Löst sich die "Ampel"-Koalition im Bund noch vor dem regulären Wahltermin auf?

Der nicht für Alarmismus bekannte Zeit-Redakteur Mark Schieritz sinniert im „Sommerloch“ darüber, ob die Ampel am Etatstreit zerbrechen könne. Es gibt durchaus Indizien, die ein solches Szenario als realistisch erscheinen lassen, auch wenn die Auguren das Mantra, dass die Ampel bis zum Ende der Legislaturperiode hielte, gebetsmühlenartig wiederholen.

Schaut man auf Wahl- und Umfrageergebnisse bröckelt v. a. die notorisch querschießende FDP erheblich. Im Parteizustimmungsindex von Dawum liegt sie aktuell knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde und würde damit das Ergebnis der Bundestagswahl um mehr als die Hälfte unterbieten. In zwei der drei Bundesländer, in denen im Herbst Wahlen stattfinden werden, würde sie sich - Stand jetzt - ebenfalls mehr als halbieren (vgl. Dawum). Ihr Europawahlergebnis verschlechterte sich jedoch nur im Osten deutlich, wohingegen die FDP im Westen, wo ohnehin das Gros der FDP-Wählenden zu holen ist, stabil blieb. Außerdem war die FDP zuvor nur in einem der im Herbst zu wählenden Landtage überhaupt vertreten. Daher dürfte es schwer werden, mit einem erneut miesen Landtagswahlergebnis eine „Notbremse“ im Bund zu rechtfertigen.

Im Wesentlichen sehe ich daher zwei mögliche Entwicklungen: Entweder nimmt die FDP den Haushaltsstreit zum Anlass, die Koalition aufzukündigen, oder sie beißt sich durch und blockiert bzw. obstruiert, wo sie kann.

Keine dieser Entwicklungen ist mir sympathisch.

Gibt es trotzdem Anlass zur Hoffnung, dass weder das eine noch das andere eintreten wird?

Und was folgte jeweils daraus?

Ein Kerndissens scheint mir zwischen der FDP und den Grünen zu liegen; diese wären allerdings auch an der einzigen anderen Machtoption für die FDP beteiligt. Sie müsste also darauf hoffen, dass sie von der Union mehr Rückendeckung bekommen würde als von der SPD. Hier ist aber fraglich, ob die Grünen das mitmachen würden. Wenn die Regierung ohne neue Mehrheit zerbricht und es zu Neuwahlen käme, haben allerdings beide gerade schlechte Karten. Da die Grünen keinen Wechselwillen hin zur Union erkennen lassen, scheint mir das Schicksal für die FDP ziemlich besiegelt zu sein.

Das hieße dann in der Konsequenz was?

Dass sie aus ihrer aktuellen Situation nicht rauskommen, jedenfalls nicht in einer Art die aus ihrer Sicht eine Verbesserung sein könnte.

Ich glaube, dass das für alle Ampel-Parteien gilt und dadurch die Koalition mehr zusammenhält als man denkt.

Keine der Parteien hätte Stand jetzt irgendeinen nennenswerten Vorteil von Neuwahlen, warum also vor der regulären Wahl etwas riskieren. So wird einfach weiter aufeinander eingedroschen und sich bis zum Wahltermin gerettet.

Die Wahlen im Osten werden da wenig ändern, wobei ich nichtsdestotrotz sehr auf die Reaktionen von den Grünen und der SPD gespannt bin, weil diese, anders als die FDP, nicht unter ferner liefen laufen.

1 „Gefällt mir“

Gefühlt hatten wir das Thema bereits mehrfach hier im Forum. Ich sehe auch keine neue Erkenntnis. Ein echtes Sommerloch-Spekulation Thema.

4 „Gefällt mir“

Sehe ich auch so.

Auf Auflösen der Regierung bzw. der Austritt der FDP hätte nicht automatisch Neuwahlen zur Folge, sondern es würde erstmal einfach mit einer Minderheitsregierung weitergehen. Da gäbe es dann mehrere Möglichkeiten, wie es weitergehen würde: wenn ein Großteil der Opposition Fundamentalopposition macht, also aus Prinzip gegen jeden Vorschlag der Minderheitsregierung stimmen würde, käme man kaum noch voran. Auf der anderen Seite würde es eventuell erlauben, wechselnde Mehrheiten für bestimmte Themen zu finden. Grade die CDU würde dann aus ihrer aktuell sehr bequemen Situation, einfach alles doof zu finden, herausgefordert.

Andererseits würden dann die Ministerien der scheidenden Regierungspartei durch die verbliebenen neu besetzt. Ob das noch eine Wirkung entfalten könnte weiß ich nicht.

1 „Gefällt mir“

Den aktuellen Umfragen zufolge werden SPD und Grüne in zwei der drei Bundesländer, in denen im Herbst Landtagswahlen anstehen, keine sonderlich großen Verluste einfahren. Nur in Brandenburg würden die Grünen mehr als halbiert, was sich dann aber wieder z. T. mit Leihstimmen für die weniger schwächelnde Regierungspartei SPD erklären ließe.

Nun ja, Scholz würde ja dann seinen Hut in den Ring werfen und die Vertrauensfrage stellen.

Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen. Das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.

Würde er denke ich nicht. Auf die Frage eine/r ReporterIn ob er jetzt die Vertrauensfrage stellen würde, würde er verschmitzt grinsend „nein“ antworten.

