LdN356: Mastodon und Öffentlich-Rechtliche Räume in Sozialen Netzwerken

Liebes Lage-Team,

ich habe mich beim Hören der LdN356 doch sehr gewundert, wie abfällig da über Mastodon gesprochen wurde (von „Männerschweiß“ und „Nerdplattform“ war da die Rede), während gleichzeitig die Tatsache beklagt wurde dass man sich bei sozialen Medien letztlich immer von einer (realen oder rechtlichen) Person die das Medium kontrolliert abhängig macht.

Zunächst einmal wurde Mastodon schon lange vor der Übernahme von Twitter durch Elon Musk gerade von besonders vulnerablen Gruppen verwendet, die in eigenen Instanzen eigene Moderationsentscheidungen für sich selber treffen konnten, und mitnichten nur von „Nerds die unter sich bleiben wollten“.

Ganz abgesehen davon aber ist Mastodon (bzw. ActivityPub, das zurgundeliegende Protokoll) die einzige existierende Plattform die das fundamentale Problem des Moderationsmonopols des „Eigentümers“ gelöst hat. Ein öffentlich-rechtlicher Raum in sozialen Medien ließe sich absolut ohne weiteres auf Mastodon einrichten, mit öffentlich-rechtlich kontrollierten Moderationsentscheidungen.

Die viel beschworenen „Hürden“ und allgemeine Schwierigkeit der Bedienung halte ich für maßlos übertrieben. Die Eintritts"hürde", nämlich welcher Server jetzt verwendet werden soll, ist eine einzige Entscheidung, die einmal am Anfang des Verwendens von Mastodon fällig ist. Sonstige Schwierigkeiten ergeben sich momentan noch durch UX-Probleme der Webseite und offiziellen App, die jedoch a) mit der Zeit behoben werden und b) bereits heute in existierenden 3rd-Party Apps gelöst sind.

Mir erscheint der korrekte Umgang mit der jetzigen Situation eher zu sein, sich zu fragen, wie existierende Hemmschwellen überwunden werden können, z.B. indem ein etwaiger öffentlich-rechtlich betriebener Server direkt die Anmeldung bei sich selbst bewirbt und vorantreibt, wodurch die oben besprochene Einstiegs"hürde" bereits wegfallen würde. Im Gegensatz dazu sind das endlose Wiederholen und Verstärken des Narrativs, dass Mastodon kompliziert oder für Nerds sei, kontraproduktiv.

Das Ziel sollte doch sein, eben nicht alle wieder auf einer Platform zu landen die von irgendwelchen Venture Capitalists kontrolliert wird (Bluesky), oder, noch schlimmer, auf Threads. Denn wie man sich in der Rückschau auf die letzten 15 Jahre sozialer Medien noch in irgendeiner Form auf die Beteuerungen von hohen Idealen und guten Absichten eines Tech-Startups, insbesondere im Feld der sozialen Medien, verlassen kann, kann ich nicht nachvollziehen.

13 „Gefällt mir“

Ich denke, sie haben schon recht. Technik-affine Menschen sehen vieles lockerer, die meisten wollen aber, dass es einfach ist und funktioniert.
Es waren damals vor allem Frauen, die mich dazu drängten, doch endlich WhatsApp zu installieren. Die Gründer hatten verstanden, was die Leute erwarten. Der Zwang, das Adressbuch freizugeben und alle automatisch zu vernetzen, war datenschutzrechtlich ein absolutes NoGo und stieß vor allem beim männlichen Geschlecht auf Unverständnis und Widerstand, war aber der Weg zum Erfolg.

2 „Gefällt mir“

Das ist halt schon zuviel. O-Ton einer technisch eher naiven Person aus meinem Umfeld: „Ach nee, da muss ich ja erst lesen was ich tun soll, das ist mir zu kompliziert.“ Alles was über eine leere Seite mit zwei Feldern Name/Passwort hinausgeht ist faktisch eine Hürde. Sowas muss funktionieren wie ein Lichtschalter.

1 „Gefällt mir“

1/2 Liebes Lage Forum :wave:

In meinem Freundeskreis diskutieren wir schon seit Jahren über Social Media, die dortige Abhängigkeit von großen privaten Akteuren und wie man es schaffen könnte, davon loszukommen. Schnell war klar, dass ein offenes Protokoll, das jeder implementieren kann, ein solcher Lösungsansatz sein kann. HTTP zur Datenübertragung im Internet hat beispielsweise zu vielen verschiedene Clients und Servern geführt - ein Ökosystem entstand. Genau das wollen wir für soziale Netzwerke auch!

