LdN402, Hybrider Krieg gegen Russland - Abschreckung

Die Feststellung, dass sich Abschreckung im kalten Krieg bewährt habe, möchte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Wir haben diese Ära entgegen aller Wahrscheinlichkeit, also durch pure Zufälle, überlebt. Die damalige Position der internationalen Friedensbewegung gegen die atomare Aufrüstung war durch und durch rational, weil sie auf die permanent steigende Wahrscheinlichkeit eines Unfalls, einer Fehleinschätzung, technischen oder menschlichen Versagens hinwies. Das Hauptargument gegen die „Nachrüstung“ von Mittelstreckenraketen auf europäischem NATO-Gebiet lag in der drastischen Verringerung der Vorwarnzeiten. Und nein, die SS20 auf der anderen Seite stellten eben nicht das spiegelbildlich gleiche Bedrohungspotential dar. Das waren 20 Jahre zuvor die Mittelstreckenraketen auf Kuba, und wir wissen, wie die USA darauf reagierten.
Der verblüffendste Sachverhalt, dem wir alle unser Leben verdanken, kam erst im Laufe der 90er Jahre ans Licht: Nuklear-Fehlalarm von 1983 – Wikipedia. Der Ausgang allein dieses einen Vorfalls wäre ein völlig anderer gewesen wenn der Protagonist dieser Geschichte dienstfrei gehabt hätte oder wenn er sich an seine Vorschriften gehalten hätte oder - nach seinem eigenen Bekunden - wenn er 1983 den Wissensstand von 1997 gehabt hätte. Dann wären aufgrund eines technisch bedingten Fehlalarms sowjetische Langstreckenraketen gegen die USA abgefeuert worden, gleichbedeutend mit einem sicheren Weltuntergang binnen weniger Stunden.

Um Euch zu beruhigen, spekuliert Ihr damit, dass Putin mental gesund sei, während er unter dem Einfluss von Alexander Dugin ein alter, grantiger Sack geworden ist. Ihr spekuliert mit einer Gefährdung, die dem gleichzeitigen Durchgehen aller Atomreaktoren Europas entspricht, ohne die spieltheoretischen Parameter zu kennen.

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Das Problem bei deiner Sichtweise ist:
Es ist sehr einfach, auf die tatsächlich aufgetretenen Probleme und Zwischenfälle der in der Realität angewandten Methode zu verweisen, während eben nicht ersichtlich ist, wie sich die Welt entwickelt hätte, wenn eine andere Methode angewandt worden wäre.

Du spekulierst daher ebenfalls: Du spekulierst, dass hätte es die nukleare Abschreckung nicht gegeben, wir dennoch einen jahrzehntelangen Frieden erlebt hätten, dass der „Kalte Krieg“ auch ohne die gegenseitige Abschreckung „kalt“ geblieben wäre. Und das bestreitet die Gegenseite mit meiner Meinung nach sehr guten Argumenten - schließlich hat es in der Tat keinen Krieg zwischen Atommächten gegeben, während es zahlreiche andere Kriege gab. Nordkorea wäre ohne Nuklearwaffen möglicherweise tatsächlich von den USA angegriffen worden, die Ukraine wäre, hätte sie Nuklearwaffen gehabt, möglicherweise gerade nicht von Russland angegriffen worden, weil das Risiko für Russland in diesem Fall unberechenbar gewesen wäre, der Konflikt zwischen Indien und Pakistan ist gerade nicht eskaliert, möglicherweise auch, weil beide Staaten über Atomwaffen verfügen und es hier keinen Gewinner in einem totalen Krieg geben könnte.

Der Verweis auf die Schwächen der nuklearen Abschreckung - z.B. das Szenario der Beinahe-Auslösung nuklearer Waffen - ist durchaus ein gutes Argument. Aber es ist nicht absolut, es kann nicht im Vakuum betrachtet werden, sondern muss mit der Situation verglichen werden, die ohne nukleare Abschreckung möglicherweise existieren würde. Und ich denke, ohne die nukleare Abschreckung wäre es sehr wahrscheinlich gewesen, dass der „Kalte Krieg“ zum „Dritten Weltkrieg“ geworden wäre. Ob das so viel besser ist als ein nuklearer Weltuntergang kann jeder sich selbst beantworten.

