Neuwahlen in Deutschland

Wie ist eure Sicht der Dinge? Brauchen wir auch Neuwahlen in Deutschland?

Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass eine Regierung für eine Legislatur gewählt ist und dann auch bis zum Ende regieren sollte (unabhängig vom aktuellen Stimmungsbild in der Gesellschaft). Bei unserer aktuellen Regierung habe ich aber das Gefühl, dass sie innerlich abgewirtschaftet ist und keine großen Impulse mehr für das Land bringen wird.
Ich habe die Befürchtung, dass jetzt einfach Stilstand bis zum Ende der Legislatur herrscht und man damit den extremen Rändern noch mehr Auftrieb gibt.

Das Gefühl teile ich, wobei der Haushaltsstreit offen ist. Wenn sowohl SPD, als auch Grüne ankündigen nicht mehr nachzugeben bei Ausgaben, dann sollte es das gewesen sein mit der Ampel.

Die einzige Lösung, die ich sehe, wäre eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrages unter den aktuellen Rahmenbedingungen. Bin mir aber nicht sicher, ob die zu diesem Kraftakt noch in der Lage sind.

Ich frage mich aber auch, was die Motivation der Parteien ist weiter zu machen? Klebt man an den eigenen Posten? Ich glaube nicht einmal, dass die Regierung selbst eine Fortsetzung der Ampel in der nächsten Legislatur anstrebt. Hofft man, dass sich die Stimmung im Land noch mal dreht? Wie soll das denn gelingen?

Letztlich dürfte es ja schon noch Projekte geben die noch nicht fertig umgesetzt sind, über die man sich aber einig ist. Diese würde man ja mit Neuwahlen ebenso opfern. Und wirklich neues kommt doch in der zweiten Hälfte einer Legislaturperiode generell nicht mehr rum. Projekte die nicht ohnehin in der Umsetzung sind werden da kaum mehr angegangen, weil es unrealistisch wäre diese noch abzuschließen. Und spätestens ab Jahreswechsel steht ja dann ohnehin der Wahlkampf im Mittelpunkt und damit ein Abgrenzen auch von den Koalitionspartnern.

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Denke auch das diese Legislaturperiode noch durchgezogen wird und nach der nächsten Wahl stellt sich die Frage eh nicht mehr ob man eine Ampel macht.
Keine der Parteien hätte davon einen Vorteil.

Da ist dann die Frage, was dabei rauskommen soll bzw. welche Rahmenbedingungen sich geändert haben. Ein „Update Ukraine-Krieg“ täte dem Vertrag vielleicht ganz gut, ansonsten wird ja laufend etwas nachjustiert. Entgegen dem hier auch oft diskutierten Eindruck, die Regierung würde sich nur zerfleischen und es gäbe einen Bruch des Koalitionsvertrages nach dem anderen habe ich aber doch den Eindruck, dass sich die Parteien im Großen und Ganzen an den Koalitionsvertrag halten (Edit: und in der öffentlichen Kommunikation trotzdem zerfleischen) - im Rahmen dessen, was die Interpretation und Prioritätensetzung halt so hergibt.

Warum sollte da gar nichts mehr kommen? Über 1/3 der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag ist noch nicht begonnen, weitere 30% nur begonnen, aber nicht umgesetzt.

Davon ab: Auch für eventuelle exogene Ereignisse braucht es eine handlungsfähige Regierung und parlamentarische Mehrheit. Und da sehe ich nicht, warum man der Ampel weniger eine angemessene Reaktion zutrauen müsste als Merz-Union + X. Die Gaskrise wurde auch ganz gut durchgestanden.

