LdN364: Erbschaftssteuer

Ihr sagt in der Lage-Folge zur Infrastruktur Dass eine Erbschaftssteuer quasi „zum Nulltarif“ umsetzbar sei. Ich sehe das nicht so.

Ich bin zwar für eine Erbschaftssteuer, aber ich denke die Ausgestaltung, wie ihr sie vorgeschlagen habt, ist nicht fair. Nehmen wir mal an, jemand erbt ein Unternehmen, das einen sehr großen Wert hat und muss über 20% des Werts des Unternehmens an den Fiskus überweisen.
Er darf das auf 20 Jahre Strecken, also wird jedes Jahr ein Betrag von 1 % des Unternehmenswert fällig. Dieses eine Prozent geht direkt vom EBIT (Earnings Before Interest and Texas) weg. Der Ebert von gesunden Unternehmen liegt üblicherweise irgendwo bei 5 % des Jahresumsatzes (Unternehmenswert?).

Ein Unternehmen das gerade Erbschaftsteuerpflichtig wäre, würde also für die nächsten Jahre etwa 20 % seines EBITs verlieren. Klar, über die Jahre wird es durch den Inflation natürlich weniger schmerzhaft, wenn der Kredit des Finanzamt zinsfrei wäre.

Aber dennoch gäbe es ja auf dem Markt Wettbewerber, die gerade keine Erbschaftssteuer zahlen müssen und andere Unternehmensformen wie Aktiengesellschaften, die das gar nicht betrifft. Diese Kategorie von Unternehmen wäre dann gegenüber denen, wo gerade ein Generationenwechsel stattfand im Vorteil.

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Im Grunde würde der Effekt Familienunternehmen strukturell benachteiligen und somit den Trend zu „anonymen Kapitalgesellschaften“ fördern. Ob das sinnvoll und erwünscht ist, steht auf einem anderen Blatt.
Ich persönlich halte das für keine gute Idee.

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Dann denke halt eine Generation weiter und Schwupps, sind alle Unternehmen in dem 20 Jahre-Streckungsmodus. Sehe kein Problem.

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Naja, die Demokratisierung hat auch Nationen im Familienbesitz strukturell benachteiligt und den Trend zu „anonymen Gemeinwesen“ gefördert…

Ab einer bestimmten Größe sollte es einfach keine Familienunternehmen geben. Das Konzept ist hochgradig anachronistisch.

(Auf lange Sicht bin ich auch gegen Kapitalgesellschaften, aber sie sind immerhin ein Fortschritt im Vergleich zu Familienunternehmen, so wie die Zeit, in der nur Landbesitzer wählen durften, ein Fortschritt gegenüber der absoluten Monarchie war.)

Irgendwer hält ja immer die Anteile … natürlich müsste man zugleich alternativ a) den deutschen Pass oder b) die Belegenheit des Vermögens in D zum Anknüpfungspunkt der Steuer machen, damit man nicht um die Steuer herumkommt, indem man eine Limited auf den Cayman Islands zwischenschaltet.

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Das stimmt so nicht. Man steht ja nicht nur mit anderen Familienunternehmen im Wettbewerb. Und während der eine Inhaber das Unternehmen erst nach 60 Jahren weitervererbt, stirbt ein anderer nach 20 Jahren und schon geht das Spiel von vorne los.

Gerade bei AGs im Besitz ausländischer Anleger würde nichtmal bei den Aktionären eine solche Steuer fällig. Ebenso nicht wenn die Anlage als Altersvorsorge ist und vor dem Tod wieder veräußert wird.

Die Vorstellung, dass eine Erbschaftssteuer keine zusätzliche Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im Familienbesitz wäre klammert da dann doch etliche Aspekte aus.

Das heißt natürlich nicht, dass man deshalb nicht auch Argumente für eine Erbschaftssteuer hat. Insbesondere für die genaue Ausgestaltung müssen diese Aspekte aber berücksichtigt und mit abgewogen werden.

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Ihr redet in eurer Lage-Folge von „üppigen Renten“.
Die Durchschnittsrente nach 45 Versicherungsjahren beträgt 1543 Euro, welche auch noch versteuert werden müssen. Nicht gerade üppig!!
Üppig sind die Beamtenpensionen. Aber darüber spricht keiner. Diese müssen auch aus den Steuereinnahmen finanziert werden.

