Linker Umgang mit Nahost

Ich glaube, da ist was grundsätzlich unklar: die critical race theory bemüht sich unter anderem gerade um eine Dekonstruktion des Begriffs „race“. Dass man durch eine solche Thematisierung auch problematische Begriffe aufgreifen muss (und sie damit, zumindest logisch, auch erst mal affirmiert), liegt in der Natur der Sache. Die Alternative ist aber leider, sie nicht zu bearbeiten.

Also: wenn du den Begriff der Rasse problematisch findest, bist du bei Vertreter*innen der critical race theory in guter Gesellschaft.

Hallo zusammen,
ich fand, Michael Roth (SPD) hat am 10.10.23 im Interview im DLF mit Stefan Heinlein den Punkt an der Seite Israels zu stehen, sehr gut getroffen. Man merkt darin deutlich eine Empathie, darüber hinaus hat er auf dankenswerte Weise eine prägnante Sicht auf das Wort „Aber“ geliefert. Da ist sie nämlich, diese oberlehrerhafte, paternalistische Sichtweise in sehr großen Teilen des linken Bildungsbürgertums.
Im Nachgang dazu die beiden Folgen LDN (352 + 353) zu hören fand ich ebenfalls etwas befremdlich - und ich bin seit 2016 mit gutem Gewissen regelmäßig dabei.
Ist schon okay, sich so zu erklären wie Philip jüngst in Folge 353 erläutert hat: man schlüpft in verschiedene Rollen etc. etc. und hat dann als Journalist eben doch die Verpflichtung, sinngemäß „über den Dingen zu stehen“. Man kann jedoch auch als Journalist, wie Benny Ziffer es versucht, die Dinge aussprechen wie sie sind, taktlos und unmoralisch wie dass Verhalten von Žižek am Beginn der Buchmesse.
Interview Michael Roth
Benny Ziffer, Haaretz

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Empathie verdienen alle Opfer.

Israel „freie Hand“ zu lassen, wie Michael Roth es gefordert hat, finde ich extrem bedenklich.

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Ich habe das Interview mit Roth auch gehört. Mich hat es ehrlich gesagt erschreckt. Ja, Empathie ist wichtig. Auf ein völkerrechtskonformes Vorgehen zu dringen hat allerdings nichts mit einem Mangel an Empathie oder gar mit Paternalismus zu tun, im Gegenteil: Israel für seinen Kampf gegen die Hamas pauschal eine „Carte blanche“ auszustellen ist, vorsichtig ausgedrückt, politisch unklug, wenn das Ziel darin besteht, einen - auch für Israels Zukunft verheerenden - Flächenbrand in der Region mit sehr hohen Opferzahlen zu verhindern.

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Ich sehe es genauso wie Du. Roth hat auch aus meiner Sicht das Richtige gesagt.

Zum Thema „freie Hand“ hat er folgendes gesagt: „…Und ja, und das gehört eben auch zu unserer Solidarität mit Israel, müssen wir jetzt Israel freie Hand lassen, endlich der Terrororganisation Hamas das Wasser abzugraben und die Infrastruktur zu zerstören.“

Noch nicht einmal das gestehen weite Teile der Linken Israel zu. Auch in diesem Forum. Roth hat das Interview 3 Tage nach dem Angriff der Hamas gegeben. Der Angriff war noch nicht einmal ganz abgewehrt und die Leichenteile aufgesammelt.

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Das wäre auch naiv. Die Hamas wird mit Waffengewalt nicht zerstört werden können, da der Iran die Hamas jährlich mit 300 Millionen Dollar unterstützt.
Bei den Geldbeträgen in einer wirtschaftlich abgehängten Region bewirkst du viel.
Es werden sich also neue finden, die mit ihrem Tod den Hinterbliebenen ein Leben in Reichtum ermöglichen.
Du musst an die wahren Probleme in der Region. Und das ist der Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran.
Die USA versuchten das zu lösen, indem sie Saudi-Arabien stärkten, die haben aber gar kein Interesse an einer Lösung des Konflikts, da das ewige Köcheln lassen das Volk beschäftigt und so die eigene Macht sichert.
Im Iran werden derweil die Proteste immer lauter gegen die Regierung. Vielleicht sollte man da mal vorsichtig ansetzen.

