besten Dank für das interessante Interview mit Steffen Mau.
Ergänzend zur These, dass Reichtum gesellschaftlich zunehmend mit eigener Leistung assoziiert wird, empfiehlt sich das Buch von Michael Sandel „Vom Ende des Gemeinwohls“, der diese Effekte detailliert aufschlüsselt und darin eine Erklärung des zunehmenden Rechtspopulismus in der westlichen Welt findet.
„Die in den westlichen Gesellschaften herrschende Leistungsideologie verspricht, dass sich jeder durch Bildung sein Schicksal verdienen kann. Damit einher geht eine Verachtung der Menschen mit geringen Qualifikationen: Sie sind demnach dumm und selbst dran schuld. Populismus ist der Protest gegen diese Zuschreibung der gesellschaftlichen Elite.“
Tatsächlich war die These von Herrn Mau, dass Reichtum zunehmend nicht mehr durch eigene Leistung erwirtschaftet wird (weil leistungslos geerbt) und die gesellschaftliche Wahrnehmung sich noch nicht angepasst hat, sondern immer noch die ist, dass Wohlstand ein Zeichen für Leistung ist.
Ulf hat sich darauf zur These versteigert, dass Reichtums heute „in aller Regel“ durch Erbschaft entsteht, „in aller Regel leistungsloser Reichtum (es gibt natürlich Ausnahmen)“ (z.B. StartUps-Gründer), „die allermeisten Menschen, die wirklich reich sind, haben nichts dafür getan, außer in die richtige Familie eingeboren worden zu sein.“ Er spricht sogar vom „Erfolgsmythos“
Ich habe dazu keine Daten, habe aber erhebliche Zweifel, ob das in dieser Absolutheit schon stimmt. Die entsprechenden Aussagen dazu im Buch „Baustellen der Nation“ decken das auf jeden Fall nicht.
Zweifelsohne ist es ein riesengroßes Problem, dass ein nicht unerheblicher Teil des Vermögens in Deutschland über Erbschaften weitervererbt wird, ohne dass die Gesellschaft davon über Erbschaftssteuer etwas zurück bekommt, weil das Steuersystem das einfach ermöglicht. Aber zu insinuieren, als wären reiche Menschen „in aller Regel“ leistungslose, faule Säcke?
Ich halte diese sehr absoluten Aussagen für problematisch, denn damit polarisiert und polemisiert man gegen die Gruppe der „wohlhabenden Menschen“, von denen immer noch viele sich ihren Wohlstand durch Leistung, Bildung, Smartheit und meist auch ein bisschen Glück erarbeitet haben - und nicht selten der Gesellschaft etwas zurückgeben. Und selbst wenn viele mittelständische Unternehmer der 2. oder x-ten Generation den Betrieb geerbt haben, haben nicht wenige dieses geerbte Vermögen mit viel eigener Leistung aufrechterhalten, vielleicht sogar gemehrt und bieten Arbeitsplätze und zahlen viel Steuern und Abgaben für die Gesellschaft.
Die passive Formulierung zeigt dann auch noch, dass es nicht mal eigene Leistung war.
Tatsächlich sind die meisten Millionäre auch aktive Unternehmer, auch wenn sie es nicht mehr nötig hätten. Das bestätigt mMn auch die Studien zum Grundeinkommen, dass es Menschen in der Regel nicht befriedigt in der Hängematte zu liegen.
Der Volksmund sagt aber: der erste bauts auf, der zweite bauts aus, der dritte richtet es zu Grunde.
Manche Familienunternehmen sind auch sicher deshalb über Generationen erfolgreich, weil die dritte Generation sich nicht mehr zu viel eingemischt, aber die Führungspositionen richtig besetzt hat.
Wie weit die eigene Leistung noch zu bewerten ist, wenn man sich ins gemachte Nest gesetzt hat, ist immer auch stark eine Frage der Sichtweise.
Ich denke, es kommt sehr darauf an, wo man die Schwelle für den betrachteten Reichtum ansetzt. Was ist „wirklich reich“?
