LdN415 Stigmatisierung psychisch kranker (Straftäter)

Mir war auch sofort klar, dass das nicht abwertend gemeint ist, und es ist auch nicht abwertend. Philip hat klargestellt, dass es nicht darum geht, Kranke zu stigmatisieren (zumal ja Linnemann sowas ins Auge gefasst hat, Linnemann (CDU) fordert Register für psychisch kranke Menschen). Deswegen empfinde ich die Bemerkung mit dem „Geschmäckle“ als Überreaktion – was ich irgendwie verstehe, angesichts der Stigmatisierung psychisch Kranker in unserer Gesellschaft, was aber aus meiner Sicht tatsächlich nichts mit der kritisierten Folge zu tun hat.

Solche Fälle gibt es definitiv. Es wird ja überhaupt nichts über Zahlen gesagt – welche Zahlen forderst du da ein? – Ich gebe dir absolut recht darin, dass man all diese Fragen nach den Spiegel-Kontrollen und Wohnmaßnahmen stellen kann und muss, aber ich sehe keinen Grund, dies als Kritik an dieser Folge zu formulieren.

Auch hier gehe ich mit dir konform – und ebenso auch mit deinem Appell, sich mit diesen Erkrankungen und den Betroffenen auseinanderzusetzen –, aber ich sehe keinen Zusammenhang zur LdN. Falls du der Meinung bist, dass da Angst geschürt wird oder für Ausgrenzung plädiert wird, nenn bitte die Formulierungen, damit es nachvollziehbar wird.

Wie kann man dann als Gesellschaft damit umgehen? Gibt es Therapien, die das auftreten von Raptus reduzieren oder kann man da einfach nichts machen und man muss sich im Klaren sein, dass davor nichts schützt außer man sperrt die Menschen dauerhaft ein?

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Es wird „häufig“ gesagt, das ist ja wohl definitiv eine quantitative Einordnung.

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Ach so, wegen „häufig“. Gegenfrage: Was für Zahlen würdest du erwarten, um das überaus vage „häufig“ bestätigt oder auch widerlegt zu sehen? Reicht es, wenn das Thema unabgestimmtes Absetzen von Antipsychotika in Fachzeitschriften und Handreichungen für Betroffene und Angehörige ein Dauerbrenner ist?

Hier z.B. aus dem – völlig willkürlich gewählten – Flyer-Notfall-Psychose_2020 des kbo-Inn-Salzach-Klinikums:

Bei ca. 80% der Betroffenen kommt es nach der Ersterkrankung zu weiteren Krankheitsepisoden. Ursache ist häufig eine frühzeitige Beendigung der medikamentösen Behandlung meist ohne Absprache mit dem Arzt.

Zu exakten Zahlen bezüglich der Medikations-Compliance bei Schizophrenie-Patient*innen wird @Clozapin sicher mehr sagen können.

Liebes Lage Team,
in vielen Berichten wird dargestellt, dass die Tötung der Menschen in Aschaffenburg, Magdeburg und Mannheim nicht geschehen wären, hätte man diese Menschen vorher abgeschoben. Das ist insofern wohl richtig, dass diese Tötungen dann nicht DORT geschehen wären. Die Menschen sind aber auch in Bulgarien und Afghanistan weiterhin krank, gefährlich und hilfebedürftig. Was wäre anders gewesen, wenn die Tötungen dort geschehen wären?

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Schau mal hier:

, ob die Diskussion dich da weiterbringt.

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Hoffentlich wären die Tötungen nirgendwo geschehen - weder hier noch im Ausland. Und soweit ich das verstehe, neigen Personen mit diesen Dispositionen zu mehr Gewalt, aber solche Extreme sind nicht zwangsläufig, sondern haben einfach eine gewisse Wahrscheinlichkeit (leider).
Nun dient die Haft etc zumindest in Deutschland stärker als in anderen Ländern (z.B.USA) noch der Resozialisierung. Die Frage die man sich stellen muss ist aus meiner Sicht, ob man diese Person resozialisieren möchte mit deutschem Steuergeld, in der Vorahnung, dass sie rechtlich keine Grundlage hat hier zu sein und vermutlich keinen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten wird.
Meine persönliche Antwort ist bei diesem konkreten Fall, dass ich dieses Investment nicht gut heißen würde, verstehe aber, dass man das auch anders sehen kann.
Ein Nebeneffekt wäre, dass man mit faktisch begrenzten Ressourcen sich um wenige so gelagerte Fälle besser kümmern kann.