Meine Sicht ist,das es keine Neuwahlen geben wird. :wink:

Meiner Meinung nach bringt ein vorzeitiges Regierungsende gar nichts. Man sollte - so gut wie es eben geht - die anstehenden Projekte und Aufgaben umsetzen (die mit der FDP eben möglich sind) und sich parallel bei der Vorbereitung auf die kommende Bundestagswahl auf eine neue Art des Wahlkampfes konzentrieren. Grüne und SPD könnten schon mit einer Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen und quasi dem Wähler eine Art fertigen „Koalitionsvertrag“ präsentieren. Aussage: Man wolle versuchen eine Mitte-links-Koalition mit absoluter Mehrheit zu erreichen (vielleicht auch mit Volt und weiteren Parteien abseits von CDU und FDP), die dann auch die volle Regierungszeit folgende Projekte umsetzen möchte (vernünftige und sinnvolle Klimapolitik, Reform der Schuldenbremse zugunsten von Investitionen, Fokus auf Bildung, Demokratie/Grundrechte/Begegnung von Desinformation, sinnvolle Migrationspolitik, etc.). Dabei sollte dem Wähler klar sein, was kommen soll und wie schmerzhaft die Finanzierung für wen sein wird.
Ich denke, dass die Bevölkerung reif ist für etwas Neues und dass wir uns wundern werden, wer alles eine solche Koalition wählen wird (möglicherweise die ganzen „von der Ampel-Enttäuschten plus die, die immer nur „notgedrungen“ die CDU wählen, denn eigentlich mag so gut wie niemand Friedrich Merz :wink:). Vielleicht könnte man mit dieser Art von Neuausrichtung den Rechtsruck wieder „einholen“ und diesem furchtbaren Populismus von FDP über CDU bis zur AfD etwas (ich sage mal) „Spannendes“ entgegensetzen. Natürlich müssten die Personalien der einzelnen Parteien dieser Koalition geschickt ausgewählt werden, dass der Wähler hier eine gewisse Identifikation erfährt und sich darüber die entsprechende Partei dieser Koalition aussucht.

Und das in einer Zeit in der GEG und Verbrenneraus selbst Leute auf die Barrikaden bringen die davon quasi nicht betroffen sind?

Oder man reduziert die linken Parteien im Bundestag auf irgendwas knapp über 20% und schafft Platz für eine Schwarz-Gelbe Regierung. Denn seien wir realistisch…nur wenige wollen über konkrete Einschnitte nachdenken und die Mehrheit will einfach nur dass woanders gehandelt wird, aber nicht da wo es einen selbst betrifft.

Populismus funktioniert halt doch vor allem deshalb, weil es die Leute hören wollen. Für Ehrlichkeit bekommt man vielleicht ein Schulterklopfen aber keine Stimmen jenseits der Stammwähler.

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Ich würde sagen 1) veränderte Sicherheitslage in Europa (Zeitenwende), 2) KTF-Urteil (Wie können wir die Klima-Transformation steuern und finanzieren), 3) Wirtschaftskrise (denn ohne starke/ wachsende Wirtschaft werden wir weder 1) noch 2) hinbekommen).

Mag sein, dass da noch Punkte auf der Agenda stehen, aber das sind aus meiner Sicht nicht die drängenden Fragen unserer Zeit. Können wir es uns leisten, da noch bis zur nächste Wahl zu warten? Wenn wir uns jetzt nur noch mit „Randthemen“ beschäftigen, wird das denn Frust der Gesellschaft noch weiter anfachen und dann reden wir bei der nächsten Bundestagswahl vielleicht noch von ganz anderen Zustimmungswerten bei AfD und Co.

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich glaube daran, dass viele Menschen sich von einer ehrlichen politischen Idee mitnehmen lassen würden. Viele sind z. B. gegen das Verbrenner-Aus, nur weil sie nicht richtig informiert sind und Populisten auf den Leim gehen. Hier bräuchte es Politikertypen, denen die Menschen glauben und vertrauen und bei denen man spüren kann, dass sie für eine Erneuerung stehen. Viele Menschen wählen eher eine Person als eine Partei/ein Programm. Aufpassen muss man, dass Populisten und Kampagnen diese dann nicht wieder so in den Dreck ziehen (Beispiel Habeck).