Wir haben uns lange mit ActivityPub (Mastodon) beschäftigt. Dieses verfolgt einen föderierten Ansatz: Teilnehmer haben einen Account bei einem Anbieter… …und sind diesem leider vollständig ausgeliefert. Der Betreiber der Instanz hat vollen Zugriff auf alle Inhalte, entscheidet über die Sichtbarkeit der eigenen, aber auch anderer Inhalte und übt die tatsächliche Kontrolle über den Account aus. Der föderierte Ansatz führt dazu, dass die eigenen Inhalte auf mehrere Instanzen gespiegelt werden müssen, was eine effektive Kontrolle der eigenen Inhalte unmöglich macht.

Also zurück zur Anlehnung an HTTP. Das eigene Social Media Profil würde wie eine Webseite gehostet und z.B. einer Handy App erlauben damit zu interagieren. Wem die aktuelle App nicht gefällt, kann zu einer anderen wechseln. Wenn der eigene Hoster die Preise oder Geschäftsbedingungen ändert, kann man das Profil ganz einfach zu einem anderen Provider umziehen, da es früher oder später ein Ökosystem gibt.

Ähnlich wie bei einer Website behielten Profileigentümer die volle Kontrolle über eigene Inhalte. Großer Vorteil für Öffentlich-Rechtliche wäre, dass sie keine AGBs eines privaten Unternehmens unterschreiben müssten, um Inhalte zur Verfügung zu stellen. Sie könnten diese über ihren eigenen Webserver ausliefern. Umgekehrt gäbe es kaum Eintrittsbarrieren. Teilnehmer müssten nicht erst einen Account anlegen, um Inhalte lesen zu können. Genau wie ein Browser Internetseiten darstellt, könnten Client-Apps Inhalte beispielsweise Öffentlich-Rechtlicher anzeigen. Ein eigenes Profil wäre erst erforderlich, wenn man zu einer Diskussion beitragen möchte.

1 „Gefällt mir“

2/2 Schließlich haben in unserer Freizeit ein solches Protokoll entworfen. Das Social Media Exchange Protocol (SPXP) funktioniert wie oben beschrieben und verfügt über eine starke Verschlüsselung für private Posts und die Möglichkeit andere Protokolle zu lesen (Mastodon, Bluesky, Nostr).

SPXP ist allerdings mehr an soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram angelehnt und forciert die sichere Kommunikation in kleineren Gruppen, wie dem eigenen Freundeskreis. Öffentliche Posts sind möglich, aber es ist kein direkter Ersatz für Microblogging Dienste wie X/Twitter oder Mastodon. Beispielsweise ist es nicht möglich, dass jeder auf jeden Post antworten kann.

Neben dem Protokoll gibt es eine Serverimplementierung und eine Client App (HeyFolks App), die zeigen, dass das Protokoll funktioniert. Abseits von einigen technisch Interessierten gibt es keine große Nutzerbasis und es würde uns nun interessieren, was Ihr von diesem Ansatz haltet und ob es eine Lösung für Öffentlich Rechtliche sein könnte.

2 „Gefällt mir“

Ich glaube, dass X aus vielen verschiedenen Gründen noch verwendet wird. Erst einmal aufgrund der Größe sind viele verschiedene Meinungen und Themen dort gebündelt. Und viele Personen haben nicht Lust sich bei 200 verschiedenen Plattformen anzumelden.
Darüber hinaus beschäftige ich mich gerne mit Politik, aber nicht den ganzen Tag. So wird es auch vielen anderen Menschen gehen.
Auf Twitter gibt es neben großen politischen Institutionen und Medien, welche für mich persönlich auf der Platform am wenigsten Iiteressant sind, auch viel rund um Technik, Popkultur, Memes etc.
Und bisher konnte ich persönlich komische Leute immer noch ausblenden oder ignorieren.
Den potenziell negativen Einfluss der Platform auf den öffentlichen Diskurs sehe ich. Insbesondere wenn es um Fake-News geht.

