Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder

Wie in der aktuellen Lage besprochen wurde, waren die „Kollateralschäden“ der Gesetzesnovelle à la „13-Jährige verschickt Nacktfotos“ davor bekannt (ich meine, das wurde damals ausführlich im FAZ Einspruch Podcast erörtert). Meinem Empfinden nach hat der Bundestag dadurch einen Automatismus zum menschenrechtswidrigen (da grundlosen) Freiheitsentzug etabliert. Ich bin damals davon ausgegangen, dass das Bundesverfassungsgericht oder spätestens der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Bundestag für diese Novelle „rasch“ in seine Schranken weisen wird.

Liegen solche Verfassungsbeschwerden vor und das Gericht lässt sich einfach nur gründlich Zeit oder scheitert es bereits daran, dass sich keine Kläger finden bzw. trauen? Können eigentlich ausschließlich Opfer dieses Gesetzes Verfassungsbeschwerde einlegen (da nur sie nachweislich von den Kollateralschäden betroffen sind)?

PS: Was müsste der 16-Jährige eigentlich tun (um seine Menschenrechte zu wahren), wenn er von der 13-Jährigen Bilder geschickt bekommt? Strafanzeige gegen diese stellen wegen Verbreitung von kinderpornographischem Materials? Und wie soll der Rechtsstaat die strafunmündige 13-Jährige daran hindern weiterhin kinderpornographisches Material zu verbreiten?

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Das Gesetz ist zum 01.07.2021 in Kraft getreten. Bis so ein Verfahren beim BVerfG ankommt vergehen in der Regel (leider) viele Jahre, wenn sich kein mutiger Richter findet, der selbst der Überzeugung ist, dass die Vorschrift verfassungswidrig ist und deshalb ein konkretes Normkontrollverfahren anstrengt (also die Norm dem BVerfG zwecks Kontrolle vorlegt).

Der einzige schnellere Weg wäre es gewesen, wenn ein Viertel der Mitglieder des Bundestages oder eine Landesregierung ein abstraktes Normenkontrollverfahren eingeleitet hätten, aber das ist nicht geschehen.

Übrigens durchaus aus gutem Grund, denn wir haben es hier mMn nicht mit einem verfassungsrechtlichen Problem zu tun, sondern mit einem Problem auf der rechtspraktischen Seite. Denn die Strafbarkeit des Besitzes besagter Daten ist durchaus zulässig, sie ist in manchen Fällen aber einfach kontraproduktiv, sodass es Sinn machen würde, wenn die Verfahren leichter einzustellen wären (was der Fall war, bevor die Taten von Vergehen zu Verbrechen hochgestuft wurden).

Es steht doch sehr zu hoffen, dass hier gar nicht erst das BVerfG in einigen Jahren entscheiden muss, sondern dass die Politik das Problem vorher löst…

Die Bilder sofort löschen und der Freundin sagen, dass sie ihm keine derartigen Bilder mehr schicken soll.

Strafanzeige gegen die 13-jährige ist aus mehreren Gründen sinnlos (vor allem wegen der altersbedingten Strafunmündigkeit).

Eine Selbstanzeige wäre nur sinnvoll, wenn man tatsächlich das Opfer bringen will, so einen Prozess bis zum BVerfG hoch zu klagen, wenn man die Meinung vertritt, als 16-jähriger ein Recht an Nacktfotos der 13-jährigen Freundin zu haben.

Also wenn wir überhaupt von der Strafbarkeit des Verhaltens bei Eigenbetroffenheit ausgehen und die Minderjährigkeit des Opfers nicht schon auf der Tatbestandsseite ausschließen (was argumentativ durchaus vertretbar ist):

So wie der Rechtstaat alle 13-jährigen an Straftaten hindert: Durch Intervention durch das Jugendamt. Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren wegen Strafunmündigkeit ein und leitet den Sachverhalt an das Jugendamt weiter, dieses wird sich mit dem Kind und den Eltern auseinandersetzen und versuchen, darauf hinzuwirken, dass das Kind es in Zukunft unterlässt.

