Die Feststellung, dass sich Abschreckung im kalten Krieg bewährt habe, möchte ich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Wir haben diese Ära entgegen aller Wahrscheinlichkeit, also durch pure Zufälle, überlebt. Die damalige Position der internationalen Friedensbewegung gegen die atomare Aufrüstung war durch und durch rational, weil sie auf die permanent steigende Wahrscheinlichkeit eines Unfalls, einer Fehleinschätzung, technischen oder menschlichen Versagens hinwies. Das Hauptargument gegen die „Nachrüstung“ von Mittelstreckenraketen auf europäischem NATO-Gebiet lag in der drastischen Verringerung der Vorwarnzeiten. Und nein, die SS20 auf der anderen Seite stellten eben nicht das spiegelbildlich gleiche Bedrohungspotential dar. Das waren 20 Jahre zuvor die Mittelstreckenraketen auf Kuba, und wir wissen, wie die USA darauf reagierten.
Der verblüffendste Sachverhalt, dem wir alle unser Leben verdanken, kam erst im Laufe der 90er Jahre ans Licht: Nuklear-Fehlalarm von 1983 – Wikipedia. Der Ausgang allein dieses einen Vorfalls wäre ein völlig anderer gewesen wenn der Protagonist dieser Geschichte dienstfrei gehabt hätte oder wenn er sich an seine Vorschriften gehalten hätte oder - nach seinem eigenen Bekunden - wenn er 1983 den Wissensstand von 1997 gehabt hätte. Dann wären aufgrund eines technisch bedingten Fehlalarms sowjetische Langstreckenraketen gegen die USA abgefeuert worden, gleichbedeutend mit einem sicheren Weltuntergang binnen weniger Stunden.
Um Euch zu beruhigen, spekuliert Ihr damit, dass Putin mental gesund sei, während er unter dem Einfluss von Alexander Dugin ein alter, grantiger Sack geworden ist. Ihr spekuliert mit einer Gefährdung, die dem gleichzeitigen Durchgehen aller Atomreaktoren Europas entspricht, ohne die spieltheoretischen Parameter zu kennen.