Das stört mich auch. Es wird so getan, als wäre die Widerspruchslösung DIE Lösung und dann würden bei uns die tatsächlichen Spendenzahlen ansteigen. Allerdings gibt es viele andere Gründe, die viel zu wenig Beachtung finden. Hier Mal zwei Artikel
(1) Organspende - Nicht nur eine intensivmedizinische Aufgabe
(2) Ursachen der niedrigen Organspenderate in Deutschland
Ein paar Zitate:
Aus (1)
Wissenschaftlich konnte die Frage, ob eine Opt-in- einer Opt-out-Lösung bezüglich der Organspendezahlen überlegen ist, bislang nicht eindeutig geklärt werden. […] Eine aktuellere Analyse von 35 Ländern, bei denen 17 Länder eine Opt-out- und 18 Länder eine Opt-in-Regelung verfolgten, konnte nur eine nichtsignifikant höhere Spenderrate für Länder mit Opt-out-Regelungen zeigen.
und aus (2):
Jedoch scheint aus verschiedenen Gründen Zweifel an dem Nutzen der doppelten Widerspruchslösung angebracht: Da schon jetzt bei 76 % derjenigen, bei denen der Hirntod diagnostiziert wurde, eine Zustimmung zu einer Organspende erfolgt [9] und 18 % der Bevölkerung nachweislich dokumentiert haben, dass sie im Zweifelsfall keine Organspender werden wollen [6], kann die Spenderate selbst im Idealfall nur um wenige Prozente gesteigert werden. Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie nahelegt, scheint jedoch selbst an einer geringen Zunahme der Organspendezahlen Zweifel angebracht. […] Das Ergebnis: Länder mit einer Widerspruchslösung haben keine signifikant höheren Organspenderaten als Länder mit einer Zustimmungsregelung [1].
Woran liegt es dann? Beispielsweise an Identifikation von potenziellen Spender*innen, aus (1):
Ein Pilotprojekt im Auftrag der DSO, die „In-house“-Koordination in 112 deutschen Krankenhäusern, zeigte, dass in den betrachteten Kliniken zwischen 2010 und 2012 zwar ein Großteil der möglichen Spenderinnen erfasst, jedoch bei insgesamt 411 Fällen keine IHA eingeleitet wurde, obwohl die retrospektive Analyse dies als sinnvoll erachtete. Zwar entsprechen diese 411 Fälle nur 1,8 % aller mit einer Hirnschädigung Verstorbenen, jedoch hätten sie zu einer Steigerung der Spendezahlen um 31 % geführt, […]
und aus (2):
Die Jahresberichte der DSO offenbaren, dass die Entnahmekrankenhäuser 2017 knapp 20 % weniger mögliche Organspender an die DSO gemeldet haben als noch 2010 und das obwohl das Organspendepotenzial wie oben dargestellt in demselben Zeitraum zugenommen hat [8, 9]. […] Offensichtlich ist also ein Erkennungs- bzw. Meldedefizit von möglichen Organspendern der maßgebliche Grund für die rückläufigen Organspendezahlen der letzten Jahre.
Es wird oft so getan, als ob das einzige Problem wäre, dass nicht genug Leute „Ja“ zur Organspende sagen und eine Widerspruchslösung das ändern würde. Es gibt aber auch andere Probleme. Finde ich schade, dass das in der aktuellen LdN374 nicht berücksichtigt wurde.