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300 Millionen sind in dem Kontext nicht viel Geld, nicht genug als das sie Hamas zu einer Kreatur des Irans machen würde.
Das als Einordnung einfach um die Größenordnungen zu verstehen.
Militärausgaben von Israel bis 2022 | Statista

Ist nicht Israel bekanntermaßen die einzige demokratische Ordnung dort in der Region? Weshalb sollte sich denn ausgerechnet dieser Staat gerade nicht an das Völkerrecht halten?

Das schützt nicht vor Völkerrechtsbruch.

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Wenn man die Lage in der und um die Schifa-Klinik verfolgt, kann man m.E. schon zu dem Schluss kommen, dass Israel hier das humanitäre Völkerrecht missachtet. Das Argument, dass sich Hamas-Kämpfer in oder unter der Klinik befinden könnten, soll den Tod Hunderter nicht zur Flucht fähiger Verletzter, sehr vieler Kinder und verzweifelter Ärzte und Ärztinnen rechtfertigen? Ernsthaft?

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Das ist ein aktuelles Geschehen, die Ermahnungen mit dem Völkerrecht gingen jedoch umgehend nach dem 7.Oktober los, als sich das Land auf eine Antwort vorzubereiten begann.

Wahrscheinlich nicht, jedoch wird die Betonung hierzu geradezu reflexhaft vorgetragen, das stört mich. Hat man denn dies betont, immer und immer wieder, im Falle der von Russland überfallenen Ukraine?

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Israel behauptet, angeboten zu haben, Ärzte zu schicken und bei einer Evakuierung zu helfen.
Das soll die Hamas abgelehnt haben.
Lässt sich natürlich nicht überprüfen.
Aber wenn die Hamas dort einen ihrer wichtigsten Stützpunkte hat, bleibt Israel fast nichts anderes übrig, als das Krankenhaus anzugreifen.

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Das sehe ich anders. Viele Hundert unbeteiligte Zivilisten, darunter medizinisches Personal, Schwerstkranke und Frühgeborene zu opfern, weil sich - mutmaßlich - Hamas-Terroristen darunter befinden, betrachte ich nicht mehr als verhältnismäßig und gerechtfertigt.

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Welche Vorgehensweise schlägst du stattdessen vor?

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In diesem Thread geht es um den linken Umgang mit Nahost. Die Berichte der Journalisten im TAZ Podcast haben mich sehr erschreckt.
TAZ bundestalk
Der Umgang vieler Linker in aller Welt mit dem Nahost- Konflikt hat die Linke in Israel selbst erschüttert und verunsichert.

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Ich bin kein Militärstratege, weiß also nicht, wie und mit wessen Unterstützung sich eine Evakuierung realisieren ließe, aber Krankenhäuser, Flüchtlingslager und UN- und andere Hilfsorganisationen und ihre MitarbeiterInnen sollten niemals Ziele sein, weder für eine Bombardierung noch für das vollständige Abschneiden von der Strom-, Treibstoff-, Wasser-, Lebensmittel- und Medikamentenversorgung. Ja, auch auf die Gefahr hin, dass sich darunter tatsächlich auch irgendwo Hamas-Angehörige aufhalten. Und um den Bogen zum eigentlichen Thema des Threads zu schlagen: Genau das werden nämlich die Punkte sein, die nicht nur Islamisten und Israelfeinden, sondern auch der internationalen Linken Argumente liefern - jetzt und in Zukunft. Wer immer an einer dauerhaften Lösung des Nahostkonflikts interessiert ist, muss das meiner Meinung nach zwingend im Blick haben - gerade im Interesse Israels.