1 „Gefällt mir“

Wie ihr richtig beschrieben habt, gehören all die aufgezählten sozialen Netzwerke letztendlich irgendeinem Unternehmen mit all den möglichen Vor- und Nachteilen. Es gibt aber eine Alternative, die viele noch nicht auf dem Schirm haben und das ist Nostr.

Der Unterschied zu ALLEN anderen ist, Nostr ist im Grunde nur ein Software- bzw. Netzwerkprotokoll im gleichen Sinne, wie Email oder http. Das heißt, Nostr gehört niemandem, keinem Unternehmen und keiner Einzelperson. Nostr ist Open Source Software, d.h. jeder kann den Quellcode einsehen, verändern und Vorschläge einreichen.

Hinzu kommt, dass man für einen Account keine Email, keine Telefonnummer oder sonstige private Daten angeben muss. Man erstellt sich nur ein Schlüsselpaar aus einem privaten und einem öffentlichen Schlüssel, das ist alles. Als Client nutze ich aktuell Damus und die Atmosphäre ist aktuell sehr entspannt, eine regelrechte Aufbruchstimmung. Wer Interesse hat, es gibt eine Menge Quellen, die sich mit Nostr beschäftigen. Ein guter Startpunkt ist vielleicht das Repository GitHub - nostr-protocol/nostr: a truly censorship-resistant alternative to Twitter that has a chance of working da wird auch gleich nochmal auf die Vor- und Nachteile eingegangen, was ich sehr interessant fand.

Gerade zum Thema Öffentlich-Rechtlicher Diskursraum möchte ich folgendes anmerken:

Und ergänzend dazu politische Institutionen:

Das Fediverse hat nicht das Marketingbudget von Bluesky, aber es scheint sich in meinen Augen ganz gemütlich immer breiter zu machen. Viele der Features, die Bluesky verspricht, gibt es da eben einfach schon.

Es gibt bereits mehrere Server. Es gibt Moderationstools. Es gibt unterschiedliche Moderationspraktiken und man kann sich einen Ort aussuchen, an dem die den eigenen Vorstellungen am ehesten entspricht. Und kann später jederzeit umziehen, wenn man merkt, es passt doch nicht so. Das alles ist bei Bluesky reines Versprechen, und wie das Monetarisierungskonzept dort aussehen wird ist mir auch unklar (Fediverse-Admins fragen häufiger nach freiwilligen Spenden, und je nach Größe des Servers kommt man eben relativ niedrigen Beträgen schon sehr weit; häufig bleibt sogar noch Geld übrig, um Moderator*innen aus der Community dafür zu bezahlen).

Ja, Mastodon ist leider häufig etwas piefig. Es gibt leider immer wieder irgendwelche Reply-Guys, die am Thema vorbei reden oder Menschen ungeachtet von Nachfragen unangenehm belehren wollen. Es gibt unangenehme Free-Software-Puristen, und Menschen die glauben, dass fehlender Datenschutz eigentlich schon Faschismus ist. Aber das ist in erster Linie ein soziales Phänomen, und zum Glück ändert sich das mit der Zeit.

Gleichzeitig gibt es unzählige kleiner, komischer und interessanter Instanzen, teilweise auch einfach abgekapselt. Für verschiedene Berufsfelder (legal.social, historians.social, mathstodon.xyz, …), für verschiedene Städte, für das kleine feministische Künstler*innenkollektiv, für Furries …

Ich glaube, dass das Konzept von kleinen Instanzen, die sich selbst freiwillig zu größeren Einheiten zusammenschließen (oder auch auf bewusste und transparente Art Trolle ausschließen, siehe gab.social), das beste ist, das aus dem Aschehaufen Twitter entsehen kann.

8 „Gefällt mir“

ActivityPub ist ebenfalls nur ein Protokoll. Mit Standard sogar! ActivityPub

Der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg stellt unter About - BaWü.social – Mastodon für Baden-Württemberg ebenfalls eine mastodon Instanz zur Verfügung. Insbesondere auch für Behörden finde es sehr geschickt, dass hier ohne „Blaue Haken“ ein Vertrauensverhältnis aufgrund der Domain entstehen kann.

1 „Gefällt mir“

Und was passiert, wenn deine Instanz mal dicht macht?

Wenn das vorher angekündigt wird, haben alle die Chance zu einer anderen Instanz umzuziehen. Wenn es nicht angekündigt wird und von heute auf morgen geschlossen wird, dann ist das so, wie wenn X/Bluesky/Younameit schließen.