Wie so oft, geht es um „Risk vs. Reward“. Ja, auch die nukleare Abschreckung hat Risiken - aber gerade weil die Vergangenheit in den Beinahe-Katastrophen gezeigt hat, dass am Ende doch die Vernunft siegte, weil allen Beteiligten klar ist, welche Konsequenz ein Fehlalarm hätte, scheint sich das Risiko bisher zweifelsohne ausgezahlt zu haben.

Zum Einen bestreiten die meisten Experten, dass Dugin irgendeinen direkten Einfluss auf Putin hat, zum anderen kann bestritten werden, ob Putin tatsächlich, würde er einen Atomschlag befehlen, damit durchkommen würde. Denn die gesammelten russischen Eliten würden das wohl sehr, sehr kritisch sehen, weil sie die Konsequenzen kennen. Ebenso die ranghohen russischen Militärs und Beamten, die involviert wären. Nur, weil Putin möglicherweise am Ende seines Lebens suizidal ist, heißt das nicht, dass die militärische Führung und die russischen Eliten es zulassen würden, dass Putin das Land in einen nuklearen Holocaust stürzt…

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Die Ukraine sieht gerade, wie es sich ohne Abschreckung mit Russland lebt. Weil Moskau den Menschen weder Freiheit noch Wohlstand bieten kann und will, darf es in der Nachbarschaft keine Alternativen geben, die den friedlichen Wettbewerb der Ideen gewinnen könnten. Etwas weniger drastisch erleben wir auch schon, wie es sich ohne (funktionierende) nukleare Abschreckung lebt, denn wenn die funktionieren würde, könnte Putin seine Nuklearwaffen nicht als Erpressung einsetzen und mit einem Krieg gegen die NATO drohen, um seinen Überfall abzusichern. Die NATO hat damit bereits jetzt eine ungute Präzedenz geschaffen. Geht es bei den nachsten Wahlen in den USA schief, kann man sich in Moskau schon mal fragen, ob Trump bereit wäre, für das Baltikum oder sonstwas, das er auf keiner Karte finden kann, in den Krieg zu ziehen. Selbst mit US-Unterstützung: Wir trauen uns nicht mal, nur Waffen zu liefern, aber wenn ws auch für unsere Bürger ans Sterben gehen würde, würden wir Riga zurückerobern? Auch ohne Nuklearwaffen könnten man in Moskau da unsicher werden, ob der Westen, dessen führende Nationen ihre Verpflichtungen gegenüber der Ukraine nur sehr zurückhaltend umsetzen, glaubwürdig abschreckend ist.

Ohne konventionelle und nukleare Abschreckung durch die USA hätten die Sowjets statt die Mauer zu bauen auch einfach weiter nach Westen marschieren oder die BRD erpressen können, politische Zugeständnisse zu machen, notfalls die Grenze zu schließen.

Das macht vermutlich nicht jede einzelne Entscheidung im Kalten Krieg, die Richtung Abschreckung und Aufrüstung ging, zu einer richtigen, aber als strategischer Ansatz kann man mit einem Moskauer Terrorregime als Nachbar nicht anders in (relativem) Frieden leben.

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Es ging in der Lage aber nicht um nukleare Abschreckung, sondern um konventionelle.

Ich würde der Einschätzung zustimmen, dass MAD (Mutual Assured Destruction) ein zutiefst fehlerbehaftetes Konzept nuklearer Abschreckung war und ist. Die Diskussion zur nuklearen Abschreckung hat sich seit dem Kalten Krieg leider auch nicht besonders entwickelt. Das gesunkene Risiko in den Jahren 1990 bis 2020 war vor allem der abgenommen Spannung zwischen den USA und Russland zu verdanken, nicht grundlegend verbesserten militärischen Doktrin zum Umgang mit Erst- und Zweitschlag. Hier gäbe es enormes Potenzial für Militärplaner, Forscher und Politiker die Welt sicherer zu machen, vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Atommächten.