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(Mal abgesehen von der materiellen Prüfung durch das Bundespräsidialamt.)

Dass die Erzeugung und Verbreitung solches Materials als ein Verbrechen geahndet werden sollte, da sind sich hier wohl viele einig. Darüber hinaus wohl auch, dass auch der Besitz einen potentiellen Straftatsbestand darstellen kann/sollte. Den Besitz aber absolut und kontextlos unter Strafe zu stellen (d.h. der Judikative jeglichen Handlungsspielraum zu nehmen), ist nach meinem Rechtsverständnis nicht tragbar. Man stelle sich vor, der Bundeskanzler erhält ein solches Bild per Post und nimmt es unter Zeugen in Besitz. Muss er dann automatisch ins Gefängnis (von der Immunität mal abgesehen)?

Die Hoffnung stirbt zuletzt! :slight_smile:

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Das wäre eher sehr unüblich. Der Bundespräsident hat unbestritten ein starkes formelles Prüfungsrecht (dh. ob die Kompetenzordnung des GG eingehalten wurde), während das materielle Prüfungsrecht selbst schon recht umstritten ist. Jedenfalls herrscht weitestgehend Einigkeit, dass das materielle Prüfungsrecht zurückhaltend auszuüben und auf wirklich offensichtliche Fälle beschränkt werden sollte. Die verheerenden Konsequenzen davon, dass ein Gesetz vom Vergehen zum Verbrechen hochgestuft wurde, wären mMn ein Lehrbuchfall dafür, dass der Bundespräsident die Grenzen seines materiellen Prüfungsrechts überschreitet.

Hier muss angemerkt werden, dass für eine Strafbarkeit Vorsatz nötig ist.

Gerade beim „zugesendet bekommen“ ist natürlich zu prüfen, ob Vorsatz zum Besitz vorlag, da der Besitz passiv erlangt wurde, sodass aus der Handlung, in Besitz zu kommen, kein Vorsatz abgeleitet werden kann. Das wäre in dem von dir genannten Fall des Bundespräsidenten offensichtlich nicht gegeben - kein Vorsatz, keine Strafe. Gleiches gilt, wenn jemand Kinderpornographie versendet, um damit andere in Schwierigkeiten zu bringen. Wenn die Empfänger die Daten sofort löschen, dürfte relativ klar sein, dass kein Vorsatz vorliegt (ja, das gilt auch, wenn sie es nicht „technisch unwiederbringlich löschen“, z.B. unter Windows nur einfach löschen und den Papierkorb nicht leeren… hier wäre maximal noch fahrlässiger Besitz gegeben, aber kein Vorsatz).

Aus dem gleichen Grund wäre ein Lehrer nicht zu belangen, der wegen Störungen des Unterrichts Smartphones seiner Schüler „verwahrt“, wenn sich auf dieses solches Material befindet, von dem der Lehrer aber nichts weiß. Oder wenn du z.B. eine nach einem aktuellen Kinofilm benannte Datei von einem Filehoster oder einer Tauschbörse runterlädst, die sich als Kinderpornographie entpuppt. Sofort löschen und gut ist - niemand wird in dieser Situation von einem Vorsatz ausgehen.

Das Problem sind Fälle, in denen Vorsatz des Besitzes vorliegt, aber der Besitz eigentlich sozialförderlichen Zwecken (z.B. Beweissicherung durch Lehrer oder Eltern, um pädagogische Ziele zu erreichen) oder neutralen Zwecken („Eigenbedarf“ des 16-jährigen Freundes) dient, daher eigentlich kein Strafgrund im Sinne eines verwerflichen Verhaltens vorliegt.

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Gut herausgearbeitet! Und genau wegen dieser „Probleme“ halte ich die Novelle für menschrechtswidrig und damit verfassungswidrig.

Mir geht es um die Einhaltung der Menschenrechte. Das wäre in meinen Augen zumindest eine materielle Prüfung wert.