1 „Gefällt mir“

In der Regel läuft das so ab: Admin sagt, es wird zu viel, ist zu teuer, macht keinen Spaß mehr oder was auch immer. Fragt, ob andere Leute aus der Community übernehmen wollen. Wenn nein gibt’s 'ne Ankündigung: In einem Monat wird der Server abgeschaltet. Die Leute auf dem Server werden benachrichtigt, machen sich einen neuen Account auf einem anderen Server, und stellen im Profil des alten Servers ein, dass sie umgezogen sind. Alle Follower folgen automatisch dem neuen Account. Das habe ich in den letzten Jahren 2, 3 mal so mitbekommen.

Ich selber bin zwei mal umgezogen, wenn auch aus anderen Gründen. Das ist nicht komplett unproblematisch, aber funktioniert besser als überall sonst. Einen neuen E-Mail-Account einzurichten ist ungleich stressiger. Man kann das aber sicher noch verbessern.

Das kann auch schieflaufen, klar, ein*e Admin kann einfach über Nacht alles hinwerfen und den Stecker ziehen. Meine Erfahrung ist aber, dass auf Instanzen, gerade auf denen mit ein paar Hundert bis ein paar Tausend Usern, ein starkes Gefühl von Ownership vorherrscht, sowohl auf Userseite als auch auf Seite der Admins. Und dass man sich dadurch auch ein Stück weit verantwortlich für das Gesprächsklima und das Funktionieren der Community fühlt. Letztenendes ist es ein soziales und kein rein technisches Problem, wem man da vertraut, und wie man das einschätzt (oder was man von Freunden empfohlen bekommt). Sind ja immerhin soziale Medien.

2 „Gefällt mir“

Wenn jemand seinen Nostr Server (Relay) von heute auf morgen abschaltet passiert… nichts.

Das klingt ein bisschen anders in den FAQ:

If all the relays that you have used in the past go offline, all your posts will be unretrievable. This is one reason that Nostr allows users to connect to many relays – this ensures some degree of backup. That said, if you’re really interested in being uncensorable, you can run your own personal relay.

Das kann man ja auch bei AP machen, seinen eigenen Server betreiben.

Also versteh mich nicht falsch, ich finde Nostr technisch interessant, so wie ich Secure Scuttlebut z.B. auch interessant finde. SSB funktioniert auch, wenn man nicht immer online ist, und lässt sich theoretisch über 'nen USB-Stick verbreiten. Super cool!

Die technische Basis ist aber wirklich nicht so wichtig, denke ich. Zum Schluss hat sich VHS gegenüber Betamax durchgesetzt. Deswegen auch mein Post über das Fediverse oben: Es ist technisch OK, hat Standardisierungsprozesse um es in der Zukunft demokratisch zu verbessern, hat schon verschiedene gute Tools und Oberflächen und ist bereits jetzt kulturell interessant.

1 „Gefällt mir“

Seit Jahren befürworte ich eine Diskussionsplattform, auf der Probleme in Deutschland und anderen Organisationen sachlich diskutiert werden können. Diese Plattform sollte unabhängig von medialen Verzerrungen und rhetorischen Manipulationen objektive Meinungsbildung ermöglichen. Twitter und ähnliche Plattformen reichen dafür nicht aus, da sie auf das Teilen freier Texte beschränkt sind und keine echten sachlichen Diskussionen fördern.

Wir benötigen eine Plattform mit klar definierten Funktionen für Themen, Probleme, Thesen, Argumente und Beispiele. Diese sollte es Nutzern ermöglichen, ihre Meinungen ohne rhetorische Überhöhung einzubringen, dabei aber intuitiv in der Bedienung sein. Eine solche Plattform könnte durch Moderation unter Zuhilfenahme von KI sachliche und lehrreiche Diskussionen fördern, in denen unterschiedliche Sichtweisen dokumentiert und die Wichtigkeit verschiedener Argumente inkl. Gewichtung in der Gesellschaft erfasst werden. Für Bürger würde ein automatisches Matching ihrer abgegebenen Meinung mit denen öffentlicher politischer Akteure ein viel genauerer Ersatz für den Wahl-O-Mat. Für Politiker ein viel ausgewogeneres und genaueres Bild der öffentlichen Meinung.

