Hallo,
Ich möchte gerne Bezug nehmen auf die Art, wie im Podcast über psychisch kranke Straftäter gesprochen wird. „Psychisch krank“ ist mittlerweile so eine Keule, die gerne geschwungen wird und uns Angst macht, weil die betroffenen vermeintlich unberechenbar und gefährlich sind. In Deutschland sind jedes Jahr 25-30% der Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen. In den seltensten Fällen folgt daraus eine Fremdaggression. Auch eine Schizophrenie (mit die am stärksten stigmatisierte Gruppe in unserer Gesellschaft) führt nur in manchen Fällen zu Fremdaggression. Wozu die Erkrankungen vor allem führen können ist aber Stigmatisierung, Ausgrenzung, Armut, geringere Lebenserwartung.
Ich bin ehrlich gesagt schockiert, dass nicht einmal kritisch hinterfragt wurde, ob man psychisch kranke (also hilfsbedürftige!) Menschen überhaupt abschieben sollte. Für Menschen ohne deutschen Pass gilt vor dem Gesetz eine Ungleichbehandlung, weil sie (anders als Menschen mit deutschem Pass) nun immer damit rechnen müssen, dass sie abgeschoben werden könnten. Teilweise in Länder, deren Sprache sie nicht kennen, wo sie niemanden kennen. Wie sollen sie dann Unterstützung bei zb. ihrer psychischen Erkrankung bekommen? Manche sind auch nicht unbedingt dazu in der Lage diese selbst zu organisieren.
Auch wurde überhaupt nicht differenziert, was mit psychischer Erkrankung gemeint ist. Ist die Person beispielsweise einsichts- und Steuerungsfähig? Wenn nein - können wir ihr eine Abschiebung zumuten? Trägt die Person überhaupt eine Schuld?
Die Art, wie das aufbereitet wurde, trägt zur Stigmatisierung von psychisch kranken bei.
Min 8.50 „psychisch auffällige Straftäter, ja wir reden jetzt nicht von psychisch auffälligen Menschen“ - mir ist schon klar, dass das nicht abwertend gemeint ist. Und trotzdem hat die Formulierung ein gewisses Geschmäckle. Auch psyhisch kranke Straftäter sind Mneschen. Und auch deren Würde sollte unantastbar sein. Auch wenn sie uns ängstlich und wütend machen.
Min 11.12 „Wenn sie dann wieder in Freiheit sind, nehmen sie dann häufig ihre Medikamente nicht […] Und dann nimmt das Unheil seinen Lauf“. Auch das trägt zur Stigmatisierung bei. Wo sind die Zahlen dazu? Kann hier die Wahrnehmung verzerrt sein, weil natürlich diejenigen mehr auffallen, die tatsächlich ihre Medikamente absetzen? Werden die ohne Medikament dann auch alle fremdaggressiv? (Spoiler: nein) Es gibt viele Leute, die es auch nach einem langen Aufenthalt in der forensische Psychiatrie gut schaffen, ihre Medikamente dauerhaft zu nehmen. Und wenn nicht - gab es genug Spiegel-Kontrollen in der Nachsorge? Braucht die Person vielleicht eine Wohnmaßnahme mit besserer Unterstützung?
Ich möchte hier nichts verharmlosen. Natürlich braucht wir eine Verbesserung der Behörden, auffällige Straftäter müssen unbedingt frühzeitig erwischt und dann richtig versorgt werden, damit so Taten wie in Aschaffenburg und Magdeburg nicht passieren. Aber das schaffen wir nicht mit Abschiebung. Das schaffen wir auch nicht, indem wir die Angst vor psychisch kranken Menschen schüren. Das schaffen wir übrigens auch nicht, indem wir sie aus der Gesellschaft ausgrenzen und uns ansonsten in Horrorfilmen, Krimiserien und True Crime Podcasts für sie faszinieren. Es gibt viele Menschen, die gerne mit psychisch kranken Personen, auch Straftätern arbeiten. Ich möchte gerne dazu ermutigen, sich aktiver mit den Erkrankungen und vor allem den Betroffenen auseinander zu setzen. Wir können alle erkranken und dann wünschen wir uns auch eine angemessene Versorgung und soziale Einbindung.
Liebe Grüße