Im Podcast wird die niedrige politische Unterstützung für eine Erbschaftssteuer darin begründet, dass weite Teile der Wählerschaft den bzw. ihren Nutzen einer Erbschaftssteuer nicht verstehen.
Herr Beckert schlägt vor, den Nutzen damit zu veranschaulichen, wie die Steuereinnahmen im Bildungssystem etc. eingesetzt werden könnten. Ich finde diesen Vorschlag prinzipiell sympathisch, sehe aber das Risiko, dass das Konzept „ein starker Sozialstaat verbessert mein Leben überproportional“ für Teile der Wählerschaft zu abstrakt bzw. zu wenig spürbar ist.
Daher ein Gegenvorschlag: Die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer werden jährlich als „bedingungsloses Grunderbe“ an alle Bürger ausgezahlt. Bei den im Podcast genannten Zahlen wären das aktuell etwa 1000€ pro Jahr an jeden Bürger. Diesen direkten persönlichen Nutzen kann ein Bürger nicht nicht verstehen.
Ich gehe mit, dass das einfach zu vermitteln ist. Aber es ist natürlich keine besonders effektive Umverteilung. Denn sehr viele Bürger brauchen dieses Geld ja gar nicht.
Das ist in dem Fall kein Problem.
Das Verteilen nach dem Gießkannenprinzip ist problematisch, wenn die Einnahmen auch aus „der Mitte“ kommen. Einnahmen „von Oben“ hingegen mit der Gießkanne auf das ganze Volk zu verteilen sorgt lediglich dafür, dass der Umverteilungseffekt etwas kleiner ist, als er sein könnte. Das ist mMn unproblematisch, wenn der Umverteilungseffekt groß genug bliebe, was hier der Fall wäre.
Das mag sein. Ehrlich gesagt würde mir am Grunderbe aber aufstoßen, dass dieses Geld (potentiell) für reinen Konsum genutzt werden könnte. Und das würde der Empfänger völlig zu Recht tun, denn es ist ja bedingungslos.
Ich muss zugeben, dass ich da viel lieber mein Steuergeld in Schulen gesteckt sehen würde, in die man gerne geht und wo Lernen Spaß macht. Dafür gebe ich gern Geld aus. Das Jahr Work and Travel gönne ich jedem, aber er möge es sich bitte selbst erarbeiten.
Diskutieren könnte man aber vielleicht ein Grunderbe, dass nicht bedingungslos ist und beispielsweise für den Bildungsbereich, zur Existenzgründung oder vielleicht Familiengründung genutzt werden kann. Hier reicht das Gehalt meist ohnehin nicht aus um alle mehr oder weniger essenziellen Kosten zu decken. Daher dürfte reiner „Luxus“-Konsum ein eher untergeordnetes Problem sein und gleichzeitig bringen diese Ereignisse auch einen gesellschaftlichen Mehrwert.
Ich hätte auch nichts dagegen, aber in diesem Thread geht es ja gerade darum, solche Dinge sichtbar zu machen. Wenn jeder Bürger tatsächlich umverteiltes Geld erhält, wird das für jeden Bürger sehr sichtbar, wenn das Geld genutzt wird, staatliche Leistungen zu finanzieren, droht immer die Gefahr, dass das nicht wahrgenommen wird. Denn natürlich würden dadurch nicht alle finanziellen Probleme des Bildungssystems auf Anhieb gelöst - und natürlich liegt der Verdacht nahe, dass der Staat dann andere staatliche Mittel für die Schulen zurückfahren wird, weil er der Meinung ist, dass das Geld anderswo dringender gebraucht würde.
Es ist doch die gleiche Diskussion wie beim Klimageld - natürlich kann man die ganzen Einnahmen aus der CO2-Steuer auch in Klimaschutz- oder Klimaanpassungsmaßnahmen stecken, aber ein Klimageld, dass der Bürger auf seinem Konto eingehen sieht, ist eben viel sichtbarer und führt dann auch zu höherer Akzeptanz eines CO2-Preises. Gleiches gilt für eine Erbschafts/Reichtumssteuer.
Ich bin hier schlicht für möglichst simple Systeme. Wenn wir für das Klimageld ohnehin einen Auszahlungsmechanismus entwerfen müssen, könnten wir den auch für eine etwaige Umverteilung von Erbschaftssteuereinnahmen nutzen. Erstmal auf Pro-Kopf-Basis - und wenn das funktioniert und uns das Ergebnis noch nicht weit genug geht, kann man immer noch überlegen, weitere Kriterien (z.B. Bedürftigkeit) einzuführen. Ausgerechnet Österreich hat es vorgemacht, wie man so ein System Schritt für Schritt aufbauen kann - und es würde Sinn machen, den gleichen Ansatz zu verfolgen.