Die Hoffnung, dass sich Leute von ehrlichen Ideen mitnehmen lassen halte ich für ziemlich aus der Luft gegriffen. Vor allem weil es genug Akteure in Medien und anderen Parteien gibt, die keine Chance auslassen dagegen zu schießen.

Die einzige Chance die ich sehe ist ein Wahlkampf in dem man versucht Win-Win Situationen zu generieren. Also statt das Ziel zu kommunizieren Innenstädte Autofrei zu machen könnte man das Ziel skizzieren das Angebot an Raum so umzugestalten, dass die Zufahrt vom Umland einfacher wird und zwar für alle, sowohl die, die den ÖPNV nutzen wollen (Ausbau P+R, bessere Taktung, etc.), für die, die das Rad nehmen (mehr Fläche für Radwege und Abstellmöglichkeiten) als auch für die, die das Auto nehmen (weniger Rückstau im Kernbereich durch weniger Autos & bessere Verkehrsführung).
Natürlich wäre das weniger konsequent als weite Bereiche weitestgehend Autofrei zu machen, aber es wäre vermittelbarer und damit realistischer umsetzbar.
Das Beispiel ist jetzt natürlich eher kommunalpolitisch, aber ich hoffe du verstehst was ich meine. Absolut ehrlich wäre das vielleicht nicht, weil so eine Eierlegende Wollmilchsau immer auch aus Kompromissen besteht, aber es wäre eine verbindende Zielsetzung statt eine bei der sich bestimmte Gruppen ausgeschlossen fühlen. Aber auch sowas kann natürlich weiter torpediert werden von Leuten die schon der Entfall einer Fahrspur als Angriff aufs Auto sehen.

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Das hatte ich bei allen Regierungen unter der Kanzlerin Merkel :sweat_smile:.
4 Jahre sind keine lange Zeit aus meiner Sicht, die sollten ausgenutzt werden.

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Dann wäre aber doch die Konsequenz, dass die Parteien verschmelzen. Wenn im Vorfeld schon der „Koalitionsvertrag“ feststeht, warum sollen die beiden Parteien dann noch um Stimmen konkurrieren?

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Amen. In einer Gesellschaft, die nicht von absoluten Mehrheiten regiert wird, sollte das meines Erachtens immer das übergeordnete Ziel sein. Alles andere finde ich ich auch irgendwie undemokratisch.

Die gefühlte Realität ist allerdings, dass Minderheitenparteien (Volksparteien gibt es ja nicht mehr) versuchen ihre Partikularinteressen aufgrund der komplizierten Mehrheitsverhältnisse auf das ganze Land zu übertragen. Beispiele lassen sich hier für jede beliebige Parteifarbe finden.

Stimmt, KTF-Urteil hatte ich ganz vergessen. Bei „Wirtschaftskrise“ würde ich widersprechen, da es da eher um eine Vielzahl langfristiger Faktoren geht (insbesondere Gas- und Exportabhängigkeit, Investitionsstau, Demographie und Arbeitskräfte, Bürokratie), die lange bekannt waren und nun zum Tragen kommen. In den Koalitionsvertrag haben die schon Eingang gefunden und wenn es auch in der Form sein sollte, dass die Koalitionäre keinen Handlungsbedarf sehen (was nicht der Fall sein dürfte, auch wenn ich nicht alle Punkte gecheckt hab).

Aber insgesamt würde ich sowieso nicht denken, dass sich gerade ein Fenster für eine große, gemeinsame Positionsbestimmung und Neuorientierung aufgetan hat. Denn die drei Parteien haben ohnehin immer wieder die Entwicklungen mit politischer Relevanz wahrgenommen, Optionen sondiert und ggf. nachjustiert. Sie haben trotzdem nach dem 24.02.2022 und auch nach dem KTF-Urteil keinen Anlass gesehen, den Koalitionsvertrag neu zu verhandeln, sondern andere Verständigungen getroffen. Warum sollte dann eine bloße EU-Wahl, die ja anders als die erwähnten Ereignisse nicht einmal real Handlungsspielräume verändert, ein solcher Anlass sein?

