Rassismus ist nach relativ klaren Kriterien zu fassen, während „naives Gutemenschentum“ ziemlich das Gegenteil davon ist, nämlich maximal schwammige Polemik. Insofern stimmt deine Gegenüberstellung nicht (ist auch eine Art False Balance).
Aber damit möchte ich nicht die Diskussion abwürgen.
Da kann ich Abdel Samad schon ein wenig zustimmen. Das „linke“ Lager ist nicht frei von solchen Selbsüberhöhungen. Aber welche Strömung ist schon frei von solchen Leuten? Immerhin halte ich selbst denen zugute, dass sie die Unterscheidung nicht entlang von Herkunft und Aussehen machen, sondern nach Überzeugungen, die im Gegensatz zur Herkunft veränderlich sind. Rassismus mit „Überzeugungshochmut“ gleichzusetzen stimmt nicht mE.
Für kritikwürdig und destruktiv halte ich Überheblichkeit, welcher Art auch immer. Da bin ich bei dir.
Bei allen (schlimmen) Beispielen die Du aufführst, halt ich auch den Vergleich mit Nazizeiten und massenhafter, organisierter Deportation und Ermordung für völlig unangebracht!
Abgesehen davon gibt es das Wegsehen und Hinnehmen von Gewalt gegen Andere auf allen Seiten des politischen Spektrums. Was es nicht besser macht…. Finde leider spontan keinen Link dazu, aber gab vor +/- 5 Jahren mal eine Studie „Warum Zeugen wegschauen“.
Ich denke du meinst den Zuschauereffekt, der recht gut erforscht ist
Da gibts es in diesem 5 Stufenmodell auch den Punkt ‚Verantwortung übernehmen‘. Ich löse einfach die Verantwortungsdiffusion anders auf als du, denke ich. Ich sehe mich (als eher antifaschistisch engagierter Bürger) dann doch in der logischen Nachfolge meiner Großeltern, die beide zur Nazizeit gelebt haben (inkl. Teilnahme des Großvaters am Russlandfeldzug). Ich sehe das einfach als meine Bürgerverantwortung drauf hin zu weisen, dass es eine ‚Mitte‘ gibt, die immer offener mit extrem Rechten und faschistoiden Positionen übereinstimmt. Dazu gibts auch mehr als genug Forschung.
Immer gleich pikiert zu reagieren, wenn einer sagt ’ das ist ja wie in den 30ern’ mag zwar opportun sein, um die eigene Position in einer Diskussion zu stärken, es hilft aber nur begrenzt bei dem Verstehen und sicherlich nicht beim Bekämpfen von diesen Strömungen.
Verstehe ich auch nicht, warum „diese Leute“ immer so pikiert reagieren. Wenn jemand gleichzeitig behauptet, sich in der Verantwortung für seine Großeltern zu sehen und Vergleiche vornimmt, die den Nationalsozialismus banalisieren, da würde ich nur noch verständnislos den Kopf schütteln und mich nicht weiter aufregen.
Davon mal abgesehen ist es auch ein völlig unnötiges Spiel mit dem Feuer. Als ob (Dir) nicht klar wäre, dass ein derartiger Vergleich die Diskussion sofort derailed.
Ich bin ehrlich gesagt auch etwas erstaunt über Dein Erstaunen. Du hast in einer Diskussion über gegenwärtigen Rassismus in Deutschland plötzlich davon geschrieben, dass Menschen „ins KZ gebracht“ werden. Das ist entweder ein komplett unvermittelter und nicht gekennzeichneter Wechsel von der Gegenwart in eine historische Vergangenheit oder eine ebenso unvermittelte Gleichsetzung gegenwärtiger Ereignisse mit diesen historischen Ereignisses.
Beides ist kein Vergleich - denn dieser würde ja ein Abwägen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bedeuten. Ich würde mal behaupten, dass (zumindest außerhalb der Geschichtswissenschaft) Analogien mit der NS-Zeit in den allermeisten Fällen nicht dazu dienen, einen wirklichen Vergleich in diesem Sinne anzustellen, sondern einer Aussage durch Verknüpfung mit dem „absolut Bösen“ eine eindeutige moralische Wertung zu verpassen. Das ist zwar einerseits alltäglich, aber andererseits in der Sache meist unangemessen.
