LdN365 Bahnstreik

Da die öffentliche Meinung sich sehr gegen die Lokführer:innen und ihren Streik richtet, möchte ich hier mal eine Lanze für sie brechen.
Hätten sie weiterhin Beamtenstatus, gäbe es keinen Streik.
Durch die Inflation hatten sie in den vergangenen Jahren Reallohnverluste.
Der Schichtdienst mit allen Unwägbarkeiten des kaputten Bahnsystems ist belastend.

Streik ist ein Recht. Die Öffentlichkeit und auch die Politiker:innen sollten den Lokführer dieses nicht moralisierend absprechen.

Immer wird Herr Weselsky als der Querulant dargestellt. Warum wird niemals, niemals der Personalvorstand Seiler interviewt, angegriffen und ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt? Die Bahnvorstände haben sich trotz Versagens eifrig Bonuszahlungen zukommen lassen. Jetzt fordern einfach die Arbeitnehmer:innen auch ihr Recht ein. Das ist völlig verständlich.

https://taz.de/Bahn-Angestellte-ueber-den-Streik/!5984520/

15 „Gefällt mir“

Ich glaube auch, dass bei vielen nicht der Streik selber sauer aufstößt, sondern das bestimmte Berufsgruppen einfach einen viel größeren Hebel bei Streiks haben. Wenn z.B. Facharbeiter in der Industrie in den Streik treten, dann juckt das im Zweifel niemanden außer eventuell dem Betrieb, bei Erziehern ist die Aufmerksamkeit schon größer, aber längst nicht so groß wie bei Lokführern. Das kann man den Lokführern sicher nicht anlasten, trotzdem wird das sicher auch eine Auswirkung auf die öffentliche Wahrnehmung haben.

1 „Gefällt mir“

Also mir persönlich stößt vor allem diese komische Konstruktion der GDL-eigenen Leiharbeitsfirma, mit der die Gewerkschaft der Bahn offenbar die Lokführer abspenstig machen will, für deren Rechte sie jetzt gerade angeblich kämpft, sauer auf.

Da muss es doch geradezu zwangsläufig einen Interessenskonflikt geben. Die GDL will die 35-Stunden-Woche ohne Lohnverzicht auf Biegen und Brechen durchsetzen, was automatisch und zwangsläufig eine Verschärfung des Arbeitskräftemangels zur Folge hätte - und dann bietet sie für dieses selbst verursachte Problem gleich die Lösung in Form einer Leiharbeitsfirma, die selbst auch noch einen Cut bei den Gehältern der Mitarbeiter abgreift? Und Schritt 2 ist dann beim nächsten Streik der Bahn-eigenen GDL-Lokführer der „Verleih“ von Streikbrechern aus dem GDL-eigenen Leiharbeitsbetrieb an die Bahn, natürlich für extrem teuer Geld?

Seit wann ist außerdem eine Leiharbeitsfirma auf der Seite der Arbeitnehmer? Üblicherweise ist das in einem Markt, in dem aufgrund anhaltendem Personalbedarf eine Festanstellung bei einem Arbeitgeber problemlos möglich wäre, eine parasitäre Organisation, die nur zusätzlich Geld auf dem Weg von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer abgreift - Geld, das eigentlich direkt dem Arbeitnehmer im Rahmen eines „richtigen“ Anstellungsverhältnisses zugute kommen könnte.

1 „Gefällt mir“

Das mit der Leiharbeitsfirma hat Weselsky bei Jung und naiv mal erklärt. Deine grundsätzlich nachvollziehbaren Bedenken wegen der Leiharbeit sehe ich da nicht gegeben, weil das eine Genossenschaft ist.

Sonst stört mich auch, dass die Alleinverantwortung bei der GdL gesehen wird und das Verhalten des Konzerns außen vor bleibt.

10 „Gefällt mir“

Danke für den Link, werde ich mir mal geben.

Das verstehe ich jetzt nicht so ganz - inwiefern ändert das was fundamental? Eine Genossenschaft gehört denjenigen, die Anteile daran halten - Weselsky selbst z.B. hält welche, aber auch anderen GDL-Führungspersonen, und potenziell auch „normale“ GDL-Mitglieder, sofern sie denn Anteile erwerben. Genossenschaften müssen profitabel arbeiten, sonst können sie nicht langfristig existieren. Zwangsläufig irgendwann anfallende Gewinne werden an die Anteilsinhaber ausgeschüttet - also streichen selbst dann, wenn über die Genossenschaft „verliehene“ Lokführer einen Teil des Verleih-Overheads über ihre jeweiligen Anteile wieder zurückbekommen können, doch Weselsky und die GDL-Führungsmannschaft persönlich ebenfalls Teile des Gewinns der Genossenschaft ein, wobei diesen Teilen keine Gegenleistung im Sinne von erbrachter Leiharbeitsleistung gegenübersteht.