Für die Bedrohung Europas durch Russland spielt das aber meiner Meinung nach keinerlei Rolle. Ob Putin einen konventionellen militärischen Angriff auf das Baltikum oder Polen befiehlt hängt von zwei Faktoren ab:

  1. Glaubt er daran, dass die USA (als einzige glaubwürdige nukleare Schutzmacht Europas) einen konventionellen Angriff mit dem Einsatz von Nuklearwaffen beantworten würde? Ich glaube, dass Putin das anzweifelt und ich glaube, dass er da Recht hat. Sowohl das Verhalten Putins, als auch das der USA in den letzten Jahren legen nahe, dass Putin einen nuklearen Erstschlag der USA für extrem unwahrscheinlich hält und die USA diesen auch nicht vollziehen würden.

  2. Glaubt Putin, dass er einen konventionellen Krieg mit Europa gewinnen könnte?

Nur um Punkt 2 geht es bei der aktuellen innerdeutschen Debatte um Abschreckung, Aufrüstung und Unterstützung der Ukraine und unserer Bündnispartner.

Ich habe Friedensforschung studiert, ich habe keinerlei Sympathien für Rüstungskonzerne und Militarismus. Aber vor dem Hintergrund der obigen Analyse muss ich persönlich ganz klar sagen: wir dürfen nicht zulassen, dass Putin jemals den Eindruck gewinnt, dass er einen konventionellen Krieg gegen ein europäsisches Land gewinnen kann. Andernfalls demonstrieren Tschetschenien, Georgien und die Ukraine sehr eindrücklich und nachhaltig, was die Konsequenzen sind.

Es gibt natürlich sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten, wie wir diese konventionelle Abschreckung herstellen können. Deutschland muss nicht einem neuen Militarismus verfallen, um unsere Sicherheit und die unserer Verbündeten zu gewährleisten. Aber eine Bundeswehr, die keinen einzigen einsatzfähigen Hubschrauber und nur genug Artilleriemunition für die ersten 12 Stunden eines möglichen Konflikts vorrätig hat, ist offensichtlich auch nicht die Lösung.

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Das ist in doppelter Hinsicht unsicher. Zum einen kann man schlecht von außen einschätzen, wie die russische Elite die Lage einschätzt (und überhaupt einschätzen kann).
Zum anderen ist schwer zu sagen, wie sicher man sich aus Moskauer Sicht sein muss, dass die westliche Abschreckung (wenigstens für das gesamte NATO-Gebiet) intakt ist. Die Garantien für die Ukraine waren offensichtlich nicht viel wert, nukleare Erpressung wird ebenso folgenlos akzeptiert, wie teils massive, russische Luftraumverletzungen. Das Risiko ist nicht 0, dass Russland im Kontext Ukraine oder danach nicht mehr hinteichend abgeschreckt sein könnte, denke ich.

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Dein „counter factual“ ist geschickt für deine Argumentation, leider aber darunter, dass man es nicht überprüfen kann, weswegen deine Logik so bestechend scheint.

Eine genauere historische Betrachtung zeigt aber, dass das Argument der LdN zutreffend ist: Der Westen hat die Sowjetunion in ein Arms Race gezwungen, dass sie an den wirtschaftlichen Kollaps getrieben hat. Nur dadurch wurde letztlich der kalte Krieg beendet.

Die vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass dieser Mechanismus auch in seiner Umkehrung funktioniert: Der europäische Westen hat seit den 90ern die sogenannte Friedensdividende geerntet und damit quasi ein inverses Arms Race losgetreten. Das hatte im Nachfolger der SU genau den gegensätzlichen Effekt wie das Wettrüsten in den 80ern, es hat Russland dazu verleitet eine militaristische und aggressive Expansionspolitik aufzunehmen und immer weiter auszudehnen. Waren es vor 15 Jahren noch kleinere Konflikte über abtrünnige Regionen in Georgien, ist es heute ein ausgemachter Landkrieg in der Ukraine. Parallel führt Russland den hybriden Krieg, der in der Folge dargestellt wurde, aber kauft auch Einfluss auf politischer Ebene, siehe zum Beispiel die Verwendung mit dem RN in Frankreich.

Die gesamte Lehre der Geschichte in besonderem mit Bezug auf dir SU und Russland zeigt nur eines: militärische Schwäche lädt sie zur Aggression ein.