Das trifft finde ich auch auf diesen Fall zu: Es lässt sich trefflich über gegenwärtigen Alltagsrassismus und den Umgang damit reden (auch über die Abwehr, die dabei oft im Spiel ist, siehe etwa hier LdN322 Geflüchtete / Migranten - #49 von Veche), ohne dass man dazu die NS-Verbrechen instrumentalisieren müsste.
Eine Bemerkung noch: Wenn Du so sehr Wert auf Antifaschismus legst, fände ich es angemessen, wenn Du anstelle der zeitgenössischen Bezeichnung „Teilnahme am Russlandfeldzug“ (die vermutlich Dein Opa benutzt hat), korrekterweise von „Beteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion“ sprechen würdest. Es ist nämlich nicht nur eine sprachliche Spitzfindigkeit, dass Soldaten an einem Krieg nicht bloß „teilnehmen“, sondern ihn führen und dass sich dieser Krieg nicht nur gegen Russland richtete, sondern in noch größerem Ausmaß gegen Menschen in Belarus und der Ukraine.
Es war ein nicht gekennzeichneter Wechsel in die Vergangenheit. Zu ambitioniert. sorry
Nein, darum gibt es nicht. Es ging um die (wie ich fand recht spitzfindige) Bezeichnung ‚handlungsleitende rassistische Ressentiments‘ und wollte klar machen, dass auch großer Schaden von solchen Ressentiments angerichtet wird wenn sie nicht handlungsleitend sind. Wir finden gerade im Verhalten der ‚Mitte‘ im Nationalsozialismus hier viele gute Beispiele dafür: Verschwundene Nachbarn, Günstig übernommene Ladengeschäfte, den Raub fast des kompletten Vermögens jüdischer Mitbürger - All das hat keine kleine Elite gemacht - Es war eine ganze Bevölkerung - die zu dieser Zeit halt eine ‚rechte Ideologie‘ verfolgte
Mit 47 bin ich halt ein halber Boomer. danke für den Impuls.
Angesichts deines Feedbacks und der Inhaltlichen Diskussion mit Anderen (auch ausserhalb des Forums, angeregt durch diesen Thread) nehme ich nicht wahr, dass die Diskussion derailed und beendet wurde.
Es wird nur nicht weiter auf meinen Punkt eingegangen: Die aktuelle Entwicklung des Rechtsrutsches in Deutschland ist vergleichbar mit den Vorgängen in der Weimarer Republik, dem erstarken des Faschismus in Deutschland (und Italien) zu dieser Zeit - aber auch mit Vorgängen aus dem Krieg. Gerade die sogenannte Mitte der Gesellschaft, mit ihrer angeblichen Unbeteiligung an den Vorgängen der Shoa hat fleissig geholfen, profitiert und sich lange im Recht gewähnt. Was wir heute sehen ist halt auch international verteilt: Heute ballert uns Tucker Carlson die Lüge vom Great Reset in die Timeline und Piers Morgan legt dann noch einen drauf. Wenn dann in Hanau einer loszieht und Menschen mit Migratuionshintergrund umbringt, dann kommt aus der ‚Mitte‘ auch nur ein angeblich unbeteiligtes Schulterzucken. Hat ja alles nix mit nix zu tun.
Das ist alles heute kein rein Deutsches Problem, sondern ein internationales.
nicht nur ich denke nur das wir Deutschen da eine besondere Verantwortung haben:
„Die Deutschen müssen Verantwortung tragen. Verantwortung ist jedoch nicht dasselbe wie Schuld. Diejenigen, die sich nicht schuldig fühlen und an den nazistischen Verbrechen nicht schuld sind, können sich gleichwohl nicht den Konsequenzen einer Politik entziehen, der sich ein allzu großer Teil desselben Volkes bereitwillig angeschlossen hatte.“ Willy Brandt, 1946
Wer in der Selbstzerstörung der Linkspartei und der Salonfähigkeit der rechtsextremen Narrative einen Linksrutsch sieht, leidet wahrscheinlich an einer etwas selektiven Wahrnehmung.