(Stoff für eine andere Diskussion: Generell würde ich mir wünschen, dass der Bundespräsident sich — auch — als Teil der Judikative sieht und verfassungsrechtliche (materielle) Bedenken frühzeitig äußert. Das schlimmste, was sein Veto bewirkt, ist dass das Bundesverfassungsgericht ein kritisches Gesetz prüft bevor es gültig wird und eben nicht erst viele Jahre später. Selbstredend, dass der Bundespräsident dieses Vetorecht nichtsdestotrotz nur sehr sparsam einsetzen sollte.)

Das kann ich zwar nachvollziehen, halte die Wortwahl aber für etwas zu hoch gegriffen.
Bestimmte Schlagworte wie z.B. die Menschenwürde oder Menschenrechte sollten mit Bedacht eingesetzt werden - eine inflationäre Verwendung nimmt diesen Worten einfach ihr Gewicht.

Strafgesetze, die trotz fehlendem Strafgrund eine Strafe vorsehen, sind leider etwas, das häufiger vorkommt. Beispielsweise das Verbot von Inzest, wenn eine der beteiligten Personen Zeugungsunfähig ist (und somit hier nur noch eine „Moral“ verteidigt wird). Ob solche Gesetze eine Verletzung der Menschenrechte sind kann man sicherlich diskutieren, i.d.R. sind es einfach handwerklich schlechte Gesetze…

Dabei verkennst du die Grundproblematik der „Überparteilichkeit“ des Bundespräsidenten. Die Bewertung materieller Bedenken ist häufig stark abhängig vom eigenen politischen Standpunkt, der Konservative findet hier völlig andere Sachen materiell bedenklich als der Linke. Das Schlimmste, was regelmäßige Vetos des Bundespräsidenten daher bewirken könnten, wäre eher, dass das Amt „politisiert“ wird und seine überparteiliche Repräsentationsfunktion einbüßen würde.

Das ist letztlich der Grund, warum die meisten Verfassungsrechtler dem Bundespräsidenten ein materielles Prüfungsrecht nur in offensichtlichen Fällen - also Fällen, die i.d.R. vom gesamten demokratischen Spektrum als problematisch erachtet werden - zugesteht. Beispielsweise wenn die Bundesregierung das Abschießen von Verkehrsflugzeugen in 9/11-Situationen erlauben will, was offensichtlich ein Aufwiegen von Menschenleben ist, was den Kern der Menschenwürde berührt (weshalb Köhler kritisiert wurde, dass er das Luftsicherheitsgesetz durchgewunken hat, worauf dieser sagte, er habe beim Unterzeichnen erhebliche Bauchschmerzen gehabt… das wäre ein Fall gewesen, der offensichtlich genug ist, um wohl noch innerhalb der materiellen Prüfungskompetenz zu liegen)

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Die Ausführungen zu den Kinderpornografie-Regeln stand im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Döpfner-SMS’s sowie den BILD-Kampagnen. Es wurde berichtet, die Verschärfung der Regeln gehe auf eine BILD-Kampagne zurück, die damalige Justizministerin Lambrecht sei daraufhin eingeknickt, es sei ihr dann auch egal gewesen. Diese Darstellung ist aber sinnentstellend verkürzt. Denn die Justizministerin hatte sich gegen die Verschärfung gesperrt, mit genau den Gründen, die heute genannt werden, um die Rücknahme der Verschärfung zu begründen (keine Möglichkeit der Verfahrenseinstellung bei Verbrechen). Der Hauptdruck auf die SPD-Justizministerin kam aus der CDU, allerdings medial begleitet durch die BILD-Zeitung. Aber erst als die SPD umfiel und der damalige rechtspolitische Sprecher Johannes Fechner ankündigte, man sei „offen“, die Erhöhung des Strafrahmens zu prüfen, knickte die Justizministerin ein. Beschlossen wurde dann das, was heute wieder zurückgedreht werden soll (weil man schon damals wusste, dass es keine gute Idee ist).