Es gibt in diesem Jahrzehnt nur eine Lösung, um Krieg zu verhindern, indem sich die europäischen Partner einig dagegen rüsten und hoffentlich dabei die Briten und Amerikaner einbeziehen können.

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Grundsätzlich empfehle ich zu dieser Thematik auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Friedens- und Konfliktforschung anzugucken. Z.B. das Friedensgutachten 2024 [1].

Im Gutachten wird zwischen der nuklearen und der konventionellen Aufrüstung unterschieden. Während man zur konventionellen Aufrüstung aktuell kaum eine Alternative sieht, empfiehlt er sehr klar „Auf konventionelle Verteidigung statt nukleare Aufrüstung setzen“, es sei „eine stärkere nukleare Abschreckung nicht erstrebenswert“. Er empfiehlt Atomwaffentests zu ächten und sieht eine große Gefahr in der Steigerung der nuklearen Eskalation.
Den Bericht gab es übrigens auch kurz nach Beginn des Ukraine Kriegs und schon damals hat er ähnlich argumentiert und fordert heute wie damals klar eine verstärkte militärische Unterstützung der Ukraine.

Was heute so sein mag, aber relativ irrelevant für die Zukunft ist. Man sieht ja schon wie Putin sich in den letzten Jahren verändert hat und er wäre nicht der letzte Diktatur, der unter dem Druck der Ereignisse irgendwann irrational handelt. Mal ganz abgesehen davon, dass er nicht an der Spitze des Staates bleiben muss.
Ich denke auch wenn man am Ende für eine Aufrüstung argumentiert, muss man dringend auf die Gefahren hinweisen, die entstehen, wenn der Ausbau nuklearer Waffensysteme weltweit beschleunigt wird. Ein nuklearer Winter hätte im worst Case sogar das Potenzial unsere Zivilisation zu vernichten und die Menschheit in die Steinzeit zurück zu versetzen. Und am Ende hätte es eine Handvoll Menschen in der Hand dieses Schicksal einzuläuten. Da muss doch jedem klar sein, dass bei Beibehaltung dieser Logik unser Ende nur eine Frage der Zeit ist und dass wir da langfristig eine Lösung brauchen. Ist auch OK zu sagen, die Lösung haben wir nicht, aber ich kann doch nicht sagen: funktioniert doch eigentlich alles ganz gut!

[1]
https://www.friedensgutachten.de/2024/ausgabe

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Naja, ich denke, es ist vernünftig, jedem Menschen den „Willen zum Leben“ zu unterstellen, also davon auszugehen, dass selbst wenn ein todkranker Putin irgendwann den Befehl zum Atomschlag geben würde, viele einflussreiche Menschen mit Zukunftsplänen die Folgen realisieren würden. Oder gehen wir wirklich davon aus, dass die russischen Eliten allesamt noch größere Fanatiker sind als irgendwelche islamistischen Terroristen und sehenden Auges in den nuklearen Holocaust marschieren?

Das ist definitiv ein Problem, um das ich mir auch Sorgen mache. Das liegt aber schlicht daran, dass niemand im Westen den Mut zu haben scheint, Putin mal die Leviten zu lesen. Ich würde mir wirklich wünschen, dass ein einflussreicher Staatschef mal die Diplomatie zur Seite legt und klartext spricht: Wir lassen uns nicht atomar erpressen!

Aber genau darum geht es ja auch in der Diskussion der „Ukraine-Hilfe-Ablehner“ gegen die „Ukraine-Hilfe-Befürworter“. Diejenigen, die Waffenlieferungen aus Angst vor einer nuklearen Eskalation ablehnen, befeuern gerade die russische Sichtweise: „Ach, die westlichen Mächte könnten ihrer Bevölkerung gegenüber doch nicht mal einen nuklearen Gegenschlag rechtfertigen, wenn wir Atomwaffen einsetzen werden die nichts tun!“.