Ist doch super. Dann hast du in dem System einen Anreiz dazu. Dann gründest du einen Förderverein, schmälerst schon zu Lebzeiten dein Vermögen und erstellt in deinem Testament eine Liste, welche Schulen im Todesfall bedacht werden sollen - oder gründest vielleicht sogar eine Stiftung, die Schüler aus weniger reichen Familien mit Stipendien oder Nachmittagsbetreuung unterstützt.
Es sollte für den Bürger „auf seinem Bankkonto“ klar ersichtlich sein, dass diese Zahlung durch den CO2-Preis und jedes Geld durch die Erbschaftssteuer finanziert wird. Es geht ja darum, die Erhebung populär zu machen.
Können wir mal kurz den Nutzen der Erbeschaftssteuer hier klar machen?
Nach meinem Verständnis:
Steuereinnahmen / Investitionen in Schulen, Strassen, …
Vermeidung von Bürgerkrieg: Wenn die Vermögensungleichheit zu extrem wird, besteht das Risiko, dass die übergröße Mehrheit der Bevölkerung das Interesse äußert, die Vermögensungleichheit auf blutigem Weg zu reduzieren (siehe 1789 in Frankreich oder 1917 im Zarenreich).
Meritokratie statt Oligarchie: Wenn (moderate) Vermögensungleichheit eher auf Fähigkeit bzw. Leistungsbereitschaft als auf Herkunft beruht, dann bekommen Leistungsträger relativ mehr politische Macht. Der Staat wird dann von verstärkt von Leistungsträgern und nicht von Oligarchen gelenkt. Das führt zu besserer (Sozial- und Wirtschafts-)Politik und damit mehr Wohlstand für alle.
Es gibt sicherlich noch mehr Nutzen, aber diese beiden halte ich für die langfristig am relevantesten.
Wenn die Erbschaftssteuer die Vermögensungleichheit signifikant beeinflussen soll, muss sie allerdings auch entsprechend hoch sein. Ob da 20% ausreichen sei dahingestellt. Ich vermute in heutigen politischen Konzepten der Mitte soll eine Erbschaftssteuer eher eine sozial halbwegs gerechte zusätzlichen Einnahmequelle des Staates sein.
Im Augenblick beobachte ich eher, dass sich viele mit dem Vorbild „Hohlbirne mit gemietetem Auto spielt reich auf Instagram“ identifizieren und dann eher Angst haben, dass dem Babo der böse Staat das alles wieder wegnimmt.
Sobald der Wähler verstanden hat, dass er selbst bei einem Grunderbe von 1000€ pro Jahr um ein 1.000- bis 1.000.000-Faches schlechter gestellt ist, als manche seiner Mitbürger, können Pro-Erbschaftssteuer-Parteien einen sehr verständlichen Wahlkampf machen und fragen „Möchtest du, dass wir den Erbschaftssteuersatz erhöhen, damit du ein höheres Grunderbe bekommst?“ bzw. „Welchen Erbschaftssteuersatz findest du gerecht?“
Und ich rede hier nicht von Personen aus der sozioökonomischen Unterschicht, die es ggf. gewohnt sind, dass die Solidargemeinschaft sie vergessen hat. Auch und insbesondere gutsituierten Personen aus der Mittelschicht wird klarer werden, wie extrem weit sie von der Vermögensoberschicht entfernt sind.
Und genau dieses libertäre Narrativ gilt es bloßzustellen. Eine Erbschaftssteuer ist die sozial gerechteste Einnahmequelle des Staates. Erst wenn man beim Erben das soziale Optimum eingerichtet hat, sollte man darüber nachdenken, zusätzliche Einnahmequellen einzuführen (beispielsweise Konsumsteuern oder gar eine Einkommenssteuer).
Vielleicht vergleicht sich die Mittelschicht auch gar nicht so sehr mit der Vermögensoberschicht, sondern ärgert sich weiter über die Steuer- und Abgabenlast, wo die jährlich 1000 Euro Entlastung nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind.
Ok verstehe. Wenn man davon ausgeht, dass die Erbschaftssteuer in Zukunft signifikant ausgeweitet wird, verstehe ich den Ansatz. Geht man davon aus, dass das nicht passiert bzw. dass eine andere Regierung sie ggf. schnell wieder abschafft hätte ich eher den Ansatz gefahren, das Geld mitzunehmen, das man bekommen kann und es an den Stellen einzusetzen, wo man die dringendsten Probleme hat (also z.B. prekäre soziale Verhältnisse) bzw. wo wir uns gesellschaftlich ziemlich einig sind, dass es gut eingesetzt ist (Bildung).