Kann man nun sagen, dass das alles auf eine BILD-Kampagne zurückging? Wollen wir die damals beteiligten Politiker aus der Verantwortung nehmen? Zu Kampagnen gehören mindestens drei - derjenige, der sie fährt, derjenige, der sich beeindrucken lässt und derjenige, der eine Kampagne für eigene Zwecke instrumentalisiert. Der Beitrag in der LdN nahm aber sogar die heutigen Politiker, die sich mit der Änderung schwer tun, in Schutz, weil die Sorge vor der Berichterstattung hätten, aber das kann ich kaum akzeptieren und auch nicht unterstützen, wenn Politiker ihre Politik mit Blick auf die Medien machen und dafür auch noch offenes Verständnis ernten. - Das ändert nichts daran, dass BILD ein Instrument der Niedertracht ist, aber im vorliegenden Fall hat die LdN es sich zu einfach gemacht.

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Naja, die Presse wird nicht umsonst als „vierte Gewalt“ bezeichnet, eben weil die Presse die Möglichkeit hat, Stimmung für oder gegen den Gesetzgeber und die Exekutive zu machen und damit diese zwei Gewalten ein Stück weit zu „kontrollieren“. Insofern diese Kontrolle verantwortungsvoll im Rahmen von Pressekodex und co. durchgeführt wird (dh. Skandale aufdecken, das Volk ohne Absicht der politischen Einflussnahme informieren usw) ist das ja auch gut und gewünscht, wenn die Bild als mit großem Abstand auflagenstärkste Tageszeitung ihre Macht aber missbraucht, weil Döpfner sagt, er will die FDP stärken, oder weil Konservative meinen, „härtere Strafen lösen alle Probleme“, ist das kritisch zu betrachten.

Dennoch ist es leider ein Fakt, dass Politiker und Parteien in einer Demokratie ihr Verhalten ein Stück weit darauf ausrichten werden, Wiedergewählt zu werden. Und das bedeutet, dass man unpopuläre, aber richtige Schritte teilweise leider unterlässt - vor allem, wenn man weiß, dass die Springer-Presse nur darauf wartet, der Regierung vorzuwerfen, man sei „Soft on Crime“, sobald sie in Erwägung zieht, den Strafrahmen wieder vom Verbrechen zum Vergehen runter zu stufen…

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Zustimmung. Andererseits darf einen das nicht davon abhalten auf tatsächliche Beschränkungen der Menschenrechte auch ohne Umschweife hinzuweisen.

Bei dieser Novelle war allen Beteiligten bereits vor der Abstimmung im Bundestag bewusst, dass dieses Gesetz ein schlechtes Gesetz ist. Mir widerstrebt es, diese Novelle als „handwerklich schlecht“ zu bagatellisieren. Es wäre ein Leichtes gewesen, zumindest die oben beschriebenen Fälle explizit von der Novelle auszunehmen.

Das tue ich nicht, aber ich möchte dieses Offtopic-Thema hier nicht vertiefen.

Da sind wir ja auch gar nicht unterschiedlicher Meinung, das Gesetz in dieser Form war in jedem Fall ein Fehler und die Politik ist hier auch lachend in die Kreissäge gelaufen, daher: Es gab hinreichend Warnungen von Experten aller politischer Richtungen, dass diese Gesetzesänderung nicht konstruktiv ist.

Die negativen Folgen dieses Gesetzes betreffen aber in erster Linie den Staat selbst - durch Überlastung der Justiz mit Fällen, die diese lieber direkt einstellen würde. Natürlich sind auch die Betroffenen belastet, wobei man hier in aller Regel Wege finden wird, wie es ohne Strafe ausgeht (z.B. über den Vorsatz oder noch kreativere Lösungen). Es ist ja nicht so, dass durch diese Änderung neue Strafbarkeiten geschaffen worden wären - auch vorher haben sich Lehrer, Eltern oder der 16-jährige Freund in bestimmten Fällen strafbar gemacht und das ganze wurde nur durch eine - einfach mögliche - Einstellung des Verfahrens gelöst.