Mehr noch als das. Direkt nach Hanau wurde erstmal in weiten Teilen West- und Süddeutschlands Fasching gefeiert. Zwar hier und dort mit einer Schweigeminute oder ähnlichen symbolischen Dingen, aber außerhalb Hanaus wurde so gut wie nichts abgesagt. Hab mich schon damals gefragt, ob die Reaktion bei einem beispielsweise islamistischen Attentäter auf ein „gutbürgerliches“ deutsches Restaurant mit ausschließlich weißdeutschen Opfern nicht ganz anders ausgefallen wäre.
Ich muss es nochmal sagen: Mich stößt deine Argumentationsweise ab! Diese Diskussionskultur hat nur einen Effekt: Sie stößt das Gegenüber vor den Kopf, irritiert, polarisiert und vertieft die Gräben.
Die direkten und indirekten Folgen der Vorgänge in der Weimarer Republik sowie des Faschismus war der staatlich organisierte, industriell durchgeführte Völkermord am jüdischen Volk sowie die systematische Vernichtung jener Menschen, die die Faschisten als „unwertes Leben“ klassifizierten; Aktion T4, die Krankenmorde, um nur einige der systematisch organisierten Gräueltaten zu nennen.
In unserem Land läuft sicherlich einiges verkehrt und es ist eine Schande, dass die AfD in aktuellen Umfragen bundesweit auf über 15% kommt. Von derartigen Prodromalvorgängen sind wir aber nicht nur meilenweit entfernt. Auch negierst du, dass die Gründungsväter unserer heutigen Demokratie aus den Geburtsfehlern der Weimarer Republik gelernt hatten.
Du befürchtest ernsthaft binnen der nächsten Generation einen erneuten, industriellen, staatlich geführten Völkermord auf unserem Staatsgebiet?
Falls ja, dann weiß ich auch nicht mehr weiter.
Falls nein, benutzt du den Vergleich (schon wieder!) um zu Moralisieren und relativierst dabei indirekt den Holocaust in seiner Singularität.
Linksrutsch, Rechtsrutsch …. gibt sicherlich genügend Beispiele für beides.
In meiner Wahrnehmung ist das größte Problem, dass sich die Gesellschaft spaltet und es nur noch Gut vs. Böse | richtige Meinung vs. falsche Meinung und Links gegen Rechts gibt. Die (spieß-)bürgerliche Mitte, die früher Grundstock der beiden „Volksparteien“ war, löst sich immer weiter auf. Das Ganze wird immer mehr beschleunigt dadurch, dass Politer „der Mitte“ zunehmend anfangen am jeweiligen Außenrand zu fischen (man will ja gewählt werden).
Was uns immer mehr abhanden kommt, ist sich einfach mal in Ruhe und möglichst unvoreingenommen mit anderen Positionen & Meinungen auseinander zu setzen. Muss nicht in die Extreme gehen, aber jeden Mitte-Links als Kommunisten zu werten und jeden Mitte-Rechts als Nazi …. wie soll denn da noch Dialog stattfinden?
Woher die Obession mit einer diskursiven Nivellierung gesellschaftliche vorhandener Probleme und Grievances ?
Man bekommt das gefühl, wie auch beim Kommentar von @Hardtware dass der „ruhige“ Dialog zum selbstzweck verkommt in dem die inhaltlich Ebene zurückritt vor dem Etikett. Ich hab zahlreiche ruhige Gespräche geführt die nirgends hin geführt haben sich aber am Ende versichert wurde es wäre ja gut dass man nocht mit einander reden kann. Was das ganze nur noch frustrierender macht, weil es nur noch mehr verdeutlicht dass die Person gar nicht bereit ist sich zu fragen ob die eigene Position problematisch ist. Während ich mir bei den persönlichen Gesprächen noch einigermaßen sicher sein kann dass es sich nur um ehrliche ignoranz gehandelt hat, kann man online bzw. auch bei us amerkanischen townhalls sehr gut sehen, dass es auch eine gezielte Taktik ist die Gegenposition dadurch zu deligitimieren, die Probleme herunterzuspielen und so dem Publikum den Eindruck zu vermitteln es würde sich nur um eine neutrale Meinungsverschiedenheit handeln.
