Lehrerin wegen Kinderpornografie angeklagt - Staatsanwaltschaft machtlos

Hallo liebes Lage-Team,
Dieses Thema eignet sich vielleicht für eine kleine Randnotiz. Sie hatten vor einiger Zeit berichtet, dass durch eine Gesetzesänderung von 2021 der Besitz von Kinderpornographie zu einer Straftat hochgestuft wurde. Damals hattet ihr vor den Folgen gewarnt, die dies für Menschen haben kann, die durch ihr Handeln nur helfen wollen und zu diesem Zweck selbst pornografische Inhalte besitzen oder verbreiten. Nun ist genau dieser Fall eingetreten und einer Lehrerin droht nun 1 Jahr Haft sowie der Verlust ihres Arbeitsplatzes und des entsprechenden Beamtenstatus. In dem verlinkten Artikel wird unter Berufung auf den Bundesjustizminister beschrieben, dass das Gesetz noch in diesem Jahr angepasst werden soll.
Meine Fragen wären nun:

  1. Wie realistisch ist dieser Zeitplan aus eurer Sicht?
  2. Wie sollte eine solche Gesetzesänderung aussehen? Glauben Sie, dass einfach zum Status quo vor 2021 zurückkehrt wird? Diese Rückkehr könnte sicherlich durch die Bild-Zeitung polarisiert werden, wie es 2021 der Fall war. Wie sollte der Justizminister dieses Problem also am besten angehen?
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Hi, genau diese Fragen haben wir vor ein paar Wochen schon diskutiert, vielleicht findet ja jemand auf die Schnelle den Link zur Episode und kann ihn hier posten.

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Vielleicht dieser
https://talk.lagedernation.org/t/gesetz-zur-bekaempfung-sexualisierter-gewalt-gegen-kinder/19857?u=margarete_amelung

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Buschmann geht das Thema nun an.

Derzeit kann ich den Artikel ohne Paywall aufrufen.

Ausgerechnet im Bereich der Pädokriminalität das Strafmaß zu senken, das ist aus Buschmanns Sicht ein überfälliges, aber nicht ganz einfach zu kommunizierendes Vorhaben. Welcher Minister lässt sich schon gern nachsagen, er übe Nachsicht gegenüber Sexualstraftätern?

Der Deutsche Richterbund nannte Buschmanns Vorhaben überfällig. „Die Verschärfungen sind seinerzeit gegen den Rat aller Experten eingeführt worden“, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Die vermeintlich gute Tat des Aufklärens sei „zum Bumerang“ geworden

Guck an. Wider aller Erwartungen, nimmt sich unser Justizminister dieses Themas an ("Kinderpornografie: Justizminister will Strafmaß für Verbreitung senken Kinderpornografie: Justizminister will Strafmaß für Verbreitung senken - Politik - SZ.de). Ich bin gespannt, was die Bildzeitung daraus macht…

Thema geht weiter, die Lehrerin muss sich jetzt offenbar wirklich vor Gericht verantworten:

[Hilfe für 13-Jährige führte zur Anklage](Kinderpornografie-Vorwurf: Prozess gegen Lehrerin beginnt im September - DER SPIEGEL)

Da der Minister von der FDP ist, wird Springer wohl gnädig sein. Aber ja: Wenn das ein Grüner versucht hätte, wäre wahrscheinlich die Hölle los.

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Springer hat mit dem Druck den er auf die Politik (Justizministerin Lambrecht) aufgebaut hat diese Situation erst verursacht.

Magst du das mal erklären? Welche „Situation“ hat der Springerverlag deiner Meinung nach „versursacht“?

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Das wurde in der oben verlinkten Episode von LdN erklärt. Vereinfacht gesagt hat der Boulevard, und hier speziell das Hetzblatt BILD, Stimmung gemacht um einer härteren Strafverfolgung das Wort zu reden. Gegen jeden Rat von Experten wurde, um der Profilierung wegen, ein Gesetz erlassen um scheinbar(sic) härter gegen die Verbreitung von Kinderpornografie vorzugehen. Mit dem Effekt, dass potenziell tausende Fälle vor Gericht landen die überhaupt nichts mit der Sache zu tun haben, im Gegenteil, die Justizbehörden mit Arbeit überlasten was am Ende sogar dem Schutz der Opfer schadet weil durch Überlastung die wirklichen Fälle nicht mehr verfolgt werden können. Wie hier im vorliegenden Fall, bei dem die Justizbehörden qua Gesetz vermutlich handeln MÜSSEN. Vielleicht kann man das in der nächsten Folge noch mal genauer erläutern. Die Rücknahme der entsprechenden Gesetze ist für einen Justizminister, gleich welcher Partei, eine Boulevard-Minenfeld weil man Gefahr läuft sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, scheinbaren Kinderschutz aufzuweichen. Aber es ist halt kein Grüner Justizminister sondern zum Glück FDP und somit dürften die Breitseiten des Hetzblattes eher gemäßigt ausfallen.

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Das Hauptproblem ist die Hochstufung des Mindeststrafrahmens für den §184b StGB („Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“) gewesen, zuvor war der Strafrahmen 3 Monate bis 5 Jahre, nach der Verschärfung 1 bis 10 Jahre. Dafür hat die Springer-Presse massive Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Das Problem ist: Eine Mindeststrafe von einem Jahr bedeutet, dass es nun kein Vergehen mehr ist, sondern ein Verbrechen. Bei einem Vergehen kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach §153ff StPO relativ unproblematisch einstellen:

Daher: Unproblematische Fälle (Eltern / Lehrer bekommen Zugang zu kinderpornographischen Material und wenden sich an die Polizei) konnten problemlos eingestellt werden. Jetzt geht das nicht mehr. Deshalb will man nun den Mindeststrafrahmen von einem Jahr auf 6 Monate reduzieren, also immer noch höher als die 3 Monate zuvor (und die Maximalstrafe bleibt auch bei 10 Jahren), aber es wird wieder ein Vergehen. Dann kann die Staatsanwaltschaft sinnlose Verfahren auch wieder direkt einstellen, statt gezwungen zu sein, sie durchzuführen.