In diesem Kontext finde ich es schwierig, zu sehr auf die Grundrechteebene zu gehen. Die Kritik an dem Gesetz ist eher, dass sich der Staat selbst einen Bärendienst erwiesen hat, die Beschwer der Betroffenen ist unschön, hält sich aber in noch vertretbaren Grenzen.

Liebe Lage,

Ich habe gerade euren Teil zur Reform der Strafbarkeit für den Besitz von KiPo gehört. Grundsätzlich bin ich natürlich eurer Meinung dass da Reformbedarf ist, wenn Ermittler auf einmal Jugendlichen hinterher ermitteln müssen, die sich gegenseitig Nacktbilder schicken. Umgekehrt hab ich bislang aber trotzdem großen Sinn in der Strafverschärfung gesehen. Ich bin kein Jurist, vlt denke ich da völlig falsch, ich schildere euch mal meine Sicht und bin sehr gespannt auf eure Gedanken dazu.

Zu meinem Hintergrund: Ich bin Jugendgruppenleiter bei den Pfadfindern. Ihr könnt euch wahrscheinlich vorstellen, dass es nicht immer leicht ist, Menschen zu finden die viel Zeit (und Jahresurlaub) für ehrenamtliche Jugendarbeit übrig haben. Darum suchen wir eigentlich immer nach neuen Gruppenleiterinnen. In sofern beschäftigen wir uns natürlich aber auch mit dem Szenario, dass Pädophile auf einmal bei uns Jugendgruppenleiterinnen werden und dort ihren Neigungen nachgehen wollen.

Einer unserer Sicherheitschecks ist das Vorzeigen eines erweiterten Führungszeugnisses. Ich war bislang der Meinung, dass wir damit wenigstens verhindern, dass Leute die bereits auffällig waren, bei uns Mitglied werden können.

Dann kam der Fall Edathy. Der Mann ist schuldig. Dennoch wurde das Verfahren eingestellt nach §153a. Edathy ist nicht vorbestraft. Sein Führungszeugnis ist sauber. Ein weniger prominenter Mensch, könnte also mit einem blütenweißen Führungszeugnis bei uns Jugendgruppenleiter werden.

So wie ich das verstanden habe, konnte das Verfahren eingestellt werden, weil Edathy keine hohe Strafe zu erwarten hatte. In sofern, hatte ich die Erwartung, dass eine Strafverschärfung dafür sorgen würde, dass so Einer nicht mehr so leicht ein Führungszeugnis ohne Eintrag hat. Folglich kann man besser verhindern, dass Pädophile Jugendarbeit betreiben. Ich hätte es also bisher klar bejaht, dass höhere Strafen zu einem effektiveren Jugendschutz führen.

Ich finde die anderen genannten Probleme sehr plausibel geschildert, aber den Strafrahmen würde ich gerne so belassen wie er jetzt ist.

Grüße
Jörg

Obwohl die rechtliche Bewertung von dem Fall der 13-Jährigen mit dem 16-Jährigen natürlich korrekt ist, sollte doch angemerkt werden, dass das StGB sehr wohl eine Ausnahmeregelung für einvernehmlichen Austausch von sexualisierten Inhalten unter Jugendlichen bietet, wenn sie denn unter den Tatbestand des jugendpornografischen Materials fallen (siehe §184c StGB), also die abgebildete Person zwischen 14 und 17 Jahren alt ist:

‚(4) Absatz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 5, und Absatz 3 sind nicht anzuwenden auf Handlungen von Personen in Bezug auf einen solchen jugendpornographischen Inhalt, den sie ausschließlich zum persönlichen Gebrauch mit Einwilligung der dargestellten Personen hergestellt haben.‘

Damit ist Deutschland eines der wenigen Länder in der EU, die (zumindest für bestimmte Konstellationen) Jugendliche von Anfang an von möglicher Strafbarkeit ausschließt, was aus kinderrechtlicher Perspektive auch absolut richtig ist. Dies ist eine Folge der Umsetzung der Lanzarote-Konvention und der 2011 EU Direktive zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch.