Ich würde mal sagen je höher das Vermögen, desto unwahrscheinlicher, dass es ohne Erben zustande gekommen ist. Aber belastbare Zahlen liegen mit da auch nicht vor.
Nichtsdestotrotz hast du sicherlich recht, dass der reine Erbe, der von Geburt an keinerlei Leistung erbringt nur ein Idealtypus ist und in Wirklichkeit eine Kombination aus Leistung und Erbe vorliegt. Dabei wären noch die Effekte interessant, in der das ererbte Kapital, den Ertrag der Leitung begünstigt.
In einer Gesellschaft, in der gegen Benachteiligte in der Breite weitgehend ungeniert gehetzt wird, fällt es mir allerdings schwer, besonders viel Energie in den Schutz der Privilegierten vor zuspitzender Kritik zu investieren.
Erben oder Geburtsprivilegierung bedeutet nicht nur, vom Erbe oder dem Unterhalt der Eltern oder Großeltern leistungsfrei leben zu können.
Erbe und Unterstützung durch das Elternhaus bedeuten auch eine völlig andere Ausgangsposition. Es ist so, wie in einem Video dargestellt: Bei einem Wettrennen (=Leistung) dürfen einige etwas vorgehen und einige sehr weit vorgehen, bevor der Startschuss fällt. Die Hinteren, die im Zweifel auch noch einen schweren Rucksack aufgeladen bekommen oder Gummistiefel statt Rennschuhe tragen müssen, haben 0 (NULL!) Chancen, das Rennen zu gewinnen.
Ich verstehe einfach nicht, warum Menschen mehr Eigentum haben sollten, als sie brauchen, solange es (sogar im eigenen Land) Menschen gibt, die nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen.
Und was die besonders reichen "Familien"unternehmen betrifft: Ein Teil (editiert) von ihnen haben ihren Reichtum im Dritten Reich bilden oder vermehren können. Wie kann man allen Ernstes behaupten, das wäre gerechtfertigt?
Niemand hat hier denSchutz der Privilegierten gefordert. Ich wende mich nur gegen die Polarisierung, die niemandem nutzt, aber der Akzeptanz der grundsätzlich ja sehr wertvollen Diskussion schadet.
Auch diese Behauptung in Bezug auf „viele“ Familienunternehmer halte ich für eine ebenso unzulässige (weil sicherlich nicht richtige) und polarisierende, die Diskussion völlig unnötig verfugende Aussage. Jetzt sind alle Reichend nicht nur faule Säcke, sondern auch noch Altnazis. Meine Güte ….
Außerdem: Ich betone einfach mal diese Seite der Medaille, da so unglaublich viel auf arme Menschen und ihre „Vergehen“ hingewiesen wird, obwohl es auch nur Einzelfälle sind.
Ok. Ich möchte gerne nochmal versuchen, den Kern der Kritik möglichst sachlich darzustellen:
Geburtsbedingte Privilegien bzw Benachteiligungen verzerren das Verhältnis aus Leistung und Ergebnis so sehr, dass das Leistungsprinzip soweit verzerrt wenn nicht gar ausgehebelt ist, dass ein Schluss von sozioökonomischer Stellung auf die Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft nicht (mehr) valide ist.
Dadurch geht zB auch die Idee vom „Fördern und Fordern“ (womit ja weniger fördern, mehr fordern gemeint ist) am Problem vorbei (bzw verstärkt es).
Was aber vermag so ein seit jahrzehnten bekannter nüchterner Befund auszurichten gegen genau so lang wiederkehrende (populistische?) Medien-Kampagnen?
Mir scheint es herrscht da wie in so vielen anderen Politikfeldern eine gewisse „Waffenungleichheit“ zwischen der wissenschaftlich erhobenen und der medial inszenierten Wirklichkeit, die natürlich wieder Auswirkungen auf die Politik hat.
Ich glaube ihr redet aneinander vorbei. Ich verstehe @TilRq so, dass er grundsätzlich gegen diese polarisierte Darstellung ist, die im Podcast, aber auch von einigen Usern hier im Thread, vertreten wurde, dass reiche Menschen für ihren Reichtum quasi keinen Handschlag tun.