Die personalisierten Nutzerdaten könnten allein auf Geräten lokal verbleiben. Auf Servern würden Meinungen ausschließlich anonym gespeichert. Für politische Diskussionen wäre eine Authentifizierung bei der Anmeldung denkbar (z.B. eID). Eine solche Plattform sollte auch in Unternehmen oder politischen Parteien einsetzbar sein. Die Sicherheit und Transparenz der Plattform müssen durch öffentlich einsehbaren Quellcode und unabhängige Prüfungen gewährleistet sein.

Als politisch interessierter Software-Entwickler mache ich mir zu diesem Thema schon seit vielen Jahren Gedanken. Ich bin nur Entwickler geworden, weil ich das Potenzial gesehen habe, die Technik hat unsere Art und Weise miteinander zu leben auf friedlichem Wege zu verbessern. Dass die Digitalisierung leider nicht so schnell vorankommt, macht mich traurig. Für mich liegt die Zukunft der Demokratie in gut durchdachten technischen Lösungen wie der oben beschriebenen. Sie würden es ermöglichen gesellschaftliche Probleme dank mehr Transparenz, klarer Struktur und mehr direkter Teilhabe mit einer ausgewogeneren Abwägung von Interessen zu klären und auch schneller auf Probleme einzugehen.

Wenn öffentlich-rechtliche Gelder dafür veranschlagt würden, wäre das eine großartige langfristige Investition. Allerdings sehe ich nicht, dass irgendein heutiger Player einen solch langfristigen Blick hat. Man hofft meiner Erfahrung nach, dass die Privatwirtschaft die nötige Technik entwickelt und springt dann wenn überhaupt sehr verspätet auf einen bereits in der Gesellschaft etablierten Zug auf. Leider ist die Privatwirtschaft an einer Weiterentwicklung der Demokratie jedoch nicht interessiert, da es keinen Gewinn abwirft. Ich wünsche mir da also mehr politische Weitsicht. Ideen gibt es bestimmt genug, ich hätte noch weitere.

2 „Gefällt mir“

Twitter und ähnliche Plattformen reichen dafür nicht aus, da sie auf das Teilen kurzer Texte beschränkt sind und keine echten sachlichen Diskussionen fördern.

ActivityPub ist nicht auf das Teilen kurzer Texte beschränkt. Ich bin auf einer Instanz, die 5000 Zeichen erlaubt (also länger als die hiesigen Forenbeiträge), und wem das nicht reicht, der kann gleich seinen Wordpress-Blog ins Fediverse hieven oder andere Blogs nutzen, die das untersützen.

Eine solche Plattform könnte durch KI-gestützte Moderation sachliche und lehrreiche Diskussionen fördern, in denen unterschiedliche Sichtweisen dokumentiert und die Wichtigkeit verschiedener Argumente inkl. Gewichtung in der Gesellschaft erfasst werden. […] Für mich liegt die Zukunft der Demokratie in gut durchdachten technischen Lösungen wie der oben beschriebenen. Sie würden es ermöglichen gesellschaftliche Probleme dank mehr Transparenz, klarer Struktur und mehr direkter Teilhabe mit einer ausgewogeneren Abwägung von Interessen zu klären und auch schneller auf Probleme einzugehen.

Ich befürchte, du fällst da Tech-Solutionismus anheim. Sachliche und lehrreiche Diskussionen sind keine Frage von KI-gestützter Moderation (Gruß & Dank an dieser Stelle an das Moderationsteam hier), und im Gegenteil birgen KI-Lösungen die Gefahr, dass sich Moderationsentscheidungen nicht mehr nachverfolgen lassen. Frag mal Leute, deren Google-Accounts gesperrt wurden, weil sie Bilder ihrer Kinder an Ärzte geschickt haben.

Auch das Problem mangelnder Teilhabe ist kein technisches. Das ist ganz klar eine soziale Frage, ob die Leute dafür Zeit und Muße, die technischen Geräte und die Skills im Umgang damit haben und überhaupt den Sinn darin sehen. Es ist ja auch irre schwer für Studien repräsentative Gruppen zusammenzustellen, weil die Gruppe der Leute, die sich für sowas freiwillig melden, bereits vorselektiert ist.*

That being said: Es gibt Ansätze, die für bestimmte Zwecke in deine Richtung gehen, siehe zB. GitHub - compdemocracy/polis: :milky_way: Open Source AI for large scale open ended feedback. Vielleicht ist das ja interessant. Ich denke aber ein Öffentlich-Rechtlicher Diskussionsraum, der gegebenenfalls auch schnell auf Ereignisse eingehen können muss, und einer Gesellschaft gerecht werden muss, die sich immer wieder wandelt, ist was anderes.