Vielen Dank für diese wissenschaftliche Evidenz. Leider scheint genau das der Fall zu sein. Ich bin letztes Jahr selbst Opfer einer schweren Gewalttat durch eine Frau mit paranoider Schizophrenie geworden, und habe mich daher selbst mit dem Thema ausgiebig beschäftigt. Es bestand keinerlei Beziehung zwischen ihr und mir, es kann jeden treffen. Die Frau war über Jahre stark auffällig und stadtbekannt. Bis zu dem Zusammentreffen mit mir allerdings nie gewalttätig. Es ist leider so, dass man diese hilfsbedürftigen Menschen mehr oder weniger vor sich hinleben lässt, bis etwas Schlimmes passiert. Ob sie ihre Medikamente nehmen oder nicht, kann so nicht kontrolliert werden. In meinem Fall war die Person und ihre Wohnung auch extrem verwahrlost. Obwohl sie Betreuer hatte. Die allerdings anscheinend kaum Befugnisse haben. Ist es wirklich das, was wir als Gesellschaft wollen? Diese Art von falschverstandener Freiheit hilft doch niemandem. Vielleicht wäre Tabletteneinnahme unter Aufsicht das kleinere Übel. Das Leben der schizophrenen Person wäre weitestgehend selbstbestimmt, die Gefahr für die Allgemeinheit wäre gering. Denn was ist die Alternative? Im schlimmsten Fall die komplette Freiheitsberaubung. Die Frau in meinem Fall ist nun über Jahre in der forensischen Psychatrie und wird nie wieder alleine leben können.
Ganz zu schweigen von den Schäden, mit denen Opfer dieser Gewalttaten ihr Leben lang klarkommen müssen.

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Danke für diese Klarstellung. Ich bin nichtpsychiatrischer Arzt und hatte auch noch im Kopf, dass Gewalttaten bei an Schizophrenie Erkrankten nicht häufiger vorkommen, als in der Allgemeinbevölkerung. Was mich immer gewundert hat, schließlich liegt angesichts der vorliegenden Symptome das Gegenteil nahe.

Dennoch finde ich auch, dass in dieser Folge ein bis zwei Sätze zur Klarstellung gefehlt haben, dass bei einem sehr hohen Prozentsatz psychisch Erkrankter natürlich nicht vermehrte Gewalttaten geschehen. Gemessen an der leider sehr hohen und steigenden Zahl an internalisierenden und affektiven Störungen dürfte die Delinquenz erwartbar
gar niedriger sein.

Ich finde es völlig verständlich, dass man in einem Podcast nicht an alles denken kann. Würde mich aber über eine Klarstellung freuen.

Edit: Rechtschreibung

Ich wäre da vorsichtig:

„Die allermeisten Betroffenen führen ein normales Leben, sind eingegliedert, gehen einer Arbeit nach.“ Sie leben unter uns, ohne dass wir es merken. Und es sind viele: Rund ein Prozent der Bevölkerung ist im Laufe des Lebens von der Erkrankung betroffen, in der Schweiz wären das 80’000 Menschen…„Nur zwei bis drei Prozent aller Straftaten werden von psychisch Erkrankten begangen.“ Schizophrenie ist dabei nicht vorherrschend: „Bei Straftaten, die zu einem Gefängnisaufenthalt führen, leiden über 50 Prozent an einer Abhängigkeitserkrankung oder einer sogenannten dissozialen Persönlichkeitsstörung – oder beidem.“
Schizophrenie und Gewalt: Experten widerlegen gängige Vorurteile | Tages-Anzeiger

Ich würde da – abgesehen von der naturgemäß schwammigen Formulierung, da es ja eine kurze Meldung für die breite Öffentlichkeit ist – @Clozapin mehr Kompetenz zutrauen als dem Tages-Anzeiger:

usw., Ausführung und Quellen s.o.

Edit: Typo

Wieso? Er hat einen Betrag im Forum abgesetzt, in dem er sich selbst als Psychiater bezeichnet.
Er hat auf die Rückfrage von @longfellow nicht reagiert.
Einem Psychiater, der derart wenig lösungsorientiert sich an der Diskussion beteiligt (denn sein Beitrag lässt ja wirklich nur die Conclusio „wegsperren“ zu) würde ich mich nicht zur Behandlung anvertrauen wollen.

Da hast du nicht unrecht; ich habe die von ihm aufgeführten Quellen nicht durchgearbeitet (weiß auch nicht, wie viel ich davon verstehen würde), sondern seiner Aussage vertraut, weil sie für mich fundiert klang; zumindest schien er auch einordnen zu können, auf welche Studien sich @Elena3 bezog.