Und genau deshalb ist das Narrativ „Nukleare Abschreckung funktioniere nicht“ so gefährlich: Weil es tatsächlich die Funktionstüchtigkeit der nuklearen Abschreckung reduzieren und gerade dadurch zu einem Atomkrieg führen könnte. Daher: Durch den Widerstand der Bevölkerung gegen die nukleare Abschreckung entwickelt sich in Russland der Eindruck, dass die Abschreckung nicht funktioniert, also sinkt dort die Hemmschwelle, Atomwaffen einzusetzen. Dann wird Russland entweder literally die Weltherrschaft an sich reißen (wenn wirklich kein Gegenschlag erfolgt und Russland die Bestätigung hat, dass unsere nukleare Abschreckung nicht funktioniert und sie tun können, was sie wollen…) oder es kommt zu dem, was die Aufrüstungs-Gegner eigentlich vermeiden wollen: Einen Atomkrieg. Beides ist offensichtlich nicht gewollt.

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Hat jemand Ahnung wie das in Afghanistan war (ca. 1980). Da hat USA ja massiv Waffen reingesteckt. Irgendwann hat Russland / UDSSR dann aufgegeben.
Mit dem Ergebnis dass Afghanistan dann ein „hochgerüsteter Schurkenstaat“ war und 9/11 gemacht hat.
Also irgendwie nicht so ein super Ergebnis.

Ich fände es gut, wenn sich so etwas nicht wiederholen würde.

Das ist meines Erachtens für die Ukraine kein realistisches Szenario.

In Afghanistan wurde eine extrem problematische Gruppe unterstützt, einfach nur, weil sie der „Feind des Feindes“ war. In der Ukraine geht es gerade darum, dass sich die Bevölkerungsmehrheit im Rahmen des Euromaidan für eine Annäherung an Europa und eine Distanzierung von Russland ausgesprochen hat und Russland dies nicht akzeptiert (wozu Russland kein Recht hat). Bei der Ukraine geht es perspektivisch ja genau darum, sie in die EU und in die NATO zu holen, sie in die Familie der demokratischen Staaten zu holen, weil sie selbst das will.

Afghanistan als Ganzes und vor allem die Mudschahidin wollten das nicht - die wollen nur die „feindlichen Invasoren“ aus dem Land haben, sich aber keinesfalls systematisch oder im Hinblick auf die Werte „dem Westen“ annähern.

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Kann man nicht vergleichen. Die Russen haben Afghanistan mit einem viel niedrigeren Einsatz gespielt. Die Gesamtverluste lagen um die 50.000 Mann darunter weniger als 20.000 Tote. Das sind in der Ukraine die russischen Verluste von weniger als einem Quartal (grob geschätzt). Jedes Land mit einem Rest Achtung vor dem Leben der eigenen Leute, hätte das längst aufgegeben, aber wir reden halt über ein Terrorregime, gegen das die UdSSR der 80er eine Hippie-Kommune war.
Was ein mögliches Ergebnis angeht: Wenn man die Ukrainer hängen lässt, führen die dort angesichts der russischen Besatzungspolitik, die man seit 2014 kennt, die nächste Dekade oder so einen alternativlosen, verzweifelten Untergrundkampf. Der dann endgültige Verrat an den Sicherheitszusagen aus dem Budapester Memorandum wäre wohl Teil der zukünftigen ukrainischen Identität und aus ähnlichen Szenarien anderswo kann man - denke ich - ableiten, dass am Ende nicht die pro-westlichen Demokraten den Widerstand und ggf. eine mehr oder weniger befreite Ukraine führen würden.
Würde der Westen dagegen ernsthaft und ohne Einsatzbeschränkungen liefern (und auch entpsrechend produzieren), gibt es, meiner laienhaften Einschätzung nach, noch ein sich schließendes Zeitfenster, um die Ukraine mindestens so stark zu machen, dass Russland verhandlungsbereit wird und wenigstens Teile der Ukraine gen Westen ziehen lassen müsste. Aber auch mit Blick auf jüngste Äußerungen von Biden und Scholz und anderen, wird das Szenario immer unwahrscheinlicher, weil es offensichtlich nicht gewollt ist. Ob aus Angst vor nuklearer Erpressung oder anderen Motiven, werden wir erst in Geschichtsbüchern lesen, wenn überhaupt.

