Ich nehme die aktuelle Folge mal zum Anlass, um einen Kommentar zu machen, der mir schon länger unter den Nägeln brennt, wenn es darum geht, wie in der Lage über Migration diskutiert wird.
Der Vorschlag, den ihr macht ist effektiv dieser: Wir (oder: die Politik) sollte den Fokus darauf legen, dass wir Einwanderung brauchen anstatt in Abwehrhaltung zu verfallen. Denn die Abwehrhaltung nützt nur der AfD.
Ich glaube, hier liegt ein fundamentales Problem vor. Denn in meiner Wahrnehmung nützt dieses Argument ebenfalls der AfD. Es gibt das Framing: Wir erlauben Migration, weil wir sie brauchen. Damit ist aber implizit angelegt: Wenn wir keine Migration bräuchten, wäre es vollkommen in Ordnung, sich abzuschotten.
Das erlaubt migrationsfeindlichen Akteur:innen, sich auf die Frage zu versteifen, ob Mgration wirklich gebraucht wird. Da gibt es dann einige Argumentationsstränge, die verfolgt werden könnten: Die Kriminalität ist es nicht wert, die Ausländer:innen liegen nur in der sozialen Hängematte, wir müssen einfach mehr Deutsche produzieren etc. Die migfrationsfreundliche Seite gerät so schnell in die Defensive.
Es sorgt auch dafür, dass die positiven Effekte von Migration überbetont werden. Ich kann mich an mehrere Artikel aus dem Zeitraum um 2015 erinnern, wo der Tenor effektiv war: In zwei, drei Jahren sind diese Leute alle am Arbeiten und tragen zu unserem Wohlstand bei. Euer Gast in dieser Folge hat es demgegenüber jetzt als Erfolg verkauft, dass 50% der damals Angekommenen jetzt Erwerbsarbeit nachgehen. Das bleibt weit hinter den urspünglichen Versprechen zurück. Und dann ist es kein weiter Weg mehr zu „die da oben lügen uns an“.
Meiner Meinung nach müsste der Fokus stattdessen ein humanitärer sein: Wir haben die moralische Pflicht, diese Menschen, die vor Krieg, Verfolgung, Armut oder Klimawandel fliehen aufzunehmen. Dabei spielt keine Rolle, ob sie später ein „Nettogewinn“ sind. Das kostet uns wahrscheinlich etwas, aber Deutschland ist ein reiches Land und der Reichtum basiert auf der Ausbeutung der Länder, wo die Geflüchteten herkommen.
Dieses Framing macht klar: es gibt Kosten, und wir brauchen eine Unterhaltung über die Lastenverteilung. Dann könnte man auch schnell zu dem Punkt kommen, dass „starke Schultern“ auch mehr tragen sollen. Wenn die Aufnahme von Geflüchteten etwa durch eine Vermögensabgabe finanziert wäre, würde das auch der gesellschaftlichen Akzeptanz nützen, dann haben ärmere Menschen nicht das Gefühl, dass die Ankommenden ihnen zur Last fallen.