Berlin. Die sind dort quasi nicht existent und die Preise sind enorm.

Gäbe es Marktversagen (also ein Überangebot mit signifikantem Leerstand) müssten die Preise für solche Wohnungen nahe denen von 3 oder 4 Raumwohnungen liegen, da die sich nicht vermieten ließen.

Das ist aber nicht der Fall. Ich hatte binnen 20 Minuten ungelogen >50 Anfragen, viele mit ausführlicher Selbstbeschreibung und Berufs-/Gehaltsangaben.

Wirklich, was du beschreibst mag im Einzelfall bestimmt stimmen. Aber es ist anekdotisch. Die paar Bonzenbuden britischer Investmentbanker am Alex mit 12 Zimmern und 4 Badezimmern sind sicher ärgerlich, aber fallen ganz sicher nicht ins Gewicht.

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In der Doku werden auch leerstehende Wohnungen erwähnt. Ich habe auch schon öfter darüber gelesen, dass es ein Problem mit Leerstand zum Zwecke der Profitsteigerung gibt, z.B. hier https://www.ndr.de/fernsehen/Wohnungsnot-Wie-mit-leeren-Wohnungen-Kasse-gemacht-wird-,duerfendiedas472.html

Im übrigen: Seit ihr wirklich der Meinung, dass nur noch reiche Menschen in Städten wohnen sollten @mr.mucki @pbf85 ? Klingt für mich nicht nach einer gesunden Gesellschaft und Gemeinschaft.

Nein, das legst du mir auch in den Mund. Ich bin aber der Meinung, dass in einer Zeit in der mehr Leute in Städten wohnen wollen als können, die Vorrang haben sollten die auch in dieser Stadt arbeiten.
Eine Sozialwohnung für den Arbeitslosen in der Stadt, während viele keine Wohnung finden und von außerhalb täglich reinpendeln müssen ist für mich Unsinn. Wenn wir den Korrekturfaktor Preis nicht mehr haben wird sich der Fokus für Arbeitsplätze auf Städte noch mehr verstärken.

Günstigeres Leben in kleinen Städten ist aktuell ja eigentlich einer der letzten Standortvorteile dieser Städte.

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Das klingt nicht nur hart sondern auch falsch. Es ist genau das konstituierende Merkmal des Sozialstaates grundlegende Leistungen bereit zu stellen.
Zudem erscheint es mir recht widersprüchlich, dass der Landbevölkerung die Mobilitätswende nicht zuzumuten sein soll, weil sie mangels öffentlicher Verkehrsinfrastruktur auf das Auto angewiesen sind und gleichzeitig sollen Menschen, die sich definitiv kein Auto leisten können, aufs Land „umgesiedelt“ werden?

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Gibt es dazu auch Studien, dass das wirklich der wesentliche kausale Zusammenhang ist, oder unterstellen wir hier den “Bösen Immobilienfirmen” einfach mal wieder etwas, was politisch aus anderen Gründen verpennt wurde. Zumindest eine Statistik zur Marktzusammensetzung wäre interessant, ich kann mir wegen der vielen privaten Anleger nur schwer vorstellen, dass wir hier einen Oligopol-Markt haben. Wo sind denn die 400.000 Wohnungen, die Olaf angekündigt hat.

Darüber hinaus würde ich auch @mr.mucki zustimmen wollen. Der Hauptgrund für Obdachlosigkeit ist selten monokausal, dass man keine Wohnung gefunden hat. Wer aber wirklich von der Straße weg will, der sollte dann auch mit einer Wohnung auf dem Land zufrieden sein. Dass häufig Alkohol und Drogen eine Rolle spielen, unterstreicht die Notwendigkeit für Hilfen. Man muss aber auch wollen. Nach Anecdotal Evidence aus anderen Dokus habe ich auch schon Leute sagen hören, dass sie gar keine Wohnung wollen :slight_smile:

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Das hat mit „böse“ nichts zu tun. Ist ja Ziel und Aufgabe von Unternehmen, möglichst viel Gewinn zu machen, nicht wahr? Und den können sie aktuell wegen gestiegener Zinsen etc. nicht mit Bauen machen. Findet sich in div. Zeitungen.
Wem wie viele Immobilien in den Großstädten gehören (Oligopol?):
Für Berlin kann ich diese Quelle beisteuern https://interaktiv.tagesspiegel.de/lab/mieten-und-renditen/#:~:text=Berlin%20ist%20Hauptstadt%20der%20Mieter,eine%20Analyse%20des%20Immobiliendienstleisters%20Savills.