Wow, sehr spannendes, aber auch sehr weit gefasstes und mannigfaltiges Thema.
Die Batterie wird als Energieträger nicht lange bestehen bleiben, habe ich so das Gefühl. Zu vieles spricht dagegen. Außerdem: anders als bei Verbrennern, bei denen Energieträger und Antrieb voneinander nicht zu trennen sind, sind bei Elektroautos diese beiden eben mit Leichtigkeit voneinander trennbar. Sprich, wenn mal ein besserer Energieträger als die Batterie massentauglich wird, dann wird die Batterie den kürzeren ziehen. An dem Elektromotor wird das nichts ändern. Der ist gesetzt.
Beim Energieträger schiele ich vor allem auf Wasserstoff. Gesamtheitlich betrachtet werden wir nicht ohne Wasserstoff auskommen. Sprich: Der Import von Wasserstoff aus Wasserstofferzeugungsanlagen in sonnenverwöhnten Regionen dieser Erde (Südeuropa, Nordafrika und rund um die arabische Halbinsel) kommen auf unsere Volkswirtschaft unausweichlich zu. Die Energie, die wir benötigen, können wir niemals selbst erzeugen. Das wird nicht funktionieren. Zumal wir immer noch keinen vernünftigen Energieträger zum Speichern des aus den Erneuerbaren erzeugten Strom gefunden haben. Und das werden nicht Batterien, sondern eben wahrscheinlich Wasserstoff. Wenn die Distribution von Wasserstoff erst einmal etabliert ist, ist die größte Hürde gegen Wasserstoff als Energieträger beseitigt. Danach kommen die üblichen marktwirtschaftlichen Skaleneffekte zum Tragen und die Elektromobilität wird erschwinglich bei gelöster Reichweite.
Die andere Sache ist der ÖPNV. Ich lebe in einer Stadt von 300.000 Einwohnern, welche einen hoch gelobten ÖPNV hat. Und ja, der ist gut ausgebaut. Alle Ortschaften drum herum sind mit der S-Bahn oder mit der Regionalbahn angebunden und die Anbindung an überregionale Angebote mit der Bahn ist auch sehr gut. Bleiben wir aber mal in der Stadt: Von meinem Haus zu meinem Arbeitsplatz sind es 7 km. Der Arbeitsplatz befindet sich am anderen Ende der Stadt. Ich muss also durch die Innenstadt. Mit dem Auto brauche ich zur Rush-Hour 20 Minuten für diese Strecke (stehe viel im Stau) und verbrauche im Monat ca. eine Tankfüllung. Mit der S-Bahn brauche ich 45 Minuten (unabhängig von der Uhrzeit) und mit dem Fahrrad brauche ich zwischen 20 und 30 Minuten (auch unabhängig von der Uhrzeit).
So gesehen verliert der ÖPNV auf ganzer Linie. Eine Tankfüllung war vor dem aktuellen Preisschock knapp teuerer als ein Monatsticket. Aus diesem Gesichtspunkt heraus ist der ÖPNV keine Konkurrenz. Da ich mit dem Fahrrad auch schneller bin (und mich zudem bewege, was gesund ist), verliert der ÖPNV auch im Vergleich zum Fahrrad. Mache ich mal einen Ausflug mit der Familie, muss ich bis zum Bahnhof entweder 10€ für das ÖPNV-Familienticket oder 8€ für die ganztägige Parkgebühr am Hauptbahnhof bezahlen. Der ÖPNV zieht wieder den Kürzeren. Egal wie man es dreht und wendet: Der ÖPNV ist aus meiner Sicht einfach nicht attraktiv. Und dennoch fahre ich November bis Februar mit dem ÖPNV und lasse das Auto stehen. und den Rest des Jahres mit dem Fahrrad. Einfach aus Prinzip. Außerdem verbringe ich die Zeit lieber in der S-Bahn sitzend und lesend, als am Steuer sitzend. Am Steuer sitzen ist zu 100% verlorene Zeit.
Sicher, beim ÖPNV muss an seiner Attraktivität noch so viel getan werden. Aber er funktioniert durchaus sehr gut. Das Stadtmobil wäre für mich prinzipiell eine Alternative, würde ich nicht zweimal im Jahr mit meiner Familie nach Kroatien fahren. Aber gut, das ist ein Sonderfall auf meiner Seite, das gilt so nicht für die Allgemeinheit. Wenn ich etwas älter werde, ist auch ein E-Fahrrad eine gute Lösung.
Und dennoch: All das ist gut machbar, weil ich nahe einer Großstadt lebe und diese Großstadt sehr viel Wert auf ihren ÖPNV legt (auch wenn noch nicht alles super-optimal ist) und weil auch sonstige Angebote vorherrschen. Auf dem Lande wird die Konkurrenz zum Privatauto sehr schnell sehr übersichtlich. Hier haben wir als Gesellschaft noch viel zu tun.
Persönlich plädiere ich für den konsequenten und über alles priorisierten Ausbau des ÖPNV mitsamt Anbindung der ländlichen Gebiete. Der ganze Gegenwind mit Pendlern und anderen Argumenten kommt doch bloß daher, weil der ÖPNV nicht ausgebaut wird. Wir drehen uns hier im Kreis. Kein ÖPNV, weswegen viele mit dem Privatauto fahren. Da viele mit dem Privatauto fahren, wird nicht in den ÖPNV investiert. Diesen Kreis müssen wir politisch durchbrechen.