Da sich das Genre des normativen Meta-Kommentars hier gerade so rasender Beliebtheit erfreut, will ich kurz mal mit drauf einsteigen: Vielleicht sollte man sich auch bemühen, die eigene Erwartungshaltung an Diskussionen nicht zu verabsolutieren und sie anderen nicht aufzuoktroyieren. Ich würde mir hier mehr Diversitätstoleranz wünschen. Sonst betreibt man, weil man eben die „richtige“ Art der Argumentationsführung auf seiner Seite wähnt, gerade jene Reklamation des moralischen High Ground, die man anderen so gerne vorwirft. Oder anders formuliert: Bitte nicht vorschnell von sich selbst auf andere schließen und die eigenen Partikularbefindlichkeiten als Systemregeln verkaufen.
Und das stimmt in meinen Augen einfach nicht. Die Weimarer Republik mit den in ihrer Verfassung dargelegten Werten war eine Gebilde, das zumindest später nur eine Minderheit der Gesellschaft gestützt hat. Gleichzeitig wurde diese Republik von zwei jeweils von großen Teilen der Gesellschaft getragenen extremistischen Gruppierungen bedroht, von denen zumindest eine von Anfang an einen klar formulierten totalitären Anspruch hatte. Dazu kommt, dass offen ausgeübte Gewalt (Straßenkämpfe) zum „Normalzustand“ gehörte, offener Rassismus und insbesondere Antisemitismus in Deutschland (und übrigens generell weiten Teilen Europa) mehr als salonfähig waren.
Das ist der Kontext, in dem eine Bewegung mit einem wie gesagt totalitären Anspruch die Macht übernimmt. Diese Bewegung atomisiert fortan die Gesellschaft und radikalisiert gleichzeitig zielgerichtet sich und ihre Sympathisanten immer weiter. Die Legitimität jeglichen Handelns geht in diesem System ausschließlich vom Führerwillen aus, der einzelne, der sich gegen Rassismus, Deportationen usw. stellt, stellt sich also nicht nur gegen diejenigen, die diese Taten ausführen, sondern als isoliertes Individuum gegen diese ganze Gesellschaft.
Keiner dieser Umstände stimmt ist mit den heutigen auch nur ansatzweise überein.
–Sorry btw für diese sehr vollständige Darstellung der Umstände, aber Du behauptest ja, ich ginge nicht weiter auf Deinen Punkt ein
Es geht dabei nicht darum, die Leute, die damals weggesehen haben, zu verteidigen. Protest war selbst in diesem System teilweise noch möglich und in einzelnen Fällen sogar erfolgreich, aber es ist so eine unendlich andere Situation als heute. Da einfach zu sagen der Mittelstand hat damals weggeguckt, er guckt heute Weg, wir sind wieder auf dem Weg, das ist das, was ich mit Banalisierung meine. Das wird der Komplexität, der Vielschichtigkeit des Systems Nationalsozialismus nicht ansatzweise gerecht.
Natürlich ist Rassismus weiterhin ein Problem --in der Mehrzahl wohl eher in der Form von nicht hinterfragten Stereotypen und mehrheitlich nicht in der Form eines geschlossenen Weltbilds-- nur ist es in meinen Augen unser Problem und nicht irgendein Problem einer anderen Zeit. Die Bezugnahme auf wohlfeil herausgepickte Parallelen zu einem völlig anderen Kontext helfen nicht, dieses Problem zu lösen.