Die fehlende Antwort auf @longfellow s Rückfrage habe ich nicht als endgültige Ablehnung einer Diskussion gedeutet; bin einfach davon ausgegangen, dass er noch keine Zeit hatte zu antworten. Es ist ja auch ganz schön aufwendig, Fachwissen so zu kommunizieren, dass es auch Laien verstehen, und die Psychiater*innen, die ich kenne, langweilen sich in der Regel nicht …

Ich finde nicht, dass seine Antwort nur die Conlusio „wegsperren“ zulässt. Vielmehr lese ich erstens eine quantitative Aussage heraus, zweitens die Notwendigkeit einer fachkundigen Behandlung. Wie diese aussieht – medikamentöse Einstellung und dann Unterbringung in einer reizarmen, familiären, geschützten Wohngruppe oder was auch immer, oder aber „wegsperren“ –, dazu hat er nichts geschrieben.
Gerade die Aussage

spricht eindeutig gegen deine Interpretation, weil man bei bzw. vor Erstmanifestationen naturgemäß niemanden wegsperren kann.

Ich hoffe, @Clozapin findet noch Zeit, uns zu antworten.

Ich möchte das auch nicht grundsätzlich in Abrede stellen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass sich Experten da nicht einig sind und ich solche Posts wie von @Clozapin für gefährlich halte, die ein derart eindeutiges Bild vermitteln. Denn man sollte nicht alle Menschen mit Schizophrenie über einen Kamm scheren und wenn man schon Gewalttätigkeit in den Vordergrund stellen möchte, sollte man wenigstens relativieren, von welchem Prozentsatz man da eigentlich spricht.

Edit: Aussage spezifiziert

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Der Tages-Anzeiger bringt keine Quellen; wir wissen nicht, auf welchen Studien der Artikel basiert. @Clozapin hat eine Reihe von Quellen angeführt. Dies würde ich nicht unter „Experten sind sich da nicht einig“ subsumieren.

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Ich würde dich bitten, dann auch wissenschaftlich valide Daten, als nur dein Bauchgefühl zu liefern. Und bitte nicht einzelne „Expertenmeinungen“ (von der Eminence-based Medicine hatten wir über Jahrhunderte schon genug - und schon gar nicht einen ergoogelten Artikel hinter einer PayWall), sondern wissenschaftlich valide Literatur.

Ich habe einen großen Übersichtsartikel des British Journal of Psychiatry verlinkt. Wenn du Daten hast, die dieser Darstellung (und meiner empirischen Erfahrung im Beruf) widersprechen, verlinke doch bitte entsprechende Daten.

Auch dein verlinkter Artikel widerspricht ja in keiner Weise den genannten Zahlen:

Natürlich ist das so - die Prävalenzen für substanzassoziierte Störungen (SUDs) liegen um ein Vielfaches höher und erreichen nach neueren Daten schon im Jugendalter zwischen 12-18 Jahren >10% (Quelle 1). Für Persönlichkeitsstörungen gelten ähnliche Dimensionen (10-12% - Quelle 2 und Quelle 3 - natürlich mit einer gewissen Schnittmenge zu den SUDs.

Die Schizophrenie ist mit einer Prävalenz in Deutschland von 0,5 - 1% eine seltene psychische Erkrankung, sodass das Argument, dass die Gefängnisse ja nicht voller Schizophrener seien, ein relativ leicht zu durchschauendes Scheinargument darstellt.

Ich weiß nicht, ob Du in deinem Leben länger mit schizophrenen Menschen gearbeitet hast - mir erscheint deine Argumentation derart, dass du eine Meinung, die den von mir dargelegten Fakten entgegensteht, und nun vor allem Form und Messenger kritisierst, ohne dich inhaltlich mit der von mir bereits angehängten Evidenz auseinanderzusetzen.

Ich verlinke gerne noch ein Review, das Herrn Bjørn Rishovd Rund von der Universität Oslo 2018 im Nordic Journal of Psychiatry veröffentlicht hat.

Ich zitiere aus der Einleitung:

There is a modest but consistent association between violent behavior and schizophrenia (1-3). People with schizophrenia are clearly overrepresented among murderers, comprising 5-20% of all homicide offenders (4). This percentage is approximately 20 times higher than the estimated prevalence of psychotic illness in the general population (5). Approximately 4 in 10 of the homicides committed by people with psychosis occur prior to treatment (4). It has also been estimated that 6% of murderers suffer from schizophrenia (6, 7). The consequences of serious violence by patients with schizophrenia are catastrophic for the victims, their families, the patient themselves and the wider community. Hence any knowledge that would help to prevent even one such homicide would be of considerable value for the individual and the society.