Bei 1.543 Euro Rente müssten aber tatsächlich nur knapp 22 Euro Steuern im Monat gezahlt werden (260 Euro im Jahr). Die Steuern sind daher für den „Durchschnittsrentner“ nahezu irrelevant, ein Rentner der über zu hohe Steuerbelastung klagt hat grundsätzlich keinen Grund zur Klage, sondern in der Tat eine „üppige Rente“.

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Gerade die Inhaber großer Vermögen haben Gestaltungsspielräume. In meiner Heimat ist der Senior eines sehr großen Familienbetriebes (Umsatz > 5 Milliarden €) mit einem „Büro“ nach Österreich gezogen. Hintergrund ist die sehr großzügige Erbschaftssteuerregelung dort.

Das hat nicht nur den Nachteil, dass jetzt in D im Todesfall kaum noch Erbschaftssteuer anfallen wird (vielleicht ein wenig im privaten Bereich), vor allem wird jetzt die Einkommenssteuer in Österreich gezahlt und auch die Gewerbesteuer kommt nicht mehr der Heimat zu Gute.

Große Erblasser werden immer einen Weg finden, die Erbschaftssteuer zu vermeiden oder zu minimieren. Am Ende schadet uns die hohe Steuer, weil sie keinen Ertrag bringt und das übrige Steueraufkommen schmälert.

Wir könnten die Erbschaftssteuer auch an die Staatsbürgerschaft binden. Oder eine EU-weite Regelung treffen. Die Hände in die Luft werfen und sagen „wir können nichts tun“ ist jedenfalls keine zufriedenstellende Lösung.

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Ich möchte zur Vervollständigung der Wissensgrundlage zur Erbschaftssteuer diesen höchstinteressanten Text beisteuern.
https://www.blaetter.de/ausgabe/2021/dezember/erbschaftsteuer-wie-von-oligarchen-bestellt

Ich sehe da keinen Wettbewerbsnachteil zwischen Familienunternehmen und Kapitalgesellschaften. Schließlich müssten auch Gesellschafts- und Aktienanteile im Erbfall versteuert werden. Der Effekt unterscheidet sich ökonomisch nicht davon, wenn das Unternehmen die Erbschaftssteuer direkt für die Eigentümer über einen langen Zeitraum abstottert.

Ich würde die Gefahr einer „Auswanderung“ von Firmenvermögen nicht überbewerten:

  • Familienunternehmer zahlen schon heute kaum Erbschaftssteuer. Selbst wenn einigen die Steuerflucht ins Ausland gelingt, ist darum aus Sicht der Erbschaftssteuer wenig verloren.
  • Für eine Erbschaftssteuerflucht reicht es nicht, die Firma einfach per Briefkasten ins Ausland zu verlegen. Solange entweder Erblasser oder Erbe in Deutschland ansässig sind, greift die deutsche Steuerpflicht voll. Ausnahmen sind nur internationale Erbfälle mit Ländern, mit denen es ein Doppelbesteuerungsabkommen gibt (Österreich gehört nicht dazu): Deutsche Erbschaftssteuer in Erbfällen mit Auslandsbezug
  • Der deutsche Gesetzgeber könnte bei Bedarf viele mögliche Schlupflöcher schließen und die Erbschaftssteuerpflicht z.B. zusätzlich an der Wertschöpfung des Unternehmens im Inland festmachen, womit die Erbschaftssteuer auch greifen würde, wenn Erblasse und Erbe und Firma im Ausland ansässig sind, das Hauptwerk aber in Deutschland.
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„Out of the box“ gedacht:

Wie schlimm wäre es, wenn man Unternehmen ab einer gewissen Größe zwingen würde sich zum Zeitpunkt der Vererbung in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln und dann 80% der Aktien an die Erben weiterzugeben und 20% der Aktien an den Staat zu überweisen?

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Das ist schwierig… mit der Umwandlung in eine AG gehen zahlreiche Pflichten einher, also ob ein Unternehmen (gerade die deutschen mittelständischen Familienunternehmen) als AG geführt werden sollten hängt von vielen Faktoren ab, die sich die Eigentümer wirklich überlegen müssen.

Eine Zwangsumwandlung in eine AG bedeutet nicht nur einen Wechsel der Eigentumsverhältnisse, sondern hat auch viele, extrem weitreichende Folgen nach dem AG Gesetz, teilweise auch steuerrechtlich massive Folgen, die bei mangelnder Planung zu massiven Problemen führen können. Unternehmen überlegen sich schon sehr genau, welche Rechtsform sie annehmen wollen - und für die AG entscheidet man sich in der Regel, weil es der einfachste Weg ist, Eigenkapital zu akquirieren. Wenn man das nicht will, wird man i.d.R. keine AG als Unternehmensform haben wollen.

