Die kürzlich erschienene Reportage über Volker Wissing auf der „Seite Drei“ der SZ hat einerseits eine originelle These zu Wissings Zurückhaltung gegenüber Veränderungen, deutet andererseits aber auch vorsichtig unterschiedliche Auffassungen zwischen Wissing und Christian Lindner an:
Wissing, blauer Anzug, blaue Augen, hohe Stirn, spricht erst mal über seine Heimat. Er ist im ländlichen Rheinland-Pfalz aufgewachsen, in einer calvinistischen Familie. Der Vater hat jeden Sonntag in der Kirche gepredigt, aber die Kinder mussten nicht mit in den Gottesdienst, nur wenn sie wollten. Gerade das aber habe ihn neugierig gemacht, sagt er. Als er älter war, sei er immer wieder zu Predigten seines Vaters gegangen. „Ich hatte das Gefühl: Er wollte mir dort etwas sagen.“
Im Zentrum des Calvinismus steht die Lehre von der doppelten Prädestination - einer Vorbestimmtheit in Gegenwart und Zukunft. Der Mensch kann mit seinem Handeln also nicht viel ändern am eigenen Schicksal. Für ihn sei diese Idee „lebensprägend“, sagt Wissing. „Sie verleiht einem eine große Gelassenheit. Ich habe immer versucht, mir das zu bewahren.“
Worüber die Grünen sich bis heute wundern, ist, dass die FDP den Erfolg am Ende ihnen überließ. Parteichef Christian Lindner reklamierte am Morgen nach dem Treffen vor den Kameras nur den Tankrabatt als Erfolg für seine Partei. Den allerdings verrissen ziemlich bald sämtliche Experten, während das Ticket zum Sommerhit wurde. Lange wusste niemand, dass Wissing hinter der Idee steckte. Die FDP hätte sich und ihren Minister feiern lassen können für die Aktion. Stattdessen lehnte Lindner eine Verlängerung mit der Begründung ab, er sei auch im Nahverkehr gegen „Gratismentalität“, und ließ sich erst sehr spät von Wissing vom 49-Euro-Ticket überzeugen. Bei den Grünen fragt man sich seitdem, welche Politik Wissing machen würde, wenn sein Parteichef etwas weniger gern Porsche fahren würde.