Ich seh da nur sehr bedingt einen Unterschied zu einem ganz gewöhnlichen, gewinnorientierten Unternehmen. Ja, ein wenig des „abgegriffenen“ Geldes können die Lokführer selbst wieder zurückholen. Aber ein Teil wandert immer noch in die Taschen Anderer, nämlich Weselskys’ und Co., also der Leute, die pikanterweise an entscheidenden Stellen der Gewerkschaft sitzen, die den Markt für die profitable Arbeit der Leiharbeitsgenossenschaft erst bereitet.

Weselsky ist echt der letzte, dem ich in diesem Sinne negative, eigennützige Absichten zutraue.
Er kämpft für seine Lokführer…

Ich meine, im Jung und Naiv Interview ist auch die Rede davon, dass er ein äußerst lukratives Angebot der Bahn an ihn abgelehnt hat, weil er nicht käuflich sei.

2 „Gefällt mir“

Da der Name noch nicht erwähnt wurde. Es geht um die Fair-Train e.G.

Ich habe die Schilderungen zur Genossenschaft so in Erinnerung, dass die Anteile die erworben werden begrenzt sind und dass Ziel der Gründung war, eine selbstverwaltete, im Eigentum der Belegschaft (sofern GdL-Mitglieder) stehende Entität war. Klang für mich sehr nach linken Ideen, fast wie Arbeiterräten, die das verwalten.

Der Kommentar auf tagesschau.de scheint auf jeden Fall anderer Meinung zu sein. Erstaunlich wie wenig reflektiert das wirkt:

Hier die Gegenseite: Bahnstreik der GDL: Ökonom erklärt, woran die Einigung jetzt scheitert

Es ist auch wirklich erstaunlich, warum sich viele gegen die Lokführer stellen, während sie sich zuvor deutlich und verständnisvoll auf die Seite der Bauern gestellt haben

1 „Gefällt mir“

Es kann so simpel sein. Es liegt einfach am medialen Framing. Und zwar so ziemlich aller Medien.

1 „Gefällt mir“

Einfach finde ich eher wenn man das Problem einem diffuse „die Medien“ anhängt.

Das Problem ist komplex, fürchte ich. Die Bauern ziehen regelmäßig zu Felde und erreichten in den letzten Jahren eigentlich nichts. Die sie einschränkenden Regeln stiegen, die Vergütungen hingegen nicht. Milchproduktion ist bspw. aktuell laut Bauernverband ein Verlustgeschäft. Gleichzeitig haben viele Bürger eine romantische Vorstellung vom Leben als Bauer, bei der man sofort Sympathien aufbaut.

Dem gegenüber gibt es den fast jährlichen Aufstand der GDL. Die geht oft mit Mondforderungen in Verhandlungen, auch um ihr eigenes Überleben zu sichern. Denn wir dürfen nicht vergessen, die Gewerkschaft der Eisenbahner ist mit fast 200.000 Mitgliedern die EVG. Die Gdl ist eine Nischenorganisation eines teils der Lokführer und hat gerade einmal 1/5 der Mitglieder. Trotzdem legt sie einen Großteil des Schienenverkehrs mit riesigen Kolleteralschäden lahm, nur weil sie um ihre Macht gegenüber der EVG kämpft. Dieses Recht hat sie, aber wer Machtk(r)ämpfe mit solchen Schäden Unbeteiligter führt, der hat wenig Aussicht auf Sympathie.

Und mehr als ein Machtkampf ist es nicht wenn man bei akutem Personalmangel knapp 8% weniger Arbeitszeit als Minimalforderung ansieht, wohlgemerkt bei bereits bis zu 40 Tagen Urlaub im Jahr.

Meinetwegen soll die GDL machen. Ich habe keinen Groll und gönne ihnen mehr Freizeit. Aber ich glaube, so wie sie auftritt verspielt sie zurecht viel Sympathie. Eine Mäßigung und Zusammenarbeit/Abstimmung mit anderen Gewerkschaften (EVG, Verdi, IG Metall) würde zwar langfristig zum Niedergang der GDL zugunsten der EVG führen, wäre aber gesamtgesellschaftlich notwendig.