Oder anders gesagt:
Es wäre ein sehr, sehr massiver Eingriff in die unternehmerische Freiheit, wenn der Staat eine spezifische Unternehmensform im Erbfall erzwingen würde. Kann man sicherlich trotzdem überlegen, aber ich glaube, da gibt es einfachere, weniger eingriffsintensive Wege, bei denen der Staat nicht z.B. massiv in die Frage der Führerschaft und Vertretungsmacht des Unternehmens eingreift.

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Man muss keine Aktiengesellschaft sein, um Unternehmensanteile zu überschreiben. Das ist bei jeder Gesellschaftsform möglich.

Der Gesetzgeber könnte darüber hinaus aber auch einfach eine neue, nur für den Staat im Erbschaftsfall nutzbare Beteiligungsform schaffen, die exakt auf die Situation einer Erbschaft oder Schenkung zugeschnitten ist. So ließe sich auch eine „Treuhänderschaft“ der Unternehmensanteile regeln:

  • Der Unternehmenswert zum Datum der Erbschaft, sowie die Fällige Erbschaftssteuer der einzelnen Unternehmenserben wird ermittelt.
  • Die Erben können die Erbschaftssteuer sofort zahlen. Dann ändert sich nichts zur aktuellen Situation.
  • Alternativ zahlen die Erben die Erbschaftssteuer nicht. Der Staat erhält Unternehmensanteile in entsprechender Höhe, die er aber treuhändisch für den eigentlichen Erben verwaltet.
  • Bei der Ausschüttung von Dividenden erhält der Staat einen Anteil, die von ihm gehaltenen Anteile reduzieren sich um die Höhe der Dividende, die Differenz geht an den Erben über.
  • Der Erbe kann die Anteile jederzeit „auslösen“, indem er seine restliche Steuerschuld begleicht.
  • Der Staat hält sich aus dem Tagesgeschäft des Unternehmens raus, das Unternehmen darf aber keine Beschlüsse fällen, die auf die Umgehung der Steuerschuld ausgerichtet sind. Dafür haften die Gesellschafter auch strafrechtlich und sind im Schuldfall schadensersatzpflichtig.
  • Die Steuerschuld wird spätestens nach 20 Jahren fällig. Bei Nichtzahlung wird in das Privatvermögen des Erben gepfändet.

Angenommen der effektive Steuersatz bei Unternehmensvererbung wäre 25% (anstatt <2% wie aktuell). Ein privates Unternehmen sollte immer mehr Eigenkapitalrendite abwerfen, als eine Bundesanleihe (aktuell ca. 2,5-3,5% p.a.), sagen wir 5% p.a. Wenn ich keinen Denkfehler habe, sollte in diesem Modell die Erbschaftssteuer also recht problemlos innerhalb von ein paar Jahren durch die Unternehmensgewinne bezahlbar sein.

Alternativ können die Erben auch auf die Ausschüttung von Gewinnen verzichten, die Gewinne stattdessen re-investieren und die reale Steuerschuld ein paar Jahre von der Inflation reduzieren lassen. Kein Unternehmen müsste also wegen der Erbschaftssteuer an Investitionen sparen.

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Also es gehen Anteile in Höhe der Steuer an den Staat und zusätzlich soll Privatvermögen gepfändet werden? Das wäre doch eine Doppelbesteuerung.

Soweit ich den Vorschlag verstehe, verwaltet der Staat die Anteile nur treuhänderisch, sie gehören also immer noch der:dem Erbe:in.

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Nein, die Steuerschuld ist natürlich durch die Pfändung des Privatvermögens abgegolten. Der Erbe erhält dann auch die Unternehmensanteile zurück (es sei denn die Unternehmensanteile sind Teil der Pfändungsmasse). Natürlich kommt es nicht zu einer Doppelbelastung.

Warum? Der Staat geht ja auch ein unternehmerisches Risiko ein durch das Halten der Unternehmensanteile. Oder bleibt die Steuerschuld bei dieser Idee erhalten, wenn das Unternehmen vor Ende der Zahlung Konkurs geht?
Und warum sollte es nach 20 Jahren ausgelöst werden müssen?

Es wirkt so, als hätten die Unternehmensanteile den Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls. Also beim Erbe ist das Unternehmen 100.000 € wert, der Staat erhält 25%. Jetzt vergehen 5 Jahre und das Unternehmen steigt im Wert auf 500.000 €. Sollte der Erbe jetzt 25% zu 25.000 € zurückkaufen können?