Interessant wird es, wenn man sich die Konstellation des einvernehmlichen Austauschs von sexualisierten Inhalten unter Jugendlichen im Kontext der sog. Chatkontrolle ansieht. Denn hier werden als Folge von Aufdeckungsanordnungen auch einvernehmlich hergestelltes Material unter Jugendlichen als potentielles Missbrauchsmaterial an Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten weitergeleitet. Zu den grundrechtsrelevanten Fragen in diesem Bereich habe ich gerade bei Netzpolitik einen Gastbetrag verfasst, der in diesem Zusammenhang interessant sein könnte: CSAM-Verordnung: Chatkontrolle verletzt sexuelle Selbstbestimmung von Jugendlichen

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Hier wäre es u.U. sinnvoller, das BZRG anzupassen und auch die Einstellung unter Auflagen in das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis aufzunehmen. Hier müsste man die Tilgungsfrist aber u.U. von den sonst üblichen 10 Jahren bei Vergehen auf 5 Jahre reduzieren, weil es sonst schnell unverhältnismäßig werden könnte.

Aber es stimmt schon, dass die Gesetzesänderung dazu führt, dass alle Verurteilungen nach § 184b als Verbrechen zwangsläufig nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 BZRG zu einer 20-jährigen Tilgungsfrist führen, wodurch das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis natürlich generell wesentlich wirksamer ist.

In der alten Rechtslage war § 184b StGB ein Vergehen, deshalb konnte es nach § 153a StPO eingestellt werden. Bei Verbrechen geht das grundsätzlich nicht.

Aber wie gesagt, wenn es uns um dieses Zweck geht, würde eine Verschärfung des BZRG mehr Sinn machen, als eine Verschärfung des Strafrechts, die nur indirekt die schärferen Folgen des BZRG auslöst, aber dafür die Justiz mit unsinnigen Fällen überflutet.

Aber wenn der Strafrahmen so bleibt, kann wiederum nicht eingestellt werden ^^ Dann bleibt nur eine Lösung auf der Tatbestandseite (dh. der Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn der Besitz hinreichend bestimmten legitimen Zwecken dient, z.B. der Beweissicherung). Aber den 16-jährigen Freund der 13-jährigen rauszunehmen, ohne damit Schlupflöcher zu öffnen, könnte schwierig sein…

Eine Anpassung des Strafrahmen von „1 Jahr bis 10 Jahre“ auf „6 Monate bis 10 Jahre“ könnte aber die bessere Lösung sein. Bei einer Mindeststrafe von 6 Monaten dürfte eine Einstellung nach § 153a StPO zwar theoretisch weiterhin möglich, praktisch aber eher seltener vertretbar sein, als beim alten Strafrahmen von „3 Monaten bis 5 Jahren“. Gleichzeitig wäre die Tat danach dann kein Verbrechen mehr.

Ich denke ehrlichgesagt auch, dass der Fall Edathy eher die Ausnahme war und die anderen Auswirkungen auf Edathy (Ende seiner politischen Karriere, Parteiordnungsverfahren usw.) bei der Frage der Einstellung berücksichtigt wurden, was durchaus berechtigt ist. Ich glaube nicht, dass Fälle nach § 184b StGB regelmäßig eingestellt wurden, wenn der Täter schuldhaft aus pädophilen Neigungen heraus gehandelt hat - gerade weil die Staatsanwaltschaft i.d.R. auch die Wirkung der Verurteilung auf das polizeiliche Führungszeugnis im Hinterkopf hat und hier i.d.R. ein großes Interesse an der Verurteilung vorlag, welches bei Edathy ausnahmsweise nicht vorlag…

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Hallo zusammen,

bezüglich der genannten Lage Folge habe ich mich gefragt, wieso Justizminister Buschmann beim Gesetz zu den harten Strafen für „Kinderpornos“ Angst vor der Bild hat, wo doch die Bild sehr pro-FDP kampagniert hat…

Guck an, bei dem Thema bewegt sich etwas. Ich bin gespannt, was die Bildzeitung daraus macht:

Richterbund: Buschmann muss „Strafvorschriften gegen Kinderpornografie“ dringend korrigieren