Anbei zur weitere Darstellung des Kontexts noch ein Zitat von Hannah Arendt, die vermutlich nicht im Sinn hatte, die Deutschen damit aus ihrer Verantwortung zu entlassen: „Das Wesentliche der totalitären Herrschaft liegt also nicht darin, dass sie bestimmte Freiheiten beschneidet oder beseitigt, noch darin, dass sie die Liebe zur Freiheit aus den menschlichen Herzen ausrottet; sondern einzig darin, dass sie die Menschen, so wie sie sind, mit solcher Gewalt in das eiserne Band des Terrors schließt, dass der Raum des Handelns, und dies allein ist die Wirklichkeit der Freiheit, verschwindet.“
Cool dem einen verharmlosung vorwerfen und jetzt die deutschen von der mittäterschaft freisprechen weil sie das system ja auch unterdrückt hat… Das system war aber nicht plötzlich totalitär sondern entwickelte dich langsam in diese Richtung weil dies gewünscht/geduldet war von einem großen teilen der Bevölkerung.
Btw Arendt ist auch eine besonders gute Referenz, hatte sie doch dueutsche Juden vorgeworfen dich nixht genug gewehrt zu haben.
Die Weimarer Republik mit den in ihrer Verfassung dargelegten Werten war eine Gebilde, das zumindest später nur eine Minderheit der Gesellschaft gestützt hat.
Gleichzeitig wurde diese Republik von zwei jeweils von großen Teilen der Gesellschaft getragenen extremistischen Gruppierungen bedroht, von denen zumindest eine von Anfang an einen klar formulierten totalitären Anspruch hatte.
Das ist ein Hufeisen was du selbst schlucken musst.
Dazu kommt, dass offen ausgeübte Gewalt (Straßenkämpfe) zum „Normalzustand“ gehörte, offener Rassismus und insbesondere Antisemitismus in Deutschland (und übrigens generell weiten Teilen Europa) mehr als salonfähig waren.
Beate Küpper und der Expertenkreis Antisemitismus haben herausgefunden: Der „klassische Antisemitismus“ – der sich auf rassische und religiöse Vorstellungen stützt – ist in Deutschland nicht mehr allzu weit verbreitet. Aber der so genannte „sekundäre Antisemitismus“ – und da geht es vor allem um die Relativierung des Holocaust – und der israelbezogene Antisemitismus – sind nach wie vor weit verbreitet. Je nach Umfrage vertreten 25 bis 40 Prozent der Deutschen solche Ansichten, sagt die Professorin:
„Also Vergleiche: ‘Das, was die Nazis mit den Juden gemacht haben ist auch nicht schlimmer, als was die Juden jetzt mit den Palästinensern machen.‘ – Solche Sätze erfahren hohe Zustimmung. Oder: ‘Aufgrund der Politik Israels kann ich verstehen, dass man Juden nicht mag.‘“
Dahinter stecke, so die Sozialpsychologin, eine Täter-Opfer-Umkehr. Also der Versuch, die eigene Schuld zu relativieren:
„Indem ich den Opfern Mitschuld zuweise oder sage: ‚Juden benehmen sich auch nicht immer so super.‘ – Dann werden also die Opfer zu Tätern gemacht und gleichzeitig werden die Nachkommen der Täter etwas weniger zu Tätern und fühlen sich auch als Opfer. Forderungen nach einem Schlussstrich sind typisch oder Ärger darüber, dass den Deutschen immer noch die Verbrechen an den Juden vorgeworfen werden. Also plötzlich ist man selber in der Opferposition und muss sich gar nicht mehr mit der eigenen Verantwortung beschäftigen.“
Die meisten Rechtsextremen kommen gleichwohl weiterhin aus einem extremistisch geprägten sozialen Umfeld. Sie sind Teil von rechten Kameradschaften, Hooligan-Milieus, rechten Parteien oder der Reichsbürgerbewegung. Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht von rund 32.000 rechtsextrem gesinnten Bundesbürgern aus, rund 8.000 mehr als im Vorjahr – darunter sind erstmals die schätzungsweise 7.000 Anhänger des „AfD-Flügels“ und der Jugendorganisation "Junge Alternative“. Etwa 13.000 davon schätzt das Amt im März 2020 als gewaltbereit ein. Eine "gefährliche Dynamik“, die aus "vielen Quellen gespeist wird“, kommentiert Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Als Beispiele führt er die "rechtsextremistischen Strukturen“, "Protagonisten der sogenannten ‚Neuen Rechten‘"und die „allgemeine Verrohung der Sprache“ an.
