Moralische Fragen zu ETFs

Ich sehe noch einen weiteren ganz wichtigen Punkt, nämlich die Stimmrechte.

Wenn ich die Aktien selber kaufen würde, so würde ich ja auch Stimmrchte an der GV dieser AG erwerben. Ich könnte also zB über die Gehälter der Verwaltungsräte oder die Konzernstrategie mitentscheiden.

Wenn ich nun einen ETF kaufe bleibt dieses Recht beim Anbieter des ETF. Er kann als beträchtliche Stimmanteile auf sich vereinen, ohne die dafür nötigen Beteiligungseinlagen selber aufgebracht zu haben.

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@Matder Danke für die hervorragende Quelle!

Milchmädchenrechnung für Deutschland:

In Deutschland sind die Beiträge zur gesetzlichen Rente 18.6%. Dazu kommt die betriebliche Altersvorsorge, zu der ich keine gute Statistik gefunden habe aber laut dieser Quelle lag der Beitrag 2021 bei ca. 200EUR pro Monat. Das Durchschnittseinkommen 2021 lag bei 38400 pro Jahr, also 3200EUR pro Monat. Eine andere Quelle spricht von 3300 EUR pro Monat (hier darf man imho nicht das Medianeinkommen nehmen). Das sind also nochmal ca. 6% die über die bAV in die Altersvorsorge gingen. Sind wir schon bei 24.6%

Dazu kommt die private Vorsorge durch private Rentenversicherungen, Rürup, etc. Das ist noch schwerer zu fassen. Aber nur mal als grobe Hausnummer: 100EUR die man monatlich aus dem Netto anlegt, sind grob geschätzt 200EUR vom Brutto. Das entspräche also nochmal 6%, aber nur wenn alle Arbeiter das gemacht hätten was natürlich nicht der Fall ist. Jetzt kann man also nur mutmaßen wie viel Geld der Deutsche in die private Altersvorsoge steckt, zumindest gibt es laut dieser Quelle ein paar Verträge. Die Versicherungsbranche wirbt ja sogar damit, dass man 10% vom Netto (also 20% vom Brutto) aufwenden solle.

Nunja, wie gesagt eine sehr verkürzte Milchmädchenrechnung, Trotzdem vermute ich, dass wir unterm Strich nicht so weit von den 28% der Schweden sein dürften. Nur, dass die Verteilung dort viel gleichmäßiger über die EInkommensschichten sein sollte. Denn der Knackpunkt ist folgender:

Laut statistischem Bundesamt (Quelle) gab es 2020 nur etwa 1 Million Arbeitnehmer mit einer staatlich geförderten Betriebsrente. Das fällt in Deutschland also kaum ins Gewicht.

Riesterverträge hatten 2022 etwa 9 Mio. Arbeitnehmer (Quelle: BMF). Wieviel da gespart wurde, kann da auf die schnelle nicht sehen, es sind vor allem Förderbeträge und Zuschüsse aufgeführt.

Ich sehe da schon noch einen größeren Unterschied zwischen Schweden und Deutschland. Aber ich denke mal wir sind uns einig, dass es bei den Schweden einen weit größeren Willen zu einem gerechten Rentensystem für alle gibt.

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Tut mir Leid, dass ich da nochmal nachfragen muss, aber widersprechen Sie sich da nicht? Es gibt nunmal Menschen, die es sich nicht leisten können zu sparen, geschweige denn zu investieren. Auch wenn dies nur eine der 3 Säulen der Rente betrifft, so fürt diese doch zwangsläufig dazu, dass jene, die mehr Sparen und Investieren können auch mehr Gewinne erzielen können. Ja, bei allen (die es sich leisten können) findet Vermögensbildung statt, aber bei manchen eben mehr. Oder übersehe ich da etwas?

„Ohne beide geht es nicht“: Ohne Arbeit aber schon mal gar nicht. Das wird aber durch die Anpreisung der ETFs suggeriert. Man klickt sich ein Depot zusammen, wartet 15 Jahre und hat Gewinn gemacht. Sich nicht zu fragen, wer denn diese Gewinne erwirtschaftet und ob dessen Arbeitsbedingung vielleicht darunter leiden, verstehe ich ehrlich gesagt nicht.

Richtig, zum einen nicht erst seit Gestern, zum anderen wird es dadurch sicherlich nicht besser.

Hier ein sehr passender Artikel von Benjamin Braun vom Max-Planck Institut für Gesellschaftsforschung:

Mit 35 Billionen Dollar im Jahr 2021 macht das US-Pensionsvermögen 62 Prozent des weltweiten Pensionskapitals aus. Seit fast einem halben Jahrhundert hat dieses Geld das Wachstum des Asset-Management-Sektors befeuert. Diese Asset Manager wiederum lobbyieren für die weitergehende Privatisierung der Renten – in Deutschland unter anderem durch den ehemaligen BlackRock-Interessenvertreter und heutigen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz.
[…]
Private-Equity-Firmen wie Blackstone oder KKR sind zu Giganten herangewachsen, die nicht mehr nur »normale« Unternehmen aufkaufen, sondern zunehmend auch Krankenhäuser, Pflegeheime und Mietwohnungen. Um Gewinne für sich selbst und Renditen für öffentliche Angestellte und Lehrerinnen von Kalifornien bis Finnland zu erwirtschaften, erhöhen sie Pflegegebühren und Mieten, senken Löhne und verschlechtern Arbeitsbedingungen.
[…]
Auch in Deutschland bedeutet Kapitaldeckung also Altersvorsorge durch das staatlich sanktionierte Extrahieren von Rendite aus den Bereichen Gesundheit, Pflege, Wohnen. Im Namen der Sicherung der Altersvorsorge sollen also die Minimalgrundlagen für ein Altern in Würde erodiert werden.

Ich habe eher den Eindruck, dass Deutschland gerade der „emerging market“ für die USA ist.

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Der Demografische Wandel ist doch generell ein Problem, nicht nur wegen der Rente.
Anstatt jetzt langfristig Kapital aufzubauen und am Aktienmarkt zu investieren wäre es doch viel sinnvoller, Deutschland für junge Menschen attraktiver zu machen und sie in die Gesellschaft zu integrieren.

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