Rund, B. R. (2018). A review of factors associated with severe violence in schizophrenia. Nordic Journal of Psychiatry, 72(8), 561–571.

Vermutlich argumentierst du in der Annahme, durch Nicht-Thematisieren dieser Problematik Betroffene vor Diskriminierung und Stigma zu beschützen. Leider bewirkt es das Gegenteil. Die Gelder müssten in diesem Bereich massiv aufgestockt werden. Die Betreuung schizophrener Menschen ist äußerst zeit- und ressourcenaufwändig, was zum einen durch den schweren Charakter der Störung, aber auch die oftmals schlechte Therapieadhärenz der Betroffenen bedingt ist - Übersichtsarbeiten zeigen eine Non-Adhärenzrate von ungefähr 50% (!). Quelle 4.

Im Optimalfall wird ein Psychiater an einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) hellhörig, wenn ein ansonsten zuverlässiger schizophrener Patient mehrere Termine verpasst hat. In der Realität geben das die Arbeitsbedingungen leider nicht her. Und dann ist da noch das Problem mit den Ersterkrankungen:

Nielssen and Large (Sekundärquelle, Primärquellen verlinkt) have shown that people in the first episode of psychosis are at greater risk of committing serious violence than those in subsequent episodes. In a review of violence in first-episode psychosis, they showed that approximately one-third of patients in the first episode exhibited some violent behavior before initial treatment, and that approximately 16% committed an act of more serious violence.

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Teil 2 meiner Antwort, musste den Post wegen des Zeichenlimits aufteilen.

Ich habe leider nicht die zeitlichen Möglichkeiten, mich nun über Tage in eine detaillierte präventionspsychiatrische, epidemiologische Diskussion über die Schizophrenie zu vertiefen. Ich würde Dich, lieber @der_Matti, nur darum bitten: Bitte eine evidenzbasierte, medizinische Diskussion nicht so führen, als sei das Fachgebiet der Psychiatrie eine Befindlichkeitssache, die man schönreden müsste. Ich bin nicht nur Psychiater, sondern selbst seit meiner Jugend an Depressionen erkrankt. Das absolut Letzte, was psychisch erkrankte Menschen brauchen, ist schönreden und falsch verstandene Toleranz/Respektanz im Sinne eines Herunterspielens der möglichen Ausprägung psychischer Symptome.

Es sollte zum guten Ton gehören, einer solchen Diskussion valide Daten anzufügen - wie in der Onkologie, der Inneren Medizin, der Chirurgie, der Neurologie, der Orthopädie eben auch. Psychiatrische Störungen sind ernste, wirkliche Erkrankungen, Psychiatrie ist Teil der evidenzbasierten Medizin (ich will das Wort „Schulmedizin“ gar nicht verwenden, es gibt ja auch keine „Schulchemie“) und kein anstößiges Randgebiet, über das man mal eben eine Meinung haben könnte.

Edit: Typo

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Dies ist ein Forum, das von allen in ihrer Freizeit genutzt wird, daher gibt es große Schwankungen, was die Aktivität einzelner User*innen betrifft. @Clozapin hat offenkundig viel Zeit investiert, um uns über den aktuellen Stand seines Fachgebietes zu informieren. Er hat eine Reihe von absolut zuverlässigen Quellen genannt. Dass die Schlussfolgerung, die du ziehst, nicht valide ist, habe ich ja schon dargelegt.
Nach seinem ersten Beitrag und @longfellow s Nachfrage sind drei Tage vergangen; er hat den Status Anwärter und seine Beiträge müssen daher erst von der Moderation freigeschaltet werden.
Vor diesem Hintergrund direkt seine Integrität oder Fachkenntnisse anzuzweifeln scheint mir weder rational noch fair.

Wie schon dargelegt

, hat aus meiner Sicht diese Diskussion eigentlich nicht viel mit der LdN 415 zu tun. Aber gerade weil absehbar ist, dass in ähnlich gelagerten Fällen genau diese Kontroverse wieder auftauchen wird, finde ich Clozapins Informationen sehr hilfreich.

Wir können froh sein, von der Kompetenz von Fachleuten hier im Forum profitieren zu können.
Die Corona-Zeit sollte uns für False-balance-Szenarien sensibilisiert haben.
Ich bin zwar keine Ärztin, habe aber lange genug selbst wissenschaftlich und in der Forschungsförderung einer Volluniversität gearbeitet, um mit großer Zuverlässigkeit zu erkennen, ob etwas wissenschaftlich sauber dargelegt ist oder nicht (auch ohne die einzelnen Fakten beurteilen zu können). Einen Tages-Anzeiger-Artikel mit dem Post von Clozapin in einem Atemzug zu nennen und als unterschiedliche Expertisen („dass sich Experten da nicht einig sind“) einzuordnen, finde ich wirklich schwierig.