Bzgl. Überzeugung: ich glaube sobald man das „der Staat will Omas Häuschen wegnehmen“ und ähnliche Narrative widerlegte hat, ist der Großteil der Arbeit getan. Dann dürfte sich auch eine Mehrheit für z.B. den Einsatz solcher Gelder für Bildungsprojekte finden. Übrigens dürfte das auch bei den Erben selbst der Fall sein. Die meisten werden sich vmtl. streuben, aber es wird sicher einige geben, die ihr Geld lieber in der Rettung des Bildungssystems eingesetzt sehen als auf den Konten aller Deutschen verteilt.
Es wurden viele Erklärungen gesucht warum die breite Bevölkerung da gegen die eigenen Interessen steht. Ich muss dazu in den Raum werfen, dass auch im heutigen Zeitalter ein großer Anteil der politischen Willensbildung in den Zeitungen aller Seriösitätsstufen passiert, von Bild bis Welt.
Nun ist es leider Fakt, dass viele Personen, denen große Anteile verschiedener Medienhäuser gehören im Gegensatz zur breiten Bevölkerung sehr wohl von einer erhöhten Erbschaftssteuer betroffen wären…
Weiß nicht, ob das Absicht war, aber von Bild bis Welt bewegen wir uns genau in der Seriositätsstufe, die man vom Axel Springer Verlag erwarten darf.
Und ja, da kennt man sich mit Erbschafts-/Schenkungssteuer recht gut aus:
edit: Was aber für die Leiter der Medienhäuser gilt, gilt ja nicht für deren Journalisten. Und normalerweise verlangt der Kodex, dass die Leiter auf die Berichterstattung keinen Einfluss nehmen (Ja, auch das funktioniert gerade bei Axel Springer nicht immer).
Ausnahmsweise mach ich hier mal eine neoliberal-/konservative Argumentation gegen ein Grunderbe oder ähnliches:
Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.
Wir haben ein systematisches Problem, das zu Ungleichheit führt. Wenn wir den Leuten z.B. zum 18 Geburtstag Geld geben, ist das Kind ja schon lange in den Brunnen gefallen. Der Vorsprung den die wohlhabenden Kinder sich vorher durch bessere Bildung aufgebaut haben, ist dann schwer einzuholen. Man könnte den Eltern schon vorher Geld geben, aber dann ist der Erfolg des Kindes doch wieder davon abhängig wer die Eltern sind.
Besser z.B. in Kita Plätze investieren, das ist dann auch sichtbar. Und man kann den Leuten auch vermitteln, dass man mehr in Bildung investiert. So gut wie jeder in Deutschland ist dafür, dass man mehr in Bildung investiert.
Außerdem führt ja einfach nur Geld verteilen zu mehr ungerichteten Konsum und jede Art von Konsum ist schädlich für die Umwelt. Daher das Geld lieber gezielt in sinnvolle Sachen stecken.
Annahme dieses Threads ist, dass selbst diese scheinbare Banalität nicht verstanden wird. Daher der Vorschlag eines garantiert unmissverständlichen Erbschaftskonzepts.
Ist das so? Anekdotisches Gegenbeispiel: Ein Grunderbeempfänger nahe der Armutsgrenze wird sein Grunderbe vermutlich nicht für Wochenendtrips nach New York einsetzen, kann sich aber eventuell endlich Bio-Lebensmittel leisten. Wer hingegen 20% Erbschaftssteuer zahlen muss, macht vielleicht 20% weniger Weltraumflüge oder hat 20% weniger Yachten.
Mit 20 % habe ich jetzt ja kein Problem, aber das Framing mit Weltraumflügen und Yachten halte ich dann doch für sehr fragwürdig. Reden wir jetzt wirklich noch generell über höhere Vermögen, also vorwiegend auch in Betrieben gebundenes Vermögen von einigen/wenigen Millionen Euro, oder reden wir erst von Leuten mit mehreren hundert Millionen Euro, die sich dann auch mal die großen Yachten und Weltraumflüge leisten?
Denn der Inhaber eines Mittelständischen Betriebs mit einem Wert von 5 Mio. €, der den Betrieb an seine Kinder vererbt ist wohl weit entfernt von „weniger Yachten“ oder „weniger Weltraumflüge“.
Das was du hier machst ist nichts anderes als Klisches über Superreiche auf jeden der etwas mehr hat auszudehnen.
Da finde ich tatsächlich die Annahme, dass jemand der zusätzliche liquide Mittel zur Verfügung hat diese für Urlaub statt für Bio-Lebensmittel einsetzt realistischer.