3 „Gefällt mir“

Man muss hier aber auch klar zwischen Streik im Tarifrecht und einer Demo im Rahmen des Demonstrationsrecht trennen. Wir reden hier über 2 Paar Schuhe. Und die Bauern bellen meiner Meinung nach seit Jahren den falschen Baum an. Sie lassen sich halt leider in großen Teilen von fragwürdigen Leuten wie Rukwied für seine persönlichen Ziele instrumentalisieren. Wenn die Bauern wirklich mal nachdenken würden, dann stünden sie 1 Woche vor den Lager und Zentralen der großen Handelsketten und Firmen wie Südzucker.

11 „Gefällt mir“

Die Ansicht teile ich nicht. Ja, es ist die kleinere Gewerkschaft und die müssen sich behaupten, aber es bleibt dabei, dass die Bahn sich kaum bewegt. Ich würde das auch nicht als Mondforderungen bezeichnen, wenn Arbeitnehmer mal selbstbewusst auftreten.

Ich finde solche Argumentationen schwierig, da sie m. E. der Grund sind, dass insb. in der Kranken- und Altenpflege, z. T. aber auch in der KiTa, die Arbeitsbedingungen nicht besser werden. Wenn Pflegekräfte streiken, dann in der Regel außerhalb ihres Dienstes, weil man die Pflegebedürftigen ja nicht sich selbst überlassen kann.

4 „Gefällt mir“

Ich gönne der GDL und den Lokführern ihren Streik und Ihre Forderungen.
Jedoch finde ich das Angebot der Bahn jetzt nicht komplett abstrus.

Angebot der Bahn aktuell: Neben der 37-Stunden-Woche liegen aktuell mehrere andere Posten vor. In Gänze sind das:

  • 2.850 Euro Inflationsausgleichsprämie (150 gingen bereits an die Lokführer, sodass insgesamt eine Summe von 3.000 Euro vorliegt)
  • 4,8 Prozent tabellenwirksame Entgelterhöhung (ab 1. August 2024)
  • 5,0 Prozent tabellenwirksame Entgelterhöhung (ab 1. April 2025)
  • Ab dem 1. Januar 2026 soll außerdem entweder eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Lokführer und Zugpersonal auf 37 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Gehalt einsetzen ODER
  • Eine 2,7-prozentige tabellenwirksame Entgelterhöhung nur für Lokführer und Zugpersonal (70 Prozent der Mitarbeiter im GDL-Geltungsbereich)

Im Vergleich die Tarifeinigung vom TVöD 2023 (auch für die Pflegekräfte).
Tarifrunde Ergebnis: Einmalzahlung 3.000 € in Stufen, 2023: Nullrunde; 2024: 200 €, + 5,5 %, mindestens 340 € mehr, Laufzeit: 24 Monate

Und hier sehe ich schon eine deutliche Divergenz. Die GDL hat Macht und nutzt diese. Andere Berufsgruppen, die vielleicht Macht hätten, können diese/oder wollen diese nicht nutzen. Folglich kommt es zu einer gewissen Ungleichheit. Wollen wir am Ende, dass jede Berufsgruppe für sich kämpft und maximal viel herausholen will, nur weil sie es kann? Ich sehe es nicht unbedingt als Kritik, vielleicht als Diskussionsansatz.

8 „Gefällt mir“

Die Bahn hat die 37 Stunden nach meiner Kenntnis an die Bedingung geknüpft, dass sie Personal findet. Ein Unding finde ich.

Warum nicht? Ist das nicht ein: Der Markt soll es regeln? Polemik beiseite, es wird in vielen Bereichen über schlechte Arbeitsbedingungen und dadurch bedingten Fachkräftemangel geredet. Da könnte man auch sagen, dass starke Gewerkschaften gesamtgesellschaftlich Vorteile bringen, wenn ihr Einsatz die Arbeitsbedingungen verbessert und dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

6 „Gefällt mir“

Ich sage ja nicht, dass ich den GDL Streik ablehne. Ich denke nur, dass die sehr selbstbewussten Forderungen eben von vielen kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen werden dürften, die auch wichtige Jobs haben, aber nicht ansatzweise so hohe Forderungen anstreben (können), da diese im Kontext der Kolleteralschäden als unangemessen empfunden würden.

