Nach Bidens Rückzug übernimmt Harris Verantwortung - wer sollte ihr Running Mate werden?

Sie kämpfen aber beide um die „undecided voters“ in den swing states und da muss Harris gegenüber Trump Wähler für sich gewinnen und das wird ihr nicht gelingen, wenn sie zu links erscheint. Aus der Trumpbase greift sie selbstverständlich sowieso niemanden ab.

Dabei darf man aber den zweiten Punkt nicht vergessen:

Es geht auch um die Mobilisierung eigener Wähler - es ist nicht mal unlogisch, davon auszugehen, dass dieser Faktor sogar noch wichtiger ist als die „Undecided“-Wähler. Die eigene etwas linkere Basis, vor allem die jungen Wähler, mobilisiert man nicht mit einem reinen „Mitte-Kurs“, diese Leute mobilisiert man so, wie wir es bei Obama („Change!“) gesehen haben.

Es ist eine wirklich komplexe Abwägung, wessen Gunst zu gewinnen wichtiger ist: Die Unentschiedenen oder die Möglicherweise-Nichtwähler, die sich weder von Republikanern noch von „konservativ-mittigen Demokraten“ angesprochen fühlen…

Zumal die linken Demokraten ohnehin schon seit Jahren das Gefühl haben, zur Rettung des Landes einen Kandidaten der Mitte absegnen zu müssen, der ihre Forderungen zu wenig berücksichtigt. Ohne progressiven Anstrich könnte das ticket daher zu wenig eigene Wähler mobilisieren (wobei ich jetzt nicht weiß, wie sich die links-progressiven auf die swing states verteilen). Denn Harris wird ja sehr wahrscheinlich 8 Jahre im Weißen Haus bleiben wollen, also jede linke Demokrat der sie jetzt stützt, weiß, dass es damit bei der Wahl 2028 wohl ebenfalls keinen progressiven Linken Kandidaten geben wird.
Da das Trumplager Harris wohl als linke Extremistin portraitieren wird - obwohl sie ja eigentlich ne law and order Frau ist - ergibt sich daraus wirklich eine Zwickmühle: Nimmt sie einen links-progressiven VP, um die eigenen Wähler zufrieden zu stellen, wird Trump den undecided votern vorkauen, dass der Sozialismus drohe. Nimmt sie hingegen einen konservativen VP Kandidaten, um für die undecided voters dem Eindruck einer linken Agenda zu zerstreuen, könnte das die links-progressiven Wähler abturnen.

Also wie du schon sagst, es wird ein Drahtseilakt werden. Auch wenn ich unterm Strich glaube, dass man eher versuchen wird, die Mitte zu umarmen. Denn vor dem HIntergrund hochstilisierten „autokratischen Schicksalswahl“ gegen DJT, werden die progressiven Linken wohl oder übel zur Wahl gehen müssen, denn bei einem Wahlsieg der Republikaner ist ja auch unabsehbar wie es 2028 aussehen wird.

Wobei trumps erste Amtszeit und die Tatsache, dass er sich mittlerweile eher noch härter gibt durchaus ein Argument sein dürfte auch für progressive Wähler zur Wahl zu gehen um Trump zu verhindern.

Wenn ich die Analysen der Wahl 2016 im Kopf habe, da hiess es ja dass für viele egal war ob es Clinton oder Trump wird. Ob die das rückblickend auch noch so sehen würde ich bezweifeln.

Der Spagat dürfte also weniger darin liegen diese progressiven Kräfte zu überzeugen und gleichzeitig Wechselwähler auf seine Seite zu ziehen sondern es genügt den progressiven Wählern ein Angebot zu machen welches glaubhaft genug ist, dass diese einen echten Mehrwert darin sehen Trump zu verhindern. Und das gelang eben 2016 nicht, 2020 aber schon.

Vielleicht setzt hier ja ein wenig ein Lernprozess ein, zumindest gehörten Exponenten der linken Demokraten - Bernie, AOC, Omar - in den letzten Wochen zu den deutlichsten Unterstützern Joe Bidens, und zwar ausdrücklich aufgrund seiner gewerkschafts- und minderheitenfreundlichen Politik.

