Ich würde dich bitten, dann auch wissenschaftlich valide Daten, als nur dein Bauchgefühl zu liefern. Und bitte nicht einzelne „Expertenmeinungen“ (von der Eminence-based Medicine hatten wir über Jahrhunderte schon genug - und schon gar nicht einen ergoogelten Artikel hinter einer PayWall), sondern wissenschaftlich valide Literatur.
Ich habe einen großen Übersichtsartikel des British Journal of Psychiatry verlinkt. Wenn du Daten hast, die dieser Darstellung (und meiner empirischen Erfahrung im Beruf) widersprechen, verlinke doch bitte entsprechende Daten.
Auch dein verlinkter Artikel widerspricht ja in keiner Weise den genannten Zahlen:
Natürlich ist das so - die Prävalenzen für substanzassoziierte Störungen (SUDs) liegen um ein Vielfaches höher und erreichen nach neueren Daten schon im Jugendalter zwischen 12-18 Jahren >10% (Quelle 1). Für Persönlichkeitsstörungen gelten ähnliche Dimensionen (10-12% - Quelle 2 und Quelle 3 - natürlich mit einer gewissen Schnittmenge zu den SUDs.
Die Schizophrenie ist mit einer Prävalenz in Deutschland von 0,5 - 1% eine seltene psychische Erkrankung, sodass das Argument, dass die Gefängnisse ja nicht voller Schizophrener seien, ein relativ leicht zu durchschauendes Scheinargument darstellt.
Ich weiß nicht, ob Du in deinem Leben länger mit schizophrenen Menschen gearbeitet hast - mir erscheint deine Argumentation derart, dass du eine Meinung, die den von mir dargelegten Fakten entgegensteht, und nun vor allem Form und Messenger kritisierst, ohne dich inhaltlich mit der von mir bereits angehängten Evidenz auseinanderzusetzen.
Ich verlinke gerne noch ein Review, das Herrn Bjørn Rishovd Rund von der Universität Oslo 2018 im Nordic Journal of Psychiatry veröffentlicht hat.
Ich zitiere aus der Einleitung:
There is a modest but consistent association between violent behavior and schizophrenia (1-3). People with schizophrenia are clearly overrepresented among murderers, comprising 5-20% of all homicide offenders (4). This percentage is approximately 20 times higher than the estimated prevalence of psychotic illness in the general population (5). Approximately 4 in 10 of the homicides committed by people with psychosis occur prior to treatment (4). It has also been estimated that 6% of murderers suffer from schizophrenia (6, 7). The consequences of serious violence by patients with schizophrenia are catastrophic for the victims, their families, the patient themselves and the wider community. Hence any knowledge that would help to prevent even one such homicide would be of considerable value for the individual and the society.
Rund, B. R. (2018). A review of factors associated with severe violence in schizophrenia. Nordic Journal of Psychiatry, 72(8), 561–571.
Vermutlich argumentierst du in der Annahme, durch Nicht-Thematisieren dieser Problematik Betroffene vor Diskriminierung und Stigma zu beschützen. Leider bewirkt es das Gegenteil. Die Gelder müssten in diesem Bereich massiv aufgestockt werden. Die Betreuung schizophrener Menschen ist äußerst zeit- und ressourcenaufwändig, was zum einen durch den schweren Charakter der Störung, aber auch die oftmals schlechte Therapieadhärenz der Betroffenen bedingt ist - Übersichtsarbeiten zeigen eine Non-Adhärenzrate von ungefähr 50% (!). Quelle 4.
Im Optimalfall wird ein Psychiater an einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) hellhörig, wenn ein ansonsten zuverlässiger schizophrener Patient mehrere Termine verpasst hat. In der Realität geben das die Arbeitsbedingungen leider nicht her. Und dann ist da noch das Problem mit den Ersterkrankungen:
Nielssen and Large (Sekundärquelle, Primärquellen verlinkt) have shown that people in the first episode of psychosis are at greater risk of committing serious violence than those in subsequent episodes. In a review of violence in first-episode psychosis, they showed that approximately one-third of patients in the first episode exhibited some violent behavior before initial treatment, and that approximately 16% committed an act of more serious violence.