Auch dahingehend nicht vergleichbar. Die Ukraine hat schon deutlich mehr bekommen, als damals nach Afghanistan geliefert wurde.

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Die USA, Saudi-Arabien und China haben den Mujahideen in Afghanistan zusammen über einen Zeitraum von 20 Jahren geschätzte 6 bis 12 Milliarden Dollar an Waffen und Training zur Verfügung gestellt.

Der Ukraine wurden durch die USA alleine bisher knapp 70 Milliarden Dollar an Militärhilfe verschafft. Auch die Art der Waffen ist eine grundlegend andere (schwere Waffen, Artillerie).

Aber auch die Struktur der Unterstützung ist mit Afghanistan nicht vergleichbar. In der Ukraine wird eine reguläre Regierung unterstützt, zur militärischen Unterstützung kommen also auch erhebliche Summen Budgethilfe, die den Ukrainischen Staat als solchen unterstützen und entwickeln.

In Afghanistan gab es dagegen weder während, noch nach Ende des Kriegs nennenswerte US-amerikanische Investitionen in das Staatswesen. Das Land wurde nach dem Abzug der Sowjets, in einem Zustand der de facto Staatenlosigkeit, sich selbst überlassen. In der Ukraine ist es dagegen das erklärte Ziel (was meiner Meinung nach aktuell auch durch Taten gestützt wird) das Land als funktionierendes Mitglied der europäischen Staatengemeinschaft zu erhalten. Nicht zuletzt darum gibt es ja von Seiten der EU auch einen Prozess zur Aufnahme der Ukraine, der ja mit erheblichen politischen Reformbemühungen und unterstützender Finanzierung einhergeht.

Natürlich gibt es auch denkbare Szenarien, in denen die USA (und wir) die Unterstützung für die Ukraine langfristig bereuen. Aber diese Szenarien lassen sich nicht durch das Ziehen einer Parallele mit Afghanistan in den 80er Jahren konstruieren. Da muss man schon etwas seriöser rangehen.

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Für mich stellt sich die Frage, warum Putin Polen oder die baltischen Staaten angreifen sollte. Ich halte das nicht für realistisch.

Was glaubst Du, wie die Antwort aussähe und wie die im Westen ankäme?

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Der elfte September wurde von Al-Qaida, geführt von Osama bin Laden, durchgeführt. Die Terroristen Kamen aus Saudi-Arabien, VAE und Ägypten.

Afghanistan hat damit quasi gar nichts zu tun, außer dass die Taliban Al-Qaida Unterschlupf gewährte. Allerdings könnte man ebenso sagen, Deutschland treffe eine Teilschuld an 9/11, da zentrale Teile der Planung von einer Zelle in Hamburg durchgeführt wurden.

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Die sehr vielen Ursachen werden in dem Vortrag gut dargestellt. „Nur dadurch“ würde ich deswegen ablehnen. https://youtu.be/KXVQhpIKxDg?si=mLJWexhP01t02s4V

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Wie man das nach dem Angriff auf die Ukraine noch so sehen kann ist mir rätselhaft.
Die Gründe, das Baltikum, Polen oder gar Finnland anzugreifen sind die gleichen, wie die Gründe, die Ukraine anzugreifen: Ein verdrehtes Geschichtsbild, nach dem Russland aus historischen Gründen Herrschaftsansprüche auf diese Gebiete hat in Verbindung mit russischstämmigen Minderheiten in den Grenzregionen, die man durch stetige Propaganda instrumentalisieren und aufhetzen kann, bis zu nach Separation schreien - um dann diesen Separatisten in ihrem „gerechten Kampf für Selbstbestimmtheit“ als Retter zur Hilfe zu eilen. So zynisch hat es in der Ukraine funktioniert und es gibt keinen Grund, nicht anzunehmen, dass Russland es auch in anderen Ländern so versuchen wird. Als erstes würde hier Moldau fallen, da Transnistrien bereits „erntereif“ ist…

Putin hat wirklich keinen Hehl daraus gemacht, was die Rolle Russlands im Hinblick auf seine Geschichte in der Zukunft sein sollte. Vor dem Ukraine-Krieg haben wir ihm leider nicht richtig zugehört und gedacht, er erzählt hier nur seine Geschichten. Wollen wir den exakt gleichen Fehler nun im Hinblick auf das Baltikum und Polen erneut machen?!?

