Ich folge dem Aufruf im podcast und habe mich hier etwas umgeschaut. Durch den in der letzten Lage besprochene Punkt um einen Richter und dessen mögliches „Berufsverbot“ kam ich über das Thema der ehrenamtlichen Arbeitsrichter - und wie diese ihre Berufung ausschließlich über die Gewerkschaften erhalten - auf die Frage: Was machen wir eigentlich wenn es die Gewerkschaften bald so nicht mehr gibt - und was bedeutet das gesellschaftlich für uns?
Schaut man sich die Mitgliederzahlen der großen deutschen Gewerkschaften seit der Wiedervereinigung an, geht es steil nach unten.
Der Auftrag und die Sinnhaftigkeit von starken Vereinigungen von Mitgliedern, zur Wahrung von gerechten Arbeitsbedingungen und als ein Gegenpol zur eher kapitalistisch orientierten Arbeitgeberseite besteht jedoch weiterhin.
Auch der Gesetzgeber stärkt Gewerkschaften, mit z.B. besonderen Rechten. So z.B. im Betriebsverfassungsgesetz, um Betriebsratswahlen zu initiieren oder im Arbeitsgerichtsgesetz, um ehrenamtliche Richter an den Arbeitsgerichten zu berufen ([§ 20 ArbGG - Einzelnorm]).
Aber warum scheint der Trend eher auf eine Zeit hinauszulaufen, in der Gewerkschaften zunehmend an Einfluss und Bedeutung verlieren?
Es wäre spannend dieses Thema einmal ausgiebig zu beleuchten und einzuschätzen. Vielleicht sogar mit einer Person die sich in den gewerkschaftlichen Strukturen in Deutschland auskennt.
Als Gesprächsanreiz hier gerne einleitend einige Thesen und Fragen zum Thema:
- Eine Gewerkschaft lebt von Ihrer Mitgliederanzahl. Sinkt diese unter eine kritische Masse, steht auch die Legitimation ihrer Rolle als „Interessenvertreter“ in Frage. Wird ggf. von Gegenseiten nicht ernst genommen – wird beispielhalft bei Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht eingebunden – und wird auf lange Sicht - aufgrund der fehlenden Wehrhaftigkeit - bedeutungslos. Ohne Gewerkschaften – wird es weniger Tarifverträge geben – ohne Tarifverträge (oder durch, mit arbeitgeber-einseitig geprägte Tarifverträge) werden sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern – was wiederum negative Auswirkungen auf das soziale und gesellschaftliche Miteinander haben wird.
- Warum schaffen es die Gewerkschaften, seit vielen Jahren, nicht den schwindenden Organisationsgrad aufzuhalten?
- These: Behäbigkeit?
Man hat sich eingerichtet, in einem Apparat aus Funktionen, organisatorischen Ebenen und parteilichen (Macht-) Strukturen.
Diese sieht keine (demokratische) Außen-Beeinflussung vor – der persönliche Weg ist seit Jahrzehnten der Gleiche (Jugendorganisation – Ortsverein – Landes… - Bundesebene.) Ähnlich wie bei einer Partei. Aber da liegt auch der Unterschied. Eine Partei muss sich regelmäßig bei Wahlen beweisen. Ein Monopolist nicht. - These: Monopol?
Es gibt keine (nennenswerte) Konkurrenz, an der man sich ausrichten muss. Keine Organisationen, die um die gleichen Beschäftigtengruppen als potenzielle Mitglieder kämpft, um ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen einzustehen. (Als Ausnahme, wo dies anscheinend doch passiert, sei bei der GDL und EVG)
„Konkurrenz belebt das Geschäft“. Und das Geschäftsziel ist hier wäre die „Interessenvertretung“.
Aber Konkurrenten sind nicht vorgesehen. Sollte es erkennbare Bewegungen geben – werden diese aktiv bekämpft – obwohl es auch diesen um die gleiche Sache geht. - Wäre es nicht längst an der Zeit das Gewerkschaften sich aktiv selbst reformieren?
- Attraktivitätssteigerung durch moderne, schnelle und basisdemokratische Entscheidungsprozesse
(online Konferenzen / Mitgliederentscheide etc.) - Wieder mehr „Verein“ statt „Partei“.
- Gezielte – transparente und zweckgebundener Einsatz von Mitgliederbeiträgen.
(Einer der Gründe für Austritte ist die Höhe der Mitgliedsbeiträge)
Weniger Rosen zum Frauentag, weniger unnützen Gimmick, z.B. zur Einflussnahme in den Betrieben bei Betriebsratswahlen, um gewerkschaftsnahe Kandidaten besonders zu unterstützen. (Betriebsräte werden von den Beschäftigten im Betrieb gewählt. Wenn die Gewerkschaftsleute im Betrieb gut sind und das Vertrauen der Belegschaft genießen, werden sie gewählt. Wenn Gegenkandidaten gut sind, werden diese gewählt.) Schlankere und effizientere Verwaltungsstrukturen. - Mehr Zusammenarbeit mit Personen und Gruppen, welche die gleichen Ziele haben aber nicht Gewerkschaftsmitglied sind.