Ich muss ihm da recht geben. Das ist eben genauso ein polemischer Unfug wie wenn andere andere behaupten, arme Menschen seien einfach nur faul und Alkoholiker.
Wenn ich an mir bekannte Familienunternehmer mit Unternehmenswerte im 1 bis 2stelligen Millionenbetrag denke, dann sehe ich fast immer volle Terminkalender mit hohem Reiseanteil, bei denen fast jeder Angestellte schnell abwinken würde. Dazu kommt eine ständige Angst vor dem Scheitern einer eigenen Unternehmensentscheidung und der Bedeutung für die eigenen Angestellten.
Das soll nun wirklich nicht heißen, dass die ihrer gesellschaftliche Verpflichtung nicht nachkommen sollen. Ich bin ganz klar für Vermögens- und Erbschaftssteuer.
Ich kann das „viele“ gern in „ein Teil“ ändern, wenn das weiterhilft.
Niemand hier behauptet, reiche Menschen seien faul.
Ich denke z.B. nur, übermäßiger Reichtum führt zu großer Ungleichheit und gefährdet die Demokratie.
Aber leider hat der polemische Unfug gegen arme Menschen hohe Zustimmungsraten, während der gegen reichen Menschen schnell auf Widerstand aus allen Schichten stößt.
Das erkennt man gerade jetzt wieder daran, dass eine Polemik gegen Reiche in der Kritik steht, die Akzeptanz der ganzen Diskussion zu torpedieren, während die Vorurteile gegen Arme immer wieder in Diskussionen als Teil der inhaltlichen Auseinandersetzung vorkommen.
Niemand hat in Frage gestellt, dass unser Erbschaftssteuerrecht einer dringenden Reform bedarf, weil es gilt: Je reicher, umso einfacher kann man die Erbschaftssteuer umgehen.
Nicht direkt, aber die Aussage von Ulf hat genau das insinuiert (allerdings bezogen auf die „wirklich reichen“).
Ich hätte genau interveniert, wenn so ein Unsinn über „arme Menschen“ behauptet worden wäre.
Und: Nur, weil all zu oft die eine polarisierende These unwidersprochen geäußert werden darf, ist es nicht ok, wenn die andere polarisierende These in einen Pdcast mit der Reichweite geäußert wird.
Mmm, zum einen weiß ich nicht, warum es polarisierend ist, Tatsachen auszusprechen. (Vielleicht wurde zu viel in Ulfs Aussage hineininterpretiert)
Zum anderen ist mein Eindruck, dass man mit handzahmen, toleranten, freundlichen Aussagen einfach nicht mehr gegen die laute rechtsextreme und grenzwertig rechte Stimme in der Öffentlichkeit nebst Social Media ankommt.
Dazu empfehle ich, mal ein Interview mit Thomas Laschyk, Volksverpetzer-Gründer zu planen.
Ja, auch hier im Thread, z.B. Thread „Wehrloser Sozialstaat“.
Oder die ewige Diskussion, ob das Bürgergeld zu hoch sein könnte. Hatten wir hier auch schon. Dabei will niemand, wirklich niemand von den Diskutanten von Bürgergeld leben müssen, von dem z.B. auch Strom gezahlt werden muss, Kleidung (ihr wisst, wie Kinder wachsen), Ansparung für Extra-Ausgaben etc. etc. Siehe Helena Steinhaus von Sanktionsfrei.
Allermeisten ist nicht gleich alle.
Ich halte die Aussage für richtig. Tatsache.
Drei Gummipunkte für den, der es schafft, dazu eine Studie zu finden…
Ich nehme fest an, dass der weit, weit überwiegende Teil Reicher ihr Vermögen nicht aus alleiniger, eigener Kraft angesammelt hat. Gerade heute nicht mehr.
Wir haben die Erfolgslegende/Leistungsideologie viel zu sehr verinnerlicht.