Vollständigkeitshalber nochmal zu meiner (verkürzt formulierten) Reaktion „Da hast du nicht unrecht“: Damit meinte ich nicht die Einschätzung von Clozapins Beitrag oder gar seiner Vertrauenswürdigkeit als behandelndem Arzt, sondern es war selbstkritisch gemeint: Ich habe mich auf die Antwort verlassen, obwohl ich die Quellen, die er genannt hat, nicht durchgearbeitet habe. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich würde mich unvergleichlich lieber von ihm behandeln lassen als von Felix Straumann – allein aufgrund der Tatsache, dass Clozapin Psychiater ist und Straumann Wissenschaftsjournalist. (Und ja, er hat „nur“, wie du schreibst, „sich selbst als Psychiater bezeichnet“, aber ich sehe überhaupt keine Veranlassung, dies zu bezweifeln.)

Solange Clozapins Darstellung nicht adäquat, mit soliden Quellen, widersprochen wird, gehe ich erst einmal davon aus, dass seine fachliche Einschätzung dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht.

Edit: Anakoluth und Typo

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0,5-1,0% finde ich bin alles andere als selten! Unabhängig von den Dingen, die hier diskutiert werden ist das eine immense Zahl, wenn man die Schwere dieser Erkrankung sieht. Wir reden von 420.000-840.000 Menschen in Deutschland. Alle mit einer formalen Denkstörung.

Ich könnte diese Zahl in meinem Studium kaum glauben und ging immer davon aus, dass sie mittlerweile veraltet sei, weil ich sie nie mehr las. Aber da Clozapin einen sehr upgedateten Eindruck macht, scheint das zu stimmen.

Es zeigt aber auch, dass sehr sehr viele Patienten mit Schizophrenie sehr unauffällig und friedlich leben. Auch wenn die Häufigkeit von Straftaten unterm Strich erhöht sein mag.

Bin sehr gespannt, ob unsere beiden Helden das Thema noch einmal aufgreifen. Die Aussagen waren für sich genommen dich teilweise sehr verallgemeinernd. “Die psychisch Erkrankten“ usw. Ist in einem Politikpodcast vielleicht auch okay. Aber vielleicht konnte man dies zum. Anlass nehmen, eine Expertenmeinung darzustellen.

Liebes Team der Lage der Nation,

ich habe eine kurze Anmerkung bezüglich des Ausschnitts zum Zusammenhang von Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis und Straftaten.

Meines Erachtens wurde das nicht differenziert genug beziehungsweise teilweise irreführend dargestellt. Menschen mit Schizophrenie sind tatsächlich oft selbst von Gewalt betroffen. In den forensischen Stationen haben zwar die Mehrzahl der StraftäterInnen diese Diagnose, wenn man aber die Population aller Menschen mit Schizophrenie betrachtet, ist die Neigung zu Gewalt eher gering. 2/3 der Betroffenen leben ein ganz normales Leben ohne aufzufallen. Im Grunde ist es ein logischer bzw. ein Wahrnehmungsfehler.

Es ist nur eine vergleichsweise sehr kleine Gruppe , die im Wahn eher zu Gewalt neigt. Das Problem ist oft nicht die Schizophrenie an sich, sondern komorbid vorliegende antisoziale Tendenzen. Gerade bei Schizophrenie ist das Stigma in der Gesellschaft extrem und man muss da sehr mit dem Wording aufpassen. Menschen mit Schizophrenie sind meistens erst mal sehr hilflos und verwirrt und nicht in erster Linie gewalttätig. Ihr habt zwar bekräftigt, dass es sich nicht um eine Statistik handelt, aber das Bild des „gewalttätigen Psychotikers“ hält sich sehr hartnäckig in der Gesellschaft.

Zum Nachlesen:

Boudriot F, Guldimann A, Habermeyer E (2014) Schizophrenie und Gewalt. Praxis 103: 27–32

Bo S, Abu-Akel A, Kongerslev M, Haahr UH, Simonsen E (2011) Risk factors for violence among patients with schizophrenia. Clin Psychol Rev 31: 711–726

Hodgins S (2008) Violent behaviour among people with schizophrenia: A framework for investigations of causes, and effective treatment, and prevention. 2505–2518

Viele Grüße
Nicolas

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