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Danke für die Erläuterungen. Ich finde es allerdings etwas schräg, die Bildzeitung bzw. den Springerverglag alleine für die entstandende Situation verantwortlich zu machen. Dazu braucht es ja immer noch ein Ministerium, das einen entsprechenden Gesetzentwurf verfasst, ein Kabinett dass ihn durchwinkt und jede Menge Bundestagsabgeordnete, die ihn beschließen.

Natürlich ist die BLÖD-Zeitung nicht alleine dafür verantwortlich, aber sie hat diese Agenda eben extrem stark gepusht und als „No-Brainer“ verkauft. Wenn Politiker entgegneten, dass das zu Problemen führte, ging es stets in Richtung „Politiker X schützt Sexualstraftäter“, zumindest zwischen den Zeilen.

Machen wir uns nichts vor:
Sexualstraftäter - vor allem solche, die Kinder zum Ziel haben - haben keine Lobby, sie sind noch einfacher zum Feindbild zu erklären als die üblichen Sündenböcke, weil niemand sie mag (aus sehr nachvollziehbaren Gründen) und auch niemand zu ihrer Verteidigung eilt. Wenn nun der mächtigste Medienkonzern mit der auflagenstärksten Zeitung explizit ständig die Bevölkerung in die Richtung beeinflusst, die Gesetze zu verschärfen, ist es extrem schwer für die Politik, sich dem zu widersetzen. Denn die Politik muss ihre Gründe natürlich kommunizieren - wenn die Springer-Presse aus den sinnvollen Begründungen aber „X-Partei schützt Sexualstraftäter“ macht, statt die Gründe fair und detailliert zu berichten, sollte die Regierung natürlich trotzdem nicht stumpf diesem Populismus folgen, aber die Realität zeigt leider, dass es sehr schwer ist, das nicht zu tun.

Natürlich muss man auch die Regierung (in diesem Fall: Merkel IV, in ihren letzten Zügen) dafür verantwortlich machen, aber das Problem, dass Medien hier bei populären Themen (wie etwa „Härtere Strafen für Sexualstraftäter“) extrem viel Macht haben, weil die Medienberichterstattung literally Wahlen entscheiden kann, sollte auch angesprochen werden. Und in diesem Fall waren es eben vor allem die Springer-Medien, die hier ganz klar eine Agenda gepusht haben, gegen jeden Expertenrat (und eben die Regierung, die doof genug war, dem irgendwann nachzugeben, oder zu schwach, sich dem zu widersetzen)

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Hier darf man ruhig etwas genauer sein. Die damals zuständigen Ministerien (Familie + Justiz) waren beide in der Hand der SPD. Ab Mai 2021 in Personalunion geführt durch Christine Lambrecht, die erst ablehnend, aber später in söderscher Wendehalsmanier eine sehr scharfe Verfechterin der Reform war.

Natürlich gab es auch Zustimmung bei der CDU, aber letztlich war die SPD hauptverantwortlich. Man kann spekulieren, ob man einfach beim rachsüchtigen Volk für die anstehenden Wahlen Punkten wollte, statt das Richtige zu tun.

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Ich glaube beide kamen in meinem Post vor.
Christine Lamprecht war jetzt nicht die beste Ministerin, die die SPD in ihrer langen Geschichte aufgeboten hat.
Es stellt sich aber schon die Frage, wieviele Minister in den Vorwehen des Wahlkampfs das Standing gehabt hätten, sich gegen die Maschinerie des Springer-Verlags und den Koalitionspartner, der ja seinerseits besser in den deutschen Medien vernetzt ist als alle anderen Parteien zusammen zu stellen.
Wenn du etwas googelst wirst du übrigens feststellen, dass die gleiche Maschinerie losgelegt hat, als Buschmann die Entschärfung angekündigt hat. Der Unterschied: die anderen Medien waren nun sensibilisiert und gaben contra und die nächste Bundestagswahl war noch etwas weg.

Und so funktioniert Springer nun mal. In richtigen Moment das richtige schreiben um das richtige zu erreichen.

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Ich bezweifle ja nicht, dass es eine Kampagne von Springer gegeben hat. Aber ich finde es klang teiliweise schon etwas so, als ob die Regierung quasi gar nicht anders gekonnt hätte und da finde ich muss schon die politisch Verantwortlichen für ihr eigenes Handeln in die Pflicht nehmen. Die wissen ja auch nicht erst seit Gerhard Schröder, dass „mit Bild und Glotze“ regiert wird.

Nochmal: Ja, Springer macht Kampagnen, aber die sind bei Weitem nicht immer erfolgreich. Und auch andere Medien wollen mit ihrer Arbeit „im richtigen Moment“ politisch etwas erreichen, sind damit aber oft nicht so erfolgreich (siehe etwa die SZ und Aiwanger).

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Natürlich trifft am Ende ein Minister die Entscheidung.
Dennoch haben sie diese Situation verursacht.
Hätte Bild keine Kampagne gestartet, hätte Frau Lamprecht sich darüber gar keine Gedanken gemacht, die Experten hatten ja durchwegs abgeraten.

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Die FDP hat das schon bei der Verabschiedung des Gesetzes seinerzeit kritisiert