1 „Gefällt mir“

Jetzt, nachdem George Clooney Kamala Harris unterstützt hat, stellt sich noch die Frage, ob es noch einen Swift-Effekt geben wird, der womöglich gewichtiger ausfallen könnte als der von ihr ausgewählte Running Mate.

Selbst wenn sich Taylor Swifts Endorsement über Zu- und Abneigung gegenüber der Sängerin bzgl. der Zustimmung zu einer Kandidatin oder einem Kandidaten die Waage hielte und Swifties ohnehin eher zu Demokraten neigen, könnte es - unterm Strich - einen netto positiven Effekt beim Turnout, also zugunsten einer höheren Wahlbeteiligung, für Harris geben.

Der Abstand ist schon erheblich geringer geworden, wie der Economist zeigt:

Erste Umfragen sehen sie schon vorne:

https://www.reuters.com/world/us/harris-leads-trump-44-42-us-presidential-race-reutersipsos-poll-finds-2024-07-23/

Und Trump kneift offenbar:

1 „Gefällt mir“

Dahinter steckt der offensichtliche Versuch, Zwietracht unter den Demokraten zu sähen und Harris’ Kandidatur als Unrechtmäßig darzustellen.

Es war schon witzig, als Trump plötzlich angefangen hat, den Rücktritt Bidens als undemokratische Machtergreifung zu bezeichnen, ebenso wie es nun witzig ist, dass Trump versucht, den Demokraten zu erzählen, dass Harris noch nicht sicher als Kandidatin stehen würde. Trump hofft, dass er damit irgendwelche Demokraten dazu bringen kann, Harris herauszufordern, aber so dämlich wird wohl niemand sein. Es geht darum, die Legitimität der Kandidatur Harris’ grundsätzlich anzugreifen.

Auf ein Duell der Staatsanwältin gegen den Kriminellen würde ich mich jedenfalls freuen. Das kann nur besser werden als das Biden-Trump-Duell, denn Harris hat hier wirklich alle Trümpfe in der Hand. Aber so ein Duell macht natürlich am meisten Sinn, desto näher es am Wahltermin stattfindet, von daher ist es auch für Harris nicht schlecht, dass Trump das Duell erstmal ablehnt. Trump wirkt damit schwach und ich sehe nicht, wie ihm das zum Vorteil gereichen könnte…

1 „Gefällt mir“

Das nennt sich Projektion:

Vor Anhängern sagte Trump, würde er im November gewählt, müsste in vier Jahren nicht mehr gewählt werden. Kritiker sehen darin einen Bezug zur Abschaffung des Wahlrechts.

Ja, ich hoffe doch sehr, dass solche Aussagen bei einigen Unentschlossenen dazu führen, dass sie definitiv nicht Trump wählen werden. Trumpisten werden diese Aussagen nicht abschrecken, aber jeder andere sollte sich ernsthaft fragen, ob er jemanden wählen will, der ankündigt „am ersten Tag ein Diktator“ zu sein und der dafür sorgen werde, dass man „in vier Jahren nicht mehr wählen müsse“.

Es ist ein wenig wie mit Putin, den man nicht ernst genommen hat, obwohl er seine ganze Agenda offen kommuniziert hat. Auch hier: Niemand, der Trump wählt, kann hinterher sagen, er habe nicht gewusst, was passieren würde. Jeder, der Trump wählt, ist verantwortlich für was-auch-immer die Konsequenzen eines etwaigen Trump-Siegs wären.

Trump macht mit solchen Aussagen das gleiche, was ich ja oben bei den Demokraten gesagt habe:
Er versucht, seine radikale Basis zu mobilisieren, das kann aber auf Kosten der Stimmen der Unentschlossenen gehen. So wie die Demokraten sich überlegen müssen, ob sie lieber das linke Lager stärker aktivieren (durch einen klar linken Vizepräsidentschaftskandidaten) wollen oder die Chancen bei den Unentschlossenen erhöhen wollen (durch einen eher mittigen Vize). Beide Parteien müssen sich diese Frage ständig stellen und ich denke und hoffe, es ist ein Fehler Trumps, mit solchen Aussagen seine Basis auf Kosten der Unentschlossenen zu aktivieren.