Was glaubst du, wäre die Antwort?!?
Russland droht jetzt schon permanent mit Atomkrieg und anderen absurden Szenarien. Genau diese hohlen Drohungen sollte man auch als solche Bezeichnen und dem kleinen, widerlichen Mann im Kreml ganz klar sagen, dass er sich diese Drohungen dort hin schieben kann, wo keine Sonne scheint.

Russland ist ein Bully - es respektiert nur Stärke und interpretiert jede Diplomatie als Schwäche. Deshalb sollten wir hier ganz klar Stärke zeigen. Jedes Mal, das Russland mit Atomwaffen droht und wir kuschen, lernt Russland, dass es damit durchkommt. Und so verschieben sich die Grenzen Schritt für Schritt weiter in eine ungünstige Richtung. Im schlimmsten Fall kann gerade die Tatsache, dass wir vor den Atomdrohungen kuschen, dazu führen, dass sie irgendwann wahr gemacht werden. Ja, gerade die Angst vor einem Atomkrieg kann uns in den Atomkrieg führen, wenn wir nicht bereit sind, die nukleare Abschreckung glaubhaft zu vertreten. Und dazu gehört meiner Meinung nach, sich verbal gegen einen Aggressor nicht zurück zu halten und ihm so den Eindruck zu vermitteln, immer noch einen Schritt weiter gehen zu können.

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So lange die NATO voll funktionsfähig und sehr geeint auftritt, wird es Russland vermutlich nicht wagen. Aber die NATO tritt nicht immer geeint auf, mit Trump noch schwieriger und Russland versucht doch gerade durch in der Lage genannte Taktiken die Länder der EU, des Westens, der NATO zu destabilisieren und auszuspionieren vor allem was militärische Einrichtungen und Infrastruktur anbelangt. Das kann man eindeutig als Vorbereitung werten. Oder denkst du, dass es in Deutschland mit einer BSW/AFD Regierung irgendeine Gegenwehr gegen einen Angriff auf das Baltikum geben würde? Vermutlich würden wir schon vorher aus der NATO austreten.

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Warum nicht?

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Würde Russland in naher Zukunft NATO- Gebiet angreifen?

Gute Frage.

Russland stockt die Armee grad um zusätzliche 180.000 Soldaten auf, also quasi einmal Bundeswehr.
Damit verfügt Russland über die zweitgrößte Armee der Welt nach China, zahlenmäßig noch stärker als die USA oder China.
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Was können wir im Westen daraus schließen?
Wo liegen aus Russlands Sicht die primären „Sicherheitsbedrohungen“? Im Süden Richtung China? Im Osten Richtung Japan? Eher nördlich Richtung USA? Oder doch eher im Westen Richtung Europa?

Wie kann man diesem Signal massiver Aufrüstung Russland vom Westen her begegnen?

A. Durch einseitige Abrüstung, ggf Auflösung der NATO, um Putin zu zeigen das vom Westen keine Gefahr ausgeht? Würde Putin dann wieder massiv abrüsten und im Sinne friedlicher Koexistenz mit westlichen Demokratien leben wollen?
Ist das realistisch? Wenn wir das tun und uns irren?

B. Der Westen/ die NATO setzt durch eigene Aufrüstung das Signal, das jedwede Aggression gegen westliche Demokratien oder die NATO ein unkalkulierbares Risiko für Russland mit enormen Kosten darstellt, und sorgt so für ein Gleichgewicht der Kräfte. Realistischer?

C. Wir machen nichts. Leben weiter wie bisher, hoffen das alles für uns bleibt wie es ist. Das Schicksal der Ukraine oder anderer Länder ist uns egal, es steht nur unserer eigenes Wohl im Vordergrund. Sollten wir doch bedroht werden, kollaborieren wir halt so gut es geht mit dem Aggressor zum Erhalt des eigenen Vorteils, ohne Rücksicht auf Völkerrecht oder Schwächere.
Eine Option?

Das wären jetzt, mit möglichen Variationen, die wesentlichen Optionen die mir spontan einfallen….

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