(Am Rande: Das pauschale „ohne Wirtschaft ist alles nichts“ teile ich nicht, schon gar nicht, solange nicht definiert ist, wer oder was „die Wirtschaft“ ist und wenn Wirtschaftsstärke allein oder vorrangig BIP-Wachstum bedeutet. Man könnte auch genau so gut behaupten, ohne 1) oder 2) werden wir eine starke/wachsende Wirtschaft nicht hinbekommen.)

Klar, ist möglich. Ich würde aber mal das Potential von authentischen Personen nicht ohne einen Versuch unterschätzen. Wie man es genau macht, darüber sollte diskutiert werden. Ist doch wunderbar, dass wir bereits mittendrin sind. Auch zwischen Mitte-Links-Parteien sind die Ziele und Zielerreichungen natürlich etwas unterschiedlich und jede Partei darf und sollte mit ihrer eigenen Agenda natürlich auch sichtbar bleiben. Aber das große erreichbare Ganze, quasi der gemeinsame Nenner dieser Koalition, der könnte schon im Wahlkampf als Ziel ausgegeben werden. Werden die Grünen dann die Gewinner sein, so stellen diese den Kanzler, etc. und das Ganze wird eben noch etwas „grünere“ Nuancen haben. Erreicht die SPD die meisten Sitze, so stellt diese den Kanzler und das Ganze wird etwas „sozialverträglicher“. Aber der Kern steht vorher und wenn man das als festes Ziel ausgibt, könnte man viele Menschen erreichen, die den Streit der Ampel satt sind und auch Friedrich Merz als Kanzler nicht wollen. Soweit die Idee.

Stimmt. Das ist eine strukturelle Krise, die sich nun langsam immer deutlicher manifestiert. Aber wenn Wirtschaft- und Finanzminister (zumal aus sehr unterschiedlichen Lagern), beide die Schlüsse ziehen, dass im Bezug auf die Wirtschaft akuter Handlungsbedarf besteht und nix passiert, dann muss man schon von einer Regierungskrise sprechen.

Dann fragt man sich aber was das mantraartige Getöse der drei Partner soll. Wenn die Grundpfeiler der Koalition von niemandem in Frage gestellt werden, wieso höre ich aus der Ecke der SPD dann fortlaufend Forderungen nach einer Reformation der Schuldenbremse bzw. Steuererhöhungen? Die sind doch per Koalitionsvertrag ausgeklammert.

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Kann ich schon alles verstehen. Bin nicht tief genug drin, um sagen zu können, ob wirklich „nix“ passiert - kann wieder nur auf den Koalitionstracker verweisen.
Was das Getöse anbelangt, gute Frage. Anscheinend kommen die Parteien jede für sich zum Schluss, dass es politokönomisch für sie lohnender ist, in der Koalition zu bleiben und sich fortlaufend aneinander abzuarbeiten. Eventuell ist das auch eine stille Übereinkunft. Oder sie können es nicht besser.

Da ja auch bei vorgezogenen Neuwahlen keine Partei die absolute Mehrheit holen würde (vermute ich), würde es wieder zu einer Koalition kommen.

Gäbe es denn aktuell mögliche Koalitions-Kombinationen, die eine reibungslose und lösungsorientierte Regierungsarbeit erwarten lassen? Ohne parteipolitische Profilierung?

Wenn wir mal von Spitzenkandidaten wie Merz (CDU), Scholz (SPD), Lindner (FDP), Habeck ? (Grüne), Weidel (AfD) und Wagenknecht (BSW) ausgehen:

Gibt es da überhaupt genug Schnittpunkte und Kompromissbereitschaft?