1 „Gefällt mir“

Update:

Lesenswertes noch anbei:

Den hatten tatsächlich gerade zu Beginn wenige auf dem Schirm, ich ehrlich gesagt auch so gar nicht.

Ob ein 60-jähriger Ideal ist für die 59-jährige Harris, ist fraglich, ich hätte mir jemand jüngeres gewünscht. Andererseits ist die stärkste Wählergruppe gerade in den Swing-States der „alte weiße Mann“, von daher ist es vermutlich taktisch vorteilhaft, einen solchen auf dem Ticket zu haben.

Gegen Shapiro war vermutlich die Nahost-Politik ausschlaggebend. Die Demokraten sind auf die Stimmen des linken Flügels der Gesellschaft angewiesen und kämpfen aktuell schon mit dem Vorwurf, zu sehr pro-israelisch zu sein. Shapiro hat leider eine generell sehr pro-israelische Haltung, sodass vermutlich die Befürchtung zu groß war, dass man in diesem Segment zu viele Stimmen verlieren könnte. Eigentlich schade, weil ein jüdische Vize ein schönes politisches Zeichen gewesen wäre.

Walz… erscheint mir persönlich etwas zu grau, etwas zu leer. Für ihn spricht wohl, dass er lange Zeit in der Nationalgarde aktiv war, also den in den USA so wichtigen „Military Man“ vertreten kann (im Gegensatz zu Trump und Vance). Das könnte einige Stimmen im Bereich der konservativen Mitte geben. Auch, dass er bei der ländlichen Bevölkerung relativ beliebt zu sein scheint, könnte in den Swing States helfen. Aber irgendwie werde ich noch nicht wirklich warm mit dem Kandidaten, ich hätte mir glaube ich einfach jemanden gewünscht, der etwas bekannter und profilierter ist.

Dennoch: Das Rennen scheint den aktuellen Umfragen entsprechend wieder sehr offen zu sein. Vor drei Wochen ging man noch davon aus, dass Trump die Wahl kaum verlieren könne, langsam kehrt eine realistische Hoffnung zurück, eine zweite Amtszeit Trumps doch noch verhindern zu können.

Ich würde seine Politik für US-Amerikanische Verhältnisse nichts als grau beschreiben. Allein, dass er Schulessen für alle kostenlos gemacht hat, während die Republikaner genau das illegal machen wollen, grenzt da ja schon fast an Sozialismus.

Klar, für Trumpisten sind sowohl Walz als auch Harris „linksliberale Extremisten“ (was auch immer ein linksliberaler Extremist sein soll, ich halte schon diese Bezeichnung für ein Oxymoron… versteht man wohl nur als Amerikaner, wo „Liberal“ eine ganz andere Bedeutung hat als bei uns…).

Aus objektiver Sicht ist Walz wohl eher im gemäßigt-progressiven Teil der Partei zu verorten, wenngleich die Tatsache, dass er vor einem Amoklauf 2018 noch sehr starker Waffenrechtsbefürworter war, ihn ein Stück weit einholen könnte. Harris hat daher keinen „konservativen Demokraten“ gewählt, aber auch keinen aus dem linken Lager, sondern jemanden, der wie sie selbst, eher in der Mitte zwischen den Lagern steht. Daher ist Walz wohl ein Mittelweg zwischen „Aktivierung der linken Basis“ und „Kämpfen um die Unentschlossenen“. Ob das erfolgreich ist - mal schauen, ich hoffe es doch sehr.

1 „Gefällt mir“

Durchs Auswählen von Walz hat Harris ein sehr gutes Gespür bewiesen:

An diesem Team werden sich die Republikaner die Zähne ausbeißen.