Bitte vergiss nicht, zu den 8% weniger Arbeitszeit (bei bereits überdurchschnittlicher Urlaubszeit) kommt noch eine Forderung nach mehr Altersteilzeit, eine ordentliche Gehaltserhöhung, eine Inflationsprämie von 1500-3000 €, eine Erhöhung der Arbeitgeberzuschüsse für die betriebliche Altersvorsorge, eine Erhöhung der Zulagen um 25% und eine ganze Latte an abteilungsspezifischen Forderungen. Und das alles bei einer Laufzeit von nur einem Jahr (allein die Arbeitszeitkürzung liegt monetär damit über der Inflation im Vergleichszeitraum).

Und ehrlich gesagt hat sich die Bahn meines Erachtens mehr bewegt als die GDL. Aber vielleicht habe ich auch einen Kompromissvorschlag der GDL verpasst?

Ich finde daher den Vergleich mit wirklich schlecht Beschäftigten Berufsgruppen völlig unangemessen. Bei der GDL geht es um eine Gewerkschaft, die Gutverdiener vertritt und Angst hat von der großen Schwester aufgefressen zu werden, wenn sie ihren Mitgliedern nicht noch mehr Wohlstand beschafft. Und dafür stellt sie die Pendler an die Wand.

Die ganze Hybris wird deutlich wenn man bedenkt warum die GDL nicht bereits am 08.01. sondern erst am 10.01. den Ausstand begann. Die GDL teilte auf Nachfrage mit, dass vom 08.-09.01. an einer Veranstaltung des Beamtenbundes teilnehme und die (eigene) An- und Abreise sicherstellen möchte. Das wird die Pendler, deren Züge am 10.01. fuhren, sicher sehr gefreut haben.

2 „Gefällt mir“

Ich nehme das in der Öffentlichkeit anders wahr. Ich bin selbst ein Freund von Demos und Protesten, am liebsten wäre es mir wenn sich die Klimakleber, die Bauern und Lokführer absprechen und einen Generalstreik ausrufen, der das Land lahmlegt. In einer Demokratie sollte jeder das Recht haben, seine Stimme zu erheben - sei es nun für das Klima oder für den eigenen Geldbeutel.

1 „Gefällt mir“

Erstaunt bei der CDU-Nähe der Tagesschau nicht wirklich.

Ja, klar. Die Bauern spenden der Allgemeinheit ihre Milch. Wer glaubt denn sowas?

Komischerweise stellen sich andere Bahnunternehmen nicht so an wie die Deutsche-Millionen-Vorstandsgehälter-Bahn.

Aber das Kalkül der Deutschen Bahn ist eben, dass sie genug Medienmacht haben um die Streiks als ungerechtfertigt darstellen zu können und sich so am Ende durchsetzen, damit die Boni weiter fließen können. Muss jeder selber wissen, ob er sich vor diesen Karren spannen lassen möchte.

Genau das. Stattdessen könnten Verdi und Co. sich da ruhig mal eine Scheibe abschneiden, statt bereitwillig ihre Unterschrift alle zwei Jahre unter das erste Arbeitgeberangebot zu setzen. Da fragen manche sich schon, was die mit den Beiträgen ihrer Mitglieder eigentlich so anstellen.

Anderes Thema, aber mit dieser steuerfreien „Inflationsausgleichsprämie“ hat unsere Regierung sowieso die komplette Arbeitnehmerschaft gekonnt verarscht. Inflation bedeutet, die Preise steigen. Aber wenn die Inflation danach wieder sinkt, sinken die Preise nicht, sondern sie steigen bloß langsamer.

Eine Einmalzahlung gleicht daher die Inflation eben genau nicht aus, sondern verschiebt die der Höhe entsprechende Wirkung bloß für ein Jahr. Eine echte Inflationsausgleichsprämie müsste stattdessen ab sofort jedes Jahr wieder gezahlt werden, und nicht bloß einmal.

Ich gehe daher fest davon aus, die Absicht hinter der „Inflationsausgleichsprämie“ war exakt das Gegenteil von dem, was behauptet wurde, nämlich nicht die Arbeitnehmer zu entlasten, sondern in Wahrheit ging es darum die tabellenwirksamen Erhöhungen in Inflationszeiten möglichst weit unter der Inflationsrate zu halten und damit Reallohnverluste zu erzeugen.

1 „Gefällt mir“