Der Haushaltsstreit zur aktuellen Situation ist quasi nicht mehr vorhanden. In dem Gutachten wurden 3 Punkte geprüft, von denen 2 ok sind oder ok gemacht werden können (Kredit Autobahn und Bahn AG). Nur Umwidmung der Gaspreisbremse Mittel wäre nicht zulässig. Somit ist die Lücke nicht so groß, wie aktuell angenommen. Der Rest wird dann mit dem Guthabenkonto der Schuldenbremse verrechnet. Die FDP will nur noch einmal ein Momentum erzeugen, aus dem sie noch einmal mehr Kürzungen bei Sozialstaat durchdrücken kann. Denke SPD und Grüne lassen sich darauf nicht ein.
Aus der Koalition auszutreten, bei dem jetzt quasi fertigen Haushalt, wäre für die FDP ein Gesichtsverlust und würde ihnen als nicht staatstragend angelastet.

Das ist ja unbestritten.

Nun ja, Scholz ist Grünen und seiner eigenen Partei SPD ja schon mehrfach in den Rücken gefallen.

Die Frage ist doch, ob potenziellen FDP-Wählenden das nicht ziemlich egal ist.

Um deine Worte aufzugreifen, das würde Scholz wohl „als nicht staatstragend angelastet“.

1 „Gefällt mir“

Unbestritten. Bzw hat er sich im Rahmen seiner Koalitionäre positioniert, was zwangsläufig auch mal heißt SPD und Grünen in den Rücken zu fallen, auch wenn ichs nicht begrüße.
Aber zu dem Thema hat er sich ja wenigstens schonmal geäußert und gesagt, dass er bei den Gutachten jetzt kein Problem sieht. Also denke das Thema kocht wieder runter und nichts passiert.

1 „Gefällt mir“

Stimmt. Allerdings hat das hiermit zu tun:

Schließlich stammt die Idee für die Darlehensfinanzierung aus dem Kanzleramt, Lindner hatte ihr nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass ein Prüfverfahren eingeleitet wird. […]
An dieser Stelle wird es ein bisschen kompliziert, denn es gibt noch ein weiteres Gutachten. Es wurde vom Wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums erstellt und fällt deutlich skeptischer aus. Dort werden „erhebliche Zweifel“ an den Maßnahmen der Regierung angemeldet. Allerdings sitzen in diesem Beirat vor allem Ökonomen und keine Verfassungsrechtler, weshalb man ihre juristischen Argumente im Kanzleramt nicht so ernst nimmt.

Aus Sicht des Beirats könnte es Probleme geben, falls statt der geplanten Zuschüsse an die Bahn und die Autobahngesellschaft Darlehen vergeben würden. Unter Umständen etwa könnten Darlehen an die Autobahngesellschaft demnach gar nicht als sogenannte finanzielle Transaktion gewertet werden – sie müssten also doch auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Das würde der Bundesregierung dann keinen neuen finanziellen Spielraum bringen. Auch Darlehen an die Deutsche Bahn könnten kritisch sein – allerdings weniger aus juristischen Gründen, sondern mit Blick auf die hohe Verschuldung des Staatskonzerns. MRD

Wenn Darlehen keine finanzielle Transaktion sind, dann macht man es als Zuschuss.
Wenn der Zuschuss an die Autobahn GmbH keine finanzielle Transaktion ist, weil sie keine Einnahmen generiert, dann weist man ihr Einnahmen zu, z.B. die LKW Maut.
Das mit der Verschuldung der Bahn verstehe ich als ökonomisches Argument nicht, weil für mich hier keine ökonomischen Grundsätze greifen. Der Staat kann die Bahn doch einfach entschulden, sind ja quasi seine Schulden, da 100% Tochter. Der Staat ist der Meinung er muss im öffentlichen Interesse die Bahn finanzieren, auch wenn diese hoch verschuldet ist, das Risiko eines Invests/Darlehens also hoch ist. Er kann das Risiko doch aber trotzdem eingehen. Der Staat will mit dem Darlehen ja nichts verdienen (hohe Verschuldung = geringes Rückzahlrisiko?).

Uneducated guess, aber der Staat widerrum muss das Geld, welches er der Bahn leiht, ja auch irgendwo her bekommen. Da wir unser Geld nicht unendlich drucken können und der Staat ja scheinbar kein Geld über hat muss er sich das widerrum selbst leihen.

Der Staat verkauft Staatsanleihen bzw. die Finanzagentur. Diese Anleihen werden von ausgewählten Banken mit Konto bei Zentralbank bzw. Bundesbank, nach Gebot versteigert. Der Staat schafft sich Guthaben bei den Banken. Die Zentralbank schafft das Geld aus dem Nichts. Dieses Zentralbankgeld wird dann zu Girogeld, wenn der Staat damit Dinge kauft. In der Privatwirtschaft, also z.B. der Bahn (Scheinprivat ausgeklammert) gibt es dann mehr Geld.
So lange es Grenzen nicht überschreitet, z.B. die Wirtschaft überhitzt, Schulden zu Wirtschaftsleistung ein gesundes Verhältnis hat (bzw.jmd. die Anleihen kaufen will), die Zentralbankpolitik es will (Absicherung, dass sie alle Anleihen abkauft) kann der Staat das einfach machen.
Staatsschulden erklärt von Maurice Höfgen
oder
Staatsschulden zurückzahlen?

1 „Gefällt mir“

Aber ist nicht grade die Krux, dass der Staat die Staatsanleihen nur bis zur Schuldengrenze verkaufen darf?