Danke, dass Ihr in der aktuellen Lage auf die Kritik an Euren letzten Beiträgen über Menschen, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollen, eingegangen seid. Ein Punkt fehlt mir aber nach wie vor schmerzlich. Es geht m. E. nicht (in erster Linie) darum, netter zu sein oder mehr Leadership in der Kommunikation an den Tag zu legen. Mich stört, dass das Phänomen Impfgegner bei Euch in letzter Zeit auf zwei Optionen zusammenschnurrt:
a. Das sind Leute, die es aus irgendwelchen nicht nachvollziehbaren Gründen einfach nicht checken und denen man das jetzt aber wirklich nochmal gründlich erklären muss. Oder die einer starken politischen Ansage dann schon folgen werden (zwischen den Zeilen: bisschen autoritär sind die ja sowieso drauf …)
b. Das sind Leute, die es aus irgendwelchen nicht nachvollziehbaren Gründen einfach nicht checken und die man jetzt – Donner auch! – einfach mal zwingen muss.
Nicht nur aus meiner eigenen Erfahrung im Umgang mit Impfgegnern heraus halte ich das einfach für defizitär, und zwar für gefährlich defizitär, weil es ein unrealistisches Bild der Lage ergibt, das von vermeintlichen oder echten kognitiven Defiziten auf der einen und starken ethischen Ansprüchen auf der anderen Seite dominiert wird.
Da ist aber mehr dahinter als Dummheit, Indifferenz oder Boshaftigkeit. Die Beobachtung, dass Impfgegnerschaft vielerorts mit AfD-Wählerschaft korreliert, sagt ja schon etwas aus. Ich sehe bei sehr vielen hinter ihrer Impfopposition ein über Jahre gewachsenes Misstrauen in den Staat, in „das System“, gegenüber Institutionen uvm. Und ganz ehrlich, dieses Misstrauen ist nicht ohne Grund gewachsen, so irrig und fatal es auch freilich ist.
Ich finde, wenn wir über die Kohorten nachdenken, die uns jetzt in der Pandemie fehlen, müssen wir bei aller Dringlichkeit über diese Gründe nachdenken. Ich bin überzeugt, dass es bei einem großen Teil dieser Menschen absolut keinen Weg gibt, sie zu einer Impfung zu bewegen. Weil einfach mehr und anderes dahinter steht.
Das bedeutet zweierlei:
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Wir müssen trotzdem jetzt anfangen, uns damit mehr und besser auseinanderzusetzen, und zu überlegen, wie wir diese Leute aus ihrer Distanz herausbekommen; was Jahre dauern wird; was wir aber brauchen werden, bei der nächsten Pandemie oder bei sonst einem der drängenden Probleme, die wir in den kommenden Jahrzehnten zu bewältigen haben werden.
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Wir müssen realistisch damit rechnen, dass sich ein wahrscheinlich zu großer Teil einfach nicht mehr impfen lassen wird. Wir müssen die Folgen dieser Weigerung kalkulieren und damit so gut es geht umgehen. Wenn wir uns dabei entscheiden, irgendeine Form von rechtlichem Zwang einzusetzen, wozu ich auch berufsspezifische Impfpflichten zähle, müssen wir reflektieren, was das mit diesen Leuten macht und wie wir mit den Folgen politisch und gesellschaftlich umgehen.
Und genau diese Reflexion fehlt mir in Euren letzten Beiträgen.