Zu glauben, dass die Demokraten den Trumpisten Wählende abspenstig machen müssen, ist einfach falsch.
Das erwähne ich nur, weil das ein ebenso typischer wie beliebter Fehlschluss ist.
Wahlen in faktischen Zwei-Parteien-Systemen entscheiden sich an der Mobilisierung.
Biden vs. Trump 2020 hatte eine für US-Verhältnisse sehr hohe Wahlbeteiligung von knapp zwei Dritteln.
Das Wahlleute-Sytem nach dem Winner-takes-it-all-Prinzip in den Bundesstaaten macht das Wählen außerhalb von Swing States ohnehin weitgehend sinnlos.
Die Kaiser Family Foundation und der Cook Political Report ermittelten ein gutes Jahr vor der Präsidentschaftswahl 2020 einen Anteil von 30 % möglichen Wechselwählerinnen und -wählern. Das passt auch zu Daten aus der Ballotpedia zu Independents. 70 % der Wahlberechtigten hatten sich also bereits festgelegt, wen sie wählen wollten.
Da ja am Ende nur knapp zwei Drittel wirklich gewählt haben, aber mehr als die registrierten Wählerinnen und Wähler der Demokraten und Republikaner, hängt am Ende alles an der Mobilisierung dieses übersichtlichen Wählenden-Anteils in den Swing States.
Die Wahl 2020 wurde letztlich zugunsten Bidens entschieden, weil eine Mehrheit der Wechselwählenden in Swing States hinreichend motiviert wurde, gegen Trump zu votieren.
Harris und ihrem Running Mate wird es also gelingen müssen, die unbezweifelbaren Gefahren, die von Trump ausgehen, herauszustellen und dabei gleichzeitig einen besonders seriösen Eindruck zu hinterlassen. Denn unentschlossene Independents/Wechselwählende haben zumeist kein sonderlich großes politisches Interesse/Verständnis.
Insofern wäre ein in einem Swing State erfolgreicher weißer älterer Herr, der mit einer gewissen Grandeza gegenüber dem extremistischen Heißsporn J.D. Vance auftritt und etwas Altväterliches ausstrahlt, unter den derzeit gehandelten Kandidaten gibt es ja mehrere, die diese Kriterien erfüllen, eine passende Ergänzung für Harris.
Dass Harris Trump in TV-Debatten argumentativ zerlegen wird, daran besteht aus meiner Sicht kein Zweifel.
Trump wird jedenfalls aufpassen müssen, dass er nicht überzieht, denn sonst werden besonders wechselwählende Frauen solche Unflätigkeiten als Schläge unter die Gürtellinie interpretieren.
Im Match-up mit Biden hatte er sich relativ unter Kontrolle.
Trump hat den Vorteil, dass seine Fanbase hinreichend fanatisiert ist, um auf jeden Fall zur Wahl zu gehen.
Die für Demokraten ansprechbaren Wählergruppen müssen mit anderen Mitteln gelockt werden, was aus verschiedenen Gründen schwieriger ist.
Trump ist daher strukturell etwas im Vorteil.
Aber schon die Wahl 2020 hat gezeigt, dass die Demokraten erfolgreich sein können.
Das gemittelte Disapproval auf 538 zeigt jedenfalls schon mal, dass Trump stärker abgelehnt wird als Harris.
Rachel Maddow hat kürzlich noch Trumps Running Mate Vance auseinandergenommen: