Liebes Lage-Team,
ich habe mich beim Hören der LdN356 doch sehr gewundert, wie abfällig da über Mastodon gesprochen wurde (von „Männerschweiß“ und „Nerdplattform“ war da die Rede), während gleichzeitig die Tatsache beklagt wurde dass man sich bei sozialen Medien letztlich immer von einer (realen oder rechtlichen) Person die das Medium kontrolliert abhängig macht.
Zunächst einmal wurde Mastodon schon lange vor der Übernahme von Twitter durch Elon Musk gerade von besonders vulnerablen Gruppen verwendet, die in eigenen Instanzen eigene Moderationsentscheidungen für sich selber treffen konnten, und mitnichten nur von „Nerds die unter sich bleiben wollten“.
Ganz abgesehen davon aber ist Mastodon (bzw. ActivityPub, das zurgundeliegende Protokoll) die einzige existierende Plattform die das fundamentale Problem des Moderationsmonopols des „Eigentümers“ gelöst hat. Ein öffentlich-rechtlicher Raum in sozialen Medien ließe sich absolut ohne weiteres auf Mastodon einrichten, mit öffentlich-rechtlich kontrollierten Moderationsentscheidungen.
Die viel beschworenen „Hürden“ und allgemeine Schwierigkeit der Bedienung halte ich für maßlos übertrieben. Die Eintritts"hürde", nämlich welcher Server jetzt verwendet werden soll, ist eine einzige Entscheidung, die einmal am Anfang des Verwendens von Mastodon fällig ist. Sonstige Schwierigkeiten ergeben sich momentan noch durch UX-Probleme der Webseite und offiziellen App, die jedoch a) mit der Zeit behoben werden und b) bereits heute in existierenden 3rd-Party Apps gelöst sind.
Mir erscheint der korrekte Umgang mit der jetzigen Situation eher zu sein, sich zu fragen, wie existierende Hemmschwellen überwunden werden können, z.B. indem ein etwaiger öffentlich-rechtlich betriebener Server direkt die Anmeldung bei sich selbst bewirbt und vorantreibt, wodurch die oben besprochene Einstiegs"hürde" bereits wegfallen würde. Im Gegensatz dazu sind das endlose Wiederholen und Verstärken des Narrativs, dass Mastodon kompliziert oder für Nerds sei, kontraproduktiv.
Das Ziel sollte doch sein, eben nicht alle wieder auf einer Platform zu landen die von irgendwelchen Venture Capitalists kontrolliert wird (Bluesky), oder, noch schlimmer, auf Threads. Denn wie man sich in der Rückschau auf die letzten 15 Jahre sozialer Medien noch in irgendeiner Form auf die Beteuerungen von hohen Idealen und guten Absichten eines Tech-Startups, insbesondere im Feld der sozialen Medien, verlassen kann, kann ich nicht nachvollziehen.