Also Israel bietet die Unterstützung bei der Evakuierung an:
Israels Armee kündigt Evakuierung von Babys aus Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza an | BR24

Sie stellen auch Treibstoff zur Verfügung:
Gaza: Israel stellt 300 Liter Benzin vor Al-Schifa-Klinik ab (Video) | STERN.de

Aber so richtig angenommen wird das nicht. Klar, die Hamas behauptet, die Angebote wäre Lügen, Tricks und eh zu wenig. Wem glaubt man, das ist die Frage…

Ich bin zwar nicht angesprochen, aber Israel hätte in kontrolliertem Gebiet zum Beispiel große Feldlazarette am Rande des Gazastreifens aufbauen können und die Menschen auffordern lieber dorthin zu gehen. Das würde die palästinensischen Krankenhäuser, in denen sich nun die Menschen konzentrieren, massiv entlasten und so zivile Opfer reduzieren.

Die Logik dahinter ist folgende:

  • habe ich mehr Menschen auf engem Raum, führen Kampfhandlungen automatisch zu exponentiell mehr Toten. Schwere Geschütze treffen dann auf mehr Menschen und auch der Kampf bei einer Invasion wird schwerer, da die Übersicht massiv leidet.
  • habe ich mehr Menschen im Krankenhaus bedeutet das mehr Ressourcenbedarf an Energie, Wasser, Nahrung und letztlich auch medizinischem Personal. Eine Reduktion der Patienten auf unbelehrbare und unverlegbare würde die Lage in den Krankenhäuser signifikant verbessern

Dabei ist unerheblich, ob die Hamas den aktuellen Patienten erlaubt die Klinik zu wechseln. Es reicht schon wenn nicht immer mehr Menschen in diese Krankenhäuser eingeliefert werden und (einigermaßen) Genesene die Krankenhäuser wieder verlassen.

Gerade in einem Krieg mit absehbar so vielen zivilen Opfern wäre eine Versorgung dieser ein Muss und auch eine deutliche Geste an die Palästinenser, dass man gegen die Hamas und nicht sie Krieg führt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob diese Unterscheidung der israelischen Regierung so bewusst ist. An anderer Stelle habe ich dazu schon einmal auf grenzwertige Aussagen des israelischen Botschafters in Deutschland (Ron Prosor, ein bekennender rechter Hardliner) hingewiesen.

Genau, das meine ich auch, hier sollte ein Ort der Reflektion sein und weniger das aktuelle Geschehen dokumentiert werden.
Danke für den Link zum taz Podcast.

Für die Haltung der linken Kräfte in Lateinamerika in Bezug auf Israel finde ich keine passenden Worte, ich enthalte mich.
Für die hiesige Linke, in der ich mich selbst verortet habe und immer auch gerne dass Beiwort „fortschrittlich“ verwendet habe, ist eine exemplarische Haltung, wie die der im Podcast zitierten „Rigaer 94“ geradezu beschämend ; und trotzdem virulent.
Judenhass (der Begriff „Antisemitismus“ ist bei genauerer Betrachtung eine Verkürzung , ein Euphemismus) ist eine Geisteskrankheit, angelegt und gefördert über 2000 Jahre lang!
Jawohl, ich unterstelle diesen Leuten den Hass auf Jüdinnen und Juden zu billigen und zu fördern, unter dem Deckmantel der Kritik am Staate Israel. Die stereotype, die sie pflegen, sind internalisiert. Ulrich Gutmair weißt sehr zurecht darauf hin, wie sich das in einem Diskurs auswirkt. Er hätte noch anfügen können, dass in Deutschland bei der Bevölkerungsgruppe mit judenfeindlichen Einstellungen, die zwischen 20 und 30 % liegt, die linke Seite natürlich inbegriffen ist. Frau Poppe weiß von den Flügeln innerhalb der Linken zu berichten und hat als Erklärung dafür „wir sind alle irgendwie verrückt“ zu bieten. Sehr schwach.