Er hat populäre Politik umgesetzt:

https://www.politico.com/news/2024/08/06/tim-walz-policy-record-guide-00172844

3 „Gefällt mir“

Und genau deswegen ist Walz genau der Richtige, eben weil du nicht mit ihm warm wirst und ihn nicht so gut kennst. Das ist keine Kritik an dir, ehe das falsch rüber kommt, sondern soll zeigen, dass Harris bewusst einen Politiker gewählt hat, der transatlantisch nicht in Erscheinung getreten ist. Er steht für ihr America first als Gegenentwurf zu Trump. Walz kann glaubhaft aufzeigen, dass er großen Interesse an den USA und besonders dem mittleren Westen und den Swing States hat. Er hat extrem viel für Familien getan, besonders einfache Leute. Er hat ein unfassbar großes Talent mit einfacher Sprache die Leute mitzunehmen. Er steht klar für das Recht auf Abtreibung. Außerdem ist ehr extrem Gewerkschafts- und Arbeitnehmernah. Und es gibt wie gesagt keine Angriffsfläche, er wäre auch nur jemand der Amerikas Interessen dem Rest der Welt unterordnet. Von daher ist er für Trump und Vance brandgefährlich, den es ist natürlich schwierig jemanden anzugreifen, der auch den Kinder der eigenen Wähler gratis Essen gibt.

1 „Gefällt mir“

Tim Walz ist die Sorte Typ, der immer ne Rolle Duct Tape, WD 40 und n Tüdelband im etwas ramponierten Auto hat. Jemand, der augenzwinkernd sagt „komm, n Cheeseburger geht doch als vegan durch“, aber immer deine Hafermilch im Kühlschrank hat. Und er hat allen Kindern die Nase geklaut.

2 „Gefällt mir“

Tim Walz hat eine beeindruckende Bilanz vorzuweisen:

1 „Gefällt mir“

Das darf nun gespannt erwartet werden.
Childless Catlady Taylor Swift hat jetzt öffentlich erklärt, dass sie Harris wählen wird.
Und die Experten dürfen sich streiten, ob es am TV-Duell oder Taylor Swift lag, wenn es entscheidende Bewegungen zu Gunsten der Demokraten gibt.

Die ersten Quick Polls nach dem Duell zeigen jedenfalls einen klaren Vorteil für Harris.

Ich hab mir das ganze Duell angetan und ich glaube ernsthaft, dass Trump kaum jemanden aus dem Lager der „Unentschlossenen“ wirklich überzeugen kann. Er hat im Prinzip seinen Anhängern die bewährte Kost aus Lügen, Beleidigungen und Selbstbeweihräucherung geliefert, aber er hat nichts geliefert, wo Unentschlossene sagen könnten: „Jau, das war ein guter Punkt, dafür sollte ich Trump wählen“. Alles, was Trump anbietet, ist zu sagen: „Ich bin ein starker Mann, ich kann alle Probleme lösen“ und ob dieses Argument zieht hängt einzig davon ab, ob man Trump als Politiker ernst nimmt. Er hat keine Konzepte gezeigt.

Im Hinblick auf die Mobilisierung der eigenen Wähler waren beide vermutlich ähnlich stark, im Hinblick auf den Kampf um die Unentschlossenen werte ich das Duell als klaren Sieg Harris’. Trump feiert sich natürlich trotzdem als Sieger, aber das ist halt Trump…

Die Tatsache, dass die MAGA-Kampagne rumheult, dass Duell sei ein unfaireres „3 gegen 1“ gewesen, weil die Moderatoren sich gewagt haben, klare Lügen Trumps anzusprechen, zeigt schon, dass auch im republikanischen Lager schon nach Ausreden gesucht wird…

Meine persönliche Meinung ist, dass Harris leider nicht so richtig begeistern kann. Also ich stimme dem meisten, was sie sagt, inhaltlich zu, aber sie kann mich nicht wirklich mitreißen, wie ein Obama es konnte. Das ist etwas schade. Im Hinblick auf diese „Showman-Qualitäten“ ist Harris Trump leider unterlegen, aber zum Glück hat Trump sich teilweise so sehr in Verschwörungstheorien verharkt, dass das keinen Unterschied in der Bewertung des Duells machen kann.

Tatsächlich glaube ich, dass die meisten „Swifties“ ohnehin recht klar zu Harris neigen, dennoch natürlich sehr erfreulich, dass sie so klar Position bezogen hat.

1 „Gefällt mir“