* Ich habe den Absatz bearbeitet, weil mir bei erneutem Lesen des anderen Beitrags aufgefallen ist, dass eine Behauptung, gegen die ich argumentiert hatte, gar nicht ausgesprochen wurde. Sorry!

2 „Gefällt mir“

Matching heisst aber dann auch wieder Bildung von Filterbubblen.

Generell wäre ich sogar bei vielen Deiner Punkte dabei, nur ist das alles leider sehr „Wünsch Dir was“ und kein Plan für irgendeine Form der Umsetzung. Digitalisierung schön und gut, auch bei der politischen Meinungsbildung, man darf sich die negativen Aspekte aber nicht einfach wegwünschen bei der angestrebten Lösung.

Als jemand der Plattformen und Apps baut kann ich aus Erfahrung sagen, dass selbst Double Opt In (Email kommt und Leute müssen zur Bestätigung der Anmeldung einen Link im E-Mail
Postfach klicken) eine Hürde ist die zum Verlust einiger User führt.
Alles was über: ich gebe username, password und Email an (oder noch besser Handynummer, Facebook oder Google ID) hinaus geht ist nicht praktikabel um eine kritische Masse zu erreichen. Andernfalls erreicht man eine sehr ausgewählte Gruppe von Leuten und bewegt sich damit in Echo-Kammern (zum Teil der Fall hier im Forum).

Interessant finde ich in der ganzen Diskussion, dass Reddit nicht erwähnt wird. Ja, auch dort gab es in letzter Zeit Entscheidungen, die der Community nicht gut getan und viele User vergrault haben. Aber es gibt dort immer noch sehr gute und sehr große Subs, die sehr gut moderiert sind und die für mich den zivilisiertesten Umgang im Netz haben. Nirgendwo sonst macht es so viel Spaß und ist so lehrreich, Kommentare zu einem Thema zu lesen.

Und ja, der Trick dort ist zum einen das UpVote/DownVote-System, die sehr gute Moderation je nach Sub und die Anonymität. Selbstdarstellung, Eigenwerbung oder die Logik, Follower oder Reichweite zu sammeln, gibt es dort nicht. Das macht es schwierig für Leute oder Initiativen, die auf sowas Wert legen. Mit Feddit gibt es sogar eine Fediverse-Variante von Reddit. Ist aber noch zu klein, um empfohlen zu werden.

Was ich aber eigentlich sagen wollte: Mit der Anforderung an ein Netzwerk, wie im Podcast erwähnt, sich von Marktmechaniken ein Stück weit zu entkoppeln, bleibt eigentlich nur das Fediverse übrig. Bluesky und Threads sind keine Alternativen in meinen Augen. Diese Plattformen sind was für Leute, die ihr altes Twitter, mit den alten Hierarchien und den alten Mechaniken wieder haben wollen. Das wird aber nix. Twitter ist über viele Jahre organisch gewachsen in einer Zeit, in der es Aufbruchstimmung im Netz gab. Dieses organische Wachstum war der Wert von Twitter und das kann man nicht auf eine neue Plattform portieren.

Den Geruch nach Männerschweiß auf Mastodon kann ich verstehen, auch fehlt der Witz von Twitter, aber als es mit Twitter los ging, war das auch eine Jauchegrube die niemand verstanden hat. Die FAZ nannte Twitter in der Anfangsjahren eine Klowand. Und ungefähr auf dem dem Level ist Mastodon heute auch. Auch mit den etlichen Leuten von damals, die auch früh auf Twitter waren. Und damit kann man ja arbeiten und was draus machen.

Das Argument, Mastodon sei zu kompliziert, zählt nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn der (vermeintliche) Nutzen nur groß genug ist, dann lassen sich Menschen auch auf (vermeintlich) kompliziertere Dinge ein. Einfach, weil sie dabei sein wollen. Auf Twitter war man irgendwann auch, weil da die Post abging.

Man wartet nicht, bis sich etwas etabliert hat. Das ist einfach faul. Man trifft eine Entscheidung und etabliert es selbst. Wenn man das Potenzial sieht.

1 „Gefällt mir“