Natürlich ist Rassismus weiterhin ein Problem --in der Mehrzahl wohl eher in der Form von nicht hinterfragten Stereotypen und mehrheitlich nicht in der Form eines geschlossenen Weltbilds-- nur ist es in meinen Augen unser Problem und nicht irgendein Problem einer anderen Zeit. Die Bezugnahme auf wohlfeil herausgepickte Parallelen zu einem völlig anderen Kontext helfen nicht, dieses Problem zu lösen.
So war das nicht gemeint, aber ich denke ich habe klar gemacht, dass ich da deutliche Parallelen sehe und durchaus das Risiko das es wieder in diese Richtung geht. Natürlich ist das ein Problem des hier und jetzt und keines der Vergangenheit. Das war deine Deutung von dir und keine Aussage von mir.
Dass es Dir um das Ausmaß und die Verbreitung von rassistischen Denkweisen in der Bevölkerung ging, ist m. E. auch so deutlich geworden. Zu der Frage, ob diese Denkweisen bewusst, intentional oder gar handlungsleitend sein müssen, um um (negative) Auswirkungen zu haben, gibt es ja sehr unterschiedliche Ansichten - auch hier kann ich auf den Thread LdN322 Geflüchtete / Migranten verweisen, in dem genau über diese Frage diskutiert wurde (es dürfte sicher nicht der einzige in diesem Forum sein). Aber braucht es hier wirklich eine Analogie zur Judenverfolgung während des Nationalsozialismus, um zu zeigen, dass rassistische Denkweisen katastrophale Folgen haben können? Ich denke nein.
Dasselbe Motiv: Ein „Vergleich“, der keiner ist, da Du eben nicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede betrachtest. Stattdessen sagst Du sinngemäß: „es ist so wie früher“ - wobei du recht nebulös bleibst, welche historischen Ereignisse sich denn im gegenwärtigen „Rechtsrutsch“ (so wir ihn mal als gegeben hinnehmen) widerspiegeln. Der italienische Faschismus (der 1922 mit Mussolini an die Macht kam), die politische Instabiltät der Weimarer Republik (oder welche „Vorgänge“ meinst Du?), die Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 und der Vernichtungskrieg der Nazis ab 1939 sind ja durchaus verschiedene Phänomene. Da frage ich mich schon, wozu diese Analogie dient, wenn nicht dazu, „den Teufel an die Wand zu malen“. So stark die Ignoranz und Verharmlosung von Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland im 21. Jahrhundert auch ist, so schrecklich Terrorangriffe wie der von Hanau auch sind - es ist einfach etwas komplett anderes als die eben genannten historischen Referenzen.
Wenn ich bei jeder negativen Entwicklung sage: „das ist wie '33“ - hat das irgendwann höchstens noch einen Abnutzungseffekt. Damit erreicht man m. E. das Gegenteil von dem, was eigentlich beabsichtigt wurde, nämlich mehr Aufmerksamkeit für und Kritik an Zuständen in der Gegenwart.
Und genau das meint @FlorianKoch mit „derailing“: Im Thread geht es jetzt (auch) um unsinnige NS-Analogien und nicht mehr (nur) um die Frage, wie „mittig“ oder rechts offener Rassismus in der politischen Kultur Deutschlands 2023 ist.
Ein wenig Etikette sollte wohl schon den Rahmen für politische Auseinandersetzung bilden, ansonsten könnten wir ja direkt unsere Baseballschläger als Meinungsverstärker mitbringen und einfach wieder in das Recht des Stärkeren verfallen, wenn es nur um das Durchdrücken der eigenen Meinung geht. (…)
Was? Das ist „also“ eine rechte „Fringe-Position”? Vielleicht ist es nur die logische Folge aus de demographischen Entwicklung und keine Indikator für Rechts/Links?
(Ich bin auch